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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragstellerin betrieb in Deutschland gegen den Antragsgegner die Vollstreckung aus einem italienischen Unterhaltsurteil. Antragsgemäß wurde die Vollstreckungsklausel erteilt und dem Antragsgegner im Wege der Ersatzzustellung durch Niederlegung bei der zuständigen Postanstalt zugestellt. Nach Ablauf der Monatsfrist des Art. 36 Abs. 1 EuGVÜ erfuhr der Antragsgegner durch Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin von der Erteilung der Vollstreckungsklausel. Er legte Beschwerde ein und beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Frist, da er den in seinen Briefkasten eingelegten Benachrichtigungsschein nicht gefunden habe. In der Sache trug er vor, er habe den geschuldeten Unterhalt stets gezahlt, daher hätte kein Rechtsschutzbedürfnis dafür bestanden, den Titel mit der Vollstreckungsklausel zu versehen.
Das OLG Frankfurt (DE) führt aus, dass dem Antragsgegner gemäß § 11 Abs. 2 des deutschen Ausführungsgesetzes zum EuGVÜ die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des Art. 36 Abs. 1 EuGVÜ zu gewähren sei. Er habe mittels eidesstattlicher Versicherung glaubhaft gemacht, ohne sein Verschulden von der Zustellung keine Kenntnis gehabt zu haben. Sein Einwand, die Antragstellerin habe kein schutzwürdiges Interesse daran, den italienischen Unterhaltstitel in Deutschland mit der Vollstreckungsklausel versehen zu lassen, weil er die Unterhaltsforderungen bisher freiwillig beglichen habe, könne jedoch der Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht entgegengehalten werden. Wenn wie hier ein ausländischer Vollstreckungstitel vorliege, müsse das zuständige Gericht auf Antrag die Vollstreckungsklausel erteilen, wenn nicht einer der in Art. 27, 28 EuGVÜ genannten Gründe vorliege. Das sei hier nicht der Fall. Den Erfüllungseinwand habe der Antragsgegner jedoch nach § 14 des deutschen Ausführungsgesetzes zu Recht erhoben. Insoweit sei der angefochtene Beschluss abzuändern.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Parteien, beide italienische Staatsangehörige, sind Eheleute. Durch das seit September 1985 rechtskräftige Urteil des Landgerichts Caltagirone vom 10.07.1985 ist die persönliche Trennung der Parteien (auf Klage des Antragsgegners) angeordnet und der Antragsgegner verurteilt worden, an die Antragstellerin Unterhalt in Höhe von monatlich 250.000 Lire zu zahlen. Unter dem 25.10.1986 ist der Antragstellerin vom Landgericht Caltagirone eine vollstreckbare Ausfertigung dieses Urteils erteilt worden.
Die Antragstellerin hat, gestützt auf das Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.09.1968 (EuGVÜ) mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 19.01.1987 bei dem Landgericht Wiesbaden, in dessen Bezirk der Antragsgegner seinen Wohnsitz hat, die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 10.07.1985 in der Bundesrepublik Deutschland und die Erteilung der Vollstreckungsklausel für dieses Urteil insoweit beantragt, als der Antragsgegner zur Zahlung von Unterhalt verurteilt worden ist. Diesem Antrag hat die Vorsitzende der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden durch den ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners ergangenen Beschluß vom 01.06.1987 entsprochen.
Eine Ausfertigung des Beschlusses vom 01.06.1987 sowie eine beglaubigte Abschrift des nach § 8 AusfG zum EuGVÜ mit der Vollstreckungsklausel versehenen Urteils vom 10.07.1985 sind dem Antragsgegner von amtswegen am 31.07.1987 im Wege der Ersatzzustellung durch Niederlegung bei der zuständigen Postanstalt in Wiesbaden zugestellt worden. Der Antragsgegner hat mit dem an das Landgericht Wiesbaden gerichteten und dort am 11.09.1987 eingegangenen Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom gleichen Tag sofortige Beschwerde gegen den Beschluß vom 01.06.1987 eingelegt mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Antrag der Antragstellerin vom 19.01.1987 zurückzuweisen. Gleichzeitig hat er beantragt, ihm gegen die Versäumung der Monatsfrist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erteilen. Zu dem Wiedereinsetzungsantrag hat er vorgetragen, er habe die schriftliche Mitteilung über die am 31.07.1987 erfolgte Niederlegung der ihm von amtswegen zugestellten Schriftstücke nicht erhalten. Er habe am 29.08.1987 ein Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 26.08.1987 bekommen, durch das er aufgefordert worden sei, zur Vermeidung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen rückständigen Unterhalt in Höhe von 6.500.000 Lire und ab 01.09.1987 monatlich 250.000 Lire für Unterhalt an die Antragstellerin zu zahlen, und in dem auf eine vom Landgericht Wiesbaden unter dem 30.07.1987 erteilte Vollstreckungsklausel zu dem Urteil vom 10.07.1985 Bezug genommen worden sei. Daraufhin habe er seinen jetzigen Verfahrensbevollmächtigten aufgesucht und um Rat gebeten. Dieser habe ihm empfohlen, bei dem Postamt Wiesbaden Nachforschungen über eine mögliche Zustellung gerichtlicher Schriftstücke anzustellen. Daraufhin habe er am 02.09.1987 bei dem Postamt Wiesbaden vorgesprochen. Dort sei ihm zunächst erklärt worden, für ihn sei kein Schriftstück des Landgerichts Wiesbaden niedergelegt worden. Erst auf nochmaliges Nachfragen seien ihm die am 31.07.1987 niedergelegten Schriftstücke am 02.09.1987 ausgehändigt worden. Zur Glaubhaftmachung dieses Vortrags hat der Antragsgegner eine von ihm selbst unter dem 11.09.1987 abgegebene eidesstattliche Versicherung und eine eidesstattliche Versicherung der … in Wiesbaden vom 11.09.1987 vorgelegt.
In der Sache trägt der Antragsgegner vor, er sei seiner Pflicht zu Unterhaltszahlungen aus dem Urteil vom 10.07.1985 stets nachgekommen. Dazu hat er Ablichtungen einer Fülle von Postanweisungen vorgelegt, auf deren Inhalt (Hülle Bl. 75 der Akten) Bezug genommen wird. Bei dieser Sachlage habe die Antragstellerin keinen Anlaß gehabt, den Unterhaltstitel des Landgerichts Caltagirone vom 10.07.1985 in der Bundesrepublik Deutschland mit der Vollstreckungsklausel versehen zu lassen.
Die Antragstellerin hat um Zurückweisung der sofortigen Beschwerde gebeten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze und auf den Inhalt der vom Senat eingeholten schriftlichen Auskunft des Postamts Wiesbaden vom 29.10.1987 verwiesen.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist statthaft sowie formgerecht eingelegt worden (Art. 36 Abs. 1, 37 Abs. 1 EuGVÜ, 12 Abs. 1 und 2 AusfG zum EuGVÜ). Sie ist auch trotz der Nichteinhaltung der als Notfrist ausgestalteten Monatsfrist, innerhalb deren der Schuldner die Beschwerde gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung einlegen kann (Art. 36 Abs. 1 EuGVÜ, § 11 Abs. 1 AusfG zum EuGVÜ), als rechtzeitig eingelegt zu betrachten, weil dem Antragsteller auf seinen entsprechenden Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist zu erteilen ist (§ 11 Abs. 2 AusfG zum EuGVÜ). Zwar begründet die Postzustellungsurkunde vom 31.07.1987 als öffentliche Urkunde vollen Beweis, daß der Zusteller, der die Postzustellungsurkunde ausgefertigt hat, einen Benachrichtigungsschein über die vorzunehmende Niederlegung ausgefertigt und in den Hausbriefkasten des Antragsgegners am 31.07.1987 eingelegt hat (§ 418 Abs. 1 ZPO). Den gemäß § 418 Abs. 2 ZPO zulässigen Gegenbeweis hat der Antragsgegner durch die beiden von ihm vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen, die nur Mittel der Glaubhaftmachung sind (§ 294 Abs. 1 ZPO), nicht erbracht. Das bedeutet, daß die am 31.07.1987 erfolgte Niederlegung und der darin liegende Zustellungsakt wirksam sind. Der Antragsgegner hat jedoch durch Vorlage der beiden eidesstattlichen Versicherungen vom 11.09.1987 innerhalb der für den Wiedereinsetzungsantrag geltenden 2 Wochen-Frist des § 234 Abs. 1 ZPO glaubhaft gemacht, daß er ohne sein Verschulden von der Zustellung vom 31.07.1987 jedenfalls nicht vor dem 29.08.1987 Kenntnis erlangt hat. Denn nach den glaubhaften Darstellungen in den beiden eidesstattlichen Versicherungen hat der Antragsgegner den Benachrichtigungsschein, den der Postzusteller in den Briefkasten eingeworfen hat, nicht gefunden. Dann aber ist dem Antragsgegner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erteilen, zumal der Gesetzgeber durch die Schaffung des § 11 Abs. 2 AusfG zum EuGVÜ die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung deshalb hat erleichtern wollen, weil der Schuldner am erstinstanzlichen Klauselerteilungsverfahren, das mit der beschwerdefähigen Entscheidung abschließt, nicht beteiligt ist (Art. 34 Abs. 1 EuGVÜ) und deshalb nur der Rechtsbehelf der Beschwerde ihm die Möglichkeit gibt, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (Amtliche Begründung zu § 11 AusfG zum EuGVÜ, BT- Drucksache VI/3426 S. 16; Kropholler; Europäisches Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., Art. 36 EuGVÜ Rn. 9).
Die danach insgesamt zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist in dem aus der Formel des Senatsbeschlusses ersichtlichen Umfang begründet, im übrigen unbegründet.
Der Anwendbarkeit des EuGVÜ im vorliegenden Fall steht nicht entgegen, daß in dem Urteil vom 10.07.1985 über den Unterhaltsanspruch der Antragstellerin nur als Annex zu einer Statusfrage entschieden worden ist. Zwar ist das Übereinkommen nicht auf den Personenstand – also auf Statusverfahren – anwendbar (Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 EuGVÜ). Es entspricht jedoch allgemeiner Ansicht, daß Unterhaltstitel, die Bestandteil einer Entscheidung über Personenstandsfragen im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 EuGVÜ sind, nach den Vorschriften des Titels III anerkannt und vollstreckt werden können, obwohl für das Statusverfahren selbst die Anwendbarkeit des Übereinkommens ausgeschlossen ist (Kropholler, aaO, Art. 5 EuGVÜ Rn. 23; Linke in Bülow/Böckstiegel, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Art. 5 EuGVÜ Anm. II 2 c = 606/65 und Art. 25 EuGVÜ Anm.;III 1 = 606/191; Grunsky, JZ 1973, 643; Schlosser, FamRZ 1973, 430).
Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand des Antragsgegners, die Antragstellerin habe deshalb kein schutzwürdiges Interesse daran, den italienischen Unterhaltstitel in der Bundesrepublik Deutschland mit der Vollstreckungsklausel versehen zu lassen, weil er bisher freiwillig die Unterhaltsansprüche der Antragstellerin erfüllt habe. Liegt – wie hier – ein ausländischer Vollstreckungstitel vor, der in den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des EuGVÜ fällt, dann muß das Gericht des Vollstreckungsstaates dem Antrag des Antragstellers, den ausländischen Titel mit der Vollstreckungsklausel zu versehen, grundsätzlich stattgeben, sofern nicht einer der in Art. 27 und 28 EuGVÜ angeführten Gründe vorliegt (Art. 34 Abs. 2 EuGVÜ). Das Vorliegen eines dieser Versagungsgründe behauptet der Antragsgegner selbst nicht. Anhaltspunkte dafür sind auch nicht ersichtlich. Auf ihre Gesetzmäßigkeit darf die ausländische Entscheidung keinesfalls nachgeprüft werden (Art. 34 Abs. 3 EuGVÜ). Das Gericht des Vollstreckungsstaates darf also grundsätzlich nicht prüfen, ob Fehler im erststaatlichen Verfahren unterlaufen sind, ob die Tatsachen richtig festgestellt und gewürdigt wurden und ob das internationale Privatrecht sowie das materielle Recht zutreffend angewandt wurden (vgl. Kropholler, aaO, Art. 29 EuGVÜ Rn. 2 mit weiteren Nachweisen).
Indessen führt der vom Antragsgegner erhobene Einwand der Erfüllung zu einer teilweisen Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Der Einwand der – sei es auch nur teilweisen – Erfüllung der titulierten Forderung ist im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich zulässig (14 AusfG zum EuGVÜ); der Schuldner ist sogar gehalten, diese Einwendung im Beschwerdeverfahren geltend zu machen, da er andernfalls hiermit in einem im übrigen zulässigen Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO gegen die titulierte Forderung präkludiert wäre (§ 15 AusfG zum EuGVÜ).
Die Pflicht des Antragsgegners, an die Antragstellerin aufgrund des Urteils vom 10.07.1985 monatlich 250.000 Lire Unterhalt zu zahlen, beginnt mit der im September 1985 eingetretenen Rechtskraft dieses Urteils, also am 01.09.1985. Das ist zwischen den Parteien im Beschwerdeverfahren unstreitig geworden (vgl. die Seite 1 des Schriftsatzes der Antragstellerin vom 10.11.1987 – Bl. 77 der Akten – und die Seite 1 des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 26.11.1987 – Bl. 79 der Akten -). Aufgrund der vom Antragsteller mit seinem Schriftsatz vom 26.10.1987 in Ablichtung vorgelegten Postanweisungen ist davon auszugehen, daß er an die Antragstellerin am 11.10.1985 einen Betrag von 200.000 Lire, am 08.11.1985 einen Betrag von 300.000 Lire (womit die Unterhaltsansprüche für Oktober und November 1985 erfüllt worden sind) und in den Monaten Dezember 1985 bis einschließlich Oktober 1987 jeweils 250.000 Lire überwiesen hat. Nach Vorlage dieser Belege hat die Antragstellerin die vom Antragsgegner behaupteten Zahlungen nicht mehr in Abrede gestellt. Sie hat zwar mit ihrem Schriftsatz vom 10.11.1987 vorgetragen, die endgültige Überprüfung der Korrektheit der Zahlungsbelege bleibe vorbehalten. Seitdem hat sie jedoch nichts mehr vorgetragen. Bei dieser Sachlage sind die vom Antragsgegner behaupteten Zahlungen als zugestanden anzusehen (vgl. § 138 Abs. 3 ZPO). Daraus folgt, daß der Antragsgegner der Antragstellerin für den Monat September 1985 den Unterhalt noch schuldet, weil er insoweit den Nachweis der Erfüllung nicht erbracht hat, während er die Erfüllung der titulierten Unterhaltsansprüche der Antragstellerin für die Zeit vom 01.10.1985 bis 31.10.1987 bewiesen hat. Dementsprechend ist der angefochtene Beschluß abzuändern. Etwaige Zahlungen des Antragsgegners für die Zeit ab 01.11.1987 sind selbstverständlich, sofern sie urkundlich nachgewiesen werden (vgl. § 775 Nr. 4, 5 ZPO), im Rahmen möglicher Vollstreckungsmaßnahmen zu berücksichtigen.
Nach § 25 Abs. 1 AusfG zum EuGVÜ war auszusprechen, daß im Umfange der Zurückweisung der Beschwerde des Antragsgegners ein etwaiger Vorbehalt, wonach die Zwangsvollstreckung über Maßregeln zur Sicherung nicht hinausgehen darf, wegfällt.
Der Rechtspfleger als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts (§ 20 Nr. 12 RpflG) wird in entsprechender Anwendung des § 16 Abs. 2 AusfG zum EuGVÜ eine berichtigte Vollstreckungsklausel, die die auf Grund des angefochtenen Beschlusses erteilte Vollstreckungsklausel entsprechend abändert, zu erteilen haben.