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Zusammenfassung der Entscheidung Die Ehe der Antragstellerin und des Antragsgegners wurde vor dem Landgericht Maastricht (NL) geschieden und der Antragsgegner zur Zahlung von Unterhalt an die Antragstellerin sowie die beiden gemeinsamen Kinder verurteilt. Das Urteil wurde rechtskräftig, jedoch weder an den Antragsgegner noch an dessen niederländischen Prozessvertreter zugestellt. Die Antragstellerin beantragte beim zuständigen Landgericht Gießen (DE) die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgericht Maastricht (NL). Dazu legte sie eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils vor. Der Vorsitzende der Zivilkammer des Landgericht Gießen (DE) verlangte durch zwei auf Art. 33 Abs. 3, 47 Nr. 1 EuGVÜ gestützte Verfügungen die Vorlage einer Urkunde, aus der sich die Zustellung des Urteils an den Antragsgegner ergebe. Die Antragstellerin war der Meinung, dieses Nachweises bedürfe es nicht, schließlich sei das Urteil nachweislich rechtskräftig. Gegen den ablehnenden Beschluss des Landgerichts Gießen (DE) legte sie Beschwerde ein.
Das OLG Frankfurt (DE) entscheidet, dass der Antrag der Antragstellerin abzulehnen sei. Art. 33 Abs. 3 EuGVÜ verlange die Vorlage der in Art. 46, 47 EuGVÜ genannten Urkunden. Dazu gehöre auch eine Urkunde, aus der sich ergebe, dass das gegenständliche Urteil dem Antragsgegner zugestellt worden sei, damit diesem die Möglichkeit gegeben werde, freiwillig zu leisten. Lege ein Antragsteller die Urkunden jedoch nicht vor, so könne das Gericht ihm dazu eine Frist bestimmen. Komme er der Aufforderung innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht nach, so müsse das Gericht den Antrag, den ausländischen Titel mit der Vollstreckungsklausel zu versehen, als derzeit unzulässig abweisen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Antragstellerin zu 1) und der Antragsgegner haben am 15. 12.1966 in den Niederlanden die Ehe geschlossen, aus der die Antragsteller zu 2) und 3) hervorgegangen sind. In einem Verfahren vor dem Landgericht Maastricht, in dem der Antragsgegner durch den niederländischen Rechtsanwalt... als Verfahrensbevollmächtigten vertreten war, ist durch Urteil vom 5.6.1975 die am 15.12.1966 geschlossene Ehe geschieden worden und der Antragsgegner verurteilt worden, an die Antragsteller zu 2) und 3) monatlich im voraus je 100 hfl und an die Antragstellerin zu 1) ab Eintragung des Urteils im Standesregister monatlich im voraus 300 hfl Unterhalt zu zahlen. Dieses Urteil ist am 6.9.1975 rechtskräftig geworden und am 17.9.1975 vom Standesamt der Stadt Maastricht im Standesregister eingetragen worden. Eine Zustellung des Urteils an den Antragsgegner selbst oder an seinen niederländischen Rechtsanwalt... ist nach dem eigenen Vortrag der Antragsteller nicht erfolgt.
Die Antragsteller haben, gestützt auf das Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (EuGVÜ), mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 3.9.1987 bei dem Landgericht Gießen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 5.6.1975 in der Bundesrepublik Deutschland und die Erteilung der Vollstreckungsklausel für dieses Urteil insoweit beantragt, als der Antragsgegner zur Zahlung von Unterhalt verurteilt worden ist. Dazu haben sie eine mit dem Rechtskraftvermerk vom 29.7.1987 versehene vollstreckbare Ausfertigung des Urteils vom 5.6.1975 vorgelegt. Der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen hat mit seinen auf Art. 33 Abs. 3, 47 Nr. 1 EuGVÜ gestützten Verfügungen vom 15.9.1987, 10.11.1987, 13.1.1988, 8.3.1988 und 28.3. 1988 von den Antragstellern noch die Vorlage einer Urkunde verlangt, aus der sich ergibt, daß das Urteil vom 5.6.1975 dem Antragsgegner zugestellt worden ist. Die Antragsteller haben darauf erwidert, der Vorlage einer entsprechenden Urkunde bedürfe es nicht, weil das mit der Vollstreckungsklausel zu versehende Urteil, wie urkundlich belegt sei, seit dem 6.9.1975 rechtskräftig sei.
Der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen, hat durch den mit Beschluß vom 29.4.1988 hinsichtlich der Kostenentscheidung ergänzten Beschluß vom 19.4.1988 den Antrag vom 3.9.1987 mit der Begründung zurückgewiesen, die Antragsteller hätten entgegen Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ die Zustellung des Urteils vom 5.6.1975 an den Antragsgegner nicht nachgewiesen. Die Antragsteller haben gegen diesen Beschluß mit dem an das Landgericht gerichteten und dort am 27.4.1988 eingegangenen Schriftsatz vom 25.4.1988 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren Antrag vom 3.9.1987 weiterverfolgen.
Auf die Aufklärungsverfügung des Berichterstatters des erkennenden Senats vom 9.5.1988 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 1.6.1988 vorgetragen, die niederländischen Rechtsanwälte der Antragstellerin zu 1) und des Antragsgegners hätten ihm übereinstimmend bestätigt, daß das Urteil vom 5.6.1975 dem Antragsgegner nicht formell zugestellt worden sei; deshalb solle, so habe der niederländische Rechtsanwalt der Antragstellerin zu 1) ihm mitgeteilt, die formelle Zustellung des Urteils an den jetzt in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Antragsgegner durch den deutschen Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens veranlaßt werden.
Die Beschwerde der Antragsteller ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (Art. 40 EuGVÜ in Verbindung mit §§ 16 Abs. 1, 12 AusfG zum EuGVÜ). Das somit zulässige Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
Die Erteilung der Vollstreckungsklausel ist vom Landgericht zu Recht deshalb abgelehnt worden, weil die Antragsteller keine Urkunde haben vorlegen können, aus der sich ergibt, daß das niederländische Urteil dem Antragsgegner zugestellt worden ist. Nach Art. 33 Abs. 3 EuGVÜ sind dem Antrag, die in einem Vertragsstaat ergangene Entscheidung in einem anderen Vertragsstaat mit. der Vollstreckungsklausel zu versehen, die Urkunden beizufügen, deren Vorlage in Art. 46 und 47 EuGVÜ vorgeschrieben ist. In Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ ist bestimmt; daß die Partei, die die Zwangsvollstreckung im Vollstreckungsstaat betreiben will, auch eine Urkunde vorzulegen hat, aus sich ergibt, daß die Entscheidung der Schuldner zugestellt worden ist, weil Urteile unabhängig davon, ob sie der Gegenpartei zugestellt worden sind, vollstreckbar sein können und mithin in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen. Bevor jedoch die Zulassung der Zwangsvollstreckung ausgesprochen wird, muß die Gegenpartei von dem gegen sie ergangenen Urteil Kenntnis erlangt und Gelegenheit gehabt haben, diesem Urteil freiwillig nachzukommen (vgl. den Bericht von Jenard zu Art. 47 EuGVÜ, abgedruckt bei Bülow/Böckstiegel, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 601/1, 84 f.; Schlafen in Bülow/Böckstiegel, aaO, Art. 47 EuGVÜ Anm. III S. = 606/287; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., Art. 47 EuGVÜ Rn. 2).
Legt der Antragsteller die in Art. 46 und 47 EuGVÜ vorgesehenen Urkunden nicht mit dem Antrag vor, so kann das Gericht entweder den Antrag auf Klauselerteilung wegen des Fehlens einer Verfahrensvoraussetzung als unzulässig zurückweisen oder dem Antragsteller eine Frist zur Nachreichung setzen, und zwar entgegen dem Wortlaut des Art. 48 Abs. 1 EuGVÜ auch für die in Art. 46 Nr. 1 und Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ aufgeführten Urkunden, weil Art. 48 Abs. 1 EuGVÜ die Frage der Fristbestimmung für diese Fälle nicht geregelt hat und daher insoweit autonomes Recht des Vollstreckungsstaates, in der Bundesrepublik Deutschland also die Vorschriften der §§ 139, 142 ZPO anwendbar sind (Schlafen in Bülow/Böckstiegel, aaO, Art. 48 EuGVÜ Anm. 2 = S. 606/290; Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung, Band I, 1. Halbband, 1983, S. 1209, 1210). Die Urkunden können sogar noch in der Rechtsmittelinstanz nachgereicht werden (OLG Köln, IPRspr. 1976 Nr. 164; Kropholler, aaO, Art. 33 EuGVÜ Rn. 9). Kommt jedoch der Antragsteller der Aufforderung zur Nachreichung der fehlenden Urkunden innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht nach, so muß das Gericht den Antrag, den ausländischen Titel mit der Vollstreckungsklausel zu versehen, als derzeit unzulässig abweisen. Bei dieser Sach- und Rechtslage erweisen sich die gegen den angefochtenen Beschluß vom 19.4.1988 gerichteten Angriffe der Beschwerde als unbegründet. Es fehlt nach wie vor die nach Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ erforderliche Vorlage der Urkunde über die Urteilszustellung.
Der erkennende Senat sieht auch keinen Anlaß, den Antragstellern nochmals Gelegenheit zu geben, innerhalb einer weiteren Frist die fehlende Urkunde über die Zustellung des Urteils vom 5.6.1975 an den Antragsgegner nachzureichen, nachdem die Antragsteller fünf Zwischenverfügungen des Landgerichts und die Zwischenverfügung des Senats vom 9.5.1988 fruchtlos haben verstreichen lassen und nicht einmal die erforderlichen Schritte dafür in die Wege geleitet haben, daß die bislang unterbliebene Urteilszustellung unverzüglich nachgeholt wird.
Den Antragstellern steht es frei, ihren Antrag vom 3.9.1987 bei dem zuständigen Landgericht zu wiederholen, sobald sie in der Lage sind, eine Urkunde vorzulegen, aus der sich ergibt, daß das niederländische Urteil dem Antragsgegner zugestellt worden ist. Die Wiederholung eines lediglich wegen fehlender Unterlagen als derzeit unzulässig zurückgewiesenen Antrags auf Zulassung der Zwangsvollstreckung ist aus Grund veränderter Umstände nach den Vorschriften des EuGVÜ jederzeit zulässig (OLG Stuttgart, Die Justiz 1980, 276 IPRspr. 1980 Nr. 163; Schlafen in Bülow/Böckstiegel, aaO, Art. 48 EuGVÜ Anm. 2 S. 606/290; Kropholler, aaO, Art. 33 EuGVÜ Rn. 9).
Der Festsetzung des Wertes der Beschwerde der Antragsteller (vgl. § 1 7 AusfG zum EuGVÜ in Verbindung mit § 546. Abs. 2 ZPO bedarf es nicht, weil in Familiensachen, zu denen materiell auch das vorliegende Verfahren gehört (vgl. § 23 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 und 6 GVG), die Revision grundsätzlich nur dann stattfindet, wenn das Oberlandesgericht sie in dem Urteil zugelassen hat. Die Vorschriften des § 546 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 ZPO gelten hier also nicht (§ 621 d Abs. 1 ZPO).
Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sieht der Senat keinen Anlaß, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und ein Fall der Rechtsprechungsdivergenz nicht vorliegt (§ 17 AusfG zum EuGVÜ in Verbindung mit den §§ 546 Abs. 1 Sätze 2 und 3, 621 d Abs. 1 ZPO).