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Zusammenfassung der Entscheidung Der Antragsgegner wurde durch Mahnbescheid des Tribunal d'Instance de Forbach (FR) vom 28.11.1989 zur Zahlung eines Geldbetrages zuzüglich Zinsen und Kosten verurteilt. Der Bescheid wurde dem Antragsgegner am 19.2.1990 durch den Gerichtsvollzieher zugestellt. Am 30.3.1990 hat das Tribunal d'Instance de Forbach (FR) die Vollstreckungsklausel für den Mahnbescheid erteilt. Die Antragstellerin beantragte, den Mahnbescheid in Deutschland für vollstreckbar zu erklären. Das Landgericht Saarbrücken (DE) wies den Antrag zurück; hiergegen wandte sich die Antragstellerin.
Das OLG Saarbrücken (DE) führt aus, dass dem Mahnbescheid die deutsche Vollstreckungsklausel zu erteilen sei. Das angerufene deutsche LG Saarbrücken (DE) sei gemäß Art. 32 EuGVÜ zuständig gewesen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Zuständigkeit sei der der Antragstellung, wenn die sie begründenden Tatsachen zu diesem Zeitpunkt schon vorlagen. Zwar habe der Antragsgegner zum Zeitpunkt der Antragstellung keinen Wohnsitz im Bezirk des LG Saarbrücken gehabt, jedoch ergäbe sich die Zuständigkeit gem. Art. 32 Abs. 2 EuGVÜ als Gerichtsstand des Ortes der durchzuführenden Zwangsvollstreckung. Der zulässige Antrag der Antragstellerin sei auch begründet, da sie die gem. Art. 46 und 47 EuGVÜ erforderlichen Nachweise erbracht habe. Bei einem vollstreckbaren Mahnbescheid ("Ordonnance d'injonction de payer") eines französischen Gerichts bedürfe es zur Vollstreckbarkeitserklärung nicht des Nachweises der Zustellung der durch das französische Gericht für den Mahnbescheid erteilten Vollstreckungsklausel. Bei einem derartigen Mahnbescheid sei dem Schuldner eine im Sinne von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ ausreichende Verteidigungsmöglichkeit gegeben, weil er nach französischem Recht innerhalb eines Monats nach Zustellung Einspruch gegen den Mahnbescheid einlegen könne.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Durch Mahnbescheid des Amtsgerichts in Forbach (Tribunal d'Instance de Forbach) vom 28.11.1989 ist der Schuldner zur Zahlung einer Hauptforderung von FF 9.880,31, eines Schadensersatzbetrags von FF 1.309,35 sowie gesetzlicher Zinsen von 18 % aus FF 9.880,31 seit dem 16.7.1989 und FF 506,28 Kosten an die Gläubigerin verurteilt. worden. Der Mahnbescheid wurde dem Schuldner am 19.2.1990 durch den Gerichtsvollzieher zugestellt. Am 30.3.1990 hat das Amtsgericht in Forbach die Vollstreckungsklausel für den Mahnbescheid erteilt.
Mit dem am 25.3.1991 bei dem Landgericht Saarbrücken eingegangenen Antrag vom 21.2.1991 begehrt die Gläubigerin den Mahnbescheid des Amtsgerichts in Forbach hinsichtlich der dort angeführten Beträge sowie der für die Erteilung der Vollstreckungsklausel angefallenen Gerichtskosten von FF 330,15 mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen.
Der Vorsitzende der 15. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken hat durch Beschluß vom 29.5.1991, auf den verwiesen wird, den Antrag der Gläubigerin auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zurückgewiesen. Gegen diesen am 8.6.1991 zugestellten Beschluß hat die Gläubigerin am 2.8.1991 Beschwerde eingelegt.
II. Die gemäß Art. 40 EuGVÜ in Verbindung mit § 16 Abs. 1 AVAG zulässige Beschwerde der Gläubigerin ist begründet.
Das Landgericht hat zu Unrecht die Erteilung der Vollstreckungsklausel für den von der Gläubigerin erwirkten Mahnbescheid des Amtsgerichts in Forbach (Tribunal d'Instance de Forbach) vom 28.11.1989 abgelehnt. Der Antrag der Gläubigerin auf Erteilung der Vollstreckungsklausel ist zulässig. Das von der Gläubigerin angerufene Landgericht Saarbrücken war, wie für die Zulässigkeit des Antrags erforderlich (vgl. hierzu Bülow-Bockstiegel Art. 32 Anm. V, S. 606-238/239), zur Entscheidung über die von der Gläubigerin begehrte Vollstreckbarkeitserklärung gemäß Art. 32 EuGVÜ, § 2 AVAG sachlich und örtlich zuständig. Maßgebender Zeitpunkt für die Zuständigkeit ist der Zeitpunkt der Antragstellung, wobei es jedoch genügt, wenn die sie begründenden Tatsachen zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag vorliegen. Ändern sich diese Tatsachen später, so berührt dies die einmal begründete Zuständigkeit nicht (vgl. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO; Bülow-Bockstiegel aaO). Hiernach hat die Gläubigerin den Antrag bei dem sachlich und örtlich zuständigen Gericht gestellt. Die örtliche Zuständigkeit des nach Art. 32 Abs. 1 EuGVÜ, § 2 Abs. 1 AVAG sachlich zuständigen Landgerichts Saarbrücken folgt aus Art. 32 Abs. 2 EuGVÜ, § 2 Abs. 2 AVAG. Zwar hatte der Schuldner zum Zeitpunkt der am 25.3.1991 erfolgten Antragstellung keinen sich nach deutschem Recht (Art. 52 EuGVÜ) bestimmenden Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts Saarbrücken. Örtlich zuständig war das Landgericht Saarbrücken zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung jedoch gemäß Art. 32 Abs. 2 Satz 2 EuGVÜ, § 2 Abs. 2 2te Alternative AVAG als Gerichtsstand des Ortes der durchzuführenden Zwangsvollstreckung. Hierfür genügt nämlich die substantiierte Behauptung des Gläubigers, daß er die Zwangsvollstreckung in dem Bezirk des angerufenen Gerichts durchführen wolle (Geimer/Schütze § 163 Anm. I 1 b). Dies ist seitens der Gläubigerin geschehen. Aus der von der Gläubigerin mit ihrem Schreiben vom 13.2.1992 vorgelegten Bestätigung der Firma … und dem Schreiben der ... kasse ... vom 11.2.1992 ergibt sich, daß der Schuldner zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der … kasse und damit in Bezirk des Landgerichts Saarbrücken ein Lohnkonto unterhalten hat. Damit hat die Gläubigerin hinreichend dargetan, daß sie bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung im Bezirk des angerufenen Landgerichts Saarbrücken die Zwangsvollstreckung durchführen will.
Der hiernach zulässige Antrag der Gläubigerin auf Erteilung der Vollstreckungsklausel ist auch begründet.
Die Gläubigerin hat die für die Erteilung der Vollstreckungsklausel nach Art. 46, Art. 47 EuGVÜ erforderlichen Nachweise erbracht. Die Gläubigerin hat eine Ausfertigung der Entscheidung, nämlich des Mahnbescheides des Amtsgerichts in Forbach vom 28.11.1989 (Art. 46 Nr. 1 EuGVÜ) sowie die am 30.3.1990 durch das Amtsgericht in Forbach erteilte Vollstreckungsklausel (Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ) vorgelegt. Nachgewiesen hat die Gläubigerin auch die bei einem Versäumnisverfahren wie dem Mahnbescheidsverfahren erforderliche Zustellung des den Rechtsstreit einleitenden Schriftstücks (Art. 46 Nr. 2 EuGVÜ) und die Zustellung der zu vollstreckenden Entscheidung (Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ). Den Rechtsstreit einleitendes Schriftstück ist bei einem Mahnverfahren der Mahnbescheid (Baumbach-Lauterbach-Albers Art. 27 EuGVÜ Anm. zu Ziffer 2 mwN). Dieser ist dem Schuldner ausweislich der von der Gläubigerin vorgelegten Bestätigung des Amtsgerichts in Forbach am 19.2.1990 durch den Gerichtsvollzieher zugestellt worden. Dieses Zustellungszeugnis genügt gemäß Art. 48 EuGVÜ den an den Nachweis der Zustellung des Mahnbescheides zu stellenden Anforderungen (vgl. hierzu Kropholler 2. Aufl., Art. 47 EuGVÜ Rn. 2; Geimer/Schütze S. 1210/1211). Damit ist zugleich der Nachweis erbracht, daß die „Entscheidung“ dem Schuldner zugestellt ist (Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ). Entscheidung in diesem Sinne ist nämlich der vollstreckbare Mahnbescheid (Ordonnance d'Injonction de Payer) vom 28.11.1989 (Art. 25 EuGVÜ), aus dem vollstreckt werden soll (Kropholler 2. Aufl, Art. 47 EuGVÜ Rn.; vgl. BGH NJW 80, 527). Der Nachweis der Zustellung muß nur für diese zu vollstreckende ausländische Entscheidung erbracht werden (BGH NJW 80, 527), was hier durch das den vollstreckbaren Mahnbescheid vom 28.11.1989 betreffende Zustellungszeugnis des Amtsgerichts in Forbach geschehen ist. Nicht erforderlich ist dagegen der Nachweis der Zustellung der für den Mahnbescheid erteilten Vollstreckungsklausel. Ein derartiges Erfordernis läßt sich aus der Regelung des Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ nicht entnehmen. Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ fordert nur den Nachweis, daß die Entscheidung nach dem Recht des Urteilsstaates vollstreckbar ist und daß die Entscheidung – und nicht etwa auch die Vollstreckungsklausel – zugestellt, worden ist (vgl. BGH 65, 296).
Aufgrund der von der Gläubigerin demnach erbrachten und den Anforderungen der Art. 46 und Art. 47 EuGVÜ genügenden Nachweise war der Gläubigerin die begehrte Vollstreckungsklausel zu erteilen. Diese kann nämlich gemäß Art. 34 Abs. 2, Abs. 3 EuGVÜ nur aus einem der in Art. 27 und Art. 28 EuGVÜ angeführten Gründe, die eine abschließende Regelung enthalten, abgelehnt werden, wobei die ausländische Entscheidung keineswegs auf ihre Gesetzmäßigkeit nachgeprüft werden darf (OLG Saarbrücken IPRax 1990, 232; OLG Saarbrücken NJW 88, 3100). An solchen Gründen fehlt es. Ein die Versagung der Vollstreckungsklausel rechtfertigender Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelungen des Art. 28 EuGVÜ und die Bestimmungen des Art. 27 Nr. 1, 3 – 5 EuGVÜ ist nicht ersichtlich. Der Erteilung der Vollstreckungsklausel steht auch die Bestimmung des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht entgegen. „Verfahreneinleitendes Schriftstück“ im Sinne von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ ist im Mahnverfahren der Mahnbescheid (Baumbach-Lauterbach-Albers Art. 27 EuGVÜ Anm. zu Ziffer 2 mwN). Ausweislich des Zustellungszeugnisses des Amtsgerichts Forbach ist der Mahnbescheid vom 28.11.1989 am 19.2.1990 dem zu dieser Zeit in Frankreich wohnhaften Schuldner durch den Gerichtsvollzieher nach dem hierfür maßgeblichen französischen Recht (vgl. BGH NJW 91, 641) ordnungsgemäß zugestellt worden. Diese Zustellung ist auch rechtzeitig im Sinne von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ erfolgt. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ soll sicherstellen, daß eine Entscheidung nach den Bestimmungen des Übereinkommens weder anerkannt noch vollstreckt wird, wenn es dem Schuldner nicht möglich war, sich vor dem Gericht des Urteilsstaates zu verteidigen (BGH NJW 86, 2197; vgl. auch BGH NJW 90, 2201). Diesem Erfordernis ist Genüge getan. Der Schuldner hatte nach französischem Recht die Möglichkeit, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollstreckbaren Mahnbescheides Einspruch einzulegen (Art. 1422 NCPC). Dem Schuldner war somit eine im Sinne der Schutzvorschrift des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ ausreichende Verteidigungsmöglichkeit gegeben mit der Folge, daß Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ der Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht entgegensteht (Geimer/Schütze S. 1066 Ziff. 2). Die Zwangsvollstreckung aus dem vollstreckbaren Mahnbescheid des Amtsgerichts in Forbach vom 28.11.1989 war somit hinsichtlich der durch diese Entscheidung titulierten Ansprüche einschließlich der Kosten, zu denen auch die Kosten für die Erteilung der Vollstreckungsklausel in Höhe von FF 330,15 zählen, zuzulassen und demnach, wie geschehen, zu beschließen.