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Zusammenfassung der Entscheidung Die Gläubigerin erwirkte beim Gericht in Brescia (IT) ein "Decreto Ingiuntivo" (Mahnbescheid) über DM 13.078 nebst Zinsen und Kosten gegen die Schuldnerin. Gegen dieses konnte 20 Tage nach Zustellung "opposizione" eingelegt werden. Am 4.6.1982 erfolgte durch den italienischen Gerichtsvollzieher die Übergabe an die Post zur Zustellung, die dann in Deutschland am 7.6.1982 gegen Rückschein vorgenommen wurde. Eine deutsche Übersetzung war dem italienischen Dokument nicht beigefügt. Die Schuldnerin sandte den Bescheid noch am selben Tag mit der Begründung zurück, er sei in Form und Inhalt unverständlich. Am 2.7.1982 erklärte das Gericht in Brescia (IT) den Zahlungsbefehl für vollstreckbar. Der mit der Vollstreckungsklausel versehene Titel wurde der Schuldnerin nicht zugestellt. Die Gläubigerin begehrte die Vollstreckbarerklärung in Deutschland, die Schuldnerin wandte ein, eine wirksame Zustellung sei nicht erfolgt, ferner habe sie gegen den Bescheid "opposizione" eingelegt.
Das OLG Stuttgart (DE) führt aus, dass dem italienischen Titel die deutsche Vollstreckungsklausel nicht erteilt werden kann. Der italienische Mahnbescheid sei als das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt im Sinne von Art. 34 Abs. 2, 27 Nr. 2 EuGVÜ. Die Ordnungsmäßigheit der Zustellung beurteilt sich zwischen Italien und Deutschland nach dem Haager Zustellungsübereinkommen 1965. Art. 10 a) dieses Abkommens gestattet direkte Zustellung durch die Post nur, wenn der Bestimmungsstaat nicht widerspreche; Deutschland habe jedoch widersprochen. Eine Heilung dieses Mangels komme ebenfalls nicht in Betracht, da das Schriftstück keine Übersetzung enthalten habe. Eine Zustellung ohne Übersetzung gestatte das geltende Recht nur bei unförmlicher Zustellung. Die Schuldnerin habe sich zudem auf das Verfahren nicht eingelassen; ihre Erklärung der Mahnbescheid sei unverständlich, sei gerade die Verweigerung einer Einlassung.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Gläubigerin erwirkte am 2.3.1982 beim zuständigen Gericht in Brescia ein „Decreto Ingiuntivo“ über DM 13.078,- nebst Zinsen und Kosten. Gegen diesen „Mahnbescheid“ konnte 20 Tage nach Zustellung „opposizione“ eingelegt werden. Am 4.6.1982 erfolgte durch den italienischen Gerichtsvollzieher die Übergabe an die Post zur Zustellung, die dann in Deutschland am 7.6.1982 gegen Rückschein vorgenommen wurde. Dem italienischen Mahnbescheid war eine deutsche Übersetzung nicht beigefügt. Die Schuldnerin hat den Mahnbescheid an das italienische Gericht per Einschreiben am gleichen Tage zurückgeschickt mit dem Hinweis, er sei in Form und Inhalt unverständlich. Am 2.7.1982 erklärte das Gericht in Brescia den Zahlungsbefehl für vollstreckbar, am 8.7.1982 wurde die italienische Klausel erteilt. Den mit italienischer Vollstreckungsklausel versehenen italienischen Titel stellte die Gläubigerin nicht zu.
Das Landgericht Heilbronn hat durch Beschluß vom 29.7.1982 die Erteilung der deutschen Klausel angeordnet, der vollstreckbare italienische Titel ist mit deutscher Klausel am 6.8.1982 zugestellt worden.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Schuldnerin gegen die Klauselerteilung und erstrebt Schutzmaßnahmen nach Art. 38 EuGVÜ. Sie trägt vor, ohne Übersetzung sei der Mahnbescheid nicht wirksam zugestellt; im übrigen habe sie gegen den italienischen Titel „opposizione“ eingelegt.
Die Gläubigerin beantragt Zurückweisung der Beschwerde. Der Mahnbescheid sei auch ohne Übersetzung wirksam zugestellt; ein Rechtsbehelf sei in Italien nicht eingelegt worden.
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Denn der Antrag auf Erteilung der deutschen Vollstreckungsklausel ist abzulehnen, weil der italienische Mahnbescheid als verfahrenseinleitendes Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt ist (Art. 34 II, 27 Nr. 2 EuGVÜ). Die Frage ordnungsgemäßer Zustellung des Mahnbescheides entscheidet sich nach dem Völkervertragsrecht zwischen Italien und Deutschland und unterliegt richterlicher Prüfung der Gerichte des Vollstreckungsstaates (so für die Rechtzeitigkeit der Zustellung EuGH RIW/AWD 1981, 781, 783; NJW 1982, 1937; generell Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 1982, Art. 27 Rn. 28 ff). Im Juni 1982, als der Mahnbescheid der Schuldnerin zugestellt worden ist, hat im Verhältnis zwischen Deutschland und Italien das Haager Zustellungsübereinkommen 1965 gegolten. Es ist in Deutschland am 26.6.1979 (BGBl II, 779/780) und in Italien am 24.1.1982 (BGBl II, 522) in Kraft getreten. Art. 10a) dieses Abkommens gestattet direkte Zustellung durch die Post nur, wenn der Bestimmungsstaat nicht widerspricht (Text des Abkommens mit Protokollerklärung und AusführungsG bei Baumbach/Hartmann, ZPO, 41. Aufl. 1983, Anh § 202 Bem. 2-4); die Bundesrepublik Deutschland hat widersprochen (Ziff. 4 Protokollerklärung; § 6 AusführungsG). Ordnungsgemäß war nur die Zustellung über die deutsche zentrale Behörde (Art. 3 Abkommen) oder die Zustellung auf konsularischem Wege (Art. 9 Abkommen). Der Gerichtsvollzieher des Landgerichts Brescia hat aber unmittelbar durch die Post zugestellt. Eine Heilung dieser fehlerhaften Zustellung (§ 187 ZPO) kommt nicht in Betracht. Einmal ist es schon fraglich, ob nicht die in einer vertragswidrigen Direktzustellung liegende Souveränitätsverletzung jede Heilung ausschließt (so für deutsche Direktzustellungen ins Ausland BGHZ 58, 177, 179/180). Zum anderen verneinen die deutschen Gerichte ganz überwiegend zu Recht die Heilungsmöglichkeit dann, wenn das zugestellte Schriftstück in fremder Sprache abgefaßt war und keine eindeutigen Anzeichen des Verständnisses beim Adressaten gegeben sind (so zum Rechtszustand vor Geltung des Haager Abkommens) OLG Düsseldorf RIW/AWD 1979, 570, 571 a.E.; OLG Frankfurt MDR 1978, 942; ähnlich letztlich – ohne ausdrückliche Erörterung – OLG Hamm MDR 1979, 680 f.). Eine Zustellung ohne Übersetzung gestattet demnach das geltende Recht nur bei unförmlicher Zustellung durch Vermittlung der Zentralen Behörde oder auf konsularischem Wege (Art. 5 Abs. 2, Art. 9 Abkommen, § 3 AusführungsG); diesen Fall – der hier nicht gegeben ist – behandelt die von der Gläubigerin zitierte Entscheidung nach insoweit gleichem altem Recht (OLG Frankfurt RIW/AWD 1980, 63; gleich BGH NJW 1969, 980).
Die Schuldnerin hat sich auf das Verfahren bis zum Erlaß des Vollstreckungsbescheides nicht eingelassen; ihre bloße Erklärung, der Mahnbescheid sei in Form und Inhalt unverständlich, ist gerade die Verweigerung einer Einlassung, weil sie die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung rügt (s. Kropholler aaO Art. 27 Rn. 18). Im übrigen scheint auch das Landgericht Brescia nicht von einer Einlassung ausgegangen zu sein, weil es ohne weiteres den Vollstreckungsbescheid erlassen hat. Der Senat hat keinen Grund gesehen, wegen eines möglichen italienischen Rechtsbehelfs der Schuldnerin das Verfahren auszusetzen und eine denkbare italienische Entscheidung abzuwarten, die u.U. den Vollstreckungsbescheid nach Gehör der Schuldnerin bestätigt und damit die Frage nach der Vollstreckbarerklärung unter anderen Vorzeichen neu gestellt hätte. Denn für einen solchen Rechtsbehelf der Schuldnerin spricht nichts; die Gläubigerin bestreitet ihn und die Schuldnerin hat trotz langen Zuwartens nichts Konkretes vorgetragen.
Wenn die Gläubigerin in Deutschland vollstrecken will, so muß sie einen neuen Titel erstreiten, der unter Wahrung des rechtlichen Gehörs zustande kommt, wobei vor allem die erneute Klage in Deutschland nahe liegen wird.