Die Klägerin betreibt in … eine Schuhfabrik, die Beklagte zu 1), deren persönlich haftende Gesellschafter die Beklagten zu 2) sind, betreibt in … einen Schuhgroßhandel.
Die Beklagte zu 1) bestellte unter dem 24.4.1974 auf ihren Vordrucken bei der Klägerin größere Partien von Schuhen, die im Juli 1974 geliefert werden sollten. Auf den Bestellformularen befindet sich am unteren Rand in deutscher, englischer und italienischer Sprache der Vermerk „Versandvorschrift siehe Rückseite“ und das Wort „Auftragsbestätigung“. Rechts neben diesen Hinweisen sind die Formulare von der Klägerin unterschrieben worden. Die Klägerin hat die Lieferzeit in „August“ abgeändert und die Duplikate dieser Bestellschreiben zurückgesandt. Auf der Rückseite der Formulare sind in deutscher, französischer und englischer Sprache allgemeine Geschäftsbedingungen abgedruckt. Wegen des Inhaltes dieser Bedingungen wird auf Blatt 26 der Akten verwiesen.
Die Klägerin lieferte die Schuhe in neun Partien und stellte hierüber neun Rechnungen aus, von denen die Beklagte die acht ersten unter Abzug von 3 % Skonto, die drei letzten außerdem unter Abzug einer Schadensersatzforderung beglich. Im einzelnen ergeben sich folgende Daten und Beträge:
Rechnungs-Nr. – Datum – Betrag LIT – Zahlungsdatum – Betrag LIT – Differenz LIT
283 – 25.7.74 – 1.639.250 – 16.9.74 – 1.590.072 – 49.178
288 – 27.7.74 – 1.701.500 –16.9.74 – 1.650.455 – 51.045
329 – 8.8.74 – 1.845.250 – 5.11.74 – 1.789.892 – 55.358
332 – 13.8.74 – 1.659.000 – 5.11.74 – 1.609.230 – 49.770
341 – 4.9.74 – 4.317.350 – 21.11.74 – 4.187.8301 – 29.520
355 – 13.9.74 – 6.618.900 – 21.11.74 – 6.420.332 – 198.568
360 – 23.9.74 – 2.988.000 – 19.12.74 –
366 – 3.10.74 – 8.916.000 – 19.12.74 – 10.675.960 – 1.228.040
374 – 14.10.74 – 7.224.600 – 7.224.600
Differenzbetrag = 8.986.079
Den Differenzbetrag von 8.986.079 LIT, den sie zunächst mit der Klage geltend gemacht hatte, hat die Klägerin im Laufe des Rechtsstreits um 798.700 LIT ermäßigt, da die Beklagten letzteren Betrag an die Klägerin gezahlt hatte. Sie trägt vor, die Skontoabzüge seien nicht berechtigt, weil die Beklagte zu 1) die Rechnungen nicht innerhalb von 10 Tagen ab Rechnungsdatum beglichen habe. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1) seien nicht Vertragsinhalt geworden.
Schadensersatzansprüche wegen verspäteter Lieferung stünden den Beklagten nicht zu, da die Schuhe nicht verspätet geliefert worden seien. Sie habe nämlich der Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 4.3.1974 ausdrücklich mitgeteilt, daß die fraglichen Bestellungen Nr. 1934 bis 1938 und 1899 in der Zeit von Juli bis Oktober übersandt würden. Diesem Schreiben habe die Beklagte zu 1) niemals widersprochen.
Die Klägerin beantragt,
1) die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie LIT 8.187.379 nebst 15 % Zinsen aus 8.986.079 LIT seit dem 28. 11. 1974 abzüglich am 6. 2. 1975 gezahlter 798.700 LIT zu zahlen,
2) den Beklagten freizustellen, den obigen Lire-Betrag in Deutscher Westmark entsprechend dem an der Düsseldorfer Devisenbörse am Vorzahlungstage notierten Lire-Brief-Kurs (Mittelkurs) zu zahlen,
3) eine Sicherheit durch eine Bankbürgschaft erbringen zu können.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen, hilfsweise widerklagend, die Klägerin zu verurteilen, an sie 29.617,05 DM zu zahlen.
Sie sind der Ansicht, daß ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vertragsinhalt geworden seien und daß deshalb der Skonto-Abzug gemäß Ziffer 8 der Bedingungen berechtigt gewesen sei. Denn nach dieser Bestimmung dürfe bei einer Zahlung innerhalb von 30 Tagen nach Wareneingang ein Skonto von 3 % gezogen werden.
Im übrigen rechnen die Beklagten mit einer Schadensersatzforderung in Höhe von 29.617,05 DM auf und machen diese hilfsweise für den Fall, daß eine Aufrechnung unzulässig sein sollte, im Wege der Widerklage geltend. Zur Begründung tragen die Beklagten vor: Die Klägerin habe die Ware überwiegend nicht bis Ende August 1974 sondern später geliefert, und zwar seien die Sendungen
gemäß Rechnung Nr. 283 am 13.08.1974,
gemäß Rechnung Nr. 288 am 13.08.1974,
gemäß Rechnung Nr. 329 am 10.09.1974,
gemäß Rechnung Nr. 332 am 10.09.1974,
gemäß Rechnung Nr. 341 am 17.09.1974,
gemäß Rechnung Nr. 355 am 24.09.1974,
gemäß Rechnung Nr. 360 am 27.10.1974,
gemäß Rechnung Nr. 366 am 15.10.1974 und
gemäß Rechnung Nr. 374 am 26.10.1974
bei ihnen eingetroffen.
Da ein nach dem Kalender bestimmter Liefertermin vereinbart gewesen und die Klägerin außerdem nach Ablauf der Lieferfrist telefonisch gemahnt worden sei, habe sie sich ab 1. September 1974 in Verzug befunden. Bei den Schuhen habe es sich um modische Ware gehandelt, die zu den mit den Endabnehmern vereinbarten Preisen von 24,95 DM bzw. 25,95 DM pro Paar nur dann absetzbar gewesen sein, wenn sie bis spätestens Ende August geliefert wurden. Infolge der verspäteten Lieferung habe die Beklagte zu 1) ihren Kunden, welche die Abnahme zu den vereinbarten Preisen abgelehnt hätten, Preisnachlässe im Gesamtbetrag von 17.028,95 DM einräumen müssen. Wegen der Aufschlüsselung wird auf die Seiten 3 ff. des Schriftsatzes vom 2.4.1976 (Blatt 40 ff. der Akten) Bezug genommen.
Darüberhinaus seien insgesamt 497 Paar Schuhe im Gegenwert von 12.588,15 DM (Aufstellung auf den Seiten 5 f des Schriftsatzes vom 7.10.1975: – Blatt.20 f der Akten) überhaupt nicht mehr absetzbar gewesen.
Die Klägerin beantragt,
die Hilfswiderklage abzuweisen.
Sie tritt den Behauptungen der Beklagten entgegen.
Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Rechtsstreit ist nach dem Einheitlichen Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen (EKG), das seit dem 23.8.1972 für … und seit dem 16.4.1974 für die … in Kraft getreten ist, zu entscheiden. Die Voraussetzungen des Art. I Abs. 1 lit. a EKG sind unzweifelhaft gegeben. Gegenüber der der Höhe nach rechnerisch unstreitigen Klageforderung können sich die Beklagten wegen des Skontoabzuges nicht auf, die Regelung in Nr. 8 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen. Denn diese sind bis auf die Bestimmung unter Nr. 9 nicht Vertragsinhalt geworden. Zwar enthalten die Bestellformulare der Beklagten zu 1) am unteren Rand den Hinweis „Versandvorschrift siehe Rückseite“. Dieser. Hinweis reicht aber nicht aus, um die auf der Rückseite abgedruckten, Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag einzubeziehen. Hierzu hätte es auf der Vörderseite eines klaren Hinweises bedurft, daß die Beklagte zu 1) den Vertrag gerade zu ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen abschließen wollte, die sich auf der Rückseite befanden. Der fragliche Hinweis bezieht sich aber, lediglich auf Versandvorschriften. Diese können Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht gleichgesetzt werden, weil sie sich lediglich über die Versendung der Ware verhalten, nicht aber den von der Versendung unabhängigen Vertragsinhalt regeln. Die Klägerin durfte aufgrund des fraglichen Hinweises auf der Vorderseite des Formulars lediglich erwarten, dass auf der Rückseite solche Anweisungen angeführt sind, welche die Ausführung des Vertrages betrafen. Mit der Unterschrift hat sich die Klägerin daher auch nur mit derartigen Bedingungen einverstanden erklärt, welche den Versand regeln. Nach alledem war ein Abzug von 3 % Skonto nur bei Zahlung innerhalb von zehn Tagen ab Rechnungsdatum zulässig. Diese Bedingung haben die Beklagten nicht erfüllt. Wie sich aus den im Tatbestand im einzelnen dargelegten Rechnungs- und Zahlungsdaten ergibt.
Ein Schadensersatzanspruch wegen Lieferverzuges steht den Beklagten nicht zu.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die beiderseitig geschuldeten Leistungen gleichartig sind (§ 387 BGB), obwohl die Kaufpreisforderung auf italienische Lire, der Schadensersatzanspruch aber auf Deutsche Mark lautet. Denn die sachlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches der Beklagten zu 1) nach den Art. 24 II, 82 EKG sind nicht gegeben.
Zwar hat die Klägerin bei dem überwiegenden Teil der Schuhe ihre Vertragspflicht hinsichtlich der Zeit der Lieferung nicht erfüllt (Art. 24 I EKG), denn die Lieferung musste vereinbarungsgemäß innerhalb des Monats August 1974 erfolgen. Diese Vereinbarung ist dadurch zustande gekommen, daß die Klägerin in den Bestellformularen die von der Beklagten zu 1) ursprünglich gewünschte Lieferzeit von 173 „Juli“ in „Agosto“ (August) abgeändert, die Formulare sodann als Auftragsbestätigung unterschrieben und die Durchschriften an die Beklagte zu 1) zurückgesandt hat, welche ihrerseits mit dieser geänderten Lieferzeit einverstanden war. Soweit die Klägerin mit Schreiben vom 4.5.1974 die Lieferung der hier fraglichen Partien für Juli bis Oktober bestätigt haben will, ist dieses Schreiben bereits deshalb unbeachtlich, weil die Klägerin keinen Beweis für den Zugang angetreten hat.
Für die Frage der Rechtzeitigkeit der Lieferungen kommt es auf den Zeitpunkt an, an welchem die Ware seitens der Klägerin dem Beförderer zur Übermittlung an die Beklagte zu 1) ausgehändigt worden ist (Art. 19 II EKG), denn hierdurch hat die Klägerin die Lieferung bewirkt. Danach sind die drei ersten Partien (Rechnung Nr. 283, 288 und 329) rechtzeitig geliefert, denn sie sind ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Frachtunterlagen dem Spediteur am 2.8. und 27.8. übergeben worden. Anders ist es mit den sechs folgenden Partien. Diese sind nach den Frachtunterlagen der Klägerin erst zwischen dem 3.9. und 19.10. dem Spediteur ausgehändigt worden. Es steht danach fest, daß diese sechs Partien (Rechnung Nr. 332, 341, 355, 360, 366 und 374) verspätet zum Versand gegeben worden sind.
Trotzdem scheitert ein Schadensersatzanspruch der Beklagten wegen dieser Vertragsverletzung nach Art. 82 EKG daran, daß die Beklagten nicht schlüssig dargetan haben, daß ihnen infolge dieser Vertragsverletzung ein Verlust entstanden oder ein Gewinn entgangen ist. Soweit die Beklagten als Verlust Preisnachlässe von insgesamt 17.028,95 DM geltend machen, hätten sie im einzelnen darlegen müssen, welch Partien Schuhe die Beklagte zu 1) zu welchem Preis an welche Kunden und mit welchen Lieferterminen fest verkauft hatte, wann diese Schuhe von der Klägerin bei ihr eingetroffen und von ihr an die Kunden weitergeliefert worden sind, sowie daß die Kunden vertraglich berechtigt waren, wegen Überschreitung der vereinbarten Lieferfrist die Abnahme zu verweigern. Hierzu reicht der Sachvortrag der Beklagten nicht aus. Denn er läßt nicht erkennen, welche Lieferungsbedingungen die Beklagte zu 1) mit ihren Abkäufern, vereinbart hatte. Hierauf kommt es entscheidend an. Denn ein Kausalzusammenhang zwischen der verspäteten Lieferung und einem Preisnachlaß der Beklagten zu 1) gegenüber ihren Abnehmern ist nur dann zu bejahen, wenn letztere berechtigt waren, wegen verspäteter Lieferung die Annahme der Ware zu verweigern. Solange die Beklagten dieses nicht substantiiert dargelegt haben, kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagte zu 1) zur Gewährung der behaupteten Preisnachlässe gezwungen war.
Im übrigen haben die Beklagten in drei Fällen wegen Lieferung mangelhafter Ware den Kunden …, … und … (Blatt 135 bis 138, 148 der Akten) Gutschriften im Werte von 792,87 DM erteilt. Diese Gutschriften beruhten nach dem eigenen Vortrag der Beklagten nicht auf einer verspäteten, vielmehr einer im vorliegenden Rechtsstreit unerheblichen mangelhaften Lieferung.
Soweit die Beklagten Schadensersatz in Höhe von 12.588,15 DM verlangen mit der Begründung, 497 Paar Schuhe seien nicht absetzbar gewesen, ist ein Anspruch der Beklagten nicht gegeben. Wenn und soweit diese Schuhe aus den ersten drei Sendungen (Rechnungen Nr. 283, 288 und 329) herrühren sollten, scheitert ein Schadensersatzanspruch daran, daß die Klägerin mit diesen Lieferungen nicht in Verzug gekommen ist. Außerdem haben die Beklagten nicht schlüssig dargetan, daß die angeblich unverkäuflichen Schuhe von der Beklagten zu 1) vorher bereits fest verkauft gewesen und infolge verspäteter Lieferung seitens der Abkäufer zu Recht zurückgewiesen worden sind. Nur in einem solchen Fall wäre aber der erforderliche Ursachenzusammenhang gegeben. Im übrigen kann nicht unterstellt werden, daß ein Großhändler stets nur gerade diejenige Warenmenge einkauft, die er bereits fest verkauft hat oder aber seine eingekaufte Ware bei pünktlicher Lieferung restlos absetzt.
Den Beklagten steht wegen der verspäteten Lieferung durch die Klägerin auch kein Anspruch auf Zahlung einer Konventionalstrafe zu. Denn zum einen sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1), wie oben ausgeführt, nicht Vertragsinhalt geworden, zum anderen ist die vereinbarte Lieferzeit – August 1974 – nicht um zwei Monate überschritten worden. Denn die letzten Sendungen sind von der Klägerin im Oktober 1974 – also innerhalb von zwei Monaten – dem Spediteur übergeben worden.
Nach alledem hat die Beklagte zu 1) die Klageforderung zu begleichen und diese seit dem 28.11.1974 mit 15 % zu verzinsen. Die Klägerin hat durch Schreiben vom 28.11.1974 die Beklagte zu 1) in Verzug gesetzt und durch Bankbescheinigung nachgewiesen, daß sie im letzten Quartal 1974 für Kontokorrentkredit 20 % Zinsen aufbringen mußte. Angesichts der in … herrschenden wirtschaftlichen Situation ist die Kammer davon überzeugt, daß dieser Zinsfuß in der Folgezeit nicht unter 15 % gesunken ist.
Dem Klageantrag zu 2) ist stattzugeben, da er den Beklagten lediglich eine Befugnis einräumt, ohne der Klägerin ein Recht zu gebenden Gegenwert in Deutscher Mark fordern zu können.
Die Beklagten zu 2) haften als persönlich haftende Gesellschafter der Beklagten zu 1) der Klägerin auf Erfüllung der Klageforderung gemäß den §§ 161 II, 128 HGB.
Beschluß:
Gemäß § 319 ZPO wird der Tenor des Urteils der Kammer vom 24. Mai 1977 dahin berichtigt, daß in den ersten Satz hinter die Jahreszahl 1974 eingefügt wird:
„sowie 15 % Zinsen von 798.700 LIT für die Zeit vom 28.11.1974 bis zum 6.2.1975“.