Der Kläger macht Schadensersatzansprüche nach § 826 BGB gegen seine getrennt lebende Ehefrau geltend.
In der am 05.02.1958 geschlossenen Ehe der Parteien sind zwei Kinder geboren worden, … am 27.06.1972 und … am 27.06.1984. Durch Urteil des Amtsgerichts Rastatt vom 23.04.1981 im Ehelichkeitsanfechtungsprozeß steht fest, dass … nicht die leibliche Tochter des Klägers ist. Der Kläger leistete für … von ihrer Geburt bis zur Volljährigkeit Unterhalt wie für eine leibliche Tochter. Im Ehelichkeitsanfechtungsprozeß erklärte die Beklagte am 11.12.1990 als Zeugin unter anderem:
Wenn mir jetzt vorgehalten wird, daß die gesetzliche Empfängniszeit vom 29.08.1971 bis 28.12.1971 gelaufen ist, kann ich sagen, daß ich zu dieser Zeit mit niemand anderem als meinem Mann geschlechtlich verkehrt habe. Es ist richtig, daß in der Folgezeit mein Mann mir immer wieder Vorhaltungen gemacht und mich bedrängt hat, einzugestehen, daß ich mit dem Zeugen geschlechtlich verkehrt habe. Dies ist aber nicht wahr und ich habe dies immer abgestritten.
Der Kläger behauptet, bereits im unmittelbaren Zusammenhang mit der Schwangerschaft und auch später habe er der Beklagten vorgehalten gehabt, … stamme nicht von ihm, sondern von einem anderen ab. Die Beklagte habe aber immer beteuert, nur mit ihm Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, weshalb … nur von ihm abstammen könne. Im Vertrauen darauf habe er zunächst von der Erhebung einer Ehelichkeitsanfechtungsklage abgesehen und diese erst erhoben, als die Beklagte aus der Ehewohnung ausgezogen und mit ihrem Bekannten … zusammengezogen sei.
Der Kläger meint, ihm stünden Schadensersatzansprüche nach § 826 BGB zu, weil seine Ehefrau bei einem Ehebruch ein Kind empfangen habe und Zweifel an dessen Abstammung durch unzutreffende Angaben und durch ausdrückliches Leugnen des Ehebruches zerstreut habe. Dabei habe die Beklagte seine Schädigung zumindest billigend in Kauf genommen.
Der Kläger beziffert seinen Schaden auf mindestens 50.880,‑ DM und legt dabei die jeweiligen Regelunterhaltssätze zugrunde. … machte von August 1987 bis 1990 eine Lehre und erhielt monatlich 300,‑ DM Ausbildungsvergütung bei freier Kost und Logis in der Wohnung der Parteien.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte werde verurteilt, an den Kläger 50.880,‑ DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 12.04.1991 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
Sie rügt zunächst die Zuständigkeit des Landgerichts Baden-Baden, erhebt die Einrede der Verjährung und behauptet, sie selbst habe angenommen, der Kläger sei leiblicher Vater ihrer Tochter …; vom Blutgruppengutachten sei sie völlig überrascht worden. In nüchternem Zustand habe sie der Kläger nicht gefragt, ob … seine Tochter sei, sondern nur, wenn er nicht nüchtern gewesen sei. Dann habe sie ihm keine Antwort gegeben. Erst als sie aus der Ehewohnung ausgezogen sei, habe ihr der Kläger vorgeworfen, …. stamme nicht von ihm ab.
Schließlich bestreitet die Beklagte einen Schaden als solchen, weil … im gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Wäre bereits nach der Geburt ihre Abstammung bekannt gewesen, wäre die Ehe gleichwohl nicht zerbrochen.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat das Sitzungsprotokoll des Amtsgerichts Rastatt vom 11.12.1990 im Verfahren der Ehelichkeitsanfechtung 7 C 386/90 im Wege des Urkundenbeweises verwertet; auf AS. 67 bis 69 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die vor dem Landgericht Baden-Baden erhobene Klage ist nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ zulässig, da die Beklagte ihren Wohnsitz zwar in Frankreich hat, das schädigende Ereignis aber beim Kläger in Elchesheim-Illingen eingetreten ist.
Die Klage ist auch im wesentlichen begründet, da dem Kläger ein Schadensersatzanspruch nach §§ 826, 249 ff BGB zusteht, weil die Beklagte aus einem Ehebruch ein Kind empfangen hat und dazu eine sittenwidrig schädigende Verletzungshandlung der Beklagten tritt.
1. Grundsätzlich steht dem einen Ehepartner bei Ehebruch des anderen kein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch zu; dies gilt wegen der abschließenden Regelung des Familienrechts auch dann, wenn aus der ehewidrigen Beziehung ein Kind hervorgegangen ist und der Ehemann Unterhalt bezahlt hat. Der Bereich der Ehestörungen ist nämlich nicht dem deliktischen Rechtsgüterschutz zuzuordnen, weil eine die Lebens- und Geschlechtsgemeinschaft der Ehegatten beeinträchtigende Ehestörung ohne Mitwirkung eines der Ehegatten nicht möglich ist: Der innereheliche Vorgang ist in den Schutzzweck der deliktischen Haftungstatbestände nicht einbezogen (BGH Z 57, 229, 232).
2. Allerdings schließt dies nicht aus, daß bei Hinzutreten weiterer schädigender Umstände die besondere Deliktsregel des § 826 BGB als „eine Rechtsnorm höherer Art“ zur Anwendung kommen kann (BGH, NJW 1990, 706, 708). Diese Voraussetzungen liegen in dem hier zur Entscheidung anstehenden Fall vor, da zu dem unstreitigen Ehebruch als weiteres schädigendes Verhalten der Beklagten hinzutritt, daß sie sie jedenfalls mit bedingtem Vorsatz Zweifel ihres Ehemannes an der Abstammung des Kindes … durch unzutreffende Angaben oder durch ausdrückliches Leugnen des Ehebruches zerstreut und dadurch den Kläger von der Erhebung der Ehelichkeitsanfechtungsklage abgehalten hat. In diesem Falle nämlich ergeben sich die Wertmaßstäbe für das Urteil der Sittenwidrigkeit nicht aus der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern aus eigenständigen Wertungsbereichen (BGH NJW 1990, 706, 708).
a) Die Beklagte hat zwar dem Kläger gegenüber immer wieder den Ehebruch bestritten. Damit allein kann jedoch der klägerische Schadensersatzanspruch nicht begründet werden, da die Beklagte keine Pflicht zur Offenbarung trifft. Die Beklagte hat aber über das bloße Verschweigen hinaus ein Kind aus dem Ehebruch empfangen und Zweifel des Klägers an der ehelichen Abstammung von … durch unzutreffende Angaben und das Leugnen des Ehebruches zerstreut. Dieses Geschehen ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus der eigenen Aussage der Beklagten als Zeugin im Ehelichkeitsanfechtungsprozeß. Dort nämlich sagte sie aus, ihr Mann habe ihr immer wieder Vorhaltungen gemacht und sie bedrängt, einzugestehen, daß sie mit ihrem Bekannten … geschlechtlich verkehrt habe, dies sei nicht wahr und sie habe dies immer wieder abgestritten. Sie habe in der Empfängniszeit mit keinem Mann als ihrem Ehemann geschlechtlich verkehrt.
Durch das Gerichtsprotokoll vom 11.12.1990 ist im Wege des Urkundenbeweises (§§ 437, 415, 286 Abs. 2 ZPO) erwiesen, daß die Beklagte als Zeugin diese Erklärung abgegeben hat. Eine Zeugenvernehmung des vernehmenden Richters ist nicht erforderlich, denn der beweismäßigen Verwertung des Gerichtsprotokolls steht nicht entgegen, daß die Beklagte entgegen § 170 GVG in einer Kindschaftssache in öffentlicher Sitzung vernommen worden ist.
Hat die Beklagte aber als Zeugin ausgesagt, der Kläger habe immer wieder Vorhaltungen wegen der ehelichen Abstammung der … gemacht, so ist das Gericht davon überzeugt (§ 286 Abs. 1 ZPO), daß die dementsprechenden Behauptungen des Klägers im vorliegenden Rechtsstreit richtig sind. Denn die Beklagte hat keinen plausiblen Grund anzugeben vermocht, warum sie bei ihrer Zeugenaussage die Unwahrheit gesagt haben will. Sie hätte aber damals in strafbarer Weise (§ 153 StGB) die Unwahrheit gesagt, wenn ihre Erklärungen am 31.10.1991 zu Protokoll richtig sein sollten. Im übrigen ergibt sich auch aus der Klageerwiderung vom 26.09.1991 nicht mit gebotener Deutlichkeit, daß die Beklagte bestreiten will, den Kläger durch Worte von seinen Zweifeln an der Vaterschaft abgebracht zu haben.
b) Die Beklagte hat auch mit bedingtem Vorsatz hinsichtlich der Schadenszufügung gehandelt. Auch wenn sie selbst davon ausging, der Kläger sei leiblicher Vater von ..., wusste sie doch entgegen ihren Beteuerungen, daß sie während der gesetzlichen Empfängniszeit mit einem anderen Mann außerehelichen Geschlechtsverkehr hatte. Damit war die biologische Möglichkeit einer anderweitigen Vaterschaft gegeben. Wenn sie bei dieser Kenntnis beteuert, sie habe nur mit dem Kläger geschlechtlich verkehrt und er sei Vater von …, so drückt gerade dies die Täuschung über die biologische Möglichkeit einer anderweitigen Vaterschaft aus. Durch diese Äußerungen hat sie den Kläger von einer (früheren) Erhebung der Vaterschaftsklage abgehalten und ihn veranlaßt, … wie eine leibliche Tochter zu unterhalten und zu unterstützen. Damit nahm sie seine Schädigung zumindest billigend in Kauf.
3. Durch dieses Verhalten der Beklagten erlitt der Kläger einen Vermögensschaden, denn er hat 18 Jahre lang auf eine nicht bestehende Schuld Unterhalt bezahlt, weil er als Scheinvater von … mit den Unterhaltsleistungen für sie belastet worden ist. … wahrer Vater war von Anfang an unterhaltspflichtig (vgl. BGH Z 57, 229, 235; BGH NJW 1990, 706).
Das Gericht schätzt den Schaden des Klägers (§ 287 ZPO) mindestens in Höhe des Regelunterhaltsbetrages entsprechend § 2 Regelunterhaltsverordnung iVm § 1615 f BGB, denn der Kläger hat zumindest in Höhe dieses Betrages bei intakter Ehe Unterhalt an … bezahlt. Dabei sind die Berechnungen des Klägers zugrundezulegen, denen das Gericht nach eigener Prüfung folgt.
Für die Zeit ab August 1987, in der … eine Lehre machte und 300,‑ DM als Ausbildungsvergütung erhielt, sind hiervon 150,‑ DM je Monat auf den klägerischen Unterhaltsbetrag anzurechnen, d.h. abzuziehen (§ 287 Abs. 1 ZPO iVm § 2 Regelunterhaltsverordnung und § 1615 f BGB), so daß sich die Klagesumme um 5.250,‑ DM (35 Monate à 150,‑ DM) auf 45.630,‑ DM ermäßigt.
Diesen Betrag hat die Beklagte ab 13.01.1991 mit 4 % zu verzinsen (§ 284 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB). Die Verfolgung des Anspruchs im Arrestverfahren ist nicht verzugsbegründend nach § 284 BGB und vermag keine Prozeßzinsen nach § 291 BGB auszulösen.
4. Der klägerische Schadensersatzanspruch ist schließlich nicht nach § 852 BGB verjährt. Der Kläger hatte nämlich Kenntnis vom Schadensgrund erst mit Vorlage des Blutgruppengutachtens … im Ehelichkeitsanfechtungsprozeß, also am 08.03.1991. Ein bloßer Verdacht, wie er von der Beklagten immer wieder zerstreut werden konnte, reicht nicht aus, um eine Kenntnis vom Schaden im Sinne des § 852 BGB annehmen zu können. Bevor … sein Blutgruppengutachten erstellt hatte und nachwies, daß es „den Umständen nach offenbar unmöglich ist, daß … aus einer Beiwohnung des Klägers mit der Kindesmutter entstammt“, war dem Kläger die Erhebung einer Schadensersatzklage nicht zumutbar (vgl. BGH NJW 1984, 661).