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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragstellerin erwirkte gegen die Antragsgegnerin ein Versäumnisurteil eines belgischen Gerichts. Das das Verfahren einleitende Schriftstück war der Antragsgegnerin lediglich fünf Tage vor dem ersten stattzufindenden Termin zugestellt worden. An diesem Termin entschied das Gericht jedoch nicht, sondern vertagte sich auf einen mehr als vier Monate später liegenden Termin, zu dem die Antragsgegnerin erneut geladen wurde. Die Antragstellerin beantragte, das Urteil für in Deutschland vollstreckbar zu erklären. Dagegen wandte sich die Antragsgegnerin mit der Begründung, die Ladung sei nicht rechtzeitig im Sinne von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ erfolgt. Ferner verstoße die Anerkennung gegen den deutschen ordre public, da das belgische Gericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe.
Das OLG Köln (DE) führt aus, dass eine Zustellung auch dann rechtzeitig im Sinne von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ sei, wenn sie zwar lediglich fünf Tage vor dem ersten stattzufindenden Termin zuginge, letztendlich die Säumnisentscheidung jedoch in einem nahezu fünf Monate entfernten Termin ergangen sei, zu dem die Beklagte ebenfalls geladen wurde. Sinn und Zweck des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ sei lediglich, dem Beklagten die Möglichkeit zu geben, eine Säumnisentscheidung zu verhindern. Dazu sei er hier in der Lage gewesen. Schließlich dürfe nach Art. 28 Abs. 3 EuGVÜ auch der inländische ordre public nicht zur Nachprüfung der internationalen Zuständigkeit des Erststaates eingesetzt werden.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Gläubigerin erwirkte gegen die Schuldnerin ein Säumnisurteil des Tribunal de Commerce de Liege vom 31.5.1990 (R.G.N. 4609/89) und beantragte hierfür bei dem Landgericht A die Zulassung der Zwangsvollstreckung und Erteilung der inländischen Vollstreckungsklausel. Gegen den dem Antrag stattgebenden Beschluß der Vorsitzenden der zuständigen Zivilkammer des Landgerichts richtet sich die Beschwerde der Schuldnerin, mit der sie eine nicht ordnungsgemäße Einleitung und Durchführung des Verfahrens im Urteilsstaat und eine – gegen den inländischen ordre public verstoßende – Unzuständigkeit des belgischen Gerichts rügt.
II. Die gemäß Art. 36 Abs. 1, 37 EuGVÜ, §§ 11, 12 AVAG vom 30.5.1988 (BGBl. I, 662) statthafte und auch innerhalb der dort vorgeschriebenen Frist eingelegte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Der mit dem Antrag der Gläubigerin befaßte Vorsitzende der 10. Zivilkammer des örtlich zuständigen Landgerichts ... hat zu Recht durch den angefochtenen Beschluß die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Handelsgerichts Lüttich zugunsten der Gläubigerin zugelassen (Art. 31, 32, 34 EuGVÜ). Ein Grund zur Ablehnung des Antrags nach Art. 34 Abs. 2 iVm Art. 27, 28 EuGVÜ besteht nicht.
1. Der Schuldnerin, die sich auf das Verfahren vor dem belgischen Handelsgericht nicht eingelassen hat, ist – entgegen ihrer pauschalen Rüge – das verfahrenseinleitende Schriftstück ordnungsgemäß und so rechtzeitig zugestellt worden, daß sie sich verteidigen konnte (vgl. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ). Die die Anerkennung der Versäumnisentscheidung des Handelsgerichts Lüttich betreibende Gläubigerin hat auf Anforderung des Senats die Urschrift eines Zustellungszeugnisses des Rechtspflegers des Amtsgerichts Monschau vom 22.1.1990 vorgelegt, aus dem sich ergab, daß entsprechend dem Ersuchen der belgischen Behörde (Staatsanwalt in Lüttich) vom 20.12.1989 die übersandten (verfahrenseinleitenden) Schriftstücke – Ladung vom 25.1.1990 („Citation“) – der Schuldnerin ausweislich der Postzustellungsurkunde des zuständigen Postzustellers am 19.1.1990 persönlich übergeben wurden. Mit diesem Zustellungszeugnis ist dem Formerfordernis des Art. 46 Nr. 2 EuGVÜ genügt; mindestens wäre es als der innerdeutschen Postzustellungsurkunde gleichwertiger Nachweis iSv Art. 48 EuGVÜ anzusehen.
Die ordnungsgemäß zugestellte „Citation“ war auch rechtzeitig i.S. der Einräumung einer tatsächlich ausreichenden Zeitspanne für die Vorbereitung einer Rechtsverteidigung durch die Schuldnerin. Zu berücksichtigen hat das Gericht des Vollstreckungsstaates dabei lediglich den Zeitraum, über den die Schuldnerin verfügte, um den Erlaß einer nach dem Übereinkommen vollstreckbaren Versäumnisentscheidung zu verhindern (vgl. BGH NJW 1986, 2197). Im Rahmen dieser Wertung sieht es der Senat als unschädlich an, daß zwischen Zustellung der „Citation“ und dem darin genannten Verhandlungstermin vom 25.1.1990 lediglich eine Zeitspanne von fünf Tagen lag. Ein derartig geringer Zeitraum wäre allerdings – wenn es auf ihn ankäme – faktisch unzureichend. Indessen hat ausweislich des von der Gläubigerin vorgelegten Versäumnisurteils an diesem Termin nicht die Verhandlung stattgefunden, die zu der Säumnisentscheidung vom 31.5.1990 führte. Vielmehr hat das Handelsgericht Lüttich den maßgeblichen Verhandlungstermin neu angesetzt auf den 17. Mai 1990, zu dem die Schuldnerin ausweislich des Urteils gemäß Art. 803 der Gerichtsordnung eine – neue – Ladung erhielt, die ihr am 26.3.1990 zugestellt wurde. Die Vertagung der Verhandlung beseitigte nicht die Ordnungsgemäßheit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks („Citation“). Der mithin der Schuldnerin zur Verfügung stehende Zeitraum von der Aushändigung der „Citation“ am 19.1.1990 bis zum – neuen – Verhandlungstermin am 17.5.1990 reichte für eine sachgerechte Verteidigung ohne weiteres aus, wobei sogar vernachlässigt werden konnte, daß nach den vorgelegten Urkunden der Schuldnerin bereits mit der Zustellung auch eine Übersetzung der „Citation“ in deutscher Sprache zugänglich gemacht worden war.
2. Ein Anerkennungsverbot ergibt sich – entgegen der Ansicht der Schuldnerin – auch nicht aus Art. 28 EuGVÜ. Nach Abs. 3 dieser Vorschrift ist es dem Zweitrichter grundsätzlich verwehrt, die internationale Zuständigkeit des Gerichts des Erststaates nachzuprüfen. Ein Ausnahmefall der Nichtanerkennung der ausländischen Entscheidung nach Art. 28 Abs. 1 EuGVÜ lag hier ersichtlich nicht vor, weil mit der vorliegenden Klage der Gläubigerin aus Wechseln und Schecks weder die besonderen Vorschriften des 3. bis 5. Abschnitts des Titels II des EuGVÜ (Versicherungssachen, Verbrauchersachen, ausschließliche Zuständigkeiten) berührt werden noch ein Fall des Art. 59 EuGVÜ betroffen ist. Schließlich darf auch der inländische ordre public nicht zur Nachprüfung der internationalen Zuständigkeit des Erststaates eingesetzt werden, Art. 28 Abs. 3, 2. Hs, 27 Nr. 1 EuGVÜ.
3. Im übrigen durfte die belgische Säumnisentscheidung nicht auf ihre Gesetzmäßigkeit geprüft werden, Art. 34 Abs. 3 EuGVÜ. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Beschwerdewert: 47.550,– DM.