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Zusammenfassung der Entscheidung Der in Frankreich wohnhafte Antragsteller erwirkte gegen den in Deutschland wohnhaften Antragsgegner ein Zahlungsurteil eines französischen Gerichts, das in zweiter Instanz bestätigt wurde. Der Antragsgegner war in beiden Verfahren durch einen französischen Anwalt vertreten. Eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils wurde nach Art. 684, 685 franz. ZPO dem französischen Oberstaatsanwalt übergeben. Gleichzeitig wurde dem Antragsgegner vom Gerichtsvollzieher eine vollstreckbare Ausfertigung in französischer Sprache per Post übersandt, nachdem bereits dem französischen Anwalt des Antragsgegners eine Urteilsausfertigung zugestellt worden war. Der Antragsteller beantragt, das Urteil für in Deutschland vollstreckbar zu erklären.
Das OLG Oldenburg (DE) führt aus, dass ein französisches Zivilurteil, das gegen eine nicht in Frankreich wohnende Partei ergangen ist, dann ordnungsgemäß zugestellt i.S. des Art. 47 Nr.1 EuGVÜ sei, wenn die Zustellung entsprechend den französischen Rechtsvorschriften durch Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung an die zuständige Staatsanwaltschaft in Frankreich erfolge. Das französische Recht sehe in Art. 684 f. franz. ZPO bei einem im Ausland wohnenden Empfänger die Zustellung durch Übergabe des zuzustellenden Schriftstückes an die Staatsanwaltschaft vor ("remise au parquet"). Die Übermittlung einer Übersetzung sei dabei nicht erforderlich. Auch das Haager Zustellungsübereinkommen führe zu keiner anderen Beurteilung, da es lediglich Auslandszustellungen regele, eine solche aber gerade nach französischem Recht nicht erforderlich sei. Eine verbindliche Verpflichtung für einen Vertragsstaat, notwendige Zustellungen an Personen im Ausland gemäß dem Übereinkommen auch im Ausland durchführen zu lassen, wenn nach dem Recht des Vertragsstaates die Zustellung bereits im Inland bewirkt werden kann, enthalte das Übereinkommen nicht.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der Schuldner ist durch Urteil des Tribunals de Commerce de Tours vom 17.11.1987 zur Zahlung vom 2.237.918,‑ FF zuzüglich der Verfahrenskosten verurteilt worden. Dieser Spruch wurde bestätigt durch das Urteil des Cour D’Appel D’Orleans vom 25.9.1990, durch das gegen den Schuldner auf Zahlung weiterer 10.000,‑ FF sowie der Kosten des Berufungsverfahrens erkannt wurde.
Der Schuldner war in beiden Verfahren durch einen französischen Anwalt vertreten.
Eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils des Cour D’Appel D’Orleans wurde von dem zuständigen französischen Gerichtsvollzieher am 18.10.1990 nach §§ 685 n.c.p.c. dem Oberstaatsanwalt beim Cour D’Appel D’Orleans übergeben. Gleichzeitig wurde dem Schuldner vom Gerichtsvollzieher eine vollstreckbare Ausfertigung in französischer Sprache per Post übersandt. Zuvor war dem französischen Prozessbevollmächtigten des Schuldners eine Urteilsausfertigung zugestellt worden.
Auf Antrag des Gläubigers hat der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück durch Beschluß vom 16.5.1991 angeordnet, dass die Urteile vom 17.11.1987 und 25.9.1990 mit der Vollstreckungsklausel zu versehen seien.
Gegen diesen ihm am 20.6.1991 zugestellten Beschluß hat der Schuldner Beschwerde eingelegt, die am 17.7.1991 beim Landgericht Osnabrück eingegangen ist.
Er hält die Zulassung der Zwangsvollstreckung für unzulässig, da ihm das Urteil des Appellationsgerichts D’Orleans nicht ordnungsgemäß nach Art. 19 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Satz 3 des Haager Übereinkommens von 1954 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen (HZustÜ) zugestellt worden sei. Entgegen dieser Vorschrift sei der entscheidende Teil des Urteils nicht von einer Übersetzung begleitet gewesen.
Er beantragt den Beschluß des Landgerichts Osnabrück vom 16.5.1991 aufzuheben und den Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zurückzuweisen, hilfsweise die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Tribunal de Commerce de Tours vom 17.11.1987 in der Fassung des Appellationsgerichts in Orleans Nr. 1276, NRG 1208/88 von der Leistung einer Sicherheit durch den Antragsteller in Höhe von 2.237.918,‑ FF abhängig zu machen, hilfsweise die Entscheidung gemäß Art. 38 EGÜbk auszusetzen.
Der Gläubiger beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, dass das Urteil bereits durch Übergabe an die Staatsanwaltschaft wirksam zugestellt worden sei, da das HZustÜ auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Auf die Beifügung einer Übersetzung komme es deshalb nicht an.
Die Beschwerde des Schuldners ist gemäß Art. 36 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens über die Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (EuGVÜ) statthaft und form- und fristgerecht eingelegt, Art. 36 Abs. 1, 37 Abs. 1 EuGVÜ in Verbindung mit §§ 11, 12 des Gesetzes zur Ausführung des Vollstreckungsabkommens (AVAG).
In der Sache hat sie keinen Erfolg.
Die Zulassung der Zwangsvollstreckung war nicht nach Art. 34 Abs. 2, 27, 28 EuGVÜ zu versagen, da keiner der dort genannten Voraussetzungen gegeben ist, insb. Nicht der Fall, dass dem Schuldner, der sich auf den Prozeß nicht eingelassen hat, der prozeßeinleitende Schriftsatz nicht zugestellt worden ist. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Zwangsvollsteckung liegen gemäß Art. 46 Ziffer 1, 47 Ziffer 1 EuGVÜ vor. Der Gläubiger hat eine Urkunde vorgelegt, aus der sich die wirksame Zustellung des Berufungsverfahrens ergibt. Nach dem Wortlaut des Art. 47 Ziffer 1 muß die Entscheidung nach dem Recht des Urteilstaates zugestellt worden sein. Das französische Recht sieht in §§ 684 f n.c.p.c. bei einem im Ausland wohnenden Empfänger die Zustellung durch Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks an die Staatsanwaltschaft vor („remise au parquet“); die gleichzeitige Absendung einer mit dem Schriftstück übereinstimmenden Kopie dient lediglich der Information des Empfängers. Die Übermittlung einer Übersetzung ist dabei nicht erforderlich. Deren Fehlen beseitigt jedenfalls nicht die Wirksamkeit der Zustellung, die durch Übergabe des Schriftstücks an die zuständige Staatsanwaltschaft eingetreten ist.
Aus dem HZustÜ, das auch nach französischem Recht gilt, ergibt sich für den vorliegenden Fall nichts anderes. Abgesehen davon, dass der vom Schuldner zitierte Art. 19 nicht mehr gilt, da das Abkommen im Jahre 1954 durch dasjenige aus dem Jahre 1965 ersetzt worden ist, ist gemäß Art. 1 Abs. 1 HZustÜ dieses Abkommen anzuwenden, wenn ein gerichtliches Schriftstück zum Zweck der Zustellung in das Ausland zu übermitteln ist. Eine solche Auslandszustellung ist aber gerade nach französischem Recht nicht erforderlich, jedenfalls im vorliegenden Fall der Zustellung während eines laufenden Verfahrens (vgl. G. Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen 1988, Seite 127 f). Das Übereinkommen regelt nicht einheitlich für alle Vertragsstaaten, in welchen Fällen zur Einleitung und während eines gerichtlichen Verfahrens eine Zustellung im Ausland notwendig ist. Es bestimmt sich vielmehr allein nach dem Recht des Gerichts, vor dem ein Verfahren schwebt, in welchen Fällen die „Zustellung“ im Ausland bewirkt werden muß. Eine verbindliche Verpflichtung für einen Vertragsstaat, notwendige Zustellungen an Personen im Ausland gemäß dem Übereinkommen auch im Ausland durchführen zu lassen, wenn nach dem Recht des Vertragsstaates die Zustellung bereits im Inland bewirkt werden kann, enthält das Übereinkommen nicht (OLG Düsseldorf, MDR 1985, Seite 242 f).
Auch die Hilfsanträge des Schuldners sind nicht begründet. Weder war gemäß Art. 38 EuGVÜ die Zwangsvollstreckung von der Leistung einer Sicherheit abhängig zu machen noch das Verfahren über die Erteilung der Vollstreckungsklausel bis zur Entscheidung über einen Rechtsbehelf gegen das streitige Urteil auszusetzen. Denn die viermonatige Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels beim Cassationsgerichtshof gegen das am 18.10.1990 zugestellte Urteil des Appellationsgerichts ist abgelaufen.