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unalex. Rechtsprechung Entscheidung DE-1619
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unalex. Rechtsprechung

Entscheidung DE-1619  



OLG Köln (DE) 02.01.2006 - 16 W 7/03
Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO – unalexAnerkennungshindernis Verletzung des rechtlichen Gehörs –unalexKeine Einlegung eines möglichem Rechtsbehelfs in Ursprungsstaat –unalexVersäumung eines möglichen Rechtsbehelfs

OLG Köln (DE) 02.01.2006 - 16 W 7/03, unalex DE-1619


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de - Kommentar zur VO(EG) 44/2001 und zum Übereinkommen von Lugano (1 cit.) erweiternde - Kommentar zur VO(EG) 44/2001 und zum Übereinkommen von Lugano (1 cit.)



Wurde der beklagten Partei das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt, dass sie sich gegen das Verfahren verteidigen konnte, so kann die Anerkennung der in einem solchen Verfahren ergangenen Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat gemäß Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO dann nicht verweigert werden, wenn im Ursprungsstaat gegen sie zur Verfügung stehende Rechtsmittel versäumt wurden. Der Versäumung von Rechtsmitteln steht es dabei gleich wenn solche zwar ergriffen, aber nicht form- und fristgerecht eingelegt und aus diesem Grund von dem Ursprungsgericht zurückgewiesen werden.


-  Zusammenfassung der Entscheidung 

Die Antragstellerin erwirkte gegen die Antragsgegnerin, deren Sitz in Deutschland liegt, einen für vollstreckbar erklärten Mahnbescheid - decreto ingiuntivo - des Tribunale Nuoro (IT), mit dem dieser die Zahlung eines größeren Geldbetrages aufgegeben wurde. Auf Antrag der Antragstellerin erklärte das Landgericht Bonn (DE) das als Versäumnisentscheidung ergangene decreto ingiuntivo in Deutschland für vollstreckbar. Die Antragsgegnerin legte Beschwerde zum OLG Köln (DE) ein. Sie machte geltend, dem Titel müsse die Anerkennung versagt werden. Das italienische Gericht habe das verfahrenseinleitende Schriftstück öffentlich zugestellt, obgleich in Wahrheit die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nicht vorgelegen hätten. Während des Verfahrens der Beschwerde gegen die Erteilung der deutschen Vollstreckungsklausel legte die Antragsgegnerin im italienischen Ursprungsverfahren Widerspruch ein. Dieser wurde von dem Tribunale di Nuoro jedoch als verspätet zurückgewiesen.

Das OLG Köln (DE) setzte das Verfahren zunächst bis zur Entscheidung des italienischen Ursprungsverfahrens aus. Nach der Zurückweisung des in diesem von der Antragsgegnerin eingelegten Widerspruchs als verspätet, weist es die Beschwerde gegen die deutsche Vollstreckbarerklärung zurück. Ein Fall des Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO liege nicht vor. Insoweit sei es ohne Bedeutung, ob die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks fehlerhaft war. Da die Antragsgegnerin nach italienischem Zivilprozessrecht gegen die Säumnisentscheidung des Tribunale Nuoro noch einen Rechtsbehelf der Einlegung eines Widerspruchs ergreifen konnte, setze eine Verweigerung der Anerkennung der Entscheidung nach dieser Vorschrift voraus, dass die Antragsgegnerin hiervon Gebrauch gemacht habe. Der Versäumung eines Rechtsbehelfs stehe es dabei gleich, wenn ein solcher zwar ergriffen aber nicht form- und fristgerecht eingelegt und aus diesem Grund von dem Ursprungsgericht zurückgewiesen wird.

 JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission

-  Entscheidungstext 

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Vorsitzenden der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 27.01.2003 – 1 O 34/03 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Zahlungsbefehl des Landgerichts Nuoro vom 23.10.2002 (ZNG 191/02, RAC. 292/02 S, Cron.: 1721/02 B, Rep.: 25/03) ist mit der Vollstreckungsklausel zu versehen.

Der zu vollstreckende Ausspruch lautet:

Zahlung des Betrages von 335 Mio. LIT (= 173.013,06 EUR) sowie festgesetzte Kosten des Verfahrens i. H. v. 620,- EUR, für Anwaltsgebühren, 206,58 EUR für Honorare und 232,- EUR für entstandene Kosten, zuzüglich 20 % Mehrwertsteuer und Beiträge für die Versorgungskasse für Anwälte i. H. v. 2 %, zu zahlen von der Antragsgegnerin an die Antragstellerin.

Der weitergehende Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

I. Die Antragstellerin hat am 23.10.2002 gegen die Antragsgegnerin einen Zahlungsbefehl des Landgerichts Nuoro (Italien) erwirkt, wonach die Antragsgegnerin zur Zahlung von 335 Mio. LIT sowie festgesetzte Kosten des Verfahrens i. H. v. 620,- EUR für Anwaltsgebühren, 206,58 EUR für Honorare und 232,- EUR für entstandene Kosten, zuzüglich Mehrwertsteuer und Beiträge für die Versorgungskasse für Anwälte i. H. v. 2 % sowie mögliche Folgekosten an sie verurteilt wurde. Das den Rechtsstreit einleitende Schriftstück sowie der Zahlungsbefehl vom 23.10.2002 waren der Antragsgegnerin gemäß Art. 143 der italienischen Zivilprozessordnung (c.p.c.) öffentlich zugestellt worden. Die Zustellung des Zahlungsbefehls erfolgte über den Gerichtsvollzieher durch Hinterlegung im Gemeindehaus in D am 15.11.2002. Der Zahlungsbefehl wurde am 16.01.2003 für vollstreckbar erklärt.

Dem Antrag der Antragstellerin, den Zahlungsbefehl des Landgerichts Nouro mit der Vollstreckungsklausel zu versehen, hat der Vorsitzende der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn mit Beschluss vom 27.01.2003 stattgegeben. Gegen diesen am 28.01.2003 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin mit einem am 14.02.2003 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, dass der Zahlungsbefehl des Landgerichts Nuoro nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung hätten nicht vorgelegen. Bereits zum Zeitpunkt der Beantragung des Zahlungsbefehls am 16.10.2002 sei der Antragstellerin bekannt gewesen, dass die Rechtsanwälte Dr. Q & T für sie, die Antragsgegnerin, zustellungsbevollmächtigt gewesen seien. Dies ergebe sich daraus, dass sich die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren in der Antragsschrift auf eine entsprechende Zustellvollmacht bezogen und zum Nachweis ein Schreiben der Rechtsanwälte Dr. Q & T vom 04.07.2000 vorgelegt habe.

Die Antragstellerin weist demgegenüber darauf hin, dass die Bevollmächtigung der Rechtsanwälte T & Dr. Q lediglich eine Angelegenheit zwischen den Parteien im Rahmen der Verfügung über ein Guthaben der Antragsgegnerin auf einem Konto der E Bank betreffe; es handele sich hierbei nicht um eine Generalbevollmächtigung.

Nachdem die Antragsgegnerin am 11.04.2003 gegen den Zahlungsbefehl des Landgerichts Nuoro vom 23.10.2002 Widerspruch eingelegt hatte, hat der Senat auf ihren Antrag das Verfahren mit Beschluss vom 07.07.2003 nach Art. 37 EuGVVO ausgesetzt.

Mit Urteil vom 29.06.2005 (Nr. 373/2005, R.G. 195/2003, RAC Nr. 195/2003 M, Nr. 979/2005 A, Nr. 594/2005) hat das Zivilgericht Nuoro den Widerspruch gegen den Zahlungsbefehl für unzulässig erklärt und den vom Landgericht Nuoro am 23.10.2002 erlassenen Zahlungsbefehl bestätigt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Widerspruch von der Antragsgegnerin verspätet eingelegt worden sei.

II. Die Beschwerde ist zulässig (Art. 43 EuGVVO, §§ 1 Abs. 2 b, 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AVAG).

In der Sache hat sie nur in geringem Umfang Erfolg.

Bis auf die „möglichen Folgekosten“ hat das Landgericht den Zahlungsbefehl des Landgerichts Nuoro vom 23.10.2002 zu Recht für vollstreckbar erklärt. Der Zahlungsbefehl war insoweit lediglich hinsichtlich der Höhe der auf die festgesetzten Kosten zu zahlenden Mehrwertsteuer zu konkretisieren.

Der italienische Titel stellt eine Entscheidung iSv Art. 32 EuGVVO dar (vgl. Senatsbeschluss vom 17.11.2004 – 16 Wx 31/04 mwN; EuGH Urteil vom 14.10.2004 – C-39/02, Rn. 43 bis 52).

Die formellen Voraussetzungen sind erfüllt. Im ersten Rechtszug hatte die Antragstellerin im Original den Titel nebst Nachweis der öffentlichen Zustellung und die Vollstreckbarerklärung vorgelegt. Damit ist Art. 53 EuGVVO Genüge getan. Die Vorlage einer Bescheinigung nach Art. 54 bedurfte es im Hinblick auf die vorgelegten Unterlagen nicht.

Anerkennungshindernisse iSv Art. 34, 35 EuGVVO stehen der Vollstreckbarerklärung der Entscheidung des Landgerichts Nuoro nicht entgegen. Insbesondere kann sich die Antragsgegnerin nicht auf den Versagungsgrund des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO berufen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Antragsgegnerin das verfahrenseinleitende Schriftstück rechtzeitig und ordnungsgemäß iS dieser Vorschrift zugestellt worden ist; denn nach Art. 34 Nr. 2 EuGVVO bleibt auch in Fällen einer Säumnisentscheidung ein Zustellungsmangel folgenlos, wenn die Partei gegen die Ausgangsentscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, obwohl sie die Möglichkeit dazu hatte. Nach Sinn und Zweck dieser Regelung soll über Verfahrensfehler möglichst sachnah im Ursprungsstaat entschieden werden. Daraus folgt, dass Art. 34 Nr. 2 EuGVVO auch dann nicht anwendbar ist, wenn – wie vorliegend – Widerspruch gegen die Versäumnisentscheidung eingelegt und ein Gericht des Urteilsstaates den Rechtsbehelf mit der Begründung als unzulässig verworfen hat, die Widerspruchsfrist sei abgelaufen (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 34 Rn. 44). Denn auch in diesem Fall hatte die unterlegene Partei zunächst die Möglichkeit, gegen die Entscheidung einen Rechtsbehelf einzulegen. Das Versäumen der Frist ist der Antragsgegnerin zuzurechnen. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob ihr die Versäumnisentscheidung, d. h. der Zahlungsbefehl des Landgerichts Nuoro, rechtzeitig iSv Art. 34 Nr. 2 EuGVVO zugestellt wurde. Denn die italienische ZPO (Art. 650 c.p.c.) sieht die Möglichkeit vor, Widerspruch auch noch nach Ablauf der in Art. 641 c.p.c. vorgesehenen Frist von 40 Tagen (ab Zustellung des Zahlungsbefehls) einzulegen, wenn die unterlegene Partei den Nachweis erbringt, von der Säumnisentscheidung keine Kenntnis erlangt zu haben. In diesem Fall kann gegen den Zahlungsbefehl noch innerhalb von 10 Tagen ab der ersten Vollstreckungshandlung Widerspruch eingelegt werden. Auch diese Frist hat die Antragsgegnerin nach den Ausführungen des Zivilgerichts Nuoro in dessen Urteil vom 29.06.2005 jedoch versäumt, da – wie das Gericht ausführt – die erste Vollstreckungshandlung in einer in Deutschland am 24.02.2003 erfolgten Pfändung zu sehen ist, die Antragsgegnerin hiervon durch Zustellung „der Pfändung“ am 27.02.2003 Kenntnis erlangt hat, der Widerspruch gegen den Zahlungsbefehl des Landgerichts Nuoro aber der Antragstellerin erst am 11.04.2003 und damit nach der gesetzlich in Art. 650 c.p.c. vorgesehenen 10-Tages-Frist zugegangen ist.

Da die Antragsgegnerin die ihr zur Verfügung stehenden – und auch nach deutschem Verfahrensrecht erfolgsversprechenden – Rechtsbehelfe im erststaatlichen Verfahren nicht rechtzeitig ausgeschöpft hat, um den von ihr gerügten Verfahrensverstoß bereits im Erstverfahren zu beseitigen, kann sie sich im vorliegenden Verfahren auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Vollstreckbarerklärung des italienischen Titels verstoße gegen den ordre public (Art. 45 Abs. 1 iVm Art. 34 Nr. 1 EuGVVO).

Dass der italienische Zahlungsbefehl die Höhe der auf die Kosten zu entrichtenden Mehrwertsteuer nicht beziffert, steht der Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht entgegen. Vielmehr obliegt dem Gericht des Klauselerteilungsverfahrens die ergänzende Auslegung der ausländischen Entscheidung, wobei es das ausländische Recht festzustellen und anzuwenden hat (vgl. BGH NJW 1990, 3084). Der maßgebliche Mehrwertsteuersatz beträgt in Italien 20 %, wie dem Senat bekannt ist.

Der italienische Titel ist allerdings nach deutschem Verständnis insoweit zu unbestimmt und hat insoweit keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, als die Antragsgegnerin zu „möglichen Folgekosten“ verurteilt worden ist. Insoweit ist eine Konkretisierung nicht möglich, so dass diese Kosten von der Vollstreckbarkeitserklärung auszunehmen sind.





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