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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragsgegnerin, ein mit Sitz in Deutschland operierendes Schuhunternehmen, wurde in einem Schadensersatzprozess mit Urteil vom 27.3.1973 vom Handelsgericht in Dijon (FR) verurteilt, Schadensersatz an die Antragstellerin, eine Aktiengesellschaft französischen Rechts mit Sitz in Frankreich zu leisten. Das Handelsgericht Dijon (FR) bejahte seine internationale Zuständigkeit aufgrund der Vorschriften der Art. 14 und 15 der französischen Zivilprozessordnung (Code français de procédure civile). Die Antragstellerin beantragte, das Urteil für Deutschland mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Die Antragsgegnerin legte hiergegen Beschwerde ein.
Das Oberlandesgericht Hamm (DE) führt aus, dass dem Urteil die Anerkennung zu versagen sei und daher die Vollstreckungsklausel nicht erteilt werden kann. Das Urteil sei nach Inkrafttreten des EuGVÜ ergangen, daher sei es gem. Art. 54 Abs. 2 EuGVÜ anzuerkennen, wenn das Gericht des Urteilsstaates aufgrund der Vorschriften zuständig gewesen sei, die mit den Zuständigkeitsvorschriften des EuGVÜ übereingestimmt hätten. In diesem Fall sei das Handelsgericht jedoch gem. Art. 3 Abs. 2 EuGVÜ nicht zuständig gewesen. Es könne ebenfalls bei der Entscheidung im Rahmen des Art. 54 Abs. 2 EuGVÜ jedenfalls dann nicht Sache eines Gerichts eines Vertragsstaates sein, die Entscheidungen des Gerichts des anderen Vertragsstaates der Begründung nach zu überprüfen und diese Gründe zu ergänzen, wenn dieses seine Zuständigkeit ausdrücklich aus bestimmten Vorschriften - hier den Art. 14, 15 der französischen Zivilprozessordnung - hergeleitet habe.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Gründe:
Die Beschwerde ist statthaft, da sie innerhalb der einmonatigen Notfrist (§§ 11 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Übereinkommens vom 27.September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidung gegen Zivil – und Handelssachen BGBl. 1972 1 S 1329 iVm Art. 36 des Übereinkommens) eingelegt worden ist.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Das Übereinkommen ist am 10. Februar 1973 ebenso wie das Ausführungsgesetz in Kraft getreten (BGBl 1 1973, Seite 26). Da das Urteil des Handelsgerichts Dijon vom 27.März 1973 nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens ergangen ist, ist nach Art. 54 Absatz 2 des Übereinkommens (BGBl 1972 II, S. 774) eine Anerkennung nach Maßgabe des Titels III des Übereinkommens zulässig, wenn das Gericht, das die anzuerkennende Entscheidung getroffen hat, auf Grund von Vorschriften zuständig war, die mit den Zuständigkeitsvorschriften des Titels II des Übereinkommens oder eines Abkommens übereinstimmen, das im Zeitpunkt der Klageerhebung zwischen dem Urteilsstaat und dem Staat, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, in Kraft war. An einem Abkommen der letzteren Art fehlte es im Verhältnis zwischen Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland.
Das Handelsgericht Dijon war aber auch nach dem Titel II des Übereinkommens nicht zuständig. Nach Art. 3 des Übereinkommens (Titel II 1. Abschnitt) können Personen, die ihren Wohnsitz im Gebiet eines Vertragsstaates haben, vor Gerichten eines anderen Vertragsstaates nur gemäß den Vorschriften des 2. bis 6. Abschnitts verklagt werden. Nach Art. 3 Absatz 2 können gegen diese Personen, also auch gegen die Antragsgegnerin in Frankreich nicht geltend gemacht werden: Art. 14 und 15 des Code Civil.
Das aber war hier der Fall. Die Antragsgegnerin hat dargetan, ohne daß die Antragstellerin trotz ausreichender Gelegenheit zur Stellungnahme dem widersprochen. hätte, daß in dem Rechtsstreit zwischen den Verfahrensbeteiligten vor dem Handelsgericht Dijon unter dem 18.Januar 1972 eine Zwischenentscheidung über die Zuständigkeit ergangen ist, in der die Zuständigkeit des Handelsgerichts Dijon auf Grund der Vorschritte des Art. 14 und 15 Code Civil bejaht worden ist.
Da in der von der Antragstellerin vorgelegten Übersetzung des Urteils vom 27. März 1973, um dessen Anerkennung es geht, auf Seite 2 ausdrücklich auf seine Zwischenentscheidung über die Zuständigkeit vom 18. Januar 1972 verwiesen wird, bestehen keine Bedenken, von diesem Sachverhalt auszugehen.
Die Antragstellerin macht zwar demgegenüber. geltend, die Zuständigkeit des Handelsgerichts Dijon ergebe sich aus Art. 6 Ziffer 2 des Übereinkommens. Es habe sich bei dem Prozeß der Fa. … gegen … der durch rechtskräftiges Urteil des Handelsgerichts Dijon vom 6.November 1970 entschieden worden sei, um eine Klage auf Gewährleistung gehandelt, bei der die Antragsstellerin unterlegen sei. Das Gericht des Hauptprozesses sei aber auch für die Klage gegen die Firma zuständig gewesen.
In der Tat hat nach den vorgelegten Urkunden zunächst der Endabnehmer … erfolgreich gegen die Fa. … auf Gewährleistung geklagt und anschließend die Fa. ... ihrerseits gegen die Antragstellerin als Lieferantin Schadensersatz geltend gemacht. Tatsächlich hat aber das Handelsgericht Dijon seine Zuständigkeit am Art. 14, 15 CC und nicht auf Zuständigkeit wegen Geltendmachung von Gewährleistung gestützt.
Die Antragstellerin macht weiter geltend, die Zuständigkeit sei ferner gemäß Art. 5 Ziffer 1 des Übereinkommens gegeben gewesen, da es sich um Ansprüche auf Wandlung gehandelt habe, die Maschine sich aber an einem Ort im Zuständigkeitsbereich des Handelsgerichts Dijon befunden habe.
Auch wenn davon ausgegangen wird, daß es sich auch bei dem Verfahren zwischen der Fa. … und der Antragsgegnerin um Ansprüche aus Wandlung und nicht auf Zahlung von Schadensersatz handelte und das Handelsgericht Dijon auch nach Art. 5 Ziffer 1 seine Zuständigkeit hätte bejahen können, was offen bleibt, so bleibt auch hier maßgebend, daß das Gericht seine Zuständigkeit tatsächlich nur auf Grund der Art. 14, 15 CC bejaht hat.
Es erscheint aber sachgerecht im Rahmen der Prüfung der Anerkennungsfähigkeit bzw. Vollstreckbarerklärung allein von der getroffenen Entscheidung auszugehen und das Nachschieben von Gründen aus der Zeit vor Erlaß der anzuerkennenden Entscheidung außer Betracht zu lassen. Es kann nämlich bei der Entscheidung ihm Rahmen des Art. 54 Abs. 2 jedenfalls dann nicht Sache eines Gerichts eines Vertragsstaaten sein, die Entscheidungen des Gerichts des anderen Vertragsstaates der Begründung nach zu überprüfen und dieses Gründe zu ergänzen, wenn dieses seine Zuständigkeit ausdrücklich aus bestimmten Vorschriften – hier den Art. 14, 15 CC hergeleitet hat. Die Überprüfung im Rahmen des Anerkennungsverfahrens nach dem Übereinkommen hat sich in einem solchen Falle darauf zu beschränken, ob auf den in dem Urteil genannten Normen beruhende Entscheidung nach dem Abkommen und dem Ausführungsgesetz anzuerkennen sind oder nicht.
Das aber ist hier nicht der Fall, weil die Zuständigkeit entgegen Art. 3 Abs. 2 des Übereinkommens allein auf Grund der Art. 14, 15 CC bejaht worden ist.