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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragstellerin wollte aus einem Urteil des Tribunale di Pistoia (IT) vom 14./22.12.1999 gegen die in Wesel (DE) ansässige Antragsgegnerin in der BRD vollstrecken. Sie beantragte daher beim Landgericht Duisburg (DE), das Urteil mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Der Vorsitzende der Zivilkammer entsprach diesem Antrag, dagegen wandte sich die Antragsgegnerin. Sie begründete die Einlegung des Rechtsmittels damit, dass ihr das Urteil des italienischen Gerichts nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei, und zwar weder in italienischer, noch in deutscher Sprache.
Das OLG Düsseldorf (DE) entscheidet, dass die Voraussetzungen für die Vollstreckbarkeitserklärung vorlägen. Die nach Art. 46 und 47 EuGVÜ für die Zulassung erforderlichen Voraussetzungen seien erfüllt. Insbesondere fehle es nicht an dem Erfordernis des Nachweises der ordnungsgemäßen Zustellung des italienischen Urteils gem. Art 47 Nr. 1 EuGVÜ. Zwar habe die Antragstellerin die urkundliche Bestätigung trotz Aufforderung nicht vorgelegt, die Zustellung wurde jedoch jedenfalls während des Klauselerteilungsverfahrens in zulässiger Weise nachgeholt. Der Nachweis der Zustellung könne während des vom Schuldner anhängig gemachten Rechtsbehelfsverfahrens erbracht werden, soweit dem Schuldner daraus keine von ihm nicht zu vertretenden Nachteile erwachsen seien.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Antragstellerin will aus einem Urteil des Tribunale di Pistoria vom 14./22. Dezember 1999 gegen die in Wesel ansässige Antragsgegnerin in der Bundesrepublik Deutschland vollstrecken.
Die Antragstellerin hat beantragt, den Schuldtitel des Tribunale di Pistoria vom 22. Dezember 1999, bereits verkündet in der Verhandlung vom 14. Dezember 1999 (Aktennummer ...), durch das die Antragsgegnerin zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 29.385.000,‑ LIT zuzüglich Verfahrenskosten in Höhe von 4.144.810,‑ LIT an die Antragstellerin verurteilt worden ist, mit der Vollstreckungsklausel zu versehen.
Der Vorsitzende der 06. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg hat durch Beschluss vom 20. Juli 2001 angeordnet:
„Das Urteil des Tribunale Di Pistoria (Republik Italien) vom 14.12.1999, eingetragen im allgemeinen Register ebenda unter der Aktennummer ... ist mit der Vollstreckungsklausel zu versehen.
Die zu vollstreckende Entscheidung lautet: Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 29.385.000 LIT nebst gesetzlicher Zinsen ab dem 1.10.1998 zuzüglich der Verfahrenskosten in Höhe von 4.144.810 LIT zu zahlen.“
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie die Änderung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung des Gesuchs der Antragstellerin begehrt. Sie begründet ihr Rechtsmittel dahin, dass ihr das Urteil, das für vollstreckbar erklärt werden solle, nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei, und zwar weder in italienischer Sprache noch in einer deutschen Übersetzung. Die Erteilung der Vollstreckungsklausel setze indes die vorherige Zustellung des Titels voraus.
II. Die innerhalb eines Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts eingegangene Beschwerde der Antragsgegnerin (Art. 36 EuGVÜ) ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Die nach Art. 46 und 47 EuGVÜ für die Zulassung der Zwangsvollstreckung erforderlichen formellen Voraussetzungen sind erfüllt. Insbesondere fehlt es letztlich nicht an dem Erfordernis des Nachweises einer ordnungsgemäßen Zustellung des italienischen Urteils (Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ). Zwar hat die Antragstellerin die urkundliche Bestätigung über die Zustellung des Titels an die Antragsgegnerin (Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ) trotz Aufforderung nicht vorgelegt. Die Zustellung wurde aber jedenfalls während des Klauselerteilungsverfahrens – hier Zustellung des landgerichtlichen Beschlusses vom 20. Juli 2001 nebst Vollstreckungsklausel und Titel in Übersetzung durch Niederlegung am 05. Oktober 2001 – in zulässiger Weise nachgeholt.
a) Das OLG Köln (OLGR 1994, 10) hat diese Form der Zustellung während des Rechtsbehelfsverfahrens ohne weiteres für ausreichend erachtet, weil damit dem Sinn und Zweck des Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ Genüge getan werde, dem Schuldner vor der rechtsgültigen Zulassung der Zwangsvollstreckung Gelegenheit zu geben, dem Urteil freiwillig nachzukommen. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 14. März 1996 (EuZW 1996, 240) Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ dahin ausgelegt, dass der Nachweis der Zustellung des Urteils, wenn die nationalen Verfahrensvorschriften dies gestatten, nach der Stellung des Antrags, insbesondere während eines vom Schuldner daraufhin anhängig gemachten Rechtsbehelfsverfahren, erbracht werden kann, sofern der Schuldner über eine angemessene Frist verfügt, um dem Urteil freiwillig nachzukommen, und sofern die Partei, die die Vollstreckung beantragt, die Kosten eines etwa unnötigen Verfahrens trägt.
b) Hieraus leitet der Senat den Grundsatz ab, dass der Nachweis der Urteilszustellung während des vom Schuldner anhängig gemachten Rechtsbehelfsverfahrens erbracht werden kann (vgl. § 187 ZPO), soweit dem Schuldner daraus keine von ihm nicht zu vertretenden Nachteile erwachsen.
Solange die Antragstellerin die Kosten der ersten Instanz nicht freiwillig übernimmt bzw. die Antragsgegnerin von denselben freistellt, könnte sich vorliegend als nachteilhaft erweisen, dass die Antragsgegnerin diese Kosten, insbesondere die Anwaltskosten, des Verfahrens vor dem Vorsitzenden der Kammer tragen muss, obwohl der Nachweis nach Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ in zulässiger Form erst mit der Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung erbracht wurde. Denn die Beschwerde ist – vorbehaltlich des § 97 Abs. 2 ZPO – auf Kosten der Antragsgegnerin als Beschwerdeführerin zurückzuweisen, ohne dass die Möglichkeit besteht, die erstinstanzlichen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen. Die Entscheidung hierüber ist dem Senat nämlich nicht angefallen.
Dieser Nachteil ist allerdings von der Antragsgegnerin zu vertreten, da sie die Vollstreckungsforderung, obwohl ihr hierzu ab Anfang Oktober 2001 ein angemessener Zeitraum zur Verfügung stand, nicht beglichen und auch keine inhaltlichen Einwendungen erhoben hat. Hiernach muss davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin auch im Falle einer Zustellung des italienischen Urteils bereits vor Antragsstellung die Vollstreckungsforderung nicht bezahlt haben würde, ihr also durch die Kenntniserlangung vom Urteil erst mit der Zustellung der landgerichtlichen Entscheidung und durch die damit verbundenen Kosten ein von ihr nicht zu vertretender Nachteil nicht entstanden ist.
Hiernach konnte der angefochtene Beschluss in seiner ursprünglichen Form Bestand haben und war das Rechtsmittel der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
2. Die Kosten des Rechtsmittelverfahren sind allerdings in rechtsähnlicher Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO der Antragstellerin aufzuerlegen, weil ihr in der Zurückweisung der Beschwerde liegendes Obsiegen allein darauf beruht, dass der Zustellungsnachweis nach Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens nachgeholt worden ist. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt nicht voraus, dass die siegende Partei im vorangegangenen Rechtszug unterlegen war (OLG Hamm NJW 1973, 198; Thomas-Putzo ZPO 22. Aufl. § 97 Rn. 10).