I. Der Gläubiger will aus einem Urteil des Handelsgerichts A. vom 7. April 1993 gegen den Schuldner in der Bundesrepublik vollstrecken. Dieser hat sich auf das Verfahren vor dem belgischen Gericht nicht eingelassen. Die Ladung zu dem auf den 31. März 1993 bestimmten Termin mit Angabe der wesentlichen Klagegründe – unbezahlte Rechnungen vom 30. September 1992 und 21. Oktober 1992 – (sogenanntes Dagvaarding) wurde ihm mit deutscher Übersetzung am 9. März 1993 durch persönliche Übergabe zugestellt. Zum Termin vom 07.04.1993 wurde er nicht geladen. Rechtsmittel gegen die Entscheidung des belgischen Gerichts hat der Schuldner offenbar nicht eingelegt.
Entsprechend dem Antrag des Gläubigers hat der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bonn mit dem angefochtenen Beschluß angeordnet, daß das Urteil vom 7. April 1993 mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Schuldners, mit der er geltend macht:
Das Urteil vom 7. April 1993 könne aus mehreren Gründen in der Bundesrepublik nicht anerkannt und dürfe deshalb auch nicht vollstreckt werden. Die Zustellung vom 9. März 1993 sei nicht ordnungsgemäß, weil der Zeitraum zwischen dem 9. März 1993 und dem 31. März 1993 zur Wahrung der nach belgischem Recht geltenden Einlassungsfrist nicht ausgereicht habe; diese betrage bei einem ausländischen Beklagten 23 Tage. Außerdem sei ihm das Dagvaarding nicht so rechtzeitig zugestellt worden, daß er sich gegen die Klage hätte verteidigen können. Zu berücksichtigen sei insoweit, daß er die flämische Sprache nicht beherrsche und ihm das belgische Rechtssystem fremd sei. Er habe deshalb, um zu wissen, worum es eigentlich ging, zunächst einen deutschen Anwalt mit internationaler Erfahrung kontaktieren müssen, um über ihn einen belgischen Anwalt zu finden, der die deutsche Sprache beherrschte, so daß er – der Schuldner – mit diesem problemlos die Sache hätte besprechen und die Verteidigung vorbereiten können. Hierfür sei ein Zeitraum von nur wenig mehr als 3 Wochen nicht ausreichend gewesen, weil er sein Unternehmen nur mit zwei Angestellten, die einzig für die rein technische Abwicklung zuständig seien, führe. Dementsprechend sei er arbeitsmäßig außerordentlich stark belastet und sehr häufig unterwegs. Seine Arbeitsbelastung sei insbesondere im hier maßgebenden Zeitraum vor den Osterferien sehr groß gewesen, da in dieser Zeit regelmäßig ein stark erhöhter Arbeitsanfall zu bewältigen sei. Es komme hinzu, daß im März 1993 sein Unternehmen in W. umgezogen sei, was einen zusätzlichen Arbeitsanfall bewirkt habe.
Schließlich macht der Schuldner geltend, er hätte zum Termin vom 7. April 1993 geladen werden müssen. Es sei davon auszugehen, daß im Termin vom 31. März 1993 die Sache auf den 7. April 1993 vertagt worden sei; der 7. April 1993 sei also nicht nur ein Verkündungstermin gewesen. Nach belgischem Zivilprozeßrecht hätte er zum Verhandlungstermin vom 7. April 1993 geladen werden müssen.
Er beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zurückzuweisen.
Der Gläubiger beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er meint, die nach belgischem Recht erforderliche Einlassungsfrist sei gewahrt, weil sie nicht erst nach der Zustellung vom 9. März 1993 zu laufen begonnen habe, sondern schon am 17. Februar 1993. Nach belgischem Recht sei nämlich die am 16. Februar 1993. Nach belgischem Recht sei nämlich die am 16. Februar 1993 erfolgte Zustellung des Dagvaarding durch Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks vom belgischen Gerichtsvollzieher an die Staatsanwaltschaft des Gerichtsbezirks A. zum Zwecke der noch durchzuführenden Auslandszustellung für den Fristbeginn maßgebend. Der Zeitraum zwischen dem 9. März und 31. März 1993 sei für eine Vorbereitung der Verteidigung gegen die Klage ausreichend gewesen. Zum Termin vom 7. April 1993 habe der Schuldner nicht geladen werden müssen, da es sich insoweit nur um einen Verkündungstermin gehandelt habe.
Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II. Die Beschwerde ist nach Art. 36, 37 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ), §§ 11, 12 des Gesetzes zur Ausführungen zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen (AVAG) vom 30. Mai 1988 zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Gemäß Art. 34 Abs. 2 EuGVÜ kann der Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel nur aus einem der in Art. 27, 28 EuGVÜ angeführten Gründe abgelehnt werden. Im Streitfall kommen nur die in Art. 27 Nr. 1, 2 EuGVÜ genannten Versagungsgründe in Frage. Sie liegen nach Ansicht des Senats jedoch nicht vor.
1. Nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das dieses Verfahren einleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht ordnungsgemäß und nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, daß er sich verteidigen konnte.
a) Das das Verfahren einleitende Schriftstück ist dem Schuldner ordnungsgemäß zugestellt worden. Nach dem insoweit maßgebenden belgischen Recht wird der Prozeß durch Zustellung des sogenannten Dagvaarding (Ladung zum Termin mit Angabe der Klagegründe) eingeleitet. Dieses ist das verfahrenseinleitende Schriftstück im Sinne des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ (OLG Hamm NJW-RR 1988, 446; Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht 2. Aufl., Rn. 2927; Linke in Bülow-Böckstiegel, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Art. 27 EuGVÜ, Anm. III 3). Die Frage der ordnungsgemäßen Zustellung ist nach dem Verfahrensrecht des Urteilsstaats – hier: Belgien – einschließlich der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge zu beurteilen (BGH NJW 1993, 598, 600; Gottwald in MüKo-ZPO, Art. 27 EuGVÜ, Rn. 15, 16; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 4. Aufl., Art. 27 EuGVÜ, Rn. 28 und 36; Linke aaO, Anm. III 4 a). Das Dagvaarding ist entsprechend den in Belgien geltenden Vorschriften zugestellt worden. Dort gilt das Zustellungsverfahren der „remise au parquet“. Danach werden Auslandszustellungen als im Inland erfolgt fingiert, wenn das zuzustellende Schriftstück vom Zustellungsorgan an die für dessen Weiterleitung ins Ausland zuständige Stelle übergeben wird (vgl. OLG Köln, NJW-RR 1990, 127, 128; Kropholler aaO Art. 20 Rn. 6 und Art. 27 Rn. 29; Geimer aaO, Rn. 2926). Das ist ausweislich der vorgelegten Urkunde hier am 16. Februar 1993 geschehen durch Aushändigung des Dagvaarding seitens des belgischen Gerichtsvollziehers an die für dessen Weiterleitung in die Bundesrepublik zuständige Staatsanwaltschaft des erstinstanzlichen Gerichts in Antwerpen. Genügt ist ferner den Anforderungen des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 15. November 1965. Das Dagvaarding ist mit der erforderlichen (§ 3 des Ausführungsgesetzes vom 22. Dezember 1977) Übersetzung ins Deutsche dem Schuldner am 9. März 1993 durch persönliche Übergabe zugestellt worden. Hierüber verhält sich das Zustellungszeugnis des zuständigen (§ 4 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes) Amtsgerichts W. vom 11. März 1993. Der Schuldner meint, die Zustellung sei deshalb nicht ordnungsgemäß, weil nach belgischem Zivilprozeßrecht die Einlassungsfrist nicht schon mit der fiktiven Zustellung vom 16. Februar 1993 zu laufen begonnen habe, sondern erst mit der tatsächlichen Zustellung an ihn am 9. März 1993. Die Dauer der Einlassungsfrist nach belgischem Recht kann ebenso unentschieden bleiben wie die Frage, ob sie schon am 16. Februar 1993 oder erst am 9. März 1993 in Lauf gesetzt worden ist. Nach Ansicht des Senats ist unter ordnungsgemäßer Zustellung im Sinne des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nämlich nur die Ordnungsmäßigkeit des Zustellungsakts zu verstehen, die hier, wie ausgeführt, zu bejahen ist und vom Schuldner auch nicht in Abrede gestellt wird. Auf die Frage, ob die ordnungsgemäße Zustellung so rechtzeitig erfolgte, daß die ausländische Einlassungsfrist gewahrt ist, kommt es nicht an. Den insoweit erforderlichen Schutz des Schuldners gewährleistet die zweite Alternative des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, wonach das das Verfahren einleitende Schriftstück so rechtzeitig zugestellt worden sein muß, daß sich der Schuldner verteidigen konnte. Weder nach dem Wortlaut noch dem Sinn des in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ 1. Alternative verwendeten Begriffs der ordnungsgemäßen Zustellung ist es geboten, dem Schuldner bezüglich der Frage, der rechtzeitigen Zustellung einen doppelten Schutz zu gewähren – durch Prüfung zum einen der ausländischen Einlassungsfrist, zum anderen der Frage, ob so rechtzeitig zugestellt worden ist, daß er sich verteidigen konnte. Der Senat verkennt nicht, daß Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ zwei selbständige Versagungsgründe beinhaltet mit der Folge, daß das ausländische Urteil auch dann nicht anerkannt werden kann, wenn zwar das das Verfahren einleitende Schriftstück dem Schuldner so rechtzeitig übergeben worden ist, daß er sich verteidigen konnte, die Zustellung aber nicht ordnungsgemäß war – es sei denn, der Zustellungsmangel ist durch das insoweit maßgebende ausländische Recht geheilt. Das nötigt indes nicht dazu, bei Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung außer der Ordnungsmäßigkeit des Zustellungsakts auch die Frage zu prüfen, ob zwischen der Zustellung und dem Termin ein der ausländischen Einlassungsfrist entsprechender Zeitraum lag. Die Terminologie des § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO (kein Versäumnisurteil, wenn die nicht erschienene Partei nicht ordnungsmäßig, „insbesondere“ nicht rechtzeitig geladen war) ist für die Auslegung des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ bedeutungslos, weil die ZPO nicht nebeneinander eine ordnungsgemäße Zustellung und einen für die Verteidigung ausreichenden Zeitraum als Voraussetzungen eines Versäumnisurteils statuiert. Bei solcher Rechtslage drängt es sich naturgemäß auf, die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung auch auf die Frage der Wahrung der maßgebenden Fristen zu erstrecken.
Das Verständnis der ordnungsgemäßen Zustellung nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ im Sinne eines ordnungsgemäßen Zustellungsakts trägt auch dem Sinn und Zweck von Art. 34 Abs. 3 EuGVÜ Rechnung. Nach dieser Vorschrift darf die ausländische Entscheidung keinesfalls auf ihre Gesetzmäßigkeit nachgeprüft werden. Dies betrifft nicht nur die Frage des materiellen Rechts, sondern auch die des Verfahrensrechts. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, 1. Alternative macht hiervon eine Ausnahme. Der Richter des Vollstreckungsstaats muß nach Maßgabe des ausländischen Rechts die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung prüfen. Es besteht aber kein nachvollziehbarer Grund, diese Ausnahme weit auszulegen, nämlich in dem Sinn, daß auch die Wahrung der ausländischen Einlassungsfrist geprüft wird, obwohl der Schuldner durch die 2. Alternative des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ bezüglich des ihm zur Verteidigung zuzubilligenden Zeitraums ausreichend geschützt wird.
b) Dem Schuldner ist das Dagvaarding so rechtzeitig zugestellt worden, daß er sich verteidigen konnte. Maßgebend ist insoweit der Zeitraum zwischen der tatsächlichen Zustellung am 9. März 1993 und dem Tag des Termins 31. März 1993. Der Richter des Vollstreckungsstaats muß die Rechtzeitigkeit der Zustellung in eigener Zuständigkeit und Verantwortlichkeit ohne Bindung an die Feststellungen des ausländischen Gerichts beurteilen (BGH NJW 1986, 2197; OLG Köln, NJW-RR 1990, 127, 128; Linke aaO, Anm. III 4 b; Kropholler aaO, Art. 27 Rn. 31; Geimer aaO, Rn. 2930). Auf die Einhaltung des ausländischen Verfahrensrechts kommt es nicht an (Linke aaO; MüKo-Gottwald aaO, Rn. 22; Kropholler aaO, Rn. 32). Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Zustellung hat das Gericht des Vollstreckungsstaates lediglich den Zeitraum zu berücksichtigen, über den der Schuldner verfügte, um den Erlaß einer vollstreckbaren Versäumnisentscheidung zu verhindern (BGH NJW 1986, 2197; 1991, 641). Es ist ein wesentliches Indiz für die fehlende Rechtzeitigkeit, wenn die im Vollstreckungsstaat geltende Einlassungsfrist nicht gewahrt ist (BGH NJW 1986, 2197; MüKo-Gottwald aaO, Rn. 22).
Der Senat hält den Zeitraum vom 9. bis zum 31. März 1993 für ausreichend. Die für Inlandsprozesse maßgebende Einlassungsfrist von 2 Wochen (§ 274 Abs. 3 Satz 1 ZPO) ist eingehalten. Die genannte Vorschrift geht ersichtlich davon aus, daß sich der inländische Beklagte innerhalb von 2 Wochen so verteidigen kann, daß ein Versäumnisurteil gegen ihn verhindert wird. Der Normalfall ist hier zugrunde zu legen. Nach dem Inhalt des Dagvaarding wurde der Schuldner wegen zwei unbezahlter Rechnungen in Anspruch genommen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß etwaige Einwendungen des Schuldners derart waren, daß er sie, wäre er in der Bundesrepublik verklagt worden, nicht innerhalb von zwei Wochen hätte vortragen können. Für die im Ausland zuzustellende Klage schreibt die ZPO keine bestimmte Einlassungsfrist vor. Diese ist gemäß § 274 Abs. 3 Satz 3 ZPO vom Vorsitzenden bei der Festsetzung des Termins zu bestimmen. Es versteht sich von selbst, daß sie zumindest im Regelfall nicht auf weniger als zwei Wochen bemessen werden darf. Dem Schuldner verblieben nach der Zustellung vom 9. März 1993 gut drei Wochen. Dies war ausreichend, denn gegenüber einem Inlandsprozeß benötigte er einen über die deutsche Einlassungsfrist hinausgehenden Zeitraum praktisch nur deshalb, weil er einen die deutsche Sprache beherrschenden, beim Gericht in Antwerpen zugelassenen Rechtsanwalt finden mußte. Dies war innerhalb einer Woche ohne weiteres zu bewerkstelligen. Der Prozeß wurde nicht an einem vom Wohnsitz des Schuldners weit entfernten Ort geführt. Die Entfernung zwischen W. und Antwerpen ist geringer als die zwischen W. und vielen Städten in der Bundesrepublik. Die fehlende Kenntnis des Schuldners vom belgischen Rechtssystem ist ohne wesentliche Bedeutung. Sie nötigte nur dazu, sich durch einen belgischen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Im übrigen gibt es viele deutsche Staatsbürger, die auch mit dem deutschen Gerichtsverfahren nicht vertraut sind. Die zweiwöchige Einlassungsfrist gemäß § 274 Abs. 3 Satz 1 ZPO gilt auch diesen gegenüber. Die mangelnde Kenntnis des belgischen Rechts setzte den Schuldner auch nicht außerstande, den Inhalt des ihm mit deutscher Übersetzung zugestellten Dagvaarding zu verstehen. Ungeachtet vieler Unterschiede gegenüber der Zustellung einer deutschen Klageschrift ergab sich aus ihm auch für den juristischen Laien eindeutig, daß der Schuldner wegen zweier unbezahlter Rechnungen in Anspruch genommen wurde und deshalb, wenn er keine Einwendungen erhob, zur Zahlung bestimmter Beträge verurteilt werden sollte. Die vom OLG Hamm im Beschluß vom 3. August 1987 (NJW-RR 1988, 446 f.) erhobenen Bedenken gegen die Verständlichkeit des Dagvaarding teilt der Senat bezüglich des hier zugestellten Dagvaarding nicht. Im übrigen hat das OLG Hamm den damals zur Debatte stehenden Zeitraum von zwanzig Tagen zwischen Zustellung und Termin ersichtlich deshalb nicht für ausreichend gehalten, weil keine Übersetzung des Dagvaarding ins Deutsche zugestellt worden war. Das ist im Streitfall anders. Die vom Schuldner hervorgehobene Arbeitsbelastung, die ihn seinerzeit daran gehindert haben soll, sich zu verteidigen, rechtfertigt nicht die Anwendung des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, 2. Alternative. Die Verteidigung gegen die Klage, sofern der Schuldner überhaupt Einwendungen hatte, war vordringlich. Notfalls hätten andere Arbeiten zurückgestellt werden müssen. Der Umzug innerhalb desselben Orts (W.) mag unaufschiebbar gewesen sein. Es ist aber weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen, daß der Umzug für den Schuldner eine derartige Belastung darstellte, daß er gehindert war, seine offenkundig dringliche Verteidigung vor dem belgischen Gericht zwecks Vermeidung eines Versäumnisurteils zu besorgen. Feiertage fielen in den Zeitraum vom 9. bis 31. März 1993 nicht. Ostern lag im Jahre 1993 am 11./12. April.
c) Soweit der Schuldner bemängelt, daß er nicht zum Termin vom 7. April 1993 geladen worden ist, spielt das im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ keine Rolle. Die eventuell erforderliche Ladung – falls der 7. April 1993 nicht nur zur Verkündung des Urteils aufgrund der (einseitigen) Verhandlung vom 31. März 1993 diente – war nicht das das Verfahren einleitende Schriftstück im Sinne des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ. Ist das gerichtliche Verfahren im Sinne dieser Vorschrift ordnungsgemäß eingeleitet, so können spätere Verfahrensfehler die Anerkennung des ausländischen Urteils im Vollstreckungsstaat nur nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ verhindern.
2. Auch dessen Voraussetzungen liegen indes nicht vor. Nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Staates, in dem sie geltend gemacht wird, widersprechen würde. Dieser Vorbehalt des ordre public greift nur in Ausnahmefällen ein. Für etwaige Verfahrensverstöße – nur solche stehen hier in Rede; der Schuldner macht selbst nicht geltend, daß das Urteil vom 7. April 1993 inhaltlich der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik widerspricht – gilt:
Die Vollstreckbarerklärung kann nicht schon deshalb versagt werden, weil die ausländische Entscheidung in einem Verfahren erlassen worden ist, das von zwingenden Vorschriften des deutschen Prozeßrechts abweicht. Ein Versagungsgrund ist vielmehr nur dann gegeben, wenn das Urteil des ausländischen Gerichts aufgrund eines Verfahrens ergangen ist, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße abweicht, daß es nicht als in einem geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann. Es muß sich also um einen fundamentalen Verfahrensverstoß handeln (BGH FamRZ 1990, 868, 869; NJW 1978, 1114, 1115; Linke aaO, Anm. II 3). Speziell zum Grundsatz des rechtlichen Gehörs, den der Schuldner hier für verletzt hält, hat der Bundesgerichtshof ausgeführt: Im Rahmen des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ könne der Grundsatz rechtlichen Gehörs nur unter Berücksichtigung des Systems und der Struktur des ausländischen Verfahrensrechts gewährleistet werden. Abzustellen sei dabei lediglich auf die Grundwerte, die Art. 103 Abs. 1 GG schütze. Dies sei zum einen das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, das grundsätzlich verbiete, eine Entscheidung zu treffen, bevor der Betroffene Gelegenheit habe, sich zu äußern. Zum anderen könne eine relevante Verletzung vorliegen, wenn einem Verfahrensbeteiligten nicht die Rolle eines Verfahrenssubjekts eingeräumt worden sei, das aktiv die Gestaltung des Verfahrens beeinflussen könne (FamRZ 1990, 868, 869; NJW 1978, 1114, 1115; siehe auch MüKo-Gottwald aaO, Rn. 9). Die Anerkennungsfähigkeit nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ setzt nicht voraus, daß das ausländische Gericht die für sein Verfahren maßgebenden Vorschriften in vollem Umfang beachtet hat. Das gilt schon deshalb, weil nach Art. 34 Abs. 3 EuGVÜ die ausländische Entscheidung „keinesfalls auf ihre Gesetzmäßigkeit nachgeprüft werden“ darf. Die – angebliche – Nichteinhaltung der belgischen Einlassungsfrist und die unterlassene Ladung zum Termin vom 7. April 1993 rechtfertigen daher für sich genommen nicht die Anwendung des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ. Entscheidend ist vielmehr, ob das ausländische Urteil an einem solch fundamentalen Verfahrensverstoß leidet, daß es nicht mehr als in einem rechtsstaatlichen Verfahren zustande gekommen bewertet werden kann. Davon kann hier keine Rede sein: Die – angebliche – Nichteinhaltung der Einlassungsfrist nach belgischem Recht kann schon deshalb nicht als ein der Anerkennung entgegenstehender fundamentaler Verfahrensverstoß gewertet werden, weil das Dagvaarding dem Schuldner, wie oben unter 1 b ausgeführt, so rechtzeitig zugestellt worden ist, daß er sich verteidigen konnte. Ob der Schuldner zum Termin vom 7. April 1993 hätte geladen werden müssen, kann dahinstehen. Ein fundamentaler Verfahrensverstoß liegt jedenfalls nicht vor. Der Schuldner geht selbst davon aus, daß im Termin vom 31. März 1993 die Sache auf den 7. April 1993 vertagt worden ist, daß also im ersten Termin der zweite anberaumt worden ist. Daß in einem solchen Fall eine Ladung zum zweiten Termin entbehrlich ist, entspricht im Grundsatz dem deutschen Recht. Nach § 218 ZPO ist zu Terminen, die in verkündeten Entscheidungen bestimmt sind, eine Ladung der Parteien nicht erforderlich. Hiervon machen für das Versäumnisverfahren §§ 335 Abs. 2, 337 Satz 2 ZPO Ausnahmen. Es kann aber keine Rede davon sein, daß die letztgenannten Vorschriften von solch fundamentaler Bedeutung sind, daß ein ohne ihre Beachtung erlassenes Versäumnisurteil als mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar qualifiziert werden müßte. Der Beklagte, der zum 1. Termin so rechtzeitig geladen worden ist, daß er sich verteidigen konnte, muß damit rechnen, daß seine Untätigkeit und sein Nichterscheinen im Termin so verstanden werden, daß er sich am Prozeß nicht beteiligen wolle und deshalb Ladungen zu späteren Terminen überflüssig erscheinen. Erst recht gilt das für die Ladung ausländischer Prozeßbeteiligter, die häufig umständlich und zeitaufwendig ist. Auch die ZPO hat dies in gewisser Weise berücksichtigt. Gemäß § 174 Abs. 2 ZPO hat die Partei, die nicht im Inland wohnt, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Geschieht dies nicht, so können alle späteren Zustellungen bis zur nachträglichen Benennung in der Art bewirkt werden, daß der Gerichtsvollzieher das zu übergebende Schriftstück unter der Adresse der Partei nach ihrem Wohnort zur Post gibt. Die Zustellung wird mit der Aufgabe zur Post als bewirkt angesehen, selbst wenn die Sendung als unbestellbar zurückkommt (§ 175 Abs. 1 Satz 2, 3 ZPO). Es liegt auf der Hand, daß eine Zustellung dieser Art keine Gewähr dafür bietet, daß das zuzustellende Schriftstück die Partei tatsächlich erreicht. Der deutsche Gesetzgeber hat dies bewußt in Kauf genommen. Der Partei, die trotz rechtzeitiger Ladung zum ersten Termin nicht erscheint, wird auch nicht das rechtliche Gehör abgeschnitten, wenn sie zu späteren Terminen nicht geladen wird. Sie hat mit der ersten Ladung Gelegenheit erhalten, sich aktiv am Prozeß zu beteiligen, diese Gelegenheit aber nicht wahrgenommen. Ändert sie später ihre Einstellung, so ist es ihr zuzumuten, sich von sich aus in den Prozeß einzuschalten. Ferner scheidet die Anwendung des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ auch deshalb aus, weil es dem Schuldner möglich war, die nach seiner Ansicht verfahrensfehlerhafte Entscheidung des belgischen Gerichts mit einem Rechtsmittel anzugreifen. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach der Nichtgebrauch eines Rechtsmittels es nicht rechtfertigt, das auf einem Verfahrensfehler beruhende Urteil anzuerkennen (RIW 1993, 65 f.; siehe ferner BGH NJW 1993, 598, 600 mwN), betrifft Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ und nicht den hier einschlägigen Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ. Auf die letztgenannte Vorschrift kann diese Rechtsprechung nicht übertragen werden. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ betrifft die ordnungsgemäße Einleitung des Verfahrens. In Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ geht es dagegen darum, ob die Anerkennung des ausländischen Urteils der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaates widersprechen würde. Der Richter des Vollstreckungsstaats hat nicht das ausländische Urteil als solches nebst dem ihm zugrunde liegenden Verfahren zu beurteilen, erst recht nicht den ordre public des Urteilsstaats, sondern nur, ob die Anerkennung des Urteils im Vollstreckungsstaat dessen öffentlicher Ordnung widersprechen würde (vgl. Jenard-Bericht zum EuGVÜ Art. 27, ordre public, abgedruckt in Bülow-Böckstiegel aaO Nr. 601 Seite 66, 67). Maßgebender Beurteilungszeitpunkt ist deshalb die Prüfung der Anerkennungsfähigkeit durch den Richter des Vollstreckungsstaats (Linke aaO Anm. II 1). Unter diesen Umständen ist es folgerichtig, im Rahmen des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ auch zu berücksichtigen, daß der Schuldner einen – angeblichen – Verfahrensfehler im Rechtsmittelweg geltend machen konnte (ebenso BGH FamRZ 1990, 868, 869 unten/870 oben; MüKo-Gottwald, ZPO, § 328 Rn. 89).
3. Der Senat läßt die Rechtsbeschwerde zu, weil nach seiner Ansicht die Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist, ob mit ordnungsgemäßer Zustellung im Sinne des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nur, wie vom Senat angenommen, die Ordnungsmäßigkeit des Zustellungsakts gemeint ist, oder ob darüber hinaus die Wahrung der ausländischen Einlassungsfrist geprüft werden muß. Eine Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde, sofern die überhaupt möglich sein sollte, soll hiermit nicht ausgesprochen sein.