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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragsgegnerin hatte beim Tribunale Brescia (IT) einen Mahnbescheid über Provisionsansprüche in Höhe von ca. 60.000 DM zuzüglich Kosten erwirkt und im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben. Aufgrund des Widerspruchs der Antragstellerin wurde der Mahnbescheid von demselben Gericht aufgehoben und die Antragsgegnerin zur Kostenerstattung an die Antragstellerin verurteilt. Auf die Berufung wurde die Antragsgegnerin zudem zur Rückerstattung der bisher beigetriebenen Summen verurteilt. Auf Antrag der Antragstellerin hat das LG Aachen (DE) angeordnet, die beiden Urteile mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Hiergegen wandte sich die Antragsgegnerin mit der Begründung, die Urteile beruhten auf der Nichtberücksichtigung beweiskräftiger Urkunden und verstießen demnach gegen den deutschen ordre public.
Das OLG Köln (DE) führt aus, dass ein Verstoß gegen den deutschen ordre public nicht vorliege. Ein solcher Verstoß sei bei Verfahrensverstößen nur dann anzunehmen, wenn Grundprinzipien eines rechtsstaatlichen Verfahrens verletzt seien. Der Versagungsgrund des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ sei nur mit äußerster Zurückhaltung zu handhaben. Ob bei diesen Erwägungen die Beweisregeln des italienischen Rechts fehlerhaft angewandt worden sind oder nicht, sei im Anerkennungsverfahren nach dem EuGVÜ unerheblich. Das Ergebnis stelle sich aber jedenfalls nicht als mit einem rechtsstaatlichen Verfahren unvereinbare Verkürzung der prozessualen Reche der Antragsgegnerin dar.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Antragsgegnerin hat am 9. Oktober 1989 bei dem Landgericht Brescia einen Mahnbescheid über Provisionsansprüche in Höhe von 60.978 DM zuzüglich Kosten erwirkt und in der Folgezeit im Wege der Zwangsvollstreckung insgesamt 62.314.000 LIT beigetrieben.
Auf den Widerspruch der Antragstellerin wurde durch Urteil des Landgerichts Brescia vom 3. Juni 1992 der Mahnbescheid aufgehoben, der Mahnantrag zurückgewiesen und die Antragsgegnerin zur Kostenerstattung an die Antragstellerin verurteilt. Auf die Berufung der Antragstellerin verurteilte das Oberlandesgericht Brescia die Antragsgegnerin durch Urteil vom 10. Mai 1995 außerdem zur Rückerstattung der beigetriebenen Summen nebst Zinsen und zur weiteren Kostenerstattung. Gegen dieses Urteil hat die Antragsgegnerin Revision beim Kassationsgerichtshof in Rom eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.
Auf den Antrag der Antragstellerin vom 25. März 1996 hat das Landgericht Aachen mit Beschluß vom 3. April 1996 angeordnet, die beiden Urteile mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Gegen diesen Beschluß, der ihr am 17. April 1996 zugestellt wurde, wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer am 17. Mai 1996 bei dem Oberlandesgericht eingelegten Beschwerde.
Sie macht geltend, die Urteile beruhten auf der Nichtberücksichtigung beweiskräftiger Urkunden und verstießen deshalb gegen den deutschen ordre public (Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ).
Die Antragsgegnerin hatte zum Nachweis von Provisionsforderungen in Höhe von 19.457 DM eine Rechnung vom 31. März 1987 nebst einem von der Antragstellerin stammenden, diesen Provisionsanspruch bestätigenden, nicht unterschriebenen Telex vom 19. Mai 1987 vorgelegt. Wegen der weiteren Forderung in Höhe von 41.521 DM hatte sie sich auf eine „note of provisions“ der Antragstellerin vom 26. November 1987 gestützt, die die Unterschrift eines Rag. A. P. trägt.
Die Antragsgegnerin beantragt, unter Abänderung des Beschlusses des Vorsitzenden Richters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 13. April 1996 (9 0 181/96) den Antrag der Antragstellerin auf Zulassung der Zwangsvollstreckung und Klauselerteilung für das Urteil des Landgerichts Brescia vom 3. Juni 1992 (Az. 2101/92, Rg.Nr. 7706) und das Urteil des Oberlandesgerichts Brescia vom 10. Mai 1995 (Az. 540/95 Rg.Nr. 8676) zurückzuweisen, sowie hilfsweise, das Vollstreckungsverfahren bis zum Abschluß des mit Schriftsatz der Rechtsanwälte P. vom 21. März 1996 bei dem Suprema Corte di Cassazione in Rom eingeleiteten Revisionsverfahrens auszusetzen und für den Fall der Anordnung einer Sicherungsvollstreckung diese von einer Sicherheitsleistung der Antragstellerin abhängig zu machen, bzw. der Antragsgegnerin nachzulassen, die Zwangsvollstreckung ihrerseits gegen Sicherheitsleistung durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse abzuwenden.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die gemäß Art. 36, 37 EuGVÜ zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet. Der Antrag, die beiden gegen die Antragsgegnerin ergangenen italienischen Urteile für in der Bundesrepublik Deutschland vollstreckbar zu erklären, könnte nur aus einem der in den Art. 27 und 28 EuGVÜ angeführten Gründe abgelehnt werden (Art. 34, Abs. 2 EuGVÜ). Einen derartigen Grund, nämlich einen Verstoß gegen den deutschen ordre public im Sinne des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ macht die Antragsgegnerin geltend. Diese Einwendung ist jedoch nicht gerechtfertigt.
Der Inhalt eines ausländischen Urteils verletzt die deutsche öffentliche Ordnung nur, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und der in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, daß es nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint (BGH NJW 93, 1801, 1802). Hiervon ist bei Verfahrensverstößen nur auszugehen, wenn die Entscheidung auf einem Verfahren beruht, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechtes in einem Maße abweicht, daß es nach der deutschen Rechtsordnung nicht als in einer geordneten rechtsstaatlichen Weise ergangen angesehen werden kann (BGH NJW 92, 3096, 3098). Die Andersartigkeit des in dem Urteilsstaat geltenden Beweisrechts begründet eine derartige, unerträgliche Abweichung in aller Regel nicht (Zöller/Geimer, § 328 Rn. 162).
Die Antragsgegnerin beanstandet, daß das Oberlandesgericht Brescia das Telex vom 19. Mai 1987 nicht als abstraktes Schuldanerkenntnis gewertet, diese Möglichkeit nicht einmal in Betracht gezogen habe und daß es auch der Indizwirkung keine Beachtung geschenkt habe, die von der vorgelegten Provisionsaufstellung vom 26. November 1987 allein aufgrund der Tatsache ausgehe, daß sie eindeutig aus dem Machtkreis der Antragstellerin stamme.
Tatsächlich ist in dem Urteil des Oberlandesgerichts Brescia hinsichtlich der ersten Teilforderung ausgeführt, das in dem Telex zu sehende Schuldanerkenntnis bewirke lediglich eine Beweislastumkehr; die Antragstellerin habe aber den Beweis erbracht, daß die in dem Telex und der Rechnung vom 31. März 1987 aufgeführten Provisionen ausschließlich aus Geschäften mit einer Firma H. abgeleitet seien, bei der es sich um einen Altkunden der Antragstellerin handele, dessen Aufträge nach der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung keine Provisionsansprüche der Antragsgegnerin begründeten. Die Antragsgegnerin habe das zwar bestritten, aber keinen Gegenbeweis angeboten.
Hinsichtlich der zweiten Teilforderung ist dem Schreiben vom 26. November 1987 jeder Beweiswert abgesprochen worden, weil die Antragstellerin die Echtheit „aberkannt“ und die Antragsgegnerin keinen Antrag auf Echtheitsprüfung gestellt habe. Weiter heißt es dazu, selbst wenn man unterstelle, das Schreiben sei von Rag. A. P. unterschrieben und abgesandt worden, sei das für den Rechtsstreit unerheblich, da am 26. November 1987 nicht P. sondern allein der Geschäftsführer T. berechtigt gewesen sei, die Antragstellerin nach außen hin zu verpflichten.
Ob bei diesen Erwägungen die Beweisregeln des italienischen Rechts fehlerhaft angewandt worden sind oder nicht, ist im Anerkennungsverfahren nach dem EuGVÜ unerheblich und von der Antragsgegnerin auch nicht dargelegt worden. Das Ergebnis stellt sich aber jedenfalls nicht als mit einem rechtsstaatlichen Verfahren unvereinbare Verkürzung der prozessualen Rechte der Antragsgegnerin dar. Ihr ist nicht die Möglichkeit der Beweisführung schlechthin abgeschnitten, es ist lediglich zwei Schriftstücken nicht der ihnen ihrer Meinung nach zukommende Beweiswert beigemessen worden. Bei Anlegung der oben dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze begründet dies keinen der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung der beiden Urteile entgegenstehenden Verstoß gegen den deutschen ordre public.
Den Hilfsanträgen der Antragsgegnerin kann ebenfalls nicht entsprochen werden. Die Antragsgegnerin hat keinerlei Ausführungen gemacht, aufgrund deren sich abschätzen ließe, ob die von ihr eingelegte Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Brescia Aussicht auf Erfolg besitzt.
Vor allem ist nicht ersichtlich, daß sie im Revisionsverfahren einen eigenen Vollstreckungstitel erlangen könnte. Allenfalls kann sie eine Anordnung der Wiederholung des Beweisverfahrens erreichen, um erneut den Versuch zu unternehmen, ihren Klageanspruch zu beweisen, den – auf der Grundlage des Berufungsurteils – die Antragstellerin zu Unrecht erfüllt hat.
Gegenüber dem Antrag auf Aussetzung (Art. 30 EuGVÜ) muß deshalb von einem vorrangigen Interesse der Antragstellerin ausgegangen werden, von den erstrittenen, trotz der noch fehlenden Rechtskraft grundsätzlich vollstreckbaren Titeln auch alsbald Gebrauch machen zu können.
Die Vorrausetzungen für Maßnahmen nach § 24 Abs. 2 AVAG sind nicht glaubhaft gemacht.