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Zusammenfassung der Entscheidung Die Parteien, beide italienische Staatsangehörige, waren verheiratet. Bis zu ihrer Trennung lebten sie beide in Deutschland, nach der Trennung verzog der Antragsgegner nach Italien. Die Antragstellerin beantragte anschließend die Scheidung der Ehe, verbunden mit einem Antrag auf Prozesskostenhilfe bei einem deutschen Familiengericht. Dieses beschloss unter dem Hinweis der fehlenden Erfolgsaussicht wegen mangelnder internationaler Zuständigkeit, den Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit der Beschwerde.
Das OLG Celle (DE) entscheidet, dass das angerufene deutsche Gericht international unzuständig ist, da es nicht offensichtlich ist, dass ein Scheidungsurteil in Italien nicht anerkannt würde. Für eine Anerkennung deutscher Urteile in Ehesachen in Italien ist das deutsch-italienische Abkommen vom 9.3.1936 i.d.F. der Bekanntmachung vom 23.12.1952 maßgeblich. Die Anwendbarkeit des Abkommens scheitert nicht an Art. 55 EuGVÜ. Zwar ersetzt nach dieser Bestimmung das Übereinkommen das oben genannte Abkommen. Nach Art. 56 EuGVÜ behält aber dieser Staatsvertrag seine Wirksamkeit für die Rechtsgebiete, auf die das EuGVÜ nicht anwendbar ist. Nach Art. 1 Abs. 2 EuGVÜ ist dies für Ehesachen jedoch der Fall.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Parteien, beide italienische Staatsangehörige, haben am 19.09.1983 vor dem Standesbeamten in … die Ehe geschlossen. Sie haben zwei Kinder, ... geboren am 21.12.1980, und ... geboren am 25.11.1985. Die Parteien haben sich am 15.08.1988 getrennt. Bis dahin lebten sie gemeinsam in …. Seither lebt der Antragsgegner in …. Mit Antrag vom 13.08.1991 hat die Antragstellerin vor dem Amtsgericht Cuxhaven die Scheidung der Ehe begehrt, verbunden mit einem Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe.
Durch Beschluß vom 18.09.1991 hat das Amtsgericht – Familiengericht – Cuxhaven Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht versagt mit der Begründung, das Amtsgericht sei international nicht zuständig. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.
II. Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht eine hinreichende Erfolgsaussicht des Scheidungsbegehrens verneint.
Im einzelnen gilt folgendes:
1. Da beide Parteien die italienische Staatsangehörigkeit besitzen, die Antragstellerin ihren ständigen Wohnsitz in der Bundesrepublik hat, der Antragsgegner seinen ständigen Wohnsitz seit 1988 in Italien, ist eine internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts Cuxhaven nach § 606 a Abs. 1 Nr. 4 ZPO nur gegeben, wenn es nicht offensichtlich ist, daß ein Scheidungsurteil in Italien nicht anerkannt würde.
Für eine Anerkennung deutscher Urteile in Ehesachen in Italien ist das deutsch-italienische Abkommen vom 09.03.1936 (RGBl. 1937, II 145) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.12.1952 (BGBl. II, S. 986) maßgeblich.
Die Anwendbarkeit des Abkommens scheitert nicht an Art. 55 des EWG-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidung in Zivil- und Handelssachen vom 27.09.1968 (BGBl. 1972, 11, 773) in der Fassung vom 19.10.1978.
Zwar ersetzt nach dieser Bestimmung das Übereinkommen auch das deutsch-italienische Abkommen vom 09.03.1936. Nach Art. 56 EuGVÜ behält aber dieser Staatsvertrag seine Wirksamkeit für die Rechtsgebiete, auf die das EuGVÜ nicht anzuwenden ist. Das aber ist nach Art. 1 Abs. 2 EuGVÜ für Ehesachen der Fall (Zöller-Geimer, ZPO, 16. Aufl., Anh. II Art.1 EuGVÜ Rn. 13; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., Art. 1 EuGVÜ Rn. 20; BGH FamRZ 1983, 366).
Ist somit das Abkommen vom 09.03.1936 weiterhin anwendbar, ist nach Art. 3 des Abkommens eine internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts Cuxhaven nur dann gegeben, wenn beide Parteien ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben. Das aber ist unstreitig nicht der Fall, denn die Antragstellerin lebt in der Bundesrepublik, der Antragsgegner seit der Trennung der Parteien im Jahre 1988 in Italien. Fehlt somit die Zuständigkeit nach Art. 3 des Abkommens, so kann gemäß Art. 1 Abs. 1 des Abkommens keine Anerkennung erfolgen. In einem derartigen Fall, wenn beide Ehegatten Italiener sind, zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit aber nur die Antragstellerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik hat, scheidet eine Anerkennung in Italien offensichtlich aus (OLG Stuttgart, Justiz 1984, 397; OLG Hamm IPrax 1987, 250; OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 839; Staudinger/Spellenberg, BGB, 12. Aufl. 1990, EGBGB, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Rn. 249 Länderteil Italien; Johannsen/Henrich, Eherecht, 2. Aufl., § 606 a ZPO Rn. 36, Stichwort Italien; Zöller/Geimer, aaO, § 606 a ZPO Rn. 74; Baumbach/Albers, ZPO, 51. Aufl., Schlußanhang V B 2, S. 2301 f.; Rahm/Künkel/Breuer, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, Kapitel 8, Rn. 154, Stichwort Italien).
2. Die Anwendbarkeit des Abkommens vom 09.03.1936 schließt hingegen – insoweit vom OLG Karlsruhe aaO nicht geprüft – die Anwendbarkeit autonomen italienischen Rechts nicht aus (Staudinger/Spellenberg, aaO; Baumbach/Albers, aaO; Jayme IPrax 1988, 250; Rahm/Breuer, aaO; Müko Walter, ZPO, § 606 a Rn. 72). Aber auch über Art. 4, 797 Nr. 1 des italienischen Zivilprozeßgesetzes (cpc; abgedruckt bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd. IV, Länderteil Italien, S. 14, 14 a) kommt eine Anerkennung eines deutschen Scheidungsurteils in Italien offensichtlich nicht in Betracht. Voraussetzung ist nämlich auch insoweit, daß der Antragsgegner im Zeitpunkt der Rechtshängigmachung des Scheidungsantrages seinen Wohnsitz noch in der Bundesrepublik gehabt hat (OLG Hamm, aaO; Jayme, aaO), was unstreitig nicht der Fall ist.