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Zusammenfassung der Entscheidung Die Parteien standen seit 1986 in Geschäftsbeziehungen. Die Beklagte mit Sitz in Großbritannien bestellte bei der deutschen Klägerin über ein Verkaufsbüro Möbel. Die Klägerin sandte der Beklagten jeweils eine Auftragsbestätigung mit Hinweis auf ihre rückseitig abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), ebenso nahm sie in den Rechnungen auf ihre AGB Bezug. Die Hinweise und die AGB waren in Deutsch verfasst; die Verhandlungssprache war Englisch. Nach der Gerichtsstandsklausel in den AGB sollte der Gerichtsstand am Sitz der Klägerin sein, dieser befand sich im Bezirk des Landgerichts Münster (DE). Die Klägerin fordert vor dem Landgericht Münster die Zahlung von Rechnungen aus dem Jahr 1990; die Beklagte rügt die internationale Zuständigkeit des Gerichts.
Das LG Münster (DE) hält sich für international zuständig. Dies ergebe sich aus Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ. Gegenstand des Rechtsstreits seien Zahlungsansprüche, die nach dem hier anzuwendenden Art. 59 Abs. 1 HS 1 EKG am Niederlassungssitz der Klägerin als Verkäuferin zu erfüllen seien. Weiterhin sei das Landgericht Münster (DE) gemäß Art. 17 Abs. 1 S. 2, 3. Var. EuGVÜ als Gerichtsstand vereinbart worden. Es sei international üblich, dass zwischen Vollkaufleuten AGB mit Gerichtsstandsvereinbarungen verwendet werden, sowie dass ein Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben als Zustimmung zu verstehen ist. Die Beklagte habe von den AGB gewusst, ihr sei auch erkennbar gewesen, dass die Klägerin den Vertrag nur unter Einbeziehung ihrer AGB schließen wollte. Dagegen spreche nicht, dass die AGB abweichend von der Verhandlungssprache in Deutsch gefasst waren. Der Beklagten sei es möglich gewesen, die Klägerin zu veranlassen, die AGB in Englisch zu übersenden oder die AGB selbst übersetzen zu lassen. Stattdessen habe sie die Auftragsbestätigungen und Rechnungen entgegengenommen und bis 1989 stets erfüllt.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Klägerin vertreibt Schlafraummöbel für mehrere Firmen. Die Beklagte vertrieb die von der Klägerin bezogenen Möbel in allen Teilen des Vereinigten Königreichs, in Nordirland, der Republik Irland und der Insel Man. Die zum 01.06.1986 aufgenommenen Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien gestalteten sich so, daß die Beklagte über ein Verkaufsbüro die von der Klägerin vertriebenen Möbel bestellte. Die Beklagte erhielt jeweils eine Auftragsbestätigung mit Hinweis auf die auf der Rückseite abgedruckten Verkaufs-, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin. Die Lieferung der Möbel erfolgte ab Werk der Klägerin auf Kosten der Beklagten. Die Klägerin erteilte der Beklagten schließlich über die einzelnen Lieferungen Rechnung. In den Rechnungen nahm sie wiederum auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bezug. § 6 Nr. 5 der Verkaufs-, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin lautet wie folgt:
„Von uns nicht schriftlich anerkannte oder nicht rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen und Mängel berechtigen den Besteller weder zur Aufrechnung noch zur Zurückbehaltung der Zahlung.“
Wegen des weiteren Inhalts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin wird auf Bl. 15 R der Akten Bezug genommen.
In der Zeit vom 31.08.1989 bis zum 22.05.1990 stellte die Klägerin der Beklagten über die Lieferung von bestellten Möbeln in Übereinstimmung mit zuvor übersandten Auftragsbestätigungen insgesamt 135.591,74 DM in Rechnung. Wegen der Auftragsbestätigungen und der Rechnungen wird auf den Anlagenband Bezug genommen. Darüber hinaus stellte die Klägerin der Beklagten vereinbarungsgemäß die Transportkosten mit 7.497,‑ DM in Rechnung. Diesen Rechnungsbeträgen stehen Gutschriften der Klägerin in Höhe von insgesamt 3.696,47 DM gegenüber. Der Schuldsaldo zu Lasten der Beklagten beträgt danach 139.392,27 DM. Auf die Aufstellung B1. 30, 31 der Akten wird verwiesen.
Die Klägerin forderte die Beklagte unter dem 15.05., 17.05. und 28.05.1990 zur Zahlung auf. Die Beklagte zahlte nicht.
Die Klägerin ist der Ansicht, für die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien gelte deutsches Recht. Ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien Inhalt der einzelnen Verträge geworden. Der Ort ihrer Handelsniederlassung sei nach § 10 Nr. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen als Gerichtsstand vereinbart worden. Die Gerichtsstandsvereinbarung sei jeweils durch die Auftragsbestätigung, auf die die Beklagte geschwiegen habe, Vertragsbestandteil geworden.
Die Klägerin behauptet, sie nehme in Höhe der Klageforderung Bankkredit zu einem Zinssatz von 9 % in Anspruch.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 139.392,27 DM nebst 9 % Zinsen seit dem 28.05.1990 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die Klage für unzulässig. Sie hat die örtliche bzw. internationale Unzuständigkeit des Landgerichts Münster gerügt. Sie ist der Ansicht, die Parteien hätten keine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung getroffen. Auf eine Gerichtsstandsvereinbarung sei Artikel 17 EuGVÜ anzuwenden. Dessen Voraussetzungen lägen nicht vor. Es gebe auch keinen internationalen Handelsbrauch der in Artikel 17 EuGVÜ angesprochenen Art, der den durch die Klägerin erfolgten formlosen Hinweis auf ihre eine Gerichtsstandsvereinbarung enthaltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen genügen ließe. Da der formlose Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf der Vorderseite der Auftragsbestätigungen und Rechnungen in deutscher Sprache erfolgt sei, seien die Allgemeinen Geschäftsbedingungen schon nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Unstreitig sei die Verhandlungssprache zwischen den Parteien Englisch gewesen.
Abgesehen davon sei die Klage auch unbegründet. Die Beklagte, die ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht, trägt dazu vor, sie habe gegen die Klägerin einen aufrechenbaren noch nicht bezifferbaren Schadensersatzanspruch aufgrund einer unbegründeten vorzeitigen Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Vertriebsvertrages durch die Klägerin. Wegen der Einzelheiten verweist sie auf den Rechtsstreit 25 0 69/90 Landgericht Münster.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Davon hat die Kammer neues tatsächliches Vorbringen der Klägerin in dem Schriftsatz vom 21.01.1991 für die Entscheidung nicht berücksichtigt, weil die Beklagte dazu noch nicht gehört worden ist.
Entscheidungsgründe:
1. Die Klage ist zulässig.
a) Das Landgericht Münster ist gemäß Artikel 1, 5 Nr. 1 EuGVÜ, 1 Abs. 1 a, 59 Abs. 1 1. Halbsatz EKG international zuständig. Die Klägerin kann die Beklagte gemäß Artikel 5 Nr. 1 EuGVÜ in der Bundesrepublik Deutschland vor dem Gericht des Erfüllungsortes des geltend gemachten Kaufpreisanspruchs verklagen. Beide Parteien haben den Sitz ihrer Niederlassungen jeweils im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates, die Klägerin in Deutschland und die Beklagte in Großbritannien. Gegenstand des Rechtsstreits sind Zahlungsansprüche aus einem Kaufvertrag über Möbel, die gemäß Artikel 59 Abs. 1 1. Halbsatz EKG am Niederlassungssitz der Klägerin als Verkäuferin in … zu erfüllen sind. Die Anwendbarkeit des EKG folgt aus Artikel 1 Abs. 1 a EKG. Die Parteien haben Kaufverträge über bewegliche Sachen geschlossen. Ihre Niederlassungen befinden sich im Gebiet verschiedener Vertragsstaaten, zu denen die Bundesrepublik Deutschland und Großbritannien gehören. Die verkauften Möbel sind vertragsgemäß aus dem Gebiet der Bundesrepublik nach Großbritannien befördert worden. Es handelt sich um einen Versendungskauf im Sinne des Artikel 19 Abs. 2 EKG.
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich darüber hinaus die ausschließliche internationale Zuständigkeit des Landgerichts Münster aus Artikel 17 Abs. l EuGVÜ. Denn die Parteien haben eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung getroffen. Die Gerichtsstandsvereinbarung gilt gemäß Artikel 17 Abs. 1 Satz 2 3. Alternative EuGVÜ dadurch als getroffen, daß die Beklagte auf die kaufmännischen Bestätigungsschreiben der Klägerin geschwiegen hat. Es ist zwischen Vollkaufleuten, insbesondere zwischen Handelsgesellschaften, international üblich, Allgemeine Geschäftsbedingungen mit Gerichtsstandsvereinbarungen zu verwenden. Die Vereinbarung auch einer internationalen Zuständigkeit ist durch Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben möglich. Es ist internationaler Handelsbrauch im Sinne des Artikels 17 Abs. 1 Satz 2 3. Alternative EuGVÜ, das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben als Zustimmung zu verstehen. Die Beklagte mußte auch nach ihrem Wohnsitzrecht damit rechnen, daß ihr Schweigen als Zustimmung gewertet wird. Die Parteien standen nämlich seit dem 01.06.1986 in ständiger Geschäftsbeziehung. Die Klägerin führte eine Vielzahl von Lieferungen nach Einzelbestellungen und entsprechenden Auftragsbestätigungen aus. Sie erteilte allein zwischen dem 31.08.1990 und dem 22.05.1990 76 Rechnungen über Möbellieferungen. Allen Auftragsbestätigungen und Rechnungen waren die Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit der in § 10 Nr. 2 enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung beigefügt. Die Beklagte wußte von der Existenz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin. Es war ihr auch erkennbar, daß die Klägerin den Vertrag nur unter Einbeziehung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen abschließen wollte. Dagegen spricht auch nicht, daß die Allgemeinen Geschäftsbedingungen selbst und die in den Auftragsbestätigungen und Rechnungen auf der Vorderseite enthaltenen Hinweise auf die jeweils auf der Rückseite abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen in deutscher Sprache abgefaßt sind, während die Verhandlungssprache zwischen den Parteien Englisch war. Denn die fortdauernde widerspruchslose Entgegennahme von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die als solche dem Erklärungsgegner erkennbar sind, läßt bei objektiver Betrachtung nur den Schluß zu, der Erklärungsgegner sei mit diesen Bedingungen einverstanden. Der Beklagten wäre es ohne weiteres möglich gewesen, die Klägerin zur Obersendung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in englischer Sprache zu veranlassen bzw. die Bedingungen selbst übersetzen zu lassen. Stattdessen hat die Beklagte ohne zu widersprechen die einzelnen Auftragsbestätigungen, Lieferungen und Rechnungen entgegengenommen und in der Zeit zwischen Juni 1986 und August 1989 Kaufpreisansprüche der Klägerin stets erfüllt. Die Klägerin durfte das Verhalten der Beklagten als Einverständnis auffassen.
2. Die Klage ist auch begründet.
a) Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß Artikel 56 EKG einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises und aufgrund der getroffenen Zusatzvereinbarung auf Zahlung der Transportkosten in Höhe von insgesamt 139.392,27 DM. Der Zahlungsanspruch ist zwischen den Parteien nach Grund und Höhe unstreitig.
b) Die Beklagte kann gegenüber dem Zahlungsanspruch kein Zurückbehaltungsrecht geltend machen. Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Beklagte entsprechend ihrem Vorbringen aufgrund vorzeitiger Kündigung des Vertriebsvertrages durch. die Klägerin ein Schadensersatzanspruch und darauf gestützt ein Zurückbehaltungsrecht tatsächlich zusteht. Denn nach § 6 Nr. 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, die – wie dargelegt – Vertragsbestandteil geworden sind, haben die Parteien unter Berücksichtigung des § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes wirksam ausgeschlossen.
Der Zinsanspruch ist nur in Höhe von 3 % über dem jeweiligen Diskontosatz der Deutschen Bundesbank aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 353 Satz 1, 352 Abs. 1 Satz 1 HGB iVm § 6 Nr. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin gerechtfertigt. Spätestens seit dem 28.05.1990 befindet sich die Beklagte in Verzug. Für das Bestehen eines weitergehenden Zinsanspruchs hat die Klägerin keinen Beweis angetreten.