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Zusammenfassung der Entscheidung Der Antragsteller erwirkte vor einem englischen Gericht ein Versäumnisurteil gegen den deutschen Antragsgegner. Die das Verfahren einleitende Klageschrift wurde dem Antragsgegner per einfacher Post übermittelt. Der Antragsgegner ließ sich auf das Verfahren nicht ein. Der Antragsteller beantragte, das Urteil für die BRD für vollstreckbar zu erklären. Hiergegen wandte sich der Antragsgegner.
Das OLG Hamm (DE) führt aus, dass die Zustellung des das Verfahren einleitenden Schriftstücks per einfacher Post nicht ordnungsgemäß gem. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ gewesen sei. Grundsätzlich gelte für den Zustellungsverkehr zwischen Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland das Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 15.11.1965. Nach Art. 10 dieses Übereinkommens sei die Übermittlung gerichtlicher Schriftstücke im Ausland unmittelbar durch die Post nur zulässig, sofern der Bestimmungsstaat keinen Widerspruch erklärt habe. Ein solcher Widerspruch sei durch die Bundesrepublik Deutschland anlässlich der Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde jedoch ausdrücklich erklärt worden. Folglich sei dem Urteil die Anerkennung zu versagen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Der Antragsteller hat am 02.10.1990 ein Versäumnisurteil des … erwirkt, durch das der Antragsgegner verurteilt worden ist, an den Antragsteller 12.346,47 £ (einschließlich Zinsen), ferner 183,75 £ weitere Zinsen sowie 160,‑ £ Kosten zu zahlen.
Durch den angefochtenen Beschluß hat der Vorsitzende der 12. Zivilkammer des Landgerichts Münster die Entscheidung für vollstreckbar erklärt und die Erteilung der Vollstreckungsklausel angeordnet.
Gegen diese ihm am 23.06.1992 zugestellte Entscheidung hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 10.07.1992, eingegangen am 13.07.1992, Beschwerde eingelegt.
Er hält die Erteilung der Vollstreckungsklausel für rechtswidrig. Hierzu behauptet er, weder die Klage noch eine Ladung noch das Urteil des englischen Gerichts seien ihm – vor der erwähnten Zustellung durch das Landgericht Münster – jemals zugestellt noch sonst irgendwie zur Kenntnis gebracht worden. Er sei deshalb völlig überrascht. Er rügt ferner, daß der Vorsitzende der Zivilkammer die Klausel nicht ohne seine Beteiligung hätte erteilen dürfen und bezeichnet – ohne nähere Begründung – das britische Gericht für seine Entscheidung als unzuständig.
Der Antragsteller meint, das englische Urteil sei ordnungsgemäß zustande gekommen. Insbesondere ergebe sich aus der …, daß ohne Verteidigungsanzeige ohne weiteres ein Versäumnisurteil hätte ergehen können.
II. Die Beschwerde ist zulässig, Art. 36 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) vom 27.09.1968 iVm §§ 11, 12 des Ausführungsgesetzes vom 29.07.1972 (AVAG), insbesondere ist die Beschwerdefrist von einem Monat gewahrt. Die Bestimmungen sind auch im Verhältnis zum Vereinigten Königreich, auch in zeitlicher Hinsicht, anwendbar (Baumbach/Lauterbach/Albers EuGVÜ Anm. 1).
III. Die Beschwerde ist auch begründet.
1. Allerdings ist der Hinweis des Antragsgegners darauf, der Vorsitzende der Zivilkammer des Landgerichts hätte ihn vor seiner Entscheidung anhören müssen, verfehlt. Gegenteiliges ergibt sich aus § 5 Abs. 1 S. 1 AVAG.
2. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Unzuständigkeit des englischen Gerichts. Für die Frage der Anerkennung eines Urteils kann die Zuständigkeit des Gerichts des Urteilsstaates nur unter den Voraussetzungen der Art. 28 EuGVÜ Bedeutung erlangen. Von den dort in Bezug genommenen Vorschriften kann allenfalls an eine Anwendung des Art. 13 Nr. 3 iVm Art. 14 Abs. 2 EuGVÜ gedacht werden. Der Antragsgegner hat zu den Voraussetzungen des Art. 13 Nr. 3 EuGVÜ aber nichts vorgetragen. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, daß dem Vertragsschluß ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung in der Bundesrepublik Deutschland vorausgegangen ist.
3. Es kann unerörtert bleiben, ob die Beschwerde schon deshalb Erfolg haben muß, weil das Urteil vom 02.10.1990 erstmals vom Landgericht Münster zusammen mit der erteilten Vollstreckungsklausel zugestellt worden ist. Die vom Senat angeforderte Urkunde über die nach Art. 47 Abs. 1 EuGVÜ erforderliche vorherige Zustellung ist jedenfalls ebenso wenig vorgelegt worden, wie die vom Senat angeforderte Urkunde darüber, daß die Entscheidung vom 02.10.1990 (nach englischem Recht) vollstreckbar ist, Art. 47 Abs. 1 erste Alternative EuGVÜ.
4. Die Erteilung einer Vollstreckungsklausel scheidet jedenfalls deshalb aus, weil das Urteil vom 02.10.1990 nach Art. 27 Abs. 2 EuGVÜ nicht anerkannt werden kann. Nach dieser Bestimmung wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das dieses Verfahren einleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht ordnungsgemäß und nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, daß er sich verteidigen konnte. Es fehlt hier offenkundig an einer ordnungsgemäßen Zustellung des das Verfahren einleitenden Schriftstückes ... Der Antragsteller hat entgegen Art. 46 Abs. 2 EuGVÜ keine Urkunde vorlegen können, aus der sich ergibt, daß dieses Schriftstück der säumigen Partei zugestellt worden ist. Aus dem hierzu vorgelegten Schriftstück (60 GA) ergibt sich vielmehr, daß das … dem Antragsgegner mit einfacher Post zu übermitteln versucht worden ist und daß das Schriftstück nicht in den Rücklauf gekommen ist. Hieraus folgt weder, daß der Antragsgegner das Schriftstück erhalten hat, seine Darstellung, er habe keinerlei Kenntnis von dem Prozeß gehabt, ist deshalb nicht widerlegt, noch handelt es sich bei einer derartigen Verfahrensweise überhaupt um eine ordnungsgemäße Zustellung. Art. 10 des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen, das auch im Verhältnis zu Großbritannien Anwendung findet, ist die Übermittlung gerichtlicher Schriftstücke in das Ausland unmittelbar durch die Post nur zulässig, sofern der Bestimmungsstaat keinen Widerspruch erklärt. Ein solcher Widerspruch ist durch die Bundesrepublik Deutschland anläßlich der Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde aber ausdrücklich erklärt worden (BGBl. 1979 II, 779).
Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ soll sicherstellen, daß eine Entscheidung nach den Bestimmungen des Übereinkommens weder anerkannt noch vollstreckt wird, wenn es dem Beklagten nicht möglich war, sich vor dem Gericht des Urteilsstaates zu verteidigen. Da hier nicht einmal feststellbar ist, daß der Antragsgegner von dem Prozeß Kenntnis nehmen konnte, ist eine Anerkennung des Urteils und damit auch die Erteilung einer Vollstreckungsklausel ausgeschlossen.