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Zusammenfassung der Entscheidung Der deutsche Schuldner legte Beschwerde gegen den Beschluss des zuständigen deutschen Gerichts ein, mit dem für das Versäumnisurteil eines italienischen Gerichts in Deutschland die Erteilung der Vollstreckungsklausel angeordnet worden war. Die Klageschrift mit Ladung zu dem italienischen Verfahren war dem Schuldner folgendermaßen zugestellt worden: a) durch Anschlag an die Bekanntmachungstafel des italienischen Gerichts, b) durch die Post mittels Einschreiben an den Schuldner, c) durch Übergabe an den Staatsanwalt bei dem italienischen Gericht.
Das OLG Stuttgart (DE) führt aus, dass die Zustellung der Klageschrift nicht den Erfordernissen des EuGVÜ entspricht und dass das italienische Versäumnisurteil daher nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht anerkannt werden darf. Die hier gewählten Zustellungsformen seien in keinem der nach Art. IV des dem Übereinkommen beigefügten Protokolls vom 27.09.1968 für die Zustellung in Betracht kommenden Abkommen vorgesehen. Der Zustellungsmangel werde auch nicht dadurch geheilt, dass der Schuldner gegen das italienische Urteil kein Rechtsmittel eingelegt habe. Zwar werde diese Auffassung im deutschen Schrifttum teilweise vertreten, das Gericht könne sich ihr aber nicht anschließen, da das EuGVÜ eine entsprechende Heilungsvorschrift nicht enthalte.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Mit Beschluß vom 29.12.1976 hat das Landgericht Tübingen aufgrund des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidung in Zivil- und Handelssachen (EG Übk. v. 27.9.1968, BGBl. 1972 II 774) i. V. mit dem Ausführungsgesetz vom 29.7.1972 (BGBl. I 1328) die Erteilung der Vollstreckungsklausel für das von der Antragstellerin gegen den Antragsgegner erwirkte Versäumnisurteil des Zivil- und Strafgerichts Monza (Italien) vom 7. März 1974 angeordnet.
Die gegen diesen Beschluß vom Antragsgegner erhobene Beschwerde ist zulässig (Art. 36, 37 EG Übk., §§ 11 ff AusfG.) und begründet.
Die Vollstreckungsklausel ist zu versagen, weil das den Rechtsstreit einleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist.
Nach dem Zustellungsbericht des Gerichtsvollziehers beim Landgericht Monza wurde die Klagschrift vom 26.6.1972 mit Ladung zum 1.2.1973 von ihm wie folgt zugestellt:
a) durch Anschlag an die Bekanntmachungstafel des Landgerichts Monza am 6.10.1972,
b) durch die Post mit Einschreiben an den Antragsgegner am 4.10.1972,
c) durch Übergabe an den Staatsanwalt beim Landgericht Monza, zu Händen des Sekretärs, am 6.10.1972.
Der Antragsgegner bringt vor, daß ihm eine Klagschrift nicht zugegangen sei. (Eine Übersetzung derselben wurde ihm am 6.12.1976 im Auftrag der Rechtsanwälte Schmid u. Koll. in Reutlingen auf Ersuchen des Gerichtsvollziehers in Reutlingen durch die Post zugestellt.)
Diese Zustellung genügt nicht den Erfordernissen des EGÜbk für die Erteilung einer Vollstreckungsklausel in der Bundesrepublik Deutschland.
Nach Art. 54 Abs. 2 EGÜbk kann das nach Inkrafttreten des Übereinkommens (1.2.1973) ergangene Urteil, das aufgrund einer vorher erhobenen Klage erlassen wurde, nach Maßgabe des Titels III des Übereinkommens (Art. 25 – 49) zur Zwangsvollstreckung zugelassen werden (vorausgesetzt, das erkennende Gericht war international zuständig). Nach Art. 34 Abs. 2 darf der Antrag nur aus einem der in Art. 27 und 28 genannten Gründe abgelehnt werden. In Betracht kommt hier Art. 27 Nr. 2. Danach wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das dieses Verfahren einleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß und nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, daß er sich verteidigen konnte. Maßgebend für die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung ist Art. IV des dem Übereinkommen beigefügten Protokolls vom 27. 9. 1968 (BGBl. 1972 II 808), der besagt, daß gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke, die in einem Vertragsstaat ausgefertigt sind und einer in dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates befindlichen Person zugestellt werden sollen, nach den zwischen den Vertragsstaaten geltenden Übereinkommen oder Vereinbarungen übermittelt werden.
Die im vorliegenden Fall gewählte Art der Zustellung (dazu u. a. Bericht vom 27.9.1968 zum EGÜbk, Bemerkungen zu Art. 20 – abgedruckt bei Zöller ZPO, 11. Aufl., S. 1380 ff, 1404) ist in keinem der in Betracht kommenden Abkommen vorgesehen. Art. 4 Abs. 3 des deutsch-italienischen Abkommens über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 9. März 1936, RGBl. 1937 II 145 (inzwischen nach Art. 55 EGÜbK durch dieses ersetzt) verlangte in Fällen, in denen sich der Beklagte nicht eingelassen hatte, die Zustellung der den Rechtsstreit einleitenden Ladung oder Verfügung auf dem Weg der gegenseitigen Rechtshilfe. Nach Art. 1 ff. des Haager Übereinkommens über den Zivilprozeß vom 1. März 1954 (BGBl. 1958 II 577) werden Zustellungen auf konsularischem Weg vorgenommen. Eine Befugnis zur unmittelbaren Übersendung durch die Post nach Art. 6 Abs. 1 Zi. 1 i. V. mit Abs. 2 des Übereinkommens besteht für Zustellungen in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Sie hat kein Abkommen dieser Art geschlossen und der unmittelbaren Postzustellung widersprochen (vgl. Bericht vom 27.9.1968, Bem. zu Art. 27 EGÜbk, abgedruckt bei Bülow-Böckstiegel, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Nr. 601.1, 67, sowie die Hinweise aaO, Nr. 100.15 mit FN. 48 Nr. 101.8 FN 38).
Der Zustellungsmangel ist nicht dadurch geheilt, daß der Antragsgegner gegen das Urteil kein Rechtsmittel eingelegt hat. Die Antragstellerin kann sich mit ihrer gegenteiligen Auffassung zwar auf Geimer (insbes. NJW 1973, 2138, 2142 und AWD 1976, 139, 148) stützen, dem sich Schumann/Leipold in Stein/Jonas, 19. Aufl., Anm. VII B mit FN 118 sowie Hartmann in Baumbach Lauterbach, 35. Aufl., Anm. 3.) C. zu § 328 ZPO, angeschlossen haben. Der Senat vermag dieser Ansicht jedoch nicht zu folgen. Zwar findet sich in Art. 2 lit. c Ziff. 2 des deutsch-niederländischen Vertrags vom 30.8.1962 (BGBl. 1965 II 26) eine entsprechende Regelung. Daß dem Beklagten eine Ladung nicht zugegangen ist, hindert danach die Anerkennung nicht, wenn der Kläger nachweist, daß der Beklagte gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, obwohl er von ihr Kenntnis erhalten hat.
Dies kann jedoch entgegen der Ansicht von Geimer nicht als Ausdruck eines allgemeinen Rechtssatzes, sondern muß als Ausnahme angesehen werden. Eine vergleichbare Bestimmung findet sich, soweit ersichtlich, sonst in keinem von der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile. Insbesondere hat sie in das EGÜbk. vom 27.9.1968 keinen Eingang gefunden. Dieses hat vielmehr gerade für die Zustellung der Ladung zugunsten des im Ausland befindlichen Beklagten in den Art. 20 Abs. 2 und 27 Zi. 2 in Verbindung mit Art. IV des Protokolls Schutzvorschriften von besonderem Gewicht geschaffen.
Das ergibt sich sowohl aus dem Bericht zum Übereinkommen, als auch aus dem Umstand, daß die Ordnungsmäßigkeit der Klagzustellung zu den Punkten gehört, die im Anerkennungsverfahren nochmals zu überprüfen sind. Dieser Schutz würde weitgehend entwertet, wenn für den Beklagten ein mittelbarer Zwang zur Einlassung begründet würde, falls er vor Rechtskraft in irgendeiner Weise von dem Verfahren Kenntnis erhält.
Es kommt also im konkreten Fall nicht darauf an, ob gegen das bei der Geschäftsstelle des Landgerichts Monza am 28.11.1974 hinterlegte Urteil noch ein Rechtsbehelf gegeben war, als es dem Antragsgegner im Auftrag der jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin auf Ersuchen des Gerichtsvollziehers in Reutlingen am 6.12.1976 in italienischer und am 18.12.1976 in deutscher Fassung zugestellt wurde. Dahinstehen kann auch die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts.