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Zusammenfassung der Entscheidung Die in Italien wohnhafte Antragstellerin erwirkte gegen ihren in Deutschland wohnenden Ehemann das Urteil eines italienischen Gerichts, mit dem dieser zur Zahlung monatlichen Unterhalts verurteilt wurde. Für das italienische Urteil beantragte sie vor dem für den Wohnsitz des Ehemannes zuständigen Landgericht München (DE) die Erteilung der deutschen Vollstreckungsklausel. In dem Antrag nahm die Antragstellerin ausdrücklich auf die Regeln der Brüssel I-VO Bezug.
Das Oberlandesgericht München (DE) führt aus, dass die Verordnung zwischen einzelnen Mitgliedstaaten bestehende Übereinkommen gem. Art. 71 Brüssel I-VO unberührt lasse, in denen für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung oder die Vollstreckung von Entscheidungen geregelt ist. Hierzu gehöre auch das Haager Unterhaltsübereinkommen 1973 (HUÜ 73), zu dessen Vertragsstaaten sowohl Deutschland als auch Italien gehören. Da diese besonderen Staatsverträge nach dem Wortlaut von Art. 71 Brüssel I-VO „unberührt“ bleiben, gehen diese Regeln grundsätzlich der Brüssel I-VO vor. Das HUÜ 73 beanspruche allerdings keine ausschließliche Geltung. Nach seinem Art. 23 hindere es nicht die Anwendung anderer auf die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltstiteln gerichteten internationaler Rechtsinstrumente. Dem Antragsteller des Klauselerteilungsverfahrens stehe ein Wahlrecht zu, ob er die Klausel nach dem HUÜ 73 oder aber nach den Regeln der Brüssel I-VO betreiben will. Dieses Wahlrecht sei unbeschränkt. Der Antragsteller müsse lediglich entscheiden, auf welches Instrument er seinen Antrag stützen möchte. Andererseits sei eine Entscheidung auch erforderlich. Die Vollstreckungsklausel könne nur entweder nach den Regeln des HUÜ 73 oder nach den Regeln der Brüssel I-VO erteilt werden. Eine Vermischung beider Instrumente, etwa in dem Sinne, dass sich der Antragsteller aus beiden die für ihn günstigsten Regeln heraussuchen könnte, sei nicht zulässig.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Auf Antrag der Antragstellerin, hinsichtlich dessen Inhalts auf den Schriftsatz vom 11.8.2003 (Bl. 2 der Akten) Bezug genommen wird, und in welchem insbesondere unterschieden wurde zwischen Scheidungs- und Kindesunterhalt, hat der Vorsitzende der 29. Zivilkammer des Landgerichts München I mit Beschluss vom 5.11.2003 angeordnet, dass das Urteil des Gerichts von Pordenone/Italien vom 24.9.2002, durch das der Antragsgegner verurteilt worden ist, monatlichen Unterhalt zu zahlen von 1.700,‑EUR für die Zeit ab Oktober 2002 bis Dezember 2002 und von 1.745,90 EUR ab Januar 2003, mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist.
Gegen diesen dem Antragsgegner am 19.11.2003 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 17.12.2003 bei Gericht eingegangenen Beschwerde.
Zur Begründung trägt er vor, dass mit Urteil des Corte di Appello di Trieste, des Berufungsgerichtes, vom 2.5.2003 das erstinstanzliche Urteil des Tribunale di Pordenone insoweit abgeändert wurde, als der von ihm zu zahlende Scheidungsunterhalt ab Mai 2003 statt 700,‑EUR nur noch 500,‑EUR beträgt. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Außerdem wendet er ein, er habe den Kindesunterhalt für seinen Sohn A … in Höhe von 1000,‑EUR stets bezahlt und vor Einleitung des vorliegenden Verfahrens sei er nicht zur Zahlung aufgefordert worden, er befinde sich deshalb nicht in Verzug. Darüber hinaus sei er am 12.2.2004 Vater einer Tochter geworden, weshalb der insoweit von ihm zu zahlende Unterhalt für dieses Kind und dessen Mutter bei der Unterhaltshöhe Berücksichtigung finden müsse. Die Vollstreckung aus der vom Landgericht erteilten Klausel sei somit eine unbillige Härte.
Der Antragsteller beantragt zuletzt, den Beschluss des Landgerichts München I vom 7.11.2003 aufzuheben, die Vollstreckbarkeitserklärung des Unterhalts zugunsten T … C … von 700,‑EUR monatlich ab Mai 2003 auf 500,‑EUR zu reduzieren und ab März 2003 aufzuheben, sowie die Entscheidung hinsichtlich der Vollstreckbarkeit des Unterhalts zugunsten A … ab März 2003 auf 500,‑EUR monatlich abzuändern, gegebenenfalls gegen Sicherheitsleistung.
Die Antragsstellerin hat anerkannt, dass der vom Antragsgegner geschuldete Scheidungsunterhalt (Ehegattenunterhalt) ab Mai 2003 anstelle von 700,‑EUR nur noch 500,‑EUR pro Monat beträgt und beantragt im übrigen, die Beschwerde der Antragsgegners zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die übrigen vom Antragsgegner vorgetragenen Umstände und Einwände seien im Verfahren auf Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht berücksichtigungsfähig. Gegebenenfalls müsse der Antragsgegner Abänderungsklage erheben. Eine Zahlungsaufforderung sei nicht Voraussetzung für eine Klauselerteilung und der Umstand, dass der Kindesunterhalt in der Vergangenheit bezahlt worden sei, stehe ihrem Antrag auch nicht entgegen.
Zur Ergänzung wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien nebst den vorgelegten Unterlagen.
Soweit der Antragsgegner beantragt, den Beschluss des Landgerichts München I vom 7.11.2003 aufzuheben, handelt es sich offensichtlich um eine Unachtsamkeit, gemeint ist ersichtlich der im vorliegenden Verfahren ergangene Beschluss des Landgerichts vom 5.11.2003. Soweit mit Schriftsatz der Antragsgegnervertreterin vom 22.3.2004 (Bl. 51 der Akten) auf Seite 1 unter Ziffer 2 der Antrag gestellt wird, „das Urteil des Gerichts von Pordenone/Italien vom 24.9.2002, Az. 250/00, wurde durch das Urteil des Berufungsgerichts Triest, verkündet in der nichtöffentlichen Verhandlung vom 2.5.2003 teilweise aufgehoben“, vermag der Senat darin keinen sinnvollen und prozessual nachvollziehbaren Antrag zu sehen. Der Senat sieht darin somit fälschlicherweise als Antrag bezeichnetes Sachvorbringen.
II. Auf das Beschwerdeverfahren als auch auf das Verfahren zu Erteilung der Vollstreckungsklausel sind die Vorschriften der EuGVVO anzuwenden. Für die Erteilung der Klausel kann sowohl das HUÜ 73 als auch die EuGVVO maßgeblich sein. Denn Art. 23 HUÜ 73 räumt der Antragstellerin ein Wahlrecht ein, ob sie ihren Antrag auf das HUÜ 73 oder die EuGVVO stützen will. Lediglich ein „Mischverfahren“ ist nicht möglich.
Da für die Antragstellerin hier die Vorschriften der EuGVVO günstiger sind. z.B., weil es im Gegensatz zu Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 HUÜ 73 keines rechtskräftigen Titels bedarf, und weil die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 29.10.2003 beantragt hat, die EuGVVO anzuwenden, beurteilen sich die Anerkennungsvoraussetzungen ausschließlich nach der EuGVVO.
Die Beschwerde ist gemäß Art. 43 EuGVVO iVm § 11 Abs. 1 S. 1 AVAG zulässig. Insbesondere wurde die einmonatige Beschwerdefrist gemäß Art. 43 Abs. 5 EuGVVO eingehalten.
Die Beschwerde ist auch teilweise begründet, soweit sich der Antragsgegner darauf beruft, dass das Urteil des Tribunale di Pordenone durch das Berufungsurteil des Corte di Appello die Trieste vom 2.5.2003 mit Wirkung ab Mai 2003 hinsichtlich der Höhe des zu zahlenden Scheidungsunterhaltes in o.g. Weise abgeändert worden ist.
Im übrigen ist die Beschwerde hingegen unbegründet.
Prüfungsmaßstab ist gemäß Art. 45 EuGVVO Art. 34 und Art. 35 EuGVVO. Auf die dort angeführten Anerkennungshindernisse beruft sich der Antragsgegner hingegen nicht, solche sind auch nicht ersichtlich.
Weitergehende Prüfungen des bzw. der ausländischen Titel können nicht erfolgen. Insbesondere kann sich der Antragsgegner nicht auf § 12 Abs. 1 AVAG berufen, da Art. 45 Abs. 1 EuGVVO den Prüfungsmaßstab alleinverbindlich festlegt und § 12 Abs. 1 AVAG insoweit gegen die höherrangige europarechtliche Vorschrift verstößt (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, 25. Aufl., Art. 45 EuGVVO, Rn. 3 mwN).
Somit kann sich der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren auf Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht darauf berufen, er habe den titulierten Kindesunterhalt bezahlt. Sofern die Antragstellerin gleichwohl auch hinsichtlich des erfüllten Teiles die Zwangsvollstreckung betreiben sollte, beschränken sich die Möglichkeiten des Antragsgegners auf die Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO. Soweit der Antragsgegner die Abänderung der Unterhaltshöhe wegen der Geburt seiner Tochter L … und sonstiger in diesem Zusammenhang stehender Umstände begehrt, kann er auch dies nicht im vorliegenden Verfahren sondern allenfalls im Wege einer Abänderungsklage bei dem dafür international zuständigen Gericht erreichen (vgl. Hüßtege, aaO, Art. 5, Rn. 16 mwN).
Eine vorherige Zahlungsaufforderung oder Inverzugsetzung war ebenfalls nicht Voraussetzung für die Erteilung der Vollstreckungsklausel.
Zu berücksichtigen war lediglich der Einwand der Abänderung des Titels durch das Berufungsgericht in Triest, nachdem auch der Antragsteller seinen Antrag insoweit geändert hat.
Aus Klarstellungsgründen war bei der Neufassung der Beschlussformel i.ü. zu unterscheiden zwischen Scheidungs- und Kindesunterhalt.