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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragsgegnerin ist von einem italienischen Gericht zur Geldzahlung an die Antragstellerin verurteilt worden. Die Antragstellerin hat beantragt, das Urteil mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen. In diesem Verfahren hat die Antragsgegnerin die Aufrechnung mit einer ihr angeblich zustehenden Forderung erklärt.
Das OLG Koblenz (DE) führt aus, dass die Aufrechnung außer Betracht bleiben müsse. Im Verfahren nach Art. 34 EuGVÜ seien Einwendungen zumindest dann ausgeschlossen, wenn sie schon im Ausgangsverfahren hätten geltend gemacht werden können. Dies sei bei einer Aufrechnung mit einer bereits im Erkennungsverfahren bestehenden Forderung der Fall.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Parteien standen mit Weinlieferungen in laufender Geschäftsverbindung, auf Grund deren zugunsten der Gläubigerin noch ein Saldo von 15.000,‑ DM offen steht.
Am 10. April 1973 haben die Gläubigerin und die Firma …, eine Vereinbarung dahin getroffen, daß die Firma … an die Gläubigerin „für die Firma … noch einen Abschluß von ca. 25 bis 30 LKW für das Jahr 1973 herein“ gibt und die Gläubigerin dafür „am Ende des Jahres 1973 und nach der Erledigung des Abschlusses“ 15.000,‑ DM an die Firma … bezahlt.
Auf Grund einer am 5. Februar 1974 erhobenen und der Schuldnerin ordnungsgemäß zugestellten Klage hat die Gläubigerin am 28. November 1974 ein Urteil des Gerichtshofs in Trient (Tribunale di Trento) gegen die Schuldnerin auf Zahlung von 15.000,‑ DM nebst Zinsen und Kosten erwirkt. Die Schuldnerin hat sich in dem Verfahren nicht vertreten lassen.
Auf Antrag der Gläubigerin vom 27. Mai 1974 hat der Vorsitzende der 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz durch den angefochten. Beschluß die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Tribunale di Trento vom 28.11. 1974 zugelassen und unter Wiedergabe der zu vollstreckenden Verurteilung angeordnet, daß das Urteil mit der Vollstreckungsklausel zu versehen sei.
Der mit der Vollstreckungsklausel versehene Schuldtitel ist der Schuldnerin am 13. Oktober 1975 zugestellt worden.
Mit einem am 31. Oktober 1975 bei dem erkennenden Gericht eingegangenen Schriftsatz hat die Schuldnerin Beschwerde gegen den Beschluß des Vorsitzenden der 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 2. Oktober 1975 eingelegt. Sie rügt die Unzuständigkeit des Tribunale di Trento mit der Behauptung, sie habe mit der Gläubigerin diesen Gerichtsstand nicht vereinbart. Außerdem macht sie geltend, sie habe mit der ihr am 11. April 1973 abgetretenen Forderung der Firma … mit Schreiben vom 8. August 1975 aufgerechnet, nachdem im Verlaufe des Jahres 1974 der Vertrag zwischen der Gläubigerin und der Firma … abgewickelt worden und die Gegenforderung damit fällig geworden sei; hiervon habe sie erst am 7. August 1975 Kenntnis erhalten.
Die Schuldnerin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
Die Gläubigerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Meinung, eine Gerichtsstandvereinbarung sei durch den Aufdruck einer entsprechenden Klausel auf ihren Rechnungen zustande bekommen. Die Schuldnerin könne mit ihrer Aufrechnung nicht mehr gehört werden, da sie auch mit einer bedingten oder erst künftig fällig werdenden Forderung in dem Verfahren vor den Tribunale di Trento hätte aufrechnen müssen.
Die Beschwerde ist nach Art. 36 Abs. I des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (= EuG-Übk) v. 27.9. 1968 -BGBl 72 II 774- in Verbindung mit §§ 11 ff AusfG. v. 29.7.1972 -BGBl 1328-statthaft und zulässig.
In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg, da der angefochtene Beschluß zu Recht die Anordnung getroffen hat, das Urteil des Tribunale di Trento vom 28.11.1974 mit der Vollstreckungsklausel zu versehen.
Die Anerkennung einer in Italien erlassenen Entscheidung einschließlich der Kostenfestsetzung richtet sich nach dem EuG-Übk, das Italien und die Bundesrepublik Deutschland ratifiziert haben und das dem Anerkennungsverfahren nach § 328 ZPO vorgeht (Baumbach-Lauterbach, ZPO § 328 Anm. 1 A). Gemäß Art. 34 EuG-Übk werden in einem Vertragsstaat ergangene vollstreckbare Entscheidungen auf Antrag für im Inland vollstreckbar erklärt, sofern nicht die in Art. 27 und 28 EuG-Übk angeführten Gründe entgegenstehen. Solche Hinderungsgründe liegen hier nicht vor. Insbesondre bestehen hinsichtlich der Zuständigkeit des Tribunale di Trento keine Bedenken. Ein gemäß Art. 7 bis 16 EuG-Übk zwingender Gerichtsstand war nicht gegeben, da es sich bei dem zu Grunde liegenden Sachverhalt weder um eine Versicherungssache, ein Abzahlungsgeschäft noch um ein Rechtsverhältnis handelt, für das Art. 16 EuG-Übk eine ausschließliche Zuständigkeit vorschreibt. Es kann offen bleiben, ob der Gerichtshof in Trient die an sich am Erfüllungsort (Art. 5 Nr. 1 EuG-Übk) gegebene Zuständigkeit über die Annahme einer Gerichtstandvereinbarung (Art. 17, 18 EuG-Übk) für sich zu Recht in Anspruch genommen hat. Die Nachprüfung dieser Frage ist dem um die Vollstreckbarkeitserklärung angegangenen Gericht ausdrücklich untersagt (Art. 28 Abs. 3 EuG-Übk).
Auf die am 8. August 1975 der Gläubigerin gegenüber erklärte Aufrechnung kann sich die Schuldnerin nicht berufen. Ein Schuldner kann gemäß § 14 Abs. 1 Ausführungsgesetz zum EuG-Übk mit der Beschwerde gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung Einwendungen gegen den der Entscheidung zu Grunde liegenden Anspruch nur insoweit geltend machen, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Erlaß der Entscheidung entstanden sind. Diese Voraussetzung hat die Schuldnerin in Bezug auf die von ihr behauptete Gegenforderung nicht dargetan.
Ohne Bedeutung ist, daß die Schuldnerin erst am 8. August 1975, also lange nach Erlaß des Urteils des Tribunale di Trento, die Aufrechnung mit der, wie sie vorträgt, bereits vor Erlaß des Urteils erworbenen Gegenforderung erklärt hat. Die Ausübung des in der Aufrechnungserklärung liegenden Gestaltungsrechts ist nicht entscheidend. Maßgebend kommt es für die Frage, ob die Einwendung vor oder nach Erlaß der Entscheidung entstanden ist, bei der Aufrechnung auf den Zeitpunkt an, in dem sich beide Forderungen aufrechenbar gegenüberstanden; die Kenntnis des Schuldners von der Aufrechnungslage ist ohne Bedeutung.
Wie bei der Vorschrift des § 767 Abs. 2 ZPO, dem § 14 Abs. 1 Ausführungsgesetz zum EuG-Übk nachgebildet ist, sind Einwendungen des Schuldners grundsätzlich schon dann ausgeschlossen, wenn sie objektiv in dem hierin genannten Zeitpunkt hätten geltend gemacht werden können (für § 767 ZPO vgl. BGHZ 34, 274, 279; 42, 37, 40). Entscheidungen anderer Vertragsstaaten ‚deren Anerkennung und Vollstreckbarkeitserklärung im übrigen nichts entgegensteht, sind die gleichen Wirkungen wie inländischen Verurteilungen eingeräumt. Die ausländische Entscheidung bedarf wie ein inländisches Urteil in weitem Umfange Schutz vor nachträglichen Einwendungen des Schuldners. Eine Nachprüfung auf ihre Gesetzmäßigkeit ist ausgeschlossen (Art. 34 EuG-Übk). Daraus folgt, daß materielle Einwendungen gegen den ausgeurteilten Anspruch des Gläubigers grundsätzlich unbeachtet bleiben müssen, es sei denn, sie sind nachträglich entstanden und konnten vom Schuldner vor dem ausländischen Gericht noch nicht geltend gemacht werden. Wie bei einem inländischen Urteil müssen auch bei einer in einem Vertragsstaat der Europäischen Gemeinschaft ergangenen Entscheidung die Hindernisse gegen die Vollstreckung eng begrenzt werden. Das folgt aus dem Bestreben, die gegenseitigen Entscheidungen grundsätzlich gleichzustellen und ohne besonderes Verfahren anzuerkennen (Art. 26 EuG-Übk). Diesem Bestreben nach möglichster Freizügigkeit von Vollstreckungstiteln im Vertrauen auf die Rechtsprechung eines jeden Vertragsstaates (vgl. Grunsky JZ 1973, 641) würde nicht Rechnung getragen werden, wenn dem Schuldner größere Möglichkeiten eingeräumt würden, gegen die ausländische Entscheidung vorzugehen, als gegen ein in seinem eigenen Staate ergangenes Urteil.
Da es demnach wie im Rahmen des § 767 Abs. 2 ZPO auch hier allein auf die objektive Aufrechnungslage ankommt, ist im vorliegenden Falle deshalb entscheidend, ob die an die Schuldnerin abgetretene Forderung vor oder nach Erlaß des Urteils des Tribunale di Trento fällig geworden ist; vor Fälligkeit der Gegenforderung war eine Aufrechnung mit ihr nicht möglich (§ 387 BGB; Soergel-Schmidt § 387 Rn. 8). Nach dem Vortrag der Schuldnerin hat die Firma Hoffmann die Lieferungen der Gläubigerin „im Verlaufe des Jahres 1974“ voll abgenommen. Das lässt offen, ob die für den Eintritt der Fälligkeit der Gegenforderung bestehende Bedingung vor oder nach Erlaß des Urteils vom 28.11. 1974 eingetreten ist. Es ist aber Sache des Schuldners darzutun, daß die Einwendung, hier die Fälligkeit der zur Aufrechnung benutzten Gegenforderung, erst nach Erlaß des Urteils entstanden ist. Zweifel gehen zu seinen Lasten, weil er eine Ausnahmeregelung für sich in Anspruch nimmt, die die Vollstreckbarkeit einer bereits erlassenen Entscheidung aufheben soll (vgl. Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl., § 32 IV S. 393 f). Eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wegen der Aufrechnungserklärung der Schuldnerin ist daher nicht möglich.