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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragstellerin erwirkte gegen die Antragsgegnerin ein Urteil eines französischen Gerichts, welches sie zur Zahlung einer Geldsumme verpflichtete. Die Klageschrift wurde der Antragsgegnerin 11 Tage vor dem Verhandlungstermin in der Weise zugestellt, dass sie vom Gericht dem französischen Staatsanwalt übergeben wurde. Gleichzeitig erfolgte eine Übermittlung mittels eingeschriebenen Briefes an die Antragsgegnerin. Auf Antrag der Antragstellerin wurde das Urteil mit der deutschen Vollstreckungsklausel versehen. Hiergegen wandte sich die Antragsgegnerin.
Das OLG Düsseldorf (DE) führt aus, dass die Zustellung nach dem französischen Recht in Form der "remise au parquet" ordnungsgemäß i.S.v. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ sei. Maßgeblich für die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung sei das autonome Recht des Urteilsstaates sowie die von ihm mit anderen Staaten getroffenen Übereinkommen. Das gewählte Verfahren entspreche dem französischen Recht, welches davon ausgehe, dass die Zustellung selbst immer im Inland erfolge. Dies stehe auch im Einklang mit den Bestimmungen des von Frankreich ratifizierten Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 15. November 1965. Die Übermittlung nach diesem Übereinkommen diene jedoch lediglich der Unterrichtung des Zustellungsempfängers. Ferner sei die Frist von 11 Tagen zwar knapp bemessen, jedoch ausreichend gewesen, so dass die Antragsgegnerin sich hätte verteidigen können. Dies gelte umso mehr als es sich um ein Eilverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handele, bei dem die Antragsgegnerin ohnehin verkürzte Fristen in Kauf nehmen müsse.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der Vorsitzende der zuständigen Zivilkammer des Landgerichts hat entsprechend den Anträgen der Antragsteller die ... vom 18. April 1984 für das Gebiet der ... für vollstreckbar erklärt, soweit die Antragsgegnerin darin verurteilt worden ist,
a) an die Antragstellerin zu 2) den Gegenwert von 127.292,82 DM in ..., umgerechnet zum Tageskurs der Zahlungsleistung, sowie weitere 6.200 DM ... zu zahlen,
b) an die Antragstellerin zu 1) den Gegenwert von 381.701,54 DM in …, umgerechnet zum Tageskurs der Zahlungsleistung, sowie weitere 440.5270,90 DM ... zu zahlen.
Gegen diesen ihr am 6. September 1984 zusammen mit der Teilvollstreckungsklausel und einer deutschen Übersetzung der vorbezeichneten einstweiligen Verfügung zugestellten Beschluß hat die Antragsgegnerin am 12. September 1984 Beschwerde eingelegt, mit der sie insbesondere rügt, weder der das Verfahren einleitende Schriftsatz, noch die Terminsladung, noch die einstweilige Verfügung selbst seien ihr ordnungsgemäß zugestellt worden; auch seien diese Schriftstücke nicht in die deutsche Sprache übersetzt worden.
Die Antragsteller sind der Beschwerde entgegengetreten.
Im einzelnen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Die Beschwerde ist gemäß Art. 36 Abs. l, 37 des Übereinkommens vom 27. Dezember 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (BGBl. II 1972, 774, i.f. GVÜ genannt) und den §§ 11 und 12 des dazu ergangenen Ausführungsgesetzes vom 29. Juli 1972 (BGBl. I, 1328). zulässig, aber nicht begründet.
Die einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Paris vom 18. April 1984 ist vom Landgericht mit Recht für in der Bundesrepublik Deutschland vollstreckbar erklärt worden. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung konnte nur aus einem der in Art. 27 und 28 GVÜ angeführten Gründe abgelehnt werden (Art. 34 GVÜ). Deren Voraussetzungen liegen aber nicht vor.
Die ausländische Entscheidung widerspricht nicht der deutschen öffentlichen Ordnung (Art. 27 Nr. 1 GVÜ). Der durch Art. 15 des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 15. November 1965 (BGBl. 1977 II S 1453) verbürgte rechtsstaatliche Mindeststandard bei Versäumnisentscheidungen ist gewahrt. Der Antragsgegnerin waren die Ladung zum Verhandlungstermin am 28. März 1984 sowie der Inhalt der Klageschrift am 15. März 1984 per Einschreiben mitgeteilt worden. Sie hat die Einschreibesendung am 17. März 1984 erhalten, wie aus ihrer an das Handelsgericht ... gerichteten Schutzschrift vom 20. März 1984 hervorgeht. Dieser Sachverhalt ist vom Handelsgericht ... vor Erlaß der einstweiligen Verfügung zutreffend ermittelt und in der Entscheidung festgehalten worden.
Der Antragsgegnerin, die sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, ist das dieses Verfahren einleitende Schriftstück ordnungsgemäß und so rechtzeitig zugestellt worden, daß sie sich verteidigen konnte (Art. 27 Nr. 2 GVÜ): Die diesbezüglichen Einwendungen der Antragsgegnerin greifen nicht durch.
Ob die in der einstweiligen Verfügung des Handelsgerichts ... enthaltene Feststellung, daß die Ladung ordnungsgemäß der ausländischen Staatsanwaltschaft zugestellt worden ist und daß der Vollstreckungsbeamte die Kopie der Ladung per Einschreibebrief an die beklagte Gesellschaft abgesandt hat, den erkennenden Senat als Vollstreckungsgericht bindet, kann dahingestellt bleiben. Der Gerichtshof der ... hat in der von den Antragstellern erwähnten Rechtssache 166/80 (... Urteil vom 16. Juni 1981) bisher lediglich entschieden, daß der Zweitrichter jedenfalls noch die Rechtzeitigkeit der Zustellung prüfen müsse (IPRax 1982, 14, 18; vgl. auch Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 1982, Rn. 28 zu Art. 27, Seite 203). Selbst wenn die ordnungsgemäße Zustellung im Sinne des Art. 27 Nr. 2 GVÜ vom Vollstreckungsgericht selbständig zu prüfen ist, ergeben sich im vorliegenden Falle insoweit keine Bedenken.
Die Zustellung des prozeßeinleitenden Schriftstücks ist ordnungsmäßig, wenn sie einem im Urteilsstaat geltenden Abkommen oder dem autonomen Recht des Urteilsstaates entspricht (Kropholler Rn. 23 zu Art. 27, Seite 201; Linke in Bülow-Böckstiegel, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Anm. III, 4. a) zu Art. 27 GVÜ). Gemäß dem französischen Prozeßrecht ist der Antragsgegnerin, wie die Antragsteller urkundlich belegt haben, die Ladung zum Verhandlungstermin am 28. März 1984 mit dem Inhalt der Klage am 15. März 1984 zugestellt worden, und zwar auf diplomatischem Wege durch eine dem Staatsanwalt in ... zugestellte Kopie sowie durch einen eingeschriebenen Brief. Dieses Verfahren entspricht nicht nur dem autonomen französischen Recht, das davon ausgeht, daß die Zustellung immer im Inland erfolgt („remise au parquet“), sondern steht auch im Einklang mit den Bestimmungen des auch von Frankreich ratifizierten ... Zustellungsübereinkommens vom 15. November 1965 (vgl. hierzu Art. 4 des Protokolls zum GVÜ vom 27. September 1968, der auf die zwischen den Vertragsstaaten geltenden Übereinkommen oder Vereinbarungen verweist).
Nach dem französischen Verfahrensrecht gilt ein Schriftstück, das für eine Person im Ausland bestimmt ist, bereits in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem der Gerichtsvollzieher es dem Staatsanwalt des zuständigen inländischen Gerichts übergeben oder es an das Ministerium des Äußeren abgesandt hat. Die Übermittlung auf dem Weg, den das ... Zustellungsübereinkommen vorsieht, dient lediglich der Unterrichtung des Zustellungsempfängers. Das Übereinkommen geht nicht so weit, einheitlich für alle Vertragsstaaten festzulegen, in welchen Fällen zur Einleitung und während eines gerichtlichen Verfahrens eine Zustellung im Ausland notwendig ist. Es bestimmt sich vielmehr allein nach dem Recht des Gerichts, vor dem ein Verfahren schwebt, in welchen Fällen die „Zustellung“ im Ausland bewirkt werden muß. Eine verbindliche Verpflichtung für einen Vertragsstaat, notwendige Zustellungen an Personen im Ausland gemäß dem Übereinkommen auch im Ausland durchführen zu lassen, wenn nach dem Recht des Vertragsstaats die Zustellung bereits im Inland bewirkt werden kann, enthält das Übereinkommen nicht (vgl. BT-Drucksache 8/217 vom 22: März 1977, Seiten 39, 40, 42).
Nach dem hier maßgebenden französischen Recht war die Zustellung durch die Übergabe der Ladungsschrift an den Staatsanwalt in ... im Sinne des Art. 27 Nr. 2 GVÜ ordnungsgemäß vollzogen, die Zuleitung einer Abschrift an die Antragsgegnerin durch eingeschriebenen Brief, diente lediglich der formlosen Mitteilung. Daher kommt es für die Frage der Zustellung nicht darauf an, ob die Formen des Art. 5 des ... Zustellungsübereinkommens gewahrt sind und ob der Ladungsverfügung eine deutsche Übersetzung beigefügt sein mußte. Unerheblich ist auch, daß die … gemäß § 6 des Ausführungsgesetzes vom 22. Dezember 1977 (BGBl. I, S. 3105) einer vereinfachten Zustellung nach Art. 10 des ... Übereinkommens von 1965 – insbesondere einer Übersendung unmittelbar durch die Post – widersprochen hat.
Die Antragsgegnerin hat die Ladung mit dem Inhalt der Klageschrift auch so rechtzeitig erhalten, daß sie sich verteidigen konnte. Die Zeitspanne vom 17. März 1984 (Empfang des Einschreibebriefes) bis zum 28. März 1984 (Verhandlungstermin) war zwar knapp bemessen, reichte aber für die Geschäftsführer der Antragsgegnerin aus, um sich auf den Termin sachgerecht vorzubereiten und den Termin entweder selbst wahrzunehmen oder durch einen Bevollmächtigten wahrnehmen zu lassen. Zu berücksichtigen ist nämlich, daß es sich um ein Eilverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handelte, in dem die beklagte Partei verkürzte Fristen in Kauf nehmen muß. Die Antragsgegnerin hätte, wie ihre Schutzschrift vom 20. März 1984 zeigt, ohne weiteres bis zum Termin auch zur Sache Stellung nehmen und sich im Termin entsprechend verteidigen können. Daß Ladung und Inhalt der Klageschrift der Antragsgegnerin nur in französischer Sprache zugegangen sind, schadet nicht. Keiner Entscheidung bedarf, ob als europäisches Gemeinschaftsrecht der Grundsatz anzuerkennen ist, daß die Ladungsorder das Verfahrenseinleitende Schriftstück nur in der Gerichtssprache des Erststaates übermittelt sein muß (so Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung, Bd. I, 1. Halbband, Seite 1069). In dem vorliegenden Falle war jedenfalls eine deutsche Übersetzung entbehrlich. Denn die Geschäftsführer der Antragsgegnerin beherrschen die französische Sprache und haben den Inhalt der Klage verstanden, wie ihr Antwortschreiben vom 20. März 1984 erkennen läßt. Damit ist dem Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör, den Art. 27 Nr. 2 GVÜ im internationalen Rechtsverkehr gewährleisten will, Rechnung getragen.
Sonstige Versagungsgründe bestehen nicht. Die Antragsgegnerin hat nichts dafür vorgebracht, daß die einstweilige Verfügung mit einer Entscheidung unvereinbar sei, die zwischen den Parteien in der ... ergangen ist (Art. 27 Nr. 3 GVÜ). Daß das französische Gericht sich hinsichtlich einer der in Art. 27 Nr. 4 GVÜ genannten Vorfragen in Widerspruch zu einer Vorschrift des deutschen internationalen Privatrechts gesetzt hat, ist ebensowenig ersichtlich. Die Entscheidung des Handelsgerichts ... verletzt weder die Vorschriften des dritten, vierten und fünften Abschnitts des Titels II. des Abkommens noch liegt ein Fall des Art. 59 GVÜ vor (Art. 28 Abs. l GVÜ). Das französische Gericht hat nach dem Inhalt seiner tatsächlichen Feststellungen, an welche die deutschen Gerichte gebunden sind, seine Zuständigkeit unanfechtbar angenommen (Art. 28 Abs. 2 und 3 GVÜ).
Die Antragsgegnerin kann auch nicht damit gehört werden, die Zahlungsansprüche brauchten ohne die Verpflichtung, die vorhandene Ware zurückzunehmen, nicht erfüllt zu werden. Die einstweilige Verfügung ist ausweislich der vorgelegten beglaubigten Übersetzung in die deutsche Sprache, soweit die Zahlungsansprüche betroffen sind, ohne Einschränkung vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung hängt nicht von der Erfüllung irgendwelcher Gegenansprüche ab. Die einstweilige Verfügung ist nach den beigefügten und übersetzten Urkunden der Antragsgegnerin am 15. Mai 1984 durch Übergabe an die Staatsanwaltschaft sowie durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt worden (Art. 46, 47 GVÜ). Was die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung und die Frage der Übersetzung betrifft, so kann auf die Ausführungen zu Art. 27 Nr. 2 GVÜ verwiesen werden.
Schließlich ist auch die Aufrechnungserklärung der Beklagten unbeachtlich. Gemäß § 14 des Ausführungsgesetzes zum GVÜ kann der Schuldner mit der Beschwerde, die sich gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einer gerichtlichen Entscheidung richtet, Einwendungen gegen den Anspruch selbst nur insoweit geltend machen, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Erlaß der Entscheidung entstanden sind. Die von der Antragsgegnerin behaupteten Gegenansprüche sind jedoch nach ihrem eigenen Vorbringen bereits vor Erlaß der einstweiligen Verfügung vom 18. April 1984 entstanden.
Hiernach musste die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden.