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Zusammenfassung der Entscheidung Die britischen Antragsteller erwirkten ein vollstreckbares Versäumnisurteil eines englischen Gerichts, wodurch die in Deutschland wohnhafte Antragsgegnerin zur Zahlung einer Geldsumme verurteilt wurde. Die das Verfahren einleitende Klageschrift wurde der Antragsgegnerin drei Wochen vor dem Termin der mündlichen Verhandlung zugestellt. Ihr war eine deutsche Übersetzung beigefügt. Die Antragsteller beantragten, das Urteil mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen. Bei Antragstellung legten sie keine Urkunde vor, aus der sich ergab, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin bereits zugestellt worden war. Das Landgericht entsprach diesem Antrag und stellte die Entscheidung sowie die Vollstreckungsklausel der Antragsgegnerin zu. Diese wandte sich gegen diesen Beschluss des Landgerichts.
Das OLG Hamm (DE) entscheidet, dass eine Frist von drei Wochen zwischen Zustellung der das Verfahren einleitenden Klageschrift und der mündlichen Verhandlung vor einem britischen Gericht ausreichend im Sinne von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ sei. Dies gelte umso mehr, wenn der Klageschrift eine deutsche Übersetzung beigefügt sei und es zur Verhinderung des Versäumnisurteils genügt hätte, wenn der Beklagte die Empfangsbescheinigung mit der Erklärung zurückgesandt hätte, daß er sich zu verteidigen gedenke. So läge der Fall hier. Nach Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ habe zwar eine Partei, welche die Zwangsvollstreckung betreiben will, eine Urkunde vorzulegen, aus der sich ergebe, dass das Urteil der anderen Partei zugestellt wurde, was hier nicht geschehen sei. Dieser Zustellungsmangel könne jedoch geheilt werden. Denn die Zustellung sei jedenfalls durch das Landgericht erfolgt, welches die Entscheidung für vollstreckbar erklärte. Der Zweck der Zustellung im Sinne von Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ, nämlich dem Schuldner zu ermöglichen, die Schuld freiwillig zu begleichen, sei dann ebenso erreicht.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Antragsteller haben am 4.9.1991 ein vollstreckbares Versäumnisurteil des ... erwirkt, wodurch die Antragsgegnerin verurteilt worden ist, an die Antragsteller 20.325,39 £ zuzüglich 914,76 DM Zinsen hierauf zuzüglich 242,54 £ Gebühren zu zahlen sind. In der Vollstreckbarkeitserklärung vom 07.11.1991 wurde zusätzlich ausgesprochen, daß die ausgeurteilten Beträge ab Urteilsdatum mit 15 % p.a. zu verzinsen sind.
Durch den angefochtenen Beschluß hat der Vorsitzende der 5. Zivilkammer des Landgerichts Essen die Entscheidungen für vollstreckbar erklärt und die Erteilung der Vollstreckungsklausel angeordnet.
Mit der fristgerecht eingelegten und begründeten Beschwerde beantragt die Antragsgegnerin, den Antrag der Antragsteller auf Zulassung der Zwangsvollstreckung und Erteilung der Vollstreckungsklausel zurückzuweisen.
Sie meint, die Voraussetzungen einer Vollstreckbarerklärung lägen nicht vor. Sie rügt, daß das den Rechtsstreit einleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt sei und behauptet dazu, ihr sei lediglich mit einfacher Post aus ... eine Ablichtung der ... zugeleitet worden. Ferner sei auch das Versäumnisurteil vom 04.09.1991 nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Unstreitig ist das Urteil nebst deutscher Übersetzung durch den deutschen Prozeßbevollmächtigten der Antragsteller zum Zwecke der Zustellung der Antragsgegnerin übergeben worden. Diese rügt weiter, daß die Zustellung der … unangemessen kurz gewesen sei. Hierzu behauptet sie, das Schriftstück müsse Anfang August 1991 zugegangen sein. Die Frist bis zum Erlaß des Versäumnisurteils am 04.09.1991 und bis zu der zugrunde liegenden Verfügung des … vom 23.08.1991 sei dann zu kurz. Letztlich meint die Antragsgegnerin vortragen zu sollen, daß ihr auch keine Ausfertigung des Versäumnisurteils zugestellt oder zur Kenntnis gebracht worden sei.
Die Antragsteller bitten um Zurückweisung der Beschwerde. Sie verweisen darauf, daß die ... ordnungsgemäß durch Zustellungsersuchen an den Justizminister des Landes Nordrhein Westfalen gemäß der Bescheinigung des Amtsgerichts Essen vom 23.07.1991 zugestellt worden sei. Die Zustellung des Versäumnisurteils halten sie für genügend. Auch die vom englischen Gericht gesetzte Frist sei ausreichend, so meinen sie weiter, weil es nur um die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft gegangen sei, um das Versäumnisurteil zu verhindern.
II. Die Beschwerde ist zulässig, Art. 36 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ vom 27.09.1968 iVm §§ 11, 12 des Ausführungsgesetzes vom 29.07.1972 (AVAG)), insbesondere ist die Beschwerdefrist von einem Monat gewahrt. Die Bestimmungen sind auch im Verhältnis zum Vereinigten Königreich, auch in zeitlicher Hinsicht, anwendbar (Baumbach/ Lauterbach/Albers, EuGVÜ Anm. 1).
III. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Es liegen keine Gründe vor, die nach Maßgabe der Art. 27 f EuGVÜ die Erteilung der Vollstreckungsklausel für das Urteil des … in Frage stellen würden.
1. Die Rüge der Antragsgegnerin, daß das Verfahren einleitende Schriftstück … sei ihr entgegen Art. 27 Ziff. 2 EuGVÜ nicht ordnungsgemäß und nicht so rechtzeitig zugestellt worden, daß sie sich verteidigen konnte, greift nicht durch.
Ihre Behauptung, das Schriftstück sei ihr durch einfache Post aus … übermittelt worden, ist unrichtig. Ausweislich der darüber ausgestellten Bescheinigung des Rechtspflegers des Amtsgerichts Essen vom 23.07.1991 ist ihr das Schriftstück am 22.07.1991 durch Übergabe an die bevollmächtigte Disponentin in ihrem Geschäftslokal ordnungsgemäß zugestellt worden (Bl. 88). Die Zustellung ist entgegen den Mutmaßungen der Antragsgegnerin von dem Gericht des Urteilsstaates auch ordnungsgemäß, nämlich nach Art. 5 des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen durch Zustellungsersuchen an den dafür zuständigen Justizminister des Landes Nordrhein Westfalen auf den Weg gebracht worden. Zugleich steht damit fest, daß die Darstellung der Antragsgegnerin, das Schriftstück müsse ihr Anfang August zugegangen sein, frei erfunden ist.
Soweit die Beschwerde rügt, es sei der Antragsgegnerin eine einfache Abschrift der … übermittelt worden, ist dies nicht recht verständlich. Ausweislich der von ihr selbst zu den Akten gereichten Urkunde (Bl. 64) ist diese mit dem Gerichtsstempel versehen und sogar gesiegelt. Es handelt sich somit um eine ausreichend beweiskräftige Urkunde. Zugleich steht damit fest, daß der Antragsgegnerin mit dem englischen Original auch eine deutsche Übersetzung zugegangen ist.
Die Anerkennung könnte deshalb nach Art. 27 Ziff. 2 EuGVÜ nur dann aus diesem Grund noch versagt werden, wenn die nach den vorstehenden Ausführungen ordnungsgemäße Zustellung nicht rechtzeitig erfolgt wäre. Beide Voraussetzungen müssen nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung nebeneinander vorliegen. Die Rechtzeitigkeit der Zustellung im Sinne des Art. 27 Ziff. 2 EuGVÜ hat das Gericht des Vollstreckungsstaates selbständig ohne Bindung an die Feststellungen des Gerichts des Urteilsstaates zu prüfen (BGH NJW 1986, 2197). Auch an die Bestimmungen des Prozeßrechts des Urteilsstaates und die des eigenen Prozeßrechts ist das Gericht des Vollstreckungsstaates nicht gebunden. Entscheidend ist allein, ob dem Beklagten nach den Umständen des Einzelfalles genügend Zeit verbleibt, um seine Verteidigung vorzubereiten. Das Europäische Übereinkommen will dem Beklagten nämlich wirksamen Schutz seiner Rechte, wenn auch ohne Harmonisierung der Zustellungsvorschriften in den einzelnen Ländern, gewährleisten.
Nach Auffassung des Senates reicht die Frist zwischen der Zustellung ... am 22.07.1991 und der Verfügung des … vom 23.08.1991, und damit erst recht bis zum Erlaß des Versäumnisurteiles am 04.09.1991, aus, um sich wirksam gegen die Klage zu verteidigen. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang einerseits, daß die ... der Antragsgegnerin auch in deutscher Übersetzung zugestellt worden ist, sie mithin schon am Zustellungstag wußte oder wissen konnte, welche, Bewandnis es mit dem Schriftstück hatte, ohne sprachkundige Hilfe einholen zu müssen. Entscheidend ist, daß nach dem ausdrücklichen Wortlaut der ... zur Verhinderung des Versäumnisurteils genügt hätte, wenn die Antragsgegnerin binnen 3 Wochen die Empfangsbescheinigung mit der Erklärung zurückgesandt hätte, daß sie beabsichtige, sich in dem Verfahren zu verteidigen. Es war deshalb nicht etwa ein Schriftsatz zur Sache erforderlich. Es genügte die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft. Dies war einschließlich einer gegenüber in Deutschland womöglich verlängerten Postlaufzeit in der im Beschluß gesetzten Frist von 3 Wochen problemlos möglich. Das deutsche Prozeßrecht sieht in derselben Konstellation kürzere Fristen vor (§ 276 Abs. 1 ZPO). Bei einer derartigen Sachlage ist die Zustellung als rechtzeitig im Sinne des Art. 27 Ziff. 2 EuGVÜ anzusehen.
2. Auch die übrigen Einwendungen der Antragsgegnerin können der Beschwerde nicht. zum Erfolg verhelfen.
a) Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, ihr sei zu keiner Zeit eine vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisurteils zugestellt oder zur Kenntnis gebracht worden, ist dies ersichtlich falsch. Ausweislich der vorliegenden Zustellungsurkunde vom 04.03.1992 (Bl. 13) sind ihr Titel mit Vollstreckungsklausel und weiteren Anlagen zugestellt worden.
b) Unrichtig ist auch, daß die Antragsteller die Urkunden nicht in der Form des Art. 46 EuGVÜ eingereicht hätten. Ausweislich der Verfügung des Rechtspflegers des Landgerichts Essen haben sie diesem vorgelegen (Bl. 11 f). Die Urkunden brauchen aber nicht bei den Akten im Original zu verbleiben. Der Senat sieht keinen Anlaß, diese von den Antragstellern erneut anzufordern, zumal die Urkunden der Antragsgegnerin, wie erwähnt, zugestellt worden sind und diese nicht näher bestreitet, daß die vorliegenden Ablichtungen nicht dem Original entsprechen. Eine weitere Klärung ist insoweit nicht erforderlich, Art. 48 EuGVÜ.
c) Zu Unrecht rügt die Beschwerde weiter, das ihr von den Anwälten der Antragsteller übergebene Exemplar des Urteils sei eine einfache Abschrift. Ausweislich der von ihr selbst eingereichten Unterlagen (Bl. 75 GA) sind das Urteil und seine deutsche Übersetzung geheftet und mit dem Gerichtssiegel versehen. Auch insoweit handelt es sich deshalb ersichtlich um ein Original.
d) Zutreffend weist die Beschwerde allein darauf hin, daß die Übermittlung des Urteils durch die deutschen Anwälte der Antragsteller nicht den Vorschriften über die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke im Ausland entspricht. Nach Art. 47 Ziff. 1 EuGVÜ hat eine Partei, welche die Zwangsvollstreckung betreiben will, aber unter anderem eine Urkunde vorzulegen, aus der sich ergibt, daß die Entscheidung zugestellt worden ist. Dies hindert aber die Anerkennung des Urteils nicht und kann auch der Beschwerde im übrigen nicht zum Erfolg verhelfen. Voraussetzungen, unter denen eine Entscheidung nicht anerkannt wird, ergeben sich aus Art. 27 f EuGVÜ. Eine nach Art. 47 EuGVÜ erforderliche Zustellung gehört nicht zu diesen Voraussetzungen. Die Zustellung ist, wie sich aus dem einleitenden Satz des Art. 47 EuGVÜ auch unmittelbar ergibt, auch nicht für die Anerkennung, sondern nur für die Zwangsvollstreckung erforderlich (vgl. auch Art. 46 EuGVÜ).
Es kann dahinstehen, ob deshalb ohne Nachholung einer ordnungsgemäßen Zustellung die Vollstreckungsklausel nicht hätte erteilt werden dürfen. Denn dieser Mangel ist inzwischen geheilt, § 187 ZPO. Denn die Zustellung ist jedenfalls am 04.03.1992 mit der erteilten Vollstreckungsklausel erfolgt. Damit sind die Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung jedenfalls jetzt erfüllt. Der Zweck der Zustellung im Sinne des Art. 47 Ziff. 1 EuGVÜ, nämlich dem Schuldner zu ermöglichen, die Schuld freiwillig zu begleichen, ist erreicht. Die Aufhebung der Anordnung zur Erteilung der Vollstreckungsklausel im Beschwerdeverfahren kommt bei einer solchen Sachlage nicht in Betracht.
Die Beschwerde mußte deshalb insgesamt ohne Erfolg bleiben.