-
Zusammenfassung der Entscheidung Der Kläger, ein in Deutschland ansässiger Rechtsanwalt, der gegen eine in Konkurs gefallene deutsche Tochtergesellschaft der Beklagten Ansprüche aus einem Anwaltsvertrag hat, macht gegen die Beklagte, eine italienische Gesellschaft, Ansprüche analog §§ 302, 303 deutsches Aktiengesetz (AktG) geltend, gestützt auf den Aspekt des qualifizierten faktischen Konzerns.
Das Oberlandesgericht Frankfurt (DE) bejaht die internationale und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Frankfurt (DE). Diese ergebe sich zwar nicht aus Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, da die geltend gemachte Haftung der Beklagten analog §§ 302, 303 AktG nicht vertraglicher Art sei. Auch Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ sei nicht heranzuziehen, weil das die Zuständigkeit begründende Verhältnis noch zur Zeit der Klageerhebung bestehen müsse, die deutsche Tochtergesellschaft jedoch nach ihrem Konkurs am Geschäftsleben nicht mehr teilgenommen habe. Die internationale und örtliche Zuständigkeit ergebe sich aber aus Art. 18 EuGVÜ. Eine rügelose Einlassung läge nur dann nicht vor, wenn die Beklagte die Zuständigkeitsrüge vor derjenigen Stellungnahme erhoben hätte, die nach nationalem Prozessrecht als erstes Verteidigungsvorbringen anzusehen sei; dies sei hier die schriftliche Klageerwiderung. Das Gericht folge der Auffassung, die jeder schriftlichen Stellungnahme zu einem anderen Aspekt als der internationalen Zuständigkeit die zuständigkeitsbegründende Wirkung zumisst. Die Beklagte habe mit Schriftsatz vom 12. 8. 1998 ihre Bereitschaft zur Sacheinlassung, unter Formulierung der Anträge, angekündigt und am 19. 8. 1998 zur Sache Stellung genommen. Die Rüge der internationalen Zuständigkeit sei erst am 11. 11. 1998 erhoben worden.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 511, 511a, 516, 518, 519 ZPO zulässige Berufung des Klägers hat im Ergebnis keinen Erfolg. Die Klage ist zwar zulässig. Sie ist aber nicht begründet.
Das Landgericht Frankfurt am Main ist entgegen der Annahme des Landgerichts international und örtlich zuständig. Diese Zuständigkeit ergibt sich entgegen der erstinstanzlich vertretenen Auffassung aus Art. 18 EuGVÜ.
Eine regelrechte Zuständigkeit nach Art. 5 EuGVÜ ist zwar, wie zutreffend ausgeführt ist, nicht gegeben. Zwar wäre das Landgericht Frankfurt am Main als Gericht des Erfüllungsortes gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ zuständig, wenn es sich um eine Klage des Klägers gegen seine Mandantin aus einem Anwaltsvertrag handelte.
Hier ist die Klage indessen auf den Aspekt des qualifizierten faktischen Konzerns gegen die die Mandantin angeblich beherrschende italienische Muttergesellschaft analog §§ 302, 303 Aktiengesetz gestützt worden, für die eine Zuständigkeit akzessorisch zu der des primären Anspruchs nicht gilt, da die Haftung auf einem anderen rechtlichen Grund basiert, der nicht vertraglicher Art ist (BGH DStR 1997, 503 f.).
Die regelrechte Zuständigkeit ergibt sich auch nicht aus Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ, da die Streitigkeit eine Tochtergesellschaft der Beklagten betrifft, die dieser Regelung nur unter besonderen Voraussetzungen unterfällt und bei der das die Zuständigkeit begründende Verhältnis noch zur Zeit der Klageerhebung bestehen muß, woran es hier fehlt. Die Tochtergesellschaft nahm nach ihrem Konkurs am Geschäftsleben nicht mehr teil (BGH aaO S. 504).
Die Beklagte hat sich vorliegend aber mit einer die internationale und örtliche Zuständigkeit begründenden Wirkung auf das Verfahren eingelassen, Art. 18 EuGVÜ.
Diese Voraussetzung liegt nach der für ihren Anwendungsbereich vorrangigen Regelung des EuGVÜ nur dann nicht vor, wenn, wie durch die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 24.06.1981 (RIW 1981, 709) geklärt ist, die Rüge der fehlenden Zuständigkeit, wenn nicht vor jedem Vortrag zur Hauptsache, so doch nicht nach Abgabe derjenigen Stellungnahme erhoben wird, die nach dem innerstaatlichen Prozeßrecht als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen ist.
Das innerstaatliche Prozeßrecht regelt in dem hier laut Verfügung vom 04.03.1998 gewählten Verfahren der Bestimmung eines frühen ersten Termins gemäß § 275 ZPO die richterlich getroffene Anordnung, dem Beklagten eine Frist zur schriftlichen Klageerwiderung zu setzen, deren Einzelheiten in § 277 ZPO geregelt sind. Es handelt sich insoweit um die Anordnung, auf eine gemäß § 253 ZPO mit der Zustellung rechtshängig werdende Klage zu reagieren. Die aufgegebene schriftliche Klageerwiderung ist ersichtlich das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht, das dem erfolgreichen Ablauf des frühen ersten Termins zur mündlichen Verhandlung dienen soll.
Zwar genügt es nach innerstaatlichem Recht zur Begründung der von Amts wegen zu prüfenden örtlichen und sachlichen Zuständigkeit gemäß § 39 ZPO erst, daß bei dem an sich unzuständigen Gericht rügelos mündlich verhandelt wird.
Daraus ergibt sich jedoch nicht, daß abweichend von der Definition des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften das den Gegenstand der mündlichen Verhandlung bestimmende Verhandeln zur Sache als erstes Verteidigungsvorbringen auch im Sinne von Art. 18 EuGVÜ zu gelten hätte.
Etwas anderes ist auch nicht der erstinstanzlich angeführten Entscheidung des BGH (BGHZ 134, 127 f.) zu entnehmen, die sich mit der Frage auseinandersetzt, ob für die Rüge der internationalen Zuständigkeit die Klageerwiderungsfrist zu wahren sei und zur Stützung der dies ablehnenden Auffassung auf Art. 18 EuGVÜ und LugÜ verweist, die für die Frage der Rechtzeitigkeit der Zuständigkeitsrüge auf die Anwendung innerstaatlicher Regeln nicht verzichten könnten. Dabei bleibt indessen unberücksichtigt, daß hier das in seinem Geltungsbereich vorrangige internationale Recht in der oben angeführten Entscheidung die bezeichnete klare Definition erfahren hat, mit der ersichtlich nicht auf die gesamten hochstreitigen Prinzipien der nationalen Rechte der Staaten verwiesen werden sollte, die die klare Aussage der Entscheidung wieder relativieren würden.
Aus diesem Grunde folgt der Senat der in der Literatur zum EuGVÜ vertretenen Auffassung, die auch jede schriftliche Stellungnahme zu einem anderen als dem Aspekt der internationalen Zuständigkeit die zuständigkeitsbegründende Wirkung zumißt (Kropholler Rn. 5, 16 zu Art. 18 EuGVÜ; Schlosser Rn. 2 zu Art. 18 EuGVÜ, Geimer JZPR Rn. 1419; Nagel-Gottwald Rn. 251, 3 zu § 3 „Internationale Zuständigkeit“).
Der deutschen Prozeßrechtsliteratur sind überschaubare Maßstäbe schwerlich zu entnehmen (für Anwendung des § 39 ZPO: Münchner Kommentar (Patzina) Rn. 14 zu § 39 ZPO; differenzierend in Bezug auf § 504 ZPO, Stein-Jonas Anm. 15 zu § 39 ZPO; ebenso Musielak Rn. 9 zu § 39 ZPO; völlig unklar Baumbach-Lauterbach (Albers) Anm. 1 zu Art. 18 EuGVÜ unter „AnerkVollstrAbk“; Zöller, Rn. 1 zu Art. 18 EuGVÜ, während die Praxis nach den vom Senat vertretenen Maßstäben entschieden hat (OLG Düsseldorf RIW 1990, 669; Landgericht Darmstadt WM 1994, 1565, 1570), der vom BGH entschiedene Fall in NJW 1987, 3081 nicht den Bereich des EuGVÜ betraf).
Die Beklagte hat mit dem Schriftsatz vom 12.08.1988 ihre Bereitschaft zur Sacheinlassung – bei Formulierung der Anträge – außerhalb der gesetzten Stellungnahmefrist angekündigt und dementsprechend am 19.08.1998 zur Sache Stellung genommen.
Die Rüge der Zuständigkeit folgte erst im Schriftsatz vom 11. November 1998.
Mit der internationalen Zuständigkeit ist auch die örtliche Zuständigkeit verbunden, die zudem in der Verhandlung vom 19.11.1998 nicht gerügt wurde.
Die Klage ist indessen unbegründet, da die Voraussetzungen für eine sogenannte Durchgriffshaftung der Beklagten analog §§ 302, 303 Aktiengesetz nicht ausreichend dargelegt sind.
Zwar ist die Beklagte alleinige Gesellschafterin der früheren Mandantin des Klägers gewesen, die nach dem Klägervorbringen über jene ihre Produkte dem deutschen Markt zuführte, die ihre Geschäftsführung auswählte bzw. mit eigenem Personal bestückte, die nach ihren Vorgaben zu handeln hatte.
Damit mag im Falle des Nachweises der für die Haftung der Beklagten erforderliche Abhängigkeitstatbestand durch dauernde und umfassende Leitung erfüllt sein.
Zur rechtswidrigen Benachteiligung der Mandantin im Interesse der Mutter als Folge jener Leitung, die durch Einzelausgleich nicht zu kompensieren gewesen wäre, ist indessen unzureichend ausgeführt worden.
Denn es ist aufgrund des Vortrags nicht einmal ersichtlich, in welchem allgemein gekennzeichneten Bereich die angeblich durch die Unselbständigkeit der Mandantin bedingten Schwierigkeiten lagen, die bei getroffenen oder unterlassenen Entscheidungen der Mutter entstanden und die der Erhaltung der Liquidität der Mandantin abträglich waren.
Bei entsprechender Abhängigkeit ist die Beeinträchtigung auch nicht zu vermuten (BGHZ 122, 123 f.; Baumbach-Hueck (Zöllner), GmbHG Rn. 80 f. Stichwort „GmbH-KonzernR“; Altmeppen/Roth GmbHG Rn. 117 f., Anhang § 13).