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Zusammenfassung der Entscheidung Der belgische Kläger hatte ein Versäumnisurteil des Brüsseler Handelsgerichts (BE) vom 12.12.1985 erwirkt, das die Schuldnerin, eine deutsche Gesellschaft, als dortige Beklagte zur Zahlung einer Geldsumme verurteilte. Dem Termin war ein weiterer vorausgegangen. Zu beiden Terminen war die Schuldnerin mit Schriftsätzen in französischer Sprache ohne deutsche Übersetzung geladen worden, beide Ladungen hatte der Prokurist der Schuldnerin entgegengenommen. In der letzteren Ladung wurde die Schuldnerin auf die Möglichkeit eines Versäumnisurteils explizit hingewiesen. Die Schuldnerin wandte sich gegen die Vollstreckbarerklärung des belgischen Urteils in Deutschland.
Das OLG Bamberg (DE) führt aus, dass das Versäumnisurteil weder den deutschen ordre public verletzt, noch dass Zustellungsmängel im Sinne von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ vorliegen. Eine Verletzung des deutschen ordre public liege bereits deswegen nicht vor, weil die Schuldnerin in geräumigem zeitlichen Abstand zu beiden Verhandlungen geladen und ausdrücklich auf die Möglichkeit eines Versäumnisurteils hingewiesen worden sei. Die fehlende Übersetzung berühre nicht die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung gem. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ. Dies ergebe sich bereits aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 des Haager Zivilprozessübereinkommens vom 1.3.1954 als auch aus Art. 3 Abs. 3 der Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien vom 25.4.1959. Wer sich als Unternehmen im internationalen Handelsverkehr betätige, müsse sich jedenfalls die Folgen der im internationalen Rechtsverkehr vereinfachten Zustellungsformen dann entgegenhalten lassen, wenn er sie selbst - wie hier - widerspruchslos hingenommen habe und ihm ausreichende Fristen für die Einlassung zur Verfügung standen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Schuldnerin ist durch Versäumnisurteil des Brüsseler Handelsgerichts vom 12.12.1985 AZ: R.E./9557/84 – verurteilt worden, nach dem am Tage der Zahlung maßgeblichen amtlichen Kurs den Gegenwert von 46.902,04 US$ in Belgischen Franken zuzüglich 16,06 US$ täglicher Zinsen seit 26.12.1983 bis 04.09.1984 zu zahlen. Die Schuldnerin war mit der in französischer Sprache gehaltenen, mit einer Zusammenfassung der Klageschrift verbundenen „Citation“ (= Ladung) auf Donnerstag, den 15.11.1984 9.00 Uhr, SS. A des Handelsgerichts Brüssel geladen worden. Dies war in der Weise geschehen, daß das mit „Citation“ überschriebene Schriftstück am 04.09.1984 dem Prokuristen der Schuldnerin auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Würzburg vom zuständigen Rechtspfleger persönlich übergeben worden war und der Prokurist den Empfang durch eigenhändige Unterschrift bestätigt hatte; eine Übersetzung war der „Citation“ nicht beigefügt. Im Termin vom 15.11.1984 war die Schuldnerin nicht vertreten. Der Prozeß war ohne Terminanberaumung vertagt worden, weil eine weitere Beklagte die Forderung der Klägerin bestritten hatte und noch Schriftsätze gewechselt werden sollten. Zum folgenden Termin vom 12.12.1985, in dem dann das eingangs erwähnte Versäumnisurteil erlassen worden ist, war die Schuldnerin am 18.10.1985 durch Übergabe des mit „Avis de Fixation“ überschriebenen Schriftstücks in französischer Sprache an ihren Prokuristen ... auf die Geschäftsstelle des Amtsgerichts Würzburg geladen worden; den Erhalt des Schriftstücks hatte der Prokurist wiederum durch eigenhändige Unterschrift bestätigt. In der Terminsladung (Avis de Fixation) war de Beklagte darauf hingewiesen worden, daß der Rechtsstreit im Termin vom 12.12.1985 entschieden werde, und weiter – in französischer Sprache –: „Das Urteil wird contradiktorischen Charakter im Hinblick auf Sie haben, selbst in Ihrer Abwesenheit, wie dieses in den Vorschriften des Code Judiciaire, deren Text auf der Rückseite dieses Schriftstücks abgedruckt ist, auch vorgesehen ist.“ Im Termin vom 12.12.1985 war die Schuldnerin wiederum nicht vertreten.
Auf Antrag der Gläubigerin hat der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts Würzburg mit Beschluß vom 06.07.1986 angeordnet, das Urteil des Handelsgerichts Brüssel vom 12.12.1985 mit der Vollstreckungsklausel zu versehen; dies ist am 09.07.1986 durch den Rechtspfleger des Landgerichts Würzburg ausgeführt worden. Die Anordnung vom 08.07.1986 ist der Schuldnerin am 10.07.1986 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit Schriftsatz vom 11.07.1986 Beschwerde eingelegt und diese am 22.08.1986 begründet.
Die Schuldnerin ist der Auffassung, zu den Terminen vor dem Handelsgericht Brüssel nicht ordnungsgemäß geladen worden zu sein. Eine Ladung in französischer Sprache reiche nicht aus. Das Fehlen einer deutschen Übersetzung komme einer Versagung rechtlichen Gehörs gleich.
Die Schuldnerin beantragt, den Antrag der Gläubigerin auf Erteilung der Zwangsvollstreckungsklausel zurückzuweisen, hilfsweise die bereits erteilte Vollstreckungsklausel unter Aufhebung des Beschlusses vom 08.07.1986 zu versagen und der Gläubigerin die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
Demgegenüber beantragt die Gläubigerin, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, die Schuldnerin sei zu den Terminen in Belgien jeweils ordnungsgemäß geladen worden; die Beifügung deutscher Übersetzungen zu den mit der Ladung übergebenen Schriftstücken in französischer Sprache sei nicht erforderlich gewesen.
II. Die Beschwerde ist zulässig, §§ 11 Abs. 1, 12 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Übereinkommens vom 27.September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 29.7.1972 (AG EuG-Übk) in Verbindung mit Art. 36 Abs. 1 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1986 /EuG-Übk), sachlich jedoch nicht gerechtfertigt. Das Landgericht hat die Erteilung der Vollstreckungsklausel zu Recht angeordnet. Der Antrag der Gläubigerin hätte nur aus einem der in Art. 27 und 28 EuG-Übk angeführten Gründe abgelehnt werden können, Art. 34 Abs. 2 EuG-Übk. Im vorliegenden Fall wäre in Betracht gekommen, daß die Vollstreckung des belgischen Urteils in der Bundesrepublik Deutschland der öffentlichen Ordnung, dem ordre public, widersprechen würde, Art. 27 Nr. 1 EuG-Übk, oder daß der Schuldnerin, die sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das dieses Verfahren einleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß und nicht so rechtzeitig zugestellt worden wäre, daß sie sich nicht verteidigen konnte, Art. 27 Nr. 2 EuG-Übk; das heißt, der deutsche verfahrensrechtliche ordre public international wäre nur dann verletzt, wenn die Entscheidung des ausländischen Gerichts aufgrund eines Verfahrens ergangen wäre, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße abgewichen wäre, daß sie nach der deutschen Rechtsordnung nicht als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden könnte. Dies entspricht der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum und auch der Gerichtspraxis anderer europäischer Ländern. Danach sind, soweit es um die Anerkennung ausländischer Gerichtsentscheidungen geht, dem Begriff der deutschen öffentlichen Ordnung im Interesse des internationalen Handelsverkehrs sowie mit Rücksicht darauf, daß der Inlandsbezug der Entscheidung sich im Wesentlichen auf die Vollstreckung beschränkt, enge Grenzen gezogen (so BGH NJW 1986, 3027 ff, 3028 mwN). Von einer Verletzung der deutschen öffentlichen Ordnung kann im vorliegenden Fall, in dem die Beklagte zu beiden Terminen in Brüssel in geräumigem zeitlichen Abstand geladen und im zweiten Fall ausdrücklich auf die Möglichkeit eines Versäumnisurteils hingewiesen worden ist, nicht gesprochen werden.
Das vom Handelsgericht Belgien praktizierte Verfahren widerspricht aber auch nicht Art. 27 Nr. 2 EuG-Übk. Die rechtzeitige Zustellung der jeweiligen Ladung stellt nach den vom Senat durchgeführten Nachermittlungen inzwischen auch die Schuldnerin nicht mehr ernstlich in Frage. Vergeblich wendete diese sich dagegen, das verfahrenseinleitende Schriftstück sei nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, weil den zugestellten Schriftstücken keine Übersetzung beigelegen habe. Eine Übersetzung war im vorliegenden Fall nicht erforderlich. Bereits des Haager Zivilprozessübereinkommen vom 01.03.1954 (HZPrÜbk) sieht neben der förmlichen Zustellung unter Beifügung einer Übersetzung nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 die Möglichkeit vor, daß die ersuchte Behörde die Zustellung durch einfache Übergabe des Schriftstücks an den Empfänger bewirken kann (Art. 2 und 3 Abs. 2 Satz 2). Daß bei dieser zweiten Art der Zustellung die Beifügung einer Übersetzung nicht erforderlich ist, läßt sich auch aus Art. 3 Abs. 3 der Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Belgischen Regierung zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach dem Haagener Übereinkommen vom 1.März 1954 über den Zivilprozeß vom 25.April 1959 (BGBL II 1959, 1525 ff.) ersehen. Danach wird unterschieden, ob die ersuchende (ausländische) Behörde beantragt, ein Schriftstück förmlich, das heißt nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften der ersuchten Behörde, oder in anderer Form zuzustellen. Nur im ersteren Fall ist eine Übersetzung des Schriftstücks beizufügen bzw. von der ersuchten Behörde auf Kosten der ersuchenden zu beschaffen. Nach Art. 3 Abs. 1 der deutsch-belgischen Vereinbarung ist die gewöhnliche Zustellung durch einfache Übergabe und die förmliche Zustellung von Schriftstücken gemäß den Art. 2, 3, 4 und 5 des Haager Übereinkommens auszuführen. Nach Art. 2 Satz 2 HZPrÜbk kann die Zustellung durch einfache Übergabe des Schriftstücks an den Empfänger nur bewirkt werden, wenn dieser zur Aufnahme bereit ist. Ist er dies – etwa im Hinblick auf die fehlenden Übersetzungen in deutscher Sprache – nicht, so bleibt der ersuchenden ausländischen Stelle nur die Möglichkeit, die förmliche Zustellung nach deutschem Recht zu beantragen und in diesem Fall den Schriftstücken Übersetzungen beizufügen. Der Bundesgerichtshof hat es offen gelassen, ob bei dieser Regelung die Interessen des Empfängers bereits hinlänglich dadurch gewahrt werden, daß die einfache Art der Zustellung nur dann durchführbar ist, wenn der Empfänger zur Annahme bereit ist, hat aber gleichzeitig deutlich gemacht, daß ein solches Verfahren ein ausländisches Unternehmen, das sich auf dem deutschen Markt betätigt, nicht in unzumutbare Schwierigkeiten bringt (vgl. BGH NJW 1969, 980 ff, 981). Im umgekehrten Fall der Betätigung eines deutschen Unternehmens im Ausland kann nichts anderes gelten. Da der Prokurist der Schuldnerin bei der Ladung zu beiden Terminen die einfache Zustellung durch Übergabe akzeptiert und die Entgegennahme der allein in französischer Sprache gehaltenen Schriftstücke nicht verweigert hat und es sich bei der durchgeführten Zustellungsart um die Regelform der Zustellung nach der deutsch-belgischen Vereinbarung vom 25.04.1959 handelt, mißt der Senat dem Umstand, daß die ersuchende belgische Behörde im ersten Fall die förmliche und im zweiten Fall die formlose Zustellung beantragt hat, keine besondere Bedeutung zu. Dem Handelsgericht Brüssel hat es genügt, daß in beiden Fällen die Zustellung durch eigenhändige Unterschrift des Prokuristen der Schuldnerin nachgewiesen war. Im Gegensatz zu anderen in der Rechtsprechung entschiedenen Fällen (vgl. etwa OLG Hamm, MDR 1979 680) hatte die Schuldnerin nicht nur die Möglichkeit, die Entgegennahme französischsprachiger Schriftstücke bei der Zustellung abzulehnen, sondern jeweils auch genügend Zeit, sich Übersetzungen fertigen zu lassen. Hinzu kommt, daß die Schuldnerin in derselben Sache ein zweites Mal zuzustellende Schriftstücke in französischer Sprache entgegengenommen hat und in diesem Fall die vereinfachte Zustellungsform auch ausdrücklich dem Antrag der belgischen Zustellungsbehörde entsprochen hat. Wer sich als Unternehmen internationalen Handelsverkehr betätigt, muß sich die Folgen der im internationalen Rechtsverkehr vereinfachten Zustellungsformen jedenfalls dann entgegenhalten lassen, wenn er sie selbst widerspruchslos hingenommen hat und wenn ihm – wie hier – ausreichende Fristen für eine Einlassung auf das ausländische Gerichtsverfahren zur Verfügung stand. Es genügt, daß eine deutsche Partei, die eine Zustellung aus dem Ausland in fremder Sprache akzeptiert, nach dem Zugang derartiger Schriftstücke ausreichend Gelegenheit hat, durch Beauftragung einer mit der fremden Sprache und dem ausländischen Recht vertrauten Person sich Gewissheit darüber zu verschaffen, was Sinn und Zweck des Schriftstücks ist und welche Folgen drohen, wenn darauf nicht reagiert wird (vg. OLG Hamm, aaO).
Bei dieser Sachlage konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben.