Der Kläger ist die tariflich bestimmte Einzugsstelle der Sozialkassen der Bauwirtschaft. Mit vorliegender Klage verlangt er von dem Beklagten Auskunft über die in dem Zeitraum November und Dezember 1995 beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer, deren Bruttolohnsummen und die Höhe der zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft angefallenen Beiträge. Außerdem verlangt er von dem Beklagten Auskunft über die Anzahl der im gleichen Zeitraum beschäftigten Angestellten und die Höhe der für sie angefallenen Zusatzversorgungsbeiträge. Für sein Begehren beruft sich der Kläger auf die §§ 1 ff., insbesondere § 27 des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986 in der im Klagezeitraum gültigen Fassung. Nach Vortrag des Klägers betrieb der Beklagte jedenfalls in den Monaten November und Dezember 1995 in der Bundesrepublik Deutschland einen Hoch- und Tiefbaubetrieb.
Der Kläger beantragt, den im Termin vom 10. November 1999 trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienenen Beklagten im Wege des Versäumnisurteils zu verurteilen,
1. ihm auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,
1.1 wieviel gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten in den Monaten November und Dezember 1995 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsumme und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind.
1.2 Wieviel Angestellte, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten – ausgenommen sind geringfügig Beschäftigte im Sinne des § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) – in den Monaten November und Dezember 1995 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden und welche Zusatzversorgungsbeiträge in den jeweils genannten Monaten angefallen sind.
2. Für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an den Kläger folgende Entschädigung zu zahlen:
zu Nr. 1.1 1.460,‑ DM, zu Nr. 1.2 80,‑ DM, Gesamtbetrag 1.540,‑ DM.
Wegen des weiteren Sachvortrags des Klägers wird auf die im Termin vom 10. November 1999 vorgetragene Klageschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unzulässig. Der Erlass eines Versäumnisurteils gegen den Beklagten kommt deshalb nicht in Betracht (§ 331 Abs. 1 ZPO).
Das Arbeitsgericht Wiesbaden ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits international unzuständig.
Dies ergibt sich aus dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) vom 27. September 1968, dem sog. Brüsseler Abkommen (ursprüngliche Fassung BGBl 1972 II Seite 773).
Dieses Abkommen ist auf den vorliegenden Fall anwendbar.
Sachlich anwendbar ist das Abkommen nach Art. 1 in „Zivil- und Handelssachen, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt“. Für die Einordnung als Zivil- und Handelssache sind materiell-rechtliche Kriterien maßgebend. Das Brüsseler Abkommen beschränkt sich daher nicht auf Klagen vor den (ordentlichen) Zivilgerichten. Es gilt auch für Verfahren vor sonstigen Gerichten, etwa Arbeits-, Straf- oder Verwaltungsgericht, sofern Gegenstand der Klage eine Zivil- oder Handelssache ist.
Unbestritten sind arbeitsrechtliche Streitigkeiten eine Zivil- oder Handelssache in diesem Sinne (EuGH IPrax 83, 173; LAG München IPrax 92, 97; Zöller/Geimer, ZPO, 20. Aufl. 1997 Anhang I, Art. 1 GVÜ Randziffer 4; Baumbach/Albers, ZPO, 54. Aufl. 1996, AnerkVollstr.Abk, Art. 1 EuGVÜ Randziffer 1 mwN; MüKO ZPO 1992/Gottwald, Art. 1 IZPR Randziffer 24; Kretz, AEntG, 1996, Teil C Randziffer 101).
Es liegt auch keine der in Art. 1 des Brüsseler Abkommens erwähnten Ausnahmen der sachlichen Anwendbarkeit vor, insbesondere geht es im vorliegenden Fall nicht um eine Angelegenheit der sozialen Sicherheit (Art. 1 Ziffer 3 Brüsseler Abkommen). Der Begriff soziale Sicherheit ist autonom zu qualifizieren und wie in Art. 42 EG-Vertrag und der zu seiner Konkretisierung erlassenen Rats-VO Nr. 1408/71 zu verstehen. Außerdem ist zur Auslegung auf das Übereinkommen Nr. 102 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vom 28. Juni 1952 über die Mindestnormen der sozialen Sicherheit (BGBl. II 1957 Seite 1321) zurückzugreifen. Ausgeschlossen sind danach Streitigkeiten über die kassenärztliche Behandlung, das Krankengeld, Leistungen der Mutterschaftsversicherung, die Invalidenversicherung, die Altersversicherungen, Leistungen an Hinterbliebene, Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, Familienbeihilfen und Leistungen an Arbeitslose (MüKO ZPO 1992/Gottwald, Art. 1 IZPR Randziffer 38; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 1997 Art. 1 Randziffer 92, 93). Diesen Rechtsgebieten lässt sich der vorliegende Streitgegenstand nicht zuordnen. Hier verlangt der Kläger als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Auskünfte zur Vorbereitung eines Beitragsanspruchs. Diese Beiträge dienen in erster Linie der Erstattung von Urlaubsvergütung, die Arbeitgeber des Baugewerbes verauslagt haben (§§ 19, 24, 25 VTV). Nur ein geringer Bruchteil dieser Beiträge ist zur Finanzierung einer Zusatzrente vorgesehen. Ein unmittelbarer Streit um diese mag als Angelegenheit der sozialen Sicherheit im Sinne des Art. 1 Ziffer 3 des Brüsseler Abkommens angesehen werden. Die vorliegend streitbefangenen Auskunftsansprüche zur Vorbereitung von Zahlungsansprüchen nach Art eines Versicherungsbeitrags ist jedoch keine Angelegenheit sozialer Sicherheit.
Das Brüsseler Abkommen ist im vorliegenden Fall auch zeitlich anwendbar. Dies ist der Fall, wenn die Klage zeitlich nach Inkrafttreten des Brüsseler Abkommens erhoben worden ist. Daran gibt es hier keine Zweifel:
Das Brüsseler Abkommen ist im Laufe der letzten Jahrzehnte sukzessive zwischen Deutschland und folgenden Staaten in Kraft gesetzt: Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Großbritannien, Irland, Dänemark, Griechenland, Spanien, Portugal. Ein letztes Beitrittsabkommen vom 29. November 1996 betrifft den Beitritt von Finnland, Österreich und Schweden. Es ist derzeit noch nicht in Kraft (vgl. im einzelnen und zu den im Detail unterschiedlichen Fassungen Geimer/Schütze, aaO, Einleitung, Randziffer 4 ff.).
Schließlich muss der/die Beklagte seinen/ihren Wohnsitz im Hoheitsbereich eines Vertragsstaates haben. Für Gesellschaften und juristische Personen steht deren Sitz dem Wohnsitz gleich (Art. 53 Abs. 1 Brüsseler Abkommen). Der Beklagte hat seinen Wohnsitz in den Niederlanden und damit im Hoheitsbereich eines Vertragsstaates.
Mit der Anwendbarkeit des Brüsseler Abkommens ist auch dessen ausschließliche Geltung festgestellt. Seine Zuständigkeitsregeln verdrängen die Bestimmungen der deutschen ZPO. In seinem Zuständigkeitsbereich darf deshalb zur Begründung der internationalen Zuständigkeit nicht mehr auf die ZPO zurückgegriffen werden (MüKO ZPO 1992/Gottwald, Art. 2 IZPR Randziffern 2, 7; Geimer/Schütze, aaO; Einleitung Randziffer 21). Nach Art. 20 Abs. 1 des Abkommens hat das Gericht die Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen, auch wenn der Beklagte – wie hier – sich nicht auf das Verfahren einläßt.
Art. 2 des Brüsseler Abkommens bestimmt, dass Personen, die ihren Wohnsitz/Sitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen sind. Damit sind grundsätzlich die Gerichte des Staates, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, international zuständig. Das wären hier die Niederlande.
Eine besondere Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Wiesbaden besteht nicht.
Nach Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Abkommens kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden,
„wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre; ...“
Der Europäische Gerichtshof legt den Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ autonom, d.h. aus dem Sinnzusammenhang des Brüsseler Abkommens aus (EuGH E 1993, 987; EuGH NJW 89, 1424; MüKO ZPO 1992/Gottwald, Art. 5 IZPR Randziffer 2; Zöller/Geimer, Art. 5 GVÜ Randziffer 6; Geimer/Schütze, aaO, Art. 5 Randziffer 18 ff.; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 5. Aufl. 1996, Art. 5 Randziffer 5, jeweils mwN). Abgelehnt wird damit eine Qualifikation nach der lex causae, also dem Recht des Staates, dessen Recht nach den Kollisionsnormen des Gerichtsstaates anwendbar ist, da diese Qualifikation einer Vereinheitlichung der Zuständigkeitsregeln offensichtlich zuwiderlaufen würde. Aus dem gleichen Grund scheidet auch eine Qualifikation nach der jeweiligen lex fori aus (MüKO ZPO 1992/Gottwald, aaO; Kropholler, aaO, mwN). Der Begriff der vertraglichen Ansprüche ist nach der autonomen Auslegung des EuGH weit auszulegen, er führt zu „praktikablen, wenn auch dogmatisch schwer begründbaren Ergebnissen“ (Zöller/Geimer, aaO). Entscheidend ist, dass „ein solcher Anspruch seinen Grund in der Nichteinhaltung einer Vertragspflicht findet“ (Geimer/Schütze, aaO, Randziffer 18 mwN). Der Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 ist z.B. eröffnet für Streitigkeiten über die Wirksamkeit eines Vertrages, über Schadensersatzansprüche wegen missbräuchlicher Auflösung eines Handelsvertretervertrages, aber auch für Klagen, durch die ein Verein oder eine sonstige juristische Person gegen ihre Mitglieder Ansprüche auf Beitragsleistungen geltend macht, ebenso wie für Klagen aus Binnenbeziehungen in einer Aktiengesellschaft (Geimer/Schütze, aaO, Randziffern 19 bis 21 mwN; MüKO ZPO 1992/Gottwald, aaO, Art. 5 Randziffer 4 mwN; Kropholler, aaO, Randziffer 6 mwN). Zweifelsfrei nicht unter Art. 5 Nr. 1 fallen Klagen aus sogenannten Quasi-Kontrakten, wie Geschäftsführung ohne Auftrag sowie Ansprüche aus gesetzlichen Schuldverhältnissen, wobei für die Abgrenzung im einzelnen nach Auffassung des EuGH nicht die vom IPR des Erststaates bestimmte lex causae maßgeblich ist. Auch hier versucht der EuGH eine vertragsautonome Qualifikation. Nicht vertraglich sind danach z.B. Ansprüche aus unerlaubter Handlung aus Produkthaftung, wegen ungerechtfertigter Bereicherung oder auch Anfechtungsklagen nach dem Anfechtungsgesetz, weil diese Klage nicht aus einem Vertrag stammt (Geimer/Schütze, aaO, Randziffer 32).
Grundsätzlich scheidet Art. 5 Nr. 1 aus, wenn zwischen den Parteien keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen bestehen (EuGH JZ 95, 90; Baumbach/Albers aaO; Art. 5 EuGVÜ Randziffer 1; Geimer/Schütze, aaO, Randziffer 33).
Zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits bestehen keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen.
In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B. Urteil vom 22. Januar 1997 – 10 AZR 908/94, S. 8) ist anerkannt, dass die Beitragspflicht zu den Sozialkassen des Baugewerbes nicht durch rechtsgeschäftliches Handeln begründet wird. Voraussetzung ist vielmehr allein die Ausführung baugewerblicher Tätigkeiten durch das Unternehmen. Ob Tarifverträge als Kollektivverträge überhaupt zuständigkeitsbegründende Verträge im Sinne der autonomen Interpretation des EuGH sein können, kann hier dahinstehen. Auch bei weitester Auslegung des Vertragsbegriffs im Sinne der Rechtsprechung des EuGH muss zur Kenntnis genommen werden, dass der Kläger und der Beklagte weder mittelbar über einen Arbeitgeberverband noch gar unmittelbar am Zustandekommen der fraglichen Tarifverträge beteiligt waren, aus denen jetzt Ansprüche hergeleitet werden. Zwischen dem Kläger und verklagten Bauarbeitgebern dürfte es in der Regel (abgesehen von eventuellem außergerichtlichem Briefverkehr) überhaupt keinen rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Kontakt gegeben haben, der als Anknüpfungspunkt für einen vertraglichen Anspruch im Sinne des Art. 5 Nr. 1 dienen könnte. Die tarifvertraglichen Regelungen über Urlaub und Lohn finden nur über deren Allgemeinverbindlichkeitserklärung auf den Beklagten Anwendung. Diese Form der rechtlichen Verpflichtung ist einem gesetzlichen Schuldverhältnis nachgebildet. Ein Bezug zu wie auch immer gearteten vertraglichen Ansprüchen fehlt (ebenso Kretz, AEntG 1996, Teil C Randziffer 112; BAG vom 22.01.1997, 10 AZR 908/94).
Selbst wenn die klägerischen Begehren entgegen der hier vertretenen Ansicht vertraglicher Natur wären, wäre das Arbeitsgericht Wiesbaden gleichwohl nicht nach Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Abkommens international zuständig, denn der Erfüllungsort für die unterstellt vertraglichen Ansprüche des Klägers läge regelmäßig im Ausland.
Aus der Formulierung des Art. 5 Nr. 1 „vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“ wird deutlich, dass es zur Begründung der Zuständigkeit jeweils auf die streitige Verpflichtung ankommt. Anknüpfungspunkt ist die Verpflichtung, die den Gegenstand der Klage bildet, nicht etwa irgendeine Verpflichtung oder die vertragscharakteristische Leistung. Art. 5 Nr. 1 eröffnet eine Zuständigkeit nur dann, wenn die konkrete streitgegenständliche vertragliche Verbindlichkeit im Gerichtsstaat zu erfüllen ist oder erfüllt wurde.
Zur Ermittlung des Erfüllungsortes stellt der EuGH auf eine Qualifikation lege causae ab (EuGH NJW 77, 791; EuGH NJW 95, 183; BGH NJW 91, 3095; Geimer/Schütze, aaO, Art. 5 Randziffer 63; MüKO ZPO 1992/Gottwald, aaO, Art. 5 Randziffer 13; Kropholler, aaO, Art. 16 Randziffer 16 mwN). Der Ort, an dem die Verpflichtung zu erfüllen wäre, ist demnach nach dem Recht zu bestimmen, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befassten Gerichts für die streitige Verpflichtung maßgebend ist (jetzt wieder EuGH vom 28. September 1999, C-440/97).
Das deutsche internationale Privatrecht wird, vertragliche Schuldverhältnisse betreffend, durch die Art. 27 ff. EGBGB bestimmt.
Nach Art. 27 EGBGB unterliegt der Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Diese Vorschrift kommt im vorliegenden Zusammenhang offenkundig nicht zur Anwendung. Der Kläger hat mit dem Beklagten keine Absprache über das anwendbare Recht getroffen.
Gemäß Art. 28 EGBGB besteht der Grundsatz der objektiven Schwerpunktanknüpfung. Falls die Parteien das anzuwendende Recht nicht nach Art. 27 EGBGB vereinbart haben, unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist. Läßt sich jedoch ein Teil des Vertrages von dem Rest des Vertrages trennen und weist dieser Teil eine engere Verbindung mit einem anderen Staat auf, so kann auf ihn ausnahmsweise das Recht dieses anderen Staates angewandt werden. Gemäß Art. 28 Abs. 2 EGBGB wird vermutet, dass der Vertrag die engsten Verbindungen mit dem Staat aufweist, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder, wenn es sich um eine Gesellschaft, einen Verein oder eine juristische Person handelt, ihre Hauptverwaltung hat. Ist der Vertrag jedoch in Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Partei geschlossen worden, so wird vermutet, dass er die engsten Verbindungen zu dem Staat aufweist, in dem sich deren Hauptniederlassung befindet oder in dem, wenn die Leistung nach dem Vertrag von einer anderen als der Hauptniederlassung zu erbringen ist, sich die andere Niederlassung befindet. Dieser Absatz ist jedoch nicht anzuwenden, wenn sich die charakteristische Leistung nicht bestimmen läßt.
Die Ansprüche des Klägers gegenüber dem Beklagten weisen die engsten Verbindungen zu Deutschland auf. Es käme daher, die vertragliche Natur der klägerischen Ansprüche unterstellt, deutsches Recht zur Anwendung.
Die Ansprüche des Klägers beruhen nämlich auf deutschen allgemeinverbindlichen Tarifverträgen. Diese sind für Bauunternehmen in Deutschland gemacht. Ausländische Bauunternehmen werden nur über die Vorschriften des AEntG nach Maßgabe besonderer tariflicher Regelungen zur Beitragszahlung herangezogen, und auch nur dann, wenn sie in Deutschland aktiv werden.
Die lex causae, auf die gemäß der Rechtsprechung des EuGH für die Bestimmung des zuständigkeitsbegründenden Erfüllungsortes im Sinne von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Abkommens abzustellen wäre, ergäbe im vorliegenden Fall also die Anwendung deutschen Rechts, konkret des § 269 Abs. 1 BGB. Danach liegt der Erfüllungsort grundsätzlich am Wohnsitz/Sitz des Schuldners, mithin im vorliegenden Zusammenhang regelmäßig im Ausland, hier in den Niederlanden.
Es gibt auch keine wirksamen Vereinbarungen der Parteien über einen Erfüllungsort in Deutschland.
Solche Vereinbarungen über den Erfüllungsort können auch eine Zuständigkeit im Sinne von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Abkommens begründen. Dabei kommt es nur darauf an, ob die maßgebliche lex causae solche Vereinbarungen zuläßt. Auf die für Gerichtsstandsvereinbarungen in Art. 17 des Brüsseler Abkommens vorgeschriebene Form kommt es dabei nicht an (EuGH, IPRax 1981, 89; Geimer/Schütze, aaO; Art. 5 Randziffer 81; MüKO ZPO 1992/Gottwald, aaO, Art. 5 Randziffer 15; Kropholler, aaO, Art. 5 Randziffer 22 mwN). Wie oben festgestellt, verweist das deutsche IPR auf das deutsche Recht als lex causae. Aus § 269 Abs. 1 BGB folgt, dass der Leistungsort in erster Linie der Bestimmung der Parteien unterliegt. Erforderlich ist eine Vereinbarung der Parteien, die ausdrücklich oder stillschweigend getroffen werden kann. Im vorliegenden Fall ist eine unmittelbare Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagten nicht zu finden. Bei dem für allgemeinverbindlich erklärten § 32 des VTV vom 12. November 1986 handelt es sich auch nicht um eine Vereinbarung über den Erfüllungsort. Dort heißt es zwar:
Erfüllungsort und Gerichtsstand für Ansprüche der ZVK-Bau und der ULAK gegen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie für ... ist Wiesbaden ....
Diese Vereinbarung ist jedoch von den Tarifvertragsparteien der deutschen Bauwirtschaft geschlossen worden. Sie ist somit keine Vereinbarung der Prozessparteien im Sinne von § 269 Abs. 1 BGB. Ihre Erstreckung auf Streitigkeiten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern des Baugewerbes mit dem Kläger ergibt sich auch nicht aus § 48 Abs. 2 ArbGG. Dort ist festgehalten, dass die Tarifvertragsparteien im Tarifvertrag die Zuständigkeit eines an sich örtlich unzuständigen Arbeitsgerichts festlegen können für u.a. bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aus dem Verhältnis einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien zu den Arbeitnehmern oder Arbeitgeber. Bereits der Text dieser Vorschrift zeigt, dass die Tarifvertragsparteien in Tarifverträgen nur über die örtliche Zuständigkeit und damit den Gerichtsstand befinden können, nicht aber über den Erfüllungsort. Dies ergibt sich zusätzlich auch aus dem letzten Satz des § 48 Abs. 2 ArbGG, wo festgehalten ist, dass die in § 38 Abs. 2 und 3 der ZPO vorgesehenen Beschränkungen keine Anwendung finden. In § 38 Abs. 2 und 3 ist ausschließlich von Gerichtsstandsvereinbarungen, nicht aber von Vereinbarungen über den Erfüllungsort die Rede. Andere „Ermächtigungsgrundlagen“ für Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien in Bezug auf den Erfüllungsort für tarifvertragliche Leistungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern oder gemeinsamen Einrichtungen und diesen sind nicht ersichtlich. Das bedeutet, dass § 32 VTV insoweit unwirksam ist, als er Wiesbaden auch als Erfüllungsort von Ansprüchen des Klägers gegenüber Arbeitgebern der Bauwirtschaft wie auch von Ansprüchen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern der Bauwirtschaft gegen den Kläger vorsieht. Die Erwähnung des Erfüllungsortes in der zitierten Tarifklausel muss als redaktionelle Nachlässigkeit betrachtet werden. Vielfach hat die Vereinbarung eines Erfüllungsortes nur den Zweck, den Gerichtsstand zu bestimmen. Derart „abstrakte“ Erfüllungsortvereinbarungen sind für den Leistungsort im Sinne des § 269 ohne Bedeutung (BGH WM 95, 859; Palandt, BGB, 56. Aufl. 1997, § 269 Randziffer 9; Kropholler, aaO, Art. 5 Randziffer 23 unter Verweis auf eine dem EuGH z.Zt. vorliegende Sache, Az. 106/95, Vorlage durch BGH, u.a. in RIW 95, 410). Somit bleibt im Rahmen der angestellten Hilfserwägung festzuhalten, dass auch bei unterstellt vertraglicher Natur des klägerischen Begehrens eine internationale Zuständigkeit des erkennenden Gerichts nicht begründet wäre.
Die internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Wiesbaden ergibt sich auch nicht aus Art. 5 Nr. 5 des Brüsseler Abkommens. Danach ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem sich eine Zweigniederlassung, eine Niederlassung oder eine Agentur befindet, wenn es sich um Streitigkeiten aus deren Betrieb handelt.
Nach der Rechtsprechung des EuGH wird dieser Gerichtsstand ebenfalls vertragsautonom bestimmt (EuGH E 78, 2183, 2191). Mit den Begriffen Niederlassung, Zweigniederlassung und Agentur knüpft das Brüsseler Abkommen an eine dauernde Außenstelle eines Stammhauses an, die auf Dauer geplant Mittelpunkt geschäftlicher Aktivitäten ist, eine eigene Geschäftsführung hat und sachlich so ausgestattet ist, dass von ihr aus Geschäfte mit Dritten betrieben werden können (EuGH E, aaO). Ein Auslandsbüro ohne jegliche selbständige Geschäftstätigkeit sowie eine Verkaufsstelle ohne Geschäftsführung sind daher nicht als Niederlassung anzusehen (MüKO ZPO 1992/Gottwald, aaO, Art. 5 Randziffer 40).
Der Kläger behauptet selbst nicht, dass der Beklagte hier eine Niederlassung im Sinne von Art. 5 Nr. 5 des Brüsseler Abkommens unterhält.
Nur am Rande sei festgehalten, dass der Kläger sich auch nicht zur Begründung der internationalen Zuständigkeit auf die Art. 7 ff. des Brüsseler Abkommens stützen kann. Diese beschäftigen sich mit der Zuständigkeit für Versicherungssachen. Im einzelnen beschreiben sie jedoch ausschließlich Zuständigkeiten für Klagen gegen Versicherer, als welchen man den Kläger ansehen könnte, nicht aber von diesen gegen „Versicherungsnehmer“.
Die internationale Zuständigkeit des erkennenden Gerichts kann auch nicht auf eine Zuständigkeitsvereinbarung gestützt werden, denn die Parteien haben die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht wirksam vereinbart.
Art. 17 Abs. 1 des Brüsseler Abkommens bestimmt:
Haben die Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz in einem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, vereinbart, dass ein Gericht oder die Gerichte eines Vertragsstaates über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen, so sind dieses Gericht oder die Gerichte dieses Staates ausschließlich zuständig ...
Eine der Voraussetzungen für eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Brüsseler Abkommens ist damit, dass es sich um eine Vereinbarung „der Parteien“ handelt. Vereinbarung bedeutet damit wie üblich eine übereinstimmende Willensäußerung der Parteien. Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits haben keine Gerichtsstandsvereinbarung miteinander getroffen. Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien ergibt sich auch nicht daraus, daß in § 32 VTV die Tarifvertragsparteien des deutschen Baugewerbes – wie o.a. – eine solche vereinbart haben.
Einvernehmen herrscht zwar darüber, dass Zuständigkeitsvereinbarungen zugunsten Dritter möglich sind (Geimer, NJW 85, 533; Hübner, IPRax 1984, 238 ff.; MüKO ZPO 1992/Gottwald, aaO, Art. 17 Randziffer 33). Im vorliegenden Fall könnte man die tarifvertragliche Gerichtsstandsvereinbarung als eine solche zugunsten des Klägers interpretieren. Unübersehbar ist jedoch, dass sie regelmäßig auch zu Lasten des verklagten ausländischen Bauunternehmens wirkt. Einhelligkeit besteht aber auch darin, daß Zuständigkeitsvereinbarungen zu Lasten Dritter gemäß Art. 17 des Brüsseler Abkommens unzulässig sind. Ausdrücklich stellt Geimer in NJW 1985, 533 fest: „Ein Vertrag zu Lasten Dritter ist im Kompetenzrecht ausgeschlossen. Dies bedeutet: Diejenige Partei, deren Gerichtspflichtigkeit in concreto erweitert wird, muß der Zuständigkeitsvereinbarung beigetreten sein.“ (ebenso MüKO ZPO 1992/Gottwald, aaO; Kropholler, aaO, Art. 17 Randziffer 55; Baumbach/Albers, aaO, Art. 17 Randziffer 4; Zöller/Geimer, aaO, Randziffer 6 und Randziffer 19; anders für den Sonderfall Gerichtsstandsklausel in der Satzung einer AG: EuGH vom 10.03.1992, Az. 214/89, zit. nach Kropholler, aaO, Art. 17 Randziffer 24).
Die Gerichtsstandsvereinbarung in § 32 VTV ist damit im vorliegenden Zusammenhang unwirksam (so ausdrücklich MüKO ZPO 1992/Gottwald, aaO, Art. 17 Randziffer 44; Birk, RdA 1983, S. 151). Daran ändert auch § 48 Abs. 2 ArbGG nichts, der den Abschluss entsprechender Gerichtsstandsvereinbarungen für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten (u. a.) aus dem Verhältnis einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien zu Arbeitnehmern oder Arbeitgebern zuläßt. Er wird von Art. 17 des Brüsseler Abkommens als dem höherrangigen Recht verdrängt.
Auch aus Art. 57 des Brüsseler Abkommens kann der Kläger eine internationale Zuständigkeit des erkennenden Gerichts nicht herleiten. Art. 57 Abs. 1 lautet:
Dieses Übereinkommen läßt Übereinkommen unberührt, denen die Vertragsstaaten angehören oder angehören werden und die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung oder die Vollstreckung von Entscheidungen regeln.
Solche Übereinkommen, die sich mit der gerichtlichen Zuständigkeit für Klagen gemeinsamer Einrichtungen von Tarifvertragsparteien gegen Unternehmen ihrer Branche beschäftigen würden, sind nicht vorhanden. Schon deswegen kann sich der Kläger auch nicht, wie in anderer Sache vorgetragen, auf Art. 57 Abs. 2 des Brüsseler Abkommens stützen, denn dieser beschäftigt sich ausschließlich mit Regeln zur Sicherung der einheitlichen Auslegung des Absatzes 1.
Auch aus Art. 57 Abs. 3 des Brüsseler Abkommens läßt sich die internationale Zuständigkeit des erkennenden Gerichts nicht gewinnen. Dieser Absatz lautet:
Dieses Übereinkommen berührt nicht die Anwendung der Bestimmungen, die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit oder die Anerkennung oder Vollstreckung von Entscheidungen regeln und in Rechtsakten der Organe der europäischen Gemeinschaften oder in dem in Ausführung dieser Akte harmonisierten einzelstaatlichen Recht enthalten sind.
Anders als in Rechtsstreitigkeiten der Sozialkassen des Baugewerbes aus dem Arbeitnehmerentsendegesetz (vgl. hierzu z.B. Kammerurteil vom 29. September 1999, 3 Ca 671/99), kann der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit keine Bestimmungen ins Feld führen, die „für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit regeln und in Rechtsakten der Organe der Europäischen Gemeinschaft oder in dem in Ausführung dieser Akte harmonisierten deutschen Recht enthalten sind“. Solche Bestimmungen gibt es nicht. Für Rechtsstreite der vorliegenden Art gibt es weder einen Rechtsakt der Organe europäischer Gemeinschaften zur Regelung der gerichtlichen Zuständigkeit noch gibt es deutsche Rechtsnormen, die auf entsprechenden EG- Rechtsakten fußen. Insbesondere ist die vom Kläger andernorts bemühte Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (Entsenderichtlinie; ABl Nr. L 18 vom 21. Januar 1997, Seite 1 ff.) als ein solcher Rechtsakt der Organe der Europäischen Gemeinschaften nicht einschlägig. Diese Richtlinie betrifft nach deren Art. 1 Abs. 1 nur Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedsstaat, die im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates entsenden. Um eine solche Entsendung geht es hier gerade nicht. Nach dem Vortrag des Klägers hat der Beklagte seinerzeit einen baugewerblichen Betrieb auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland betrieben und auch dort baugewerbliche Leistungen erbracht.
Dem Brüsseler Abkommen lässt sich somit die internationale Zuständigkeit des erkennenden Gerichts nicht entnehmen.