Die Klägerin, ein Versicherungsunternehmen, verlangt von der in Österreich ansässigen Beklagten aus übergegangenem Recht Schadensersatz aus einem Transportvertrag.
Die ebenfalls in Österreich ansässige Versicherungsnehmerin der Klägerin beauftragte die Beklagte mit dem Transport von Computerfestplatten von G-E – Österreich – nach T. Die Beklagte übernahm am 20.02.1998 laut Frachtbrief Nr. 864.560.804 in G-E auf zwei Paletten 1.500 Festplatten mit einem Gewicht von 930 kg zu einem deklarierten Warenwert von 199.820,‑ US$(Bl. 88 GA). Die Paletten wurden am 23.02.1998 zunächst in das Lager der F GmbH nach E und sodann am 25.02.1998 nach T gebracht. Die Empfängerin der Waren, die Firma B in T, verweigerte die Annahme der Sendung, da die Verpackung einer Palette beschädigt war. Die Paletten wurden zurück nach E verbracht. Die Beklagte unterrichtete die Versicherungsnehmerin der Klägerin. Diese erteilte die Weisung, die Sendung nach E zurückzubefördern. Am 03.03.1998 übernahm die Beklagte von der Versicherungsnehmerin der Klägerin lt. Frachtbrief Nr. 864.560.616 eine weitere Palette mit 800 Festplatten zu einem deklarierten Wert von 134.752,‑ US$ (Bl. 89 GA) zum Transport von G-E nach T. Am 05.03.1998 beauftragte die Beklagte aufgrund der Weisung der Versicherungsnehmerin der Klägerin die Firma F in E mit dem Rückversand der beiden Paletten laut Frachtbrief Nr. 864.560.804. Die beiden Paletten wurden neu foliert und zusammengefaßt und zusammen mit der zwischenzeitlich in E eingetroffenen Palette lt. Frachtbrief Nr. 864.560.616 zusammengefaßt und mit dem Versandschein Nr. 638.565.405 nach G-E zurückbefördert. Dort traf die Sendung am 11.03.1998 ein. Die Versicherungsnehmerin der Klägerin reklamierte am 11.03.1998 (Bl. 65 der Akten), den Verlust einer Palette mit 500 Festplatten Nr. ST 33232 A aus dem Frachtauftrag vom 20.02.1998 und von 40 Festplatten Nr. ST 34342 A aus dem Frachtauftrag vom 03.03.1998. Die Beklagte entschuldigte sich am 17.03.1998 (Bl. 10 GA) für diesen ihr von der Versicherungsnehmerin der Klägerin mitgeteilten Verlust und zahlte an die Versicherungsnehmerin der Klägerin den nach Art. 23 Nr. 3 CMR festgelegten Höchsthaftungsbetrag von 9.703,80 US$bei einem angenommenen Gewicht von 904 kg. Die Klägerin gibt den Gesamtschaden mit 80.077,60 US$ an und hat an ihre Versicherungsnehmerin 70.373,80 US$ gezahlt. Diesen Betrag macht sie gegen die Beklagte geltend.
Sie hat die deutschen Gerichte für international und das Landgericht Arnsberg für sachlich und örtlich zuständig gehalten. Der Beklagten sei ein grobes Organisationsverschulden vorzuwerfen. Sie habe die Partien vollständig und unbeschädigt übernommen und den Verlust von 540 Festplatten in ihrem Gewahrsam mit Schreiben vom 17.03.1998 anerkannt.
Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 70.373,80 US$ nebst 5 % Zinsen seit dem 17.03.1998 zu zahlen.
Die Beklagte hat die fehlende Zuständigkeit des Landgerichts Arnsberg gerügt und beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, die Versicherungsnehmerin der Klägerin und sie hätten seit Anfang 1994 auf der Grundlage der AÖSp zusammengearbeitet. Nach § 65 b AÖSp sei der Ort ihrer Handelsniederlassung als ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart. Die AÖSp gelte für den gesamten Bereich der österreichischen Wirtschaft als Handelsbrauch. Da nach der Behauptung der Klägerin der Schaden auf dem Rücktransport von E nach W eingetreten sein solle, sei auch nicht T, sondern G-E Ablieferungsort. Sie hat mit Nichtwissen bestritten, daß sich auf den Paletten der Sendung Nr. 864.560.840 1.500 Festplatten und daß sich auf der Palette der Sendung Nr. 864.560.616 800 Festplatten befunden hätten.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen.
Zwar sei trotz des Rücktransports nach Österreich T der vertraglich vorgesehene Ablieferungsort geblieben, allerdings hätten die Vertragsparteien eine anderweitige ausschließliche Zuständigkeit vereinbart. Es gelte § 65 AÖSp. Die AÖSp seien seit Aufnahme der Geschäftsbeziehung der Versicherungsnehmerin der Klägerin mit der Beklagten Vertragsgegenstand gewesen. Damit sei eine wirksame ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung iSd Art. 17 EUGVÜ getroffen worden. Zuständig sei daher das Gericht der Handelsniederlassung der Beklagten in Österreich.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren Zahlungsantrag weiterverfolgt. Das Landgericht Arnsberg sei international, sachlich und örtlich zuständig. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folge aus Art. 31 CMR. Dabei handele es sich um einen ausschließlichen Gerichtsstand (Art. 41 CMR). Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Arnsberg folge aus Art. 1 a CMR. Die AÖSp seien zwischen den Vertragsparteien nicht wirksam vereinbart worden.
Sie beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Arnsberg vom 22.12.1999 die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 70.373,80 US$ nebst 5 % Zinsen seit dem 17.03.1998 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
1. die gegnerische Berufung zurückzuweisen,
2. ihr nachzulassen, die gem. § 711 ZPO zu bestimmende Sicherheitsleistung auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Nach der Annahmeverweigerung sei die ausdrückliche Weisung erteilt worden, die beschädigten Paletten nach G-E zurückzubefördern. Vertraglich vorgesehener Ablieferungsort sei daher nicht T, sondern G-E gewesen.
Die AÖSp seien wirksam vereinbart worden. Nach § 65 b AÖSp sei das Gericht der Handelsniederlassung der Beklagten ausschließlich zuständig. Ein Widerspruch zu Art. 31 CMR bestehe nicht. Zu den in Art. 31 Abs. 1 CMR genannten Gerichten gehörten auch die durch die Vereinbarung der Parteien bestimmten Gerichte.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet.
Das Landgericht Arnsberg ist zuständig. Das Verfahren wird gem. § 538 Nr. 2 ZPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Arnsberg zurückverwiesen.
1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus Art. 31 Abs. 1 b CMR. Österreich und die Bundesrepublik Deutschland sind Signatarstaaten dieses Abkommens. Für Streitigkeiten im internationalen Straßengüterverkehr kann der Kläger nach Art. 31 Abs. 1 b CMR u.a. die Gerichte eines Staates anrufen, auf dessen Gebiet der für die Ablieferung vorgesehene Ort liegt. Das war vorliegend T, so daß die deutschen Gerichte zuständig sind.
2. Dem steht nicht entgegen, daß zwischen den Parteien darüber gestritten wird, ob der behauptete Verlust der Ware auf dem Hin- oder Rücktransport eingetreten ist. Nach dem Wortlaut des Art. 31 Abs. 1 b CMR ist maßgebend der vertraglich vereinbarte Ort der Ablieferung. Zwar verbleibt nach Art. 12 Abs. 1 CMR die Verfügungsbefugnis hinsichtlich des Transportgutes bis zur Ablieferung beim Absender. Dieser kann auch einen anderen Ort der Ablieferung bestimmen. Eine solche Änderung des Ablieferungsortes hat die Versicherungsnehmerin der Klägerin aber unstreitig nicht veranlaßt.
Bei Ablieferungshindernissen nach Ankunft des Transportgutes am Bestimmungsort ist der Frachtführer nach Art. 15 Abs. 1 CMR verpflichtet, Weisungen des Absenders einzuholen. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte vorliegend nachgekommen. Die Absenderin hat allerdings keinen neuen Ablieferungsort mitgeteilt, sondern den Rücktransport der Waren angeordnet. Dadurch wurde kein neuer Frachtvertrag geschlossen, sondern im Rahmen des ursprünglichen Frachtvertrages wurde die Weisung erteilt, das Frachtgut zum Absender zurückzutransportieren. Für diesen Fall verbleibt es bei dem ursprünglich nach dem Vertrag vorgesehenen Ablieferungsort (OLG Karlsruhe TranspR 1996, 203; MK/Basedow HGB Art. 31 CMR Rn. 22 mwN; Thume, Komm. z. Transportrecht Art. 31 CMR Rn. 6). Der befand sich in T und damit in Deutschland.
3. Art. 31 CMR wird vorliegend auch nicht durch Art. 57 EUGVÜ verdrängt.
a) Art. 57 Abs. 1 EUGVÜ bestimmt gerade, daß andere Übereinkommen über besondere Rechtsgebiete unberührt bleiben. Sonderkonventionen haben danach grundsätzlich Vorrang vor den allgemeinen Bestimmungen des EUGVÜ (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht Art. 57 EUGVÜ Rn. 4; Basedow in Hdb. des internationalen Verfahrensrechts I, II Rn. 137; Musielak, ZPO 2. Aufl., Art. 57 EUGVÜ Rn. 2; Schlosser EUGVÜ Art. 57 Rn. 2; MK/Gottwald, ZPO Art. 57 EUGVÜ Rn. 4; Jenard-Bericht v. 06.12.1967 zu Art. 57 EUGVÜ, abgedruckt bei Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze Int. Rechtsverkehr Nr. 601). Klar ist danach, daß die Zuständigkeitsvorschriften des EUGVÜ anwendbar sind, wenn das Spezialübereinkommen keine Zuständigkeitsregelung trifft. Demgegenüber gehen die Zuständigkeitsvorschriften in einem Spezialabkommen vor, wenn alle beteiligten Staaten auch dessen Vertragspartner sind (vgl. Schlosser-Bericht zum EUGVÜ Ziff. 239, abgedruckt bei Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze Int. Rechtsverkehr Nr. 601). Letzteres ist hier, wie bereits ausgeführt wurde, der Fall.
b) Entgegen einer teilweise in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung (OLG Dresden TranspR 1999, 62 = IPrax 2000, 121 = RIW 1999, 968 = VersR 1999, 1258; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 23. Aufl. Art. 57 EUGVÜ Rn. 4) gilt auch dann nichts anderes, falls der Beklagte säumig ist oder – wie vorliegend – sich nicht zur Sache einläßt. Zwar hat das angerufene Gericht auch bei Anwendung des Spezialabkommens gem. Art. 57 Abs. 2 a S. 2 EUGVÜ im Falle der Säumnis oder Nichteinlassung des Beklagten die Regelung des Art. 20 EUGVÜ zu beachten. Nach dieser Bestimmung hat sich das angerufene Gericht von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn der Beklagte sich nicht auf das Verfahren einläßt und die Zuständigkeit nicht aufgrund der Bestimmungen dieses Übereinkommens begründet ist. Nach Sinn und Zweck dieser Regelung darf daraus aber nicht geschlossen werden, daß bei Säumnis oder Nichteinlassung des Beklagten nur noch die allgemeinen Zuständigkeitsbestimmungen der Art. 2 ff. EUGVÜ zu beachten und zuständigkeitsbegründende Vorschriften des Spezialübereinkommens ausgeschlossen sind.
Art. 20 EUGVÜ stellt klar, daß auch im Falle, daß der Beklagte nicht erscheint oder sich nicht zur Sache einläßt, das angerufene Gericht seine internationale Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen hat (Schlosser EUGVÜ Art. 20 Rn. 1; Geimer/Schütze Europäisches Zivilverfahrensrecht Art. 18 Rn. 58, Art. 20 Rn. 2; Kropholler aaO Art. 20 Rn. 1; MK/Gottwald ZPO Art. 20 EUGVÜ Rn. 1). Ein Beklagter braucht danach nicht vor einem unzuständigen ausländischen Gericht nur zu dem Zweck zu erscheinen, um dessen Unzuständigkeit zu rügen. Dadurch wird sichergestellt, daß die Entscheidung auch im Falle der Säumnis des Beklagten durch das zuständige Gericht ergeht (Jenard-Bericht zu Art. 20 EUGVÜ). Art. 20 EUGVÜ ist eine Schutzvorschrift für den Beklagten. Die Verweisungsvorschrift des Art. 57 Abs. 2 Rs. 2 EUGVÜ stellt ausdrücklich klar, daß ein Beklagter unter diesem Schutz auch dann steht, wenn sich die internationale Zuständigkeit aus einem Spezialübereinkommen – wie vorliegend der CMR – ergibt. Die Vertragsparteien des EUGVÜ wollten die Anwendung des Art. 20 EUGVÜ auch bei Geltung des Spezialübereinkommens sicherstellen, die Lösung anderer Konkurrenzfragen demgegenüber der Rechtsprechung bzw. der Lehre überlassen (so Schlosser-Bericht aaO Ziff. 240, 242). Darin erschöpft sich der Sinn und Zweck dieser Verweisungsnorm. Art. 57 Abs. 1 EUGVÜ räumt den für besondere Rechtsgebiete geschlossenen Abkommen den Vorrang vor dem EUGVÜ ein. Der Zweck dieser Ausnahme vom ansonsten bestehenden Vorrang des EUGVÜ besteht darin, die Beachtung der im besonderen Übereinkommen enthaltenen Zuständigkeitsregeln zu gewährleisten, da diese Regeln unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Rechtsgebiete, auf die sie sich beziehen, aufgestellt wurden (EUGH EuZW 1995, 309, 310 = EWIR 1995, 463 = JZ 1995, 616 = TranspR 1996, 190). Diese Rangfolge der spezielleren Zuständigkeit nach dem Sonderabkommen gegenüber der allgemeinen Zuständigkeit nach Art. 2 ff. EUGVÜ gilt auch im Falle der Säumnis oder Nichteinlassung des Beklagten. Es unterliegt gerade nicht seiner Disposition, durch sein Nichterscheinen oder seine Nichteinlassung eine nach einem Sonderabkommen ansonsten begründete Zuständigkeit zu beseitigen. Vielmehr erstreckt sich die nach Art. 20 EUGVÜ gebotene Zuständigkeitsprüfung von Amts wegen auch auf die Zuständigkeitsvorschriften des Spezialübereinkommen, da Art. 57 Abs. 1 EUGVÜ deren Vorrang und damit auch deren Geltung im Rahmen des EUGVÜ bestimmt (Schlosser EUGVÜ Art. 57 Rn. 6; MK/Gottwald Art. 57 EUGVÜ Rn. 5; Haubold IPrax 2000, 91). Die Klage ist daher in diesem Fall nur dann als unzulässig abzuweisen, wenn sich eine Zuständigkeit auch nicht aufgrund eines Spezialübereinkommens ergibt.
Vorliegend ist aufgrund des vertraglich vorgesehenen Ablieferungsortes T die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gem. Art. 31 CMR begründet.
4. Dahingestellt bleiben kann, ob zwischen den Parteien die Geltung der AÖSp vereinbart worden ist und damit gem. § 65 Ziff. b AÖSp der Gerichtsstand auch an der Handelsniederlassung der Beklagten begründet wurde. Art. 31 CMR enthält eine ausschließliche Zuständigkeitsbestimmung, die nicht abdingbar ist (Art. 41 CMR). Danach können die Vertragsparteien zwar die internationale Zuständigkeit weiterer Gerichte vertraglich vereinbaren, nicht aber die in Art. 31 CMR bestimmten Gerichtsstände ausschließen.
5. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit richtet sich ergänzend nach der lex fori. Danach ist das Landgericht Arnsberg gem. Art. 1 a CMR zuständig. Soweit die Beklagte auch insoweit wieder auf die Geltung des § 65 Ziff. b AÖSp verweist, ist eine abweichende Beurteilung nicht gerechtfertigt. § 65 Ziff. b AÖSp begründet einen ausschließlichen Gerichtsstand, der vorliegend mit der Bestimmung des Art. 31 CMR über die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht vereinbar ist. Aus diesem Grunde ist § 65 Ziff. b AÖSp insgesamt nicht anwendbar (Koller, Transportrecht 4. Aufl. Art. 31 Rn. 6).