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Zusammenfassung der Entscheidung Die Gläubiger erwirkten gegen die Schuldnerin nach vorausgegangener mündlicher Verhandlung am 10.06.1996 eine Entscheidung des Tribunale Civile e Penale Padua (IT), die sie zur Sicherungsbeschlagnahme von Gütern und Forderungen der Schuldnerin bis zu einem Höchstbetrag von fünf Milliarden italienische Lire autorisierte. Auf Antrag der Gläubiger versah das zuständige Landgericht die Entscheidung mit der deutschen Vollstreckungsklausel. Gegen diesen Beschluss richtete sich die Beschwerde der Schuldnerin.
Das OLG Brandenburg (DE) führt aus, dass der Anerkennung der italienischen Entscheidung keine Versagungsgründe entgegenstehen. Der Titel des Gerichts in Padua sei eine Entscheidung i.S.v. Art. 25 EuGVÜ. Dass er nicht von einem vereidigten Übersetzer übersetzt worden sei, schade nicht. Aus Art. 48 Abs. 2 EuGVÜ folge, dass die Beibringung einer Übersetzung der Urkunden nicht gefordert werde, sondern - nur - auf Verlangen des Gerichts zu erfolgen habe. Verstöße gegen den materiellen ordre public lägen ebenfalls nicht vor, selbst wenn die Schuldnerin dem italienischen Gericht lediglich eine lückenhafte Begründung vorwerfe. Auch der prozessuale ordre public sei nicht verletzt, eine Überraschungsentscheidung, die nach der Auffassung der Schuldnerin gegeben sei, reiche hierfür nicht aus.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Schuldnerin erteilte der C D (Deutschland) H und T GmbH (nachfolgend: CDD) am 22.3.1996 den Auftrag, als Generalunternehmerin einen Wohnpark in S mit einem Gesamtvolumen von rund 58,5 Mio DM zu errichten.
Die CDD ist 100 %ige Tochter der Beschwerdegegner zu 1. und 2., deren Hauptgesellschafter die Beschwerdegegner zu 3. – 6. sind.
Mit Schreiben vom 5.9.1996 entzog die Schuldnerin der CDD den Auftrag mit sofortiger Wirkung; kurz danach fiel die CDD in die Insolvenz. Am 20.9.1996 nahm die Schuldnerin die von der CDD gestellte Vertragserfüllungsbürgschaft wegen eines Betrages von 5,2 Mio DM in Anspruch. Die hiergegen von der CDD erwirkte einstweilige Verfügung, durch die der Schuldnerin der Zugriff auf die Bürgschaft untersagt wurde, hob das Landgericht Köln durch Urteil vom 22.1.1997 auf.
Die Gläubiger erwirkten nach vorausgegangener mündlicher Verhandlung am 10.6.1996 eine Entscheidung des Tribunale Civile e Penale di Padova (Italien), die sie zur Sicherungsbeschlagnahme der Güter und Forderungen der Schuldnerin bis zu einem Höchstbetrag von lit. 5.000.000.000 (fünf Milliarden) autorisiert.
Der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin hat durch Beschluß vom 30. Juni 1997 auf Antrag der Gläubiger angeordnet, jenen Titel nach dem Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen (AVAG) mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Gegen diesen Beschluß richtet sich die am 9.7.1998 eingegangene Beschwerde der Schuldnerin.
Der Senat hat den Antrag der Schuldnerin auf vorläufigen Vollstreckungsschutz durch Beschluß vom 13. Juli 1998 als unzulässig verworfen.
II. 1. Die Beschwerde ist gemäß §§ 11, 12 AVAG iVm Art. 36, 37 des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) statthaft; sie ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig.
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Die formellen Voraussetzungen für die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus dem italienischen Titel liegen vor. Der Anerkennung stehen keine Versagungsgründe entgegen.
a) Bei dem italienischen Titel handelt es sich um eine „Entscheidung“ im Sinne von Art. 25 EuGVÜ. Der Titel entspricht einem Arrestbeschluß und fällt als solcher unter Art. 25 EuGVÜ.
b) Die erforderlichen Urkunden gem. Art. 46 Nr. 1, 47 Nr. 1 EuGVÜ lagen dem Landgericht vor; die Originale wurden dem Gläubigervertreter ausweislich des Vermerks vom 2.7.1998 (Bl. 46 der Akten) nach Klauselerteilung wieder ausgehändigt.
Ohne Erfolg rügt die Schuldnerin, daß der Titel nicht durch einen bei einem deutschen Gericht vereidigten Übersetzer übersetzt sei. Aus Art. 48 Abs. 2 EuGVÜ folgt, daß die Beibringung einer Übersetzung der Urkunden nicht gefordert ist, sondern – nur – auf Verlangen des Gerichts zu erfolgen hat. Das Landgericht hat ein solches Verlangen nicht gestellt.
c) Ein Versagungsgrund liegt nicht vor. Der auf Anerkennung des ausländischen Titels gerichtete Antrag kann nach Art. 34 Abs. 2 EuGVÜ nur aus einem der in den Art. 27 und 18 EuGVÜ angeführten Gründe abgelehnt werden.
Die Schuldnerin hat sich auf das Verfahren vor dem Tribunale Civile e Penale di Padova eingelassen, sie war dort anwaltlich vertreten. Die Entscheidung erging nach mündlicher Verhandlung.
Das Beschwerdevorbringen läßt einen Versagungsgrund nach Art. 27 EuGVÜ nicht erkennen.
aa) Verstöße gegen den materiellen ordre public (Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ) liegen nicht vor.
Nach der Entscheidung BGHZ 123, 268, 270 liegt eine Unvereinbarkeit mit dem deutschen materiellen ordre public nicht schon dann vor, wenn der deutsche Richter – hätte er zu entscheiden gehabt – aufgrund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre; maßgeblich ist vielmehr, ob das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, daß es nach inländischer Vorstellung untragbar erscheint.
Gemessen an diesen Grundsätzen greifen die Rügen der Schuldnerin nicht durch.
Die Schuldnerin wirft dem italienischen Gericht der Sache nach Mängel der Begründung vor, wenn sie beanstandet, zu der subjektiven Seite des Tatbestandes einer unerlaubten Handlung fehlten Feststellungen. Darin kann schlechterdings ein Verstoß gegen den ordre public nicht gesehen werden.
Ebensowenig kann die die Vertragsstrafe betreffende Rüge, das italienische Gericht habe die vereinbarte Vertragsstrafe als vorweg genommene Schadensberechnung behandelt, einen Verstoß gegen Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ begründen. Ganz abgesehen davon, daß die zwischen den Parteien des Bauvertrages vereinbarte Vertragsstrafe sich nicht auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Gläubigern und der Schuldnerin auswirken kann, fehlt es auch insoweit an der Darlegung eines untragbaren Ergebnisses der Anwendung des ausländischen Rechts durch die Schuldnerin.
bb) Ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public läßt sich nicht feststellen. Eine Überraschungsentscheidung, die nach der Auffassung der Schuldnerin gegeben sei, reichte hierfür nicht aus.
Ein Versagungsgrund ist nur dann gegeben, wenn die ausländische Entscheidung aufgrund eines Verfahrens ergangen ist, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße abweicht, daß es nicht als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 5. Aufl., Rn. 9 zu Art. 27; BGH NJW 1990, 2201, 2203).
cc) Der Anerkennung steht Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ nicht entgegen.
Das von der Schuldnerin angeführte Urteil des Landgerichts Köln vom 22.1.1997 ist nicht zwischen den Parteien dieses Verfahrens ergangen. Der Wortlaut des Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ bietet keinerlei Ansatzpunkte für eine analoge Anwendung auf andere Fallgestaltungen, bei denen es sich nicht um die selben Parteien handelt.
d) Die Voraussetzungen, unter denen der Senat gem. Art. 38 Abs. 1 EuGVÜ die Aussetzung des Verfahrens anordnen könnte, sind nach der Aktenlage nicht gegeben.