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Zusammenfassung der Entscheidung Die Klägerin mit Sitz in Deutschland und der in Frankreich ansässige Beklagte sind Viehhändler und stehen seit Jahren in ständiger Geschäftsbeziehung. Mit ihrer Klage vor den deutschen Gerichten verlangt die Klägerin Zahlung des Kaufpreises aus einem Viehkaufvertrag. Wie zwischen den Parteien üblich wurde der Vertrag mündlich geschlossen und sodann durch einen schriftlichen Kaufvertrag bestätigt, der „sogleich als Rechnung“ dienen sollte und der nur von der Klägerin unterzeichnet wurde. Dieser enthielt den Hinweis, dass die Lieferung „zu den umseitig aufgeführten Verkaufsbedingungen“ erfolge; in diesen ist als „Erfüllungsort und Gerichtsstand …für beide Teile G.(DE)“ bestimmt.
Der BGH (DE) führt aus, dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gemäß Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ nicht begründet worden sei. Eine Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. b EuGVÜ in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspreche, die zwischen den Parteien entstanden sind, sei nicht zustandegekommen. Die zwischen den Parteien geltenden Gepflogenheiten seien durch den stets mündlichen, per Handschlag bekräftigten Vertragsschluss geprägt gewesen. Mangels einer tatsächlichen Willenseinigung zwischen den Parteien über den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung sei eine solche nicht zustandegekommen. Der bloße Aufdruck von Gerichtsstandsklauseln auf der Rückseite von Rechnungen bzw. Lieferscheinen könne für die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbeziehungen einschließlich der Gerichtsstandsklausel nicht ausreichen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Klägerin mit Sitz in Deutschland und der in Frankreich ansässige Beklagte sind Viehhändler und standen seit vielen Jahren in ständiger Geschäftsbeziehung.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Zahlung eines restlichen Kaufpreises von 35.530 DM (= 18.166,20 EUR) nebst Zinsen aus dem Viehkaufvertrag vom 8. November 1996. Der schriftliche Kaufvertrag vom 8. November 1996, der „sogleich als Rechnung“ gelten soll und der nur von der Klägerin unterschrieben ist, enthält den Hinweis, daß die Lieferung „zu den umseitig aufgeführten Verkaufsbedingungen“ erfolge; in diesen ist als „Erfüllungsort und Gerichtsstand ... für beide Teile G.“ bestimmt.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Mit ihrer – vom Berufungsgericht zugelassenen Revision – verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Im Termin vom 25. Februar 2004 hat sich der zu Händen seines zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten ordnungsgemäß geladene Beklagte nicht vertreten lassen.
Entscheidungsgründe:
I. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, gemäß Art. 2 Abs. 1 des hier noch anwendbaren EuGVÜ seien Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hätten, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen. Danach wären die deutschen Gerichte für die gegen den in Frankreich ansässigen Beklagten gerichtete Klage international nicht zuständig.
Aus Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ergebe sich keine internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, da der Ort, an dem die kaufvertragliche Zahlungsverpflichtung zu erfüllen sei, der in Frankreich gelegene Sitz des Beklagten sei, nachdem die Klägerin die Auslieferung des gekauften Viehs an den Beklagten übernommen habe und der Kaufpreis nach Übergabe der „Ware“ zu leisten gewesen sei; dies begründe die Zahlungspflicht am Ort der Übergabe, dem Sitz des Beklagten (Art. 57 Abs. 1 lit. b CISG).
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte sei auch nicht durch eine Vereinbarung der Parteien nach Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ begründet worden.
Daß man bei Vertragsschluß keinen Gerichtsstand im Sinne des Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. a EuGVÜ ausdrücklich vereinbart habe, sei zwischen den Parteien nicht umstritten. Die internationale Zuständigkeit des von der Klägerin angerufenen Gerichts sei auch nicht durch eine Gerichtsstandsvereinbarung begründet worden, die in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspreche, die zwischen den Parteien entstanden seien, geschlossen worden wäre (Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. b EuGVÜ). Die zwischen den Parteien geltenden Gepflogenheiten seien in erster Linie durch den stets mündlichen, per Handschlag bekräftigten Vertragsschluß geprägt gewesen. Der bloße Aufdruck auf der Rückseite von Rechnungen bzw. Lieferscheinen habe als solcher zur Einbeziehung einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung nicht ausgereicht. Art. 17 Abs. 1 S. 2 EuGVÜ setze wie in lit. a auch in lit. b eine tatsächliche Willenseinigung voraus, erlaube in lit. b lediglich eine Lockerung der Form dann, wenn das den zwischen den Parteien geltenden Gepflogenheiten entspreche. Auch in diesem Rahmen bleibe der Wille beider Seiten unverzichtbar, eine Gerichtsstandsvereinbarung, sei es auch durch Einbeziehung dahingehender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, zu treffen; unverzichtbar bleibe auch die Erklärung dieses Willens. Daß man aber auch nur ein einziges Mal vereinbart habe, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin mit ihrer Regelung zum Erfüllungsort – zum Gerichtsstand – sollten gelten, sei nicht ersichtlich geworden.
Eine die Zuständigkeit des von der Klägerin angerufenen Gerichts begründende Gerichtsstandsvereinbarung sei schließlich auch nicht kraft Handelsbrauchs (Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. c EuGVÜ) geschlossen worden.
II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand, so daß die Revision der Klägerin zurückzuweisen ist. Dabei war über die Revision trotz Säumnis des Revisionsbeklagten durch kontradiktorisches Urteil zu entscheiden (BGH, Urteil vom 14. Juli 1967 – V ZR 112/64, NJW 1967, 2162 unter I; siehe auch Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 555 Rn. 4).
Zu Recht hat das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte unter Zugrundelegung des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) in der Fassung des 3. Beitrittsübereinkommens vom 26. Mai 1989 (BGBl. II 1994 S. 518), das autonom auszulegen ist (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 6. Aufl., Einl. 45 mwN), verneint. An einer revisionsrechtlichen Prüfung der internationalen Zuständigkeit ist der Senat auch nach Inkrafttreten des Zivilprozeßreformgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) nicht gehindert (BGH, Urteil vom 28. November 2002 – III ZR 102/02, NJW 2003, 426 unter II 1 zum Abdruck in BGHZ 153, 82 ff. bestimmt).
1. Die Revision wendet sich nicht dagegen, daß das Berufungsgericht den besonderen Gerichtsstand gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ verneint, weil im Streitfall die kaufvertragliche Zahlungsverpflichtung an dem in Frankreich gelegenen Wohnsitz des Beklagten zu erfüllen war. Ebensowenig beanstandet die Revision die Feststellung des Berufungsgerichts, daß die Parteien bei Vertragsschluß keine ausdrückliche Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. a EuGVÜ getroffen haben und eine solche sich auch nicht kraft Handelsbrauchs (Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. c EuGVÜ) ergibt. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.
2. Entgegen der Ansicht der Revision ist aber auch eine Vereinbarung, durch welche die internationale Zuständigkeit des von der Klägerin angerufenen Gerichts begründet worden wäre, nicht in einer Form geschlossen worden, „welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind“ (Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. b EuGVÜ).
a) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, setzt auch diese Alternative voraus, daß eine Willensübereinstimmung hinsichtlich der Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt, da Art. 17 EuGVÜ nach wie vor sicherstellen soll, daß eine Willenseinigung der Parteien tatsächlich gegeben ist (vgl. EuGH, NJW 1997, 1431 unter Nr. 17 zur Gerichtsstandsvereinbarung kraft Handelsbrauchs).
Der laufende Abdruck von Gerichtsstandsklauseln auf Rechnungen oder Auftragsbestätigungen genügt daher nicht (Schlosser, EuGVÜ, 1996, Art. 17 Rn. 23; MünchKommZPO-Gottwald, 2. Aufl., Art. 17 EuGVÜ Rn. 36). Eine Einigung ist aber erzielt, wenn ein Vertrag im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien mündlich geschlossen wurde und feststeht, daß diese Beziehungen in ihrer Gesamtheit bestehenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegen, die eine Gerichtsstandsklausel enthalten (Senatsurteil vom 9. März 1994 – VIII ZR 185/92, WM 1994, 1088 = NJW 1994, 2699 unter I 2 [2] b unter Bezugnahme auf EuGH, NJW 1977, 495 zu § 17 EuGVÜ in der Fassung des 1. Beitrittsübereinkommens vom 9. Oktober 1978, BGBl. II 1983 S. 802; Schlosser aaO). Haben die Parteien ihre Geschäftsbeziehungen immer in Übereinstimmung mit diesen Gepflogenheiten abgewickelt, verstieße diejenige Partei gegen Treu und Glauben, die sich auf einmal nicht mehr an die Gepflogenheiten gebunden fühlte (EuGH aaO; Baumbach/ Lauterbach/Albers, ZPO, 61. Aufl., AnerkVollstrAbk § 17 Rn. 9).
b) Im Streitfall haben die Parteien zwar in der Vergangenheit in großem Umfang wechselseitig Viehkaufverträge geschlossen, wobei der Vertragsschluß jeweils mündlich erfolgte und durch Handschlag bekräftigt wurde. Die Verkäufe der Klägerin wurden sodann von dieser durch Übersendung eines schriftlichen Viehkaufvertrages, der zugleich als Rechnung gelten sollte, bestätigt, wobei auf die auf der Rückseite abgedruckten Verkaufsbedingungen, die die Vereinbarung des Gerichtsstands G. enthielten, Bezug genommen wurde. Daß aber die Parteien die Lieferbeziehungen aus den Viehverkäufen der Klägerin deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterstellen wollten und nach diesen abgewickelt haben, hat das Berufungsgericht nicht feststellen können. Hiergegen spricht im übrigen auch die Tatsache, daß die Klägerin die aufgrund des Vertrages vom 8. November 1996 verkauften Tiere an den Beklagten nach Frankreich geliefert hat und nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts dabei die Lieferverpflichtung der Klägerin – abweichend von deren Verkaufsbedingungen – als Bringschuld vereinbart worden war. Demgemäß war auch die Zahlungspflicht am Wohnsitz des Beklagten zu erfüllen (Art. 57 Abs. 1 lit. b CISG), so daß sich eine besondere Zuständigkeit aus Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ zugunsten der Klägerin nicht ergibt.
Der Beklagte verstößt damit nicht gegen Treu und Glauben, wenn er sich trotz vielfacher vorangegangener Übersendung der Vertragsbestätigungen der Klägerin einschließlich deren Verkaufsbedingungen im vorliegenden Fall auf das Fehlen einer Gerichtsstandsvereinbarung beruft.