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Zusammenfassung der Entscheidung Die Gläubigerin beantragte in Deutschland die Erteilung der Vollstreckungsklausel für einen dänischen Unterhaltstitel. Durch Beschluss des zuständigen Gerichts wurde angeordnet, den dänischen Titel mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Dagegen wandte sich der Schuldner mit der Beschwerde unter Hinweis auf seine mangelnde Leistungsfähigkeit.
Das Kammergericht Berlin (DE) führt aus, dass der Einwand mangelnder Leistungsfähigkeit keinen zulässigen Einwand im Beschwerdeverfahren gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel darstelle. Zwar könne der Schuldner gemäß § 13 Abs. 1 und 2 AVAG mit der Beschwerde auch Einwendungen gegen den titulierten Anspruch selbst geltend machen. Hierzu gehöre der Einwand mangelnder Leistungsfähigkeit jedoch nicht. § 13 AVAG lasse aus Gründen der Verfahrensökonomie im Beschwerdeverfahren auch Einwendungen gegen den Anspruch selbst zu, die in dem ausländischen Verfahren nicht berücksichtigt werden konnten, beispielsweise die spätere Erfüllung. Mit dem Einwand mangelnder Leistungsfähigkeit mache der Schuldner jedoch geltend, dass die Prognose über sein wirtschaftliches Vermögen in dem ausländischen Urteil falsch gewesen sei. Dadurch werde die Rechtskraft des ausländischen Titels angegriffen. Wäre eine solche Kontrolle im Exequaturverfahren zulässig, hätte sie eine inhaltliche Nachprüfung der ausländischen Entscheidung zur Folge (révision au fond), die nach Art. 29 EuGVÜ untersagt sei.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der Schuldner ist mit Bescheid der Staatskreisbehörde Sønderjylland vom 19. April 1985 – 34-926-83 BTA/KN – verpflichtet worden, mit Wirkung ab 23. Dezember 1983 bis auf weiteres jeweils am 1. April und 1. Oktober im voraus den preisindexgeregelten Normalbeitrag eines Vaters zum Unterhalt der Gläubigerin zu zahlen. Für die Zeit vom 1. Juli 1989 bis zum 1. Juli 1990 ist der jährliche Normalbeitrag auf dkr 7.572,‑ festgesetzt worden. Unter dem 18. Dezember 1989 hat die Gläubigerin erklärt, zunächst nur die seit dem 1. Juli 1989 fälligen Beträge geltend zu machen und beantragt, die Zwangsvollstreckung aus der Unterhaltsentscheidung der Staatskreisbehörde Sønderjylland zuzulassen und die Vollstreckungsklausel wegen eines Unterhaltsbetrages von jährlich dkr. 7.572, –, zu zahlen ab 1. Juli 1989, zu erteilen. Durch Beschluß des Vorsitzenden der Zivilkammer 26 des Landgerichts Berlin vom 21. März 1990 – 26 0 564/89 – ist angeordnet worden, daß die Entscheidung der Staatskreisbehörde (Staatsamt) Sønderjylland mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist, und zwar wegen der Unterhaltsforderungen für die Zeit seit dem 1. Juli 1989. Der Beschluß gibt ferner den Regelunterhalt per 19. April 1985 an. Auf den ihm am 17. Mai 1990 zugestellten Beschluß hat der Schuldner am 5. Juni 1990 mitgeteilt, daß er jetzt arbeitslos sei und nicht bezahlen könne. Die als Beschwerde anzusehende Eingabe des Schuldners ist erfolglos.
Mit seiner Eingabe vom 29. Mai 1990, bei Gericht eingegangen am 5. Juni 1990, wendet sich der Unterhaltsschuldner unter Hinweis auf seine mangelnde Leistungsfähigkeit gegen die Vollstreckbarerklärung durch den angefochtenen Beschluß.
Die Eingabe ist als Beschwerde gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung gemäß § 11 Abs. 1 AVAG anzusehen. Das Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz – AVAG) vom 30. Mai 1988 (BGBl. 1988 I S. 662) ist nach dessen § 61 Abs. 1 am Tage seiner Verkündung, d. h. am 8. Juni 1988 in Kraft. getreten und gilt nach § 60 auch im Land Berlin (GVBl. S. 878).Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 2 AVAG ist dieses Gesetz nunmehr auch auf das Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen (BGBl. 1986 II S. 825) anzuwenden. Ob die Vollstreckbarerklärung sich zugleich auch nach dem Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (BGBl. 1972 II S. 773) richtet, kann dahinstehen, weil das AVAG nach dessen § 35 Abs. 1 Nr. 1 gleichermaßen anzuwenden ist. Das Haager Übereinkommen ist für die Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu Dänemark am 1. Januar 1988 in Kraft getreten (BGBl. 1988 II S. 98). Das Übereinkommen vom 27. September 1968 gilt im Verhältnis zu Dänemark seit dem 1. November 1986 (BGBl. 1986 II S. 1020, BGBl. 1988 II S. 791).
Die Beschwerde des Schuldners ist gemäß § 12 Abs. 2 und 3 AVAG fristgerecht innerhalb eines Monats eingelegt worden. Die Einlegung beim Landgericht steht nach § 18 Abs. 2. der Einlegung beim Kammergericht (Oberlandesgericht) gleich. Die Beschwerde konnte nach § 12 Abs. 1 durch Einreichen einer Beschwerdeschrift formwirksam erfolgen; Anwaltszwang bestände erst nach Anordnung der mündlichen Verhandlung über die Beschwerde, die aber nach § 14 Abs. 1 Satz 2 AVAG nicht zwingend ist.
Die somit zulässige Beschwerde ist jedoch sachlich nicht gerechtfertigt. Die Zulassung der Vollstreckung durch das Landgericht ist einwandfrei durchgeführt. worden. Die von dem Schuldner mit der Beschwerde vorgetragenen Einwendungen sind in diesem Verfahren nicht zu berücksichtigen.
Nach § 1 Abs. 1 AVAG unterliegt die Ausführung der in § 35 genannten zwischenstaatlichen Verträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und anderen Staaten über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Schuldtiteln in Zivil- und Handelssachen diesem Gesetz, das die Regelungen der zwischenstaatlichen Verträge nicht beeinträchtigt (§ 1 Abs. 2 AVAG).
Gemäß § 2 Abs. 1 AVAG, Art. 13 Haager Übereinkommen 1973 ist für die Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen ausschließlich das Landgericht zuständig, örtlich ist ausschließlich das Wohnsitzgericht des Schuldners zuständig (§ 2 Abs. 2 AVAG). Das Verfahren ist Feriensache (§ 2 Abs. 3 AVAG). Der Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel kann bei dem Landgericht schriftlich eingereicht werden (§ 3 Abs. 2 AVAG). Die erforderlichen Unterlagen nach Art. 17 Haager Übereinkommen 1973 sind eingereicht worden. Es bedarf keiner Entscheidung, ob nach § 3 Abs. 1 AVAG auch nicht rechtskräftige, aber in dem anderen Staat vollstreckbare Schuldtitel ausreichend sind, da im vorliegenden Fall eine Bescheinigung darüber in Urschrift und beglaubigter Übersetzung vorgelegt worden ist, daß die Unterhaltsverfügung rechtskräftig und in Dänemark vollstreckbar ist (Art. 17 Abs. 1 Haager Übereinkommen 1973). Aus Art. 1 Abs. 1 Haager Übereinkommen 1973 ergibt sich, daß auch vollstreckbare Entscheidungen von Verwaltungsbehörden über Unterhaltspflichten taugliche Schuldtitel sind. Die Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten nach § 4 Abs. 1 AVAG ist entbehrlich, weil die Gläubigerin Bevollmächtigte bestellt hat (§ 4 Abs. 3 AVAG). Von dem Erfordernis, daß der Bevollmächtigte, der nicht ein bei einem deutschen Gericht zugelassener Rechtsanwalt ist, im Bezirk des angerufenen Gerichts wohnen muß, durfte der Vorsitzende des Landgerichts absehen, weil die Bevollmächtigten der Gläubigerin einen anderen Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben (§ 4 Abs. 3 AVAG).
Über den Antrag auf Zulassung der Vollstreckung war vom Landgericht ohne Anhörung des Schuldners und ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden (§ 5 Abs. 1 Satz 1 AVAG). Die Vertretung durch einen Anwalt war in dem Verfahren vor dem Vorsitzenden des Landgerichts nicht erforderlich (§ 5 Abs. 2 AVAG).
Da keine sonstigen Hindernisse ersichtlich sind, durfte der Vorsitzende der Zivilkammer des Landgerichts Berlin durch den angefochtenen Beschluß mit Recht anordnen, daß der Schuldtitel mit der Vollstreckungsklausel gemäß § 8 AVAG zu versehen ist (§ 7 Satz 1 AVAG).
Entsprechend dem Antrag der Gläubigerin war die Zulassung der Zwangsvollstreckung auf die seit dem 1. Juli 1989 fällig werdenden Unterhaltsbeträge zu beschränken. Nach § 7 Satz 2 AVAG ist in der Anordnung die zu vollstreckende Verurteilung oder Verpflichtung in deutscher Sprache wiederzugeben. Die vorhandenen Angaben sind freilich unzureichend und vom Senat, weil die Unterhaltsangelegenheit der Beschleunigung bedarf, zu berichtigen. Anzugeben sind nämlich die gegenwärtigen Zahlungsverbindlichkeiten des Schuldners, die aus der Anordnung des Vorsitzenden in die von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erteilende Vollstreckungsklausel zu übernehmen sind (§ 8 Abs. 1 AVAG).
Nach der den Vollstreckungsunterlagen beigefügten Bescheinigung vom 26. Juli 1989 beträgt der jährliche Normalbeitrag vom 1. Juli 1989 an dkr. 7.572, . Dieser Betrag ist in die Vollstreckbarerklärung ergänzend aufzunehmen. Es ist auszusprechen, daß entsprechend der Fälligkeitsregel in dem ausländischen Schuldtitel folgende Normalbeiträge fällig geworden sind:
per 1.7.1989 für die Zeit bis zum 1.10.1989 dkr. 1.893,
per 1.10.1989 für die Zeit bis zum 1. 4.1990 dkr. 3.786,
per 1.4.1989 für die Zeit bis zum 1.10. 1990 dkr. 3.786
und zukünftig fällig werden mit jedem folgenden 1.4. und 1.10. dkr. 3786,
wobei noch nicht für vollstreckbar erklärt worden sind und nachgefordert werden können die Erhöhungsbeträge für die Zeit seit dem 1. Juli 1990.
Mit dem Einwand der mangelnden Leistungsfähigkeit kann der Schuldner jedenfalls in diesem Verfahren nicht gehört werden. Zwar kann der Schuldner gem. § 13 Abs. 1 und 2 AVAG bei Urteilen bzw. öffentlichen Urkunden mit der Beschwerde auch Einwendungen gegen den Anspruch selbst geltend machen. Der Einwand der mangelnden Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners gehört jedoch nicht dazu.
Verfahrensgegenstand ist bei der Vollstreckbarerklärung ausländischer Unterhaltstitel nur die Vollstreckbarkeit des ausländischen Titels im Inland. Aus Gründen der Verfahrensökonomie werden im Beschwerdeverfahren auch Einwendungen gegen den Anspruch selbst zugelassen, die in dem ausländischen Verfahren nicht berücksichtigt werden konnten. Darunter fällt etwa die spätere Erfüllung des durch die ausländische Entscheidung geregelten Anspruchs, die diesen zum Erlöschen bringt. Berücksichtigt werden sollen also Einwendungen, die nach deutschen Prozeßrecht in den Anwendungsbereich des § 767 ZPO fallen. Bezeichnenderweise definiert § 15 Abs. 1 AVAG die Einwendungen gegen den Anspruch selbst unter Bezugnahme auf § 767 ZPO, enthält § 15 Abs. 2 AVAG die dem § 797 Abs. 4 ZPO entsprechende Regelung und spricht die Überschrift vor § 11 AVAG von der „Vollstreckungsgegenklage“.
Der Einwand der mangelnden Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners fällt weder nach deutschem autonomen Recht noch im Exequaturverfahren unter die Einwendungen gegen den Anspruch selbst. Ziel der Vollstreckungsabwehrklage und des entsprechenden Rechtsbehelfs im Exequaturverfahren ist eine rein prozessuale Gestaltung. Streitgegenstand ist nur die Beseitigung der Vollstreckbarkeit. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof (NJW 1990, 1419) für die gleich gelagerte Fallgestaltung nach dem deutsch-österreichischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag vom 6. Juni 1959 sowie dem Ausführungsgesetz vom 8. März 1960 (BGBl. I S. 169) ausgesprochen, daß die Geltendmachung eines Abänderungsverlangens nach § 323 ZPO im Exequaturverfahren unzulässig ist. Im gleichen Sinne haben sich bereits vorher ausgesprochen OLG Hamm vom 13. März 1979 – 2 WF 92/79 – JURIS Dokument 4 DOKNr. 210215 ebenfalls bezgl. einer österreichischen Erstentscheidung; Wolff in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts Bd. III/2 Kap. IV Rn. 457 bis 461 zu dem früheren Haager Unterhalts-Übereinkommen 1958; Peter Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, S. 151. Dem schließt der Senat sich aus den dargelegten Gründen an. Will ein Schuldner also den Unterhaltstitel nicht hinsichtlich seiner Vollstreckbarkeit, sondern in anderer Richtung, nämlich sachlich angreifen, muß er etwa – im Falle der veränderten Leistungsfähigkeit bei Unterhaltspflichten – eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO erheben. Damit macht er geltend, daß die Prognose über sein wirtschaftliches Vermögen in der früheren Entscheidung falsch war. Er greift dadurch die Rechtskraft des Unterhaltstitels an. Wäre eine solche Kontrolle im Exequaturverfahren zulässig, hätte sie eine inhaltliche Nachprüfung der ausländischen Entscheidung (revision au fond) zur Folge, die schon nach § 723 ZPO untersagt ist. Dessen Grundsatz ist in Art. 12 Haager Übereinkommen 1973 bekräftigt. Auch in Art. 29 des in Art. 35 Abs. 1 Nr. 1 AVAG genannten Übereinkommens ist wiederum ausdrücklich bestimmt, daß die ausländische Entscheidung keinesfalls – also in keinerlei Beziehung – auf ihre Gesetzmäßigkeit sachlich nachgeprüft werden darf.