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Zusammenfassung der Entscheidung Die luxemburgische Antragstellerin erwirkte gegen den deutschen Antragsgegner ein Versäumnisurteil des Bezirksgerichts zu Luxemburg (LU) vom 21.04.1986 (Montag), in dem letzterer zur Zahlung einer Geldsumme verurteilt wurde. Das das Verfahren einleitende Schriftstück sollte dem Antragsgegner in dessen Luxemburger Wohnung am 18.04.1986 (Freitag) durch einen Gerichtsvollzieher zugestellt werden. Dort traf der Gerichtsvollzieher den Antragsgegner jedoch nicht an, so dass er es zur Gemeindeverwaltung brachte, die es aufbewahrte. Eine Mitteilung an den Antragsgegner, dass ein Schriftstück für ihn dort hinterlegt wurde, erfolgte nicht. Der Antragsgegner war folglich bei der Gerichtsverhandlung nicht anwesend. Die Antragstellerin beantragte beim Landgericht Koblenz (DE), die Entscheidung mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen.
Das OLG Koblenz (DE) ist der Auffassung, dass es dahinstehen könne, ob die Zustellung ordnungsgemäß war, jedenfalls sei sie nicht rechtzeitig erfolgt. Selbst wenn der Antragsgegner noch am Zustellungstag Kenntnis von dem Schriftstück erlangt hätte, stünde ihm lediglich das Wochenende zur Verfügung, um sich auf das Verfahren vorzubereiten, so dass dem Rechtzeitigkeitserfordernis von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht genüge getan sei. Ferner sei davon auszugehen, dass die Zustellung auch nicht ordnungsgemäß gewesen sei, da dem Antragsgegner nicht einmal eine Mitteilung überbracht wurde, in der er auf die Ersatzzustellung an die Gemeindeverwaltung hingewiesen worden sei.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß Art. 36, 37 des EWG-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – auf Grund Art. 34 Abs. 2 des am 1. November 1986 (BGBl. 1986 II, S. 1020) in Kraft getretenen Beitrittsübereinkommens vom 9. Oktober 1978 (BGBl. 1978 II, S. 802 ff) in der Fassung vom 27. September 1968 (BGBl. 1972 II, S. 773) – und § 12 des Ausführungsgesetzes vom 29. Juli 1972 (BGBl. 1972 I, S. 1328, 1973 I, 26) zulässig.
Der Zulässigkeit steht auch nicht entgegen, daß die Beschwerde entgegen Art. 37 EGÜbk nicht beim Oberlandesgericht, sondern beim Landgericht Trier eingelegt wurde. Denn nach § 12 des AG EGÜbk wird die Zulässigkeit der Beschwerde nicht dadurch berührt, daß sie statt beim Oberlandesgericht bei dem Landgericht eingelegt wird, das die Zwangsvollstreckung zugelassen hat.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Nach Art. 34 Abs. 2 EGÜbk kann der Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zu der in einem anderen Vertragsstaat ergangenen vollstreckbaren Entscheidung nur aus einem der in den Art. 27 und 28 angeführten Gründe abgelehnt werden. Dieser Wortlaut ist nicht dahin zu deuten, daß die Ablehnung ggfs. im Ermessen des Gerichts läge. Vielmehr ist die Zulassung der Vollstreckung beim Bestehen eines der Gründe ebenso zwingend ausgeschlossen, wie die Anerkennung der ausländischen Entscheidung (vgl. Müller in Büllow/Bockstiegel, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Erläuterung II zu Art. 34 Gliederungs-Nr. 606, 244).
In Art. 27 Nr. 2 des EGÜbk ist bestimmt, daß eine Entscheidung dann nicht anerkannt wird, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das dieses Verfahren einleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß und nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, daß er sich verteidigen konnte.
Die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung dieses Schriftstücks und die eine Verteidigung ermöglichende Rechtzeitigkeit der Zustellung hat der Antragsteller zu beweisen.
Er hat nicht bewiesen, daß dieses Schriftstück so rechtzeitig zugestellt worden ist, daß sich der Antragsgegner verteidigen konnte.
Bei dem verfahrenseinleitenden Schriftstück, durch dessen Zustellung der Antragsgegner erstmalig von dem der Entscheidung zugrundeliegenden Verfahren Kenntnis erlangen sollte, handelt es sich um eine mit der Antragsschrift verbundene Ladung zur mündlichen Verhandlung über die Rechtmäßigkeit einer einstweiligen Verfügung. In diesem Schriftstück mit Datum vom 18. April 1986 (einem Freitag) wird der Antragsgegner aufgefordert, zu der für Montag, dem 21. April 1986 vor dem Präsidenten des Bezirksgerichts von und zu Luxemburg anberaumten mündlichen Verhandlung im Justizpalast in Luxemburg zu erscheinen.
Aus der Zustellungsurkunde des Gerichtsvollziehers P. K. vom 18. April 1986 geht hervor, daß dieser dem Antragsgegner die Ladung in dessen Luxemburger Wohnung übergeben wollte, der Antragsgegner jedoch nicht anwesend war. Nachdem sowohl eine Nachbarin als auch der Hausverwalter die Annahme des Schriftstücks verweigert hatte, brachte es der Gerichtsvollzieher zur Gemeindeverwaltung, wo es von einem Schöffen eingesehen wurde.
Der Antragsgegner war bei der Gerichtsverhandlung vom 21. April 1986 nicht anwesend.
Der Antragsteller hat keine Angaben dazu gemacht, ob der Antragsgegner nach Niederlegung der Ladung und der Antragsschrift beim Bürgermeister von dort aus Nachricht vom Verhandlungstermin erhalten hat.
Der Antragsgegner hat angegeben, von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren erst mit der am 21./22. September 1986 erfolgten Zustellung des Beschlusses des Landgerichts Trier vom 12. August 1986 Kenntnis erhalten zu haben.
Danach ist aber eine Zulassung der Zwangsvollstreckung ausgeschlossen.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Zustellung ordnungsgemäß erfolgt ist, da die Zulassung auch dann zu versagen ist, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Beklagten nicht auch so rechtzeitig zugestellt worden ist, daß er sich verteidigen konnte (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, Kommentar zum EGÜbk, Art. 27 Rdnr. 21, 22 m.w.N.).
Das Erfordernis rechtzeitiger Zustellung soll dem Beklagten eine angemessene Frist zwischen dem Zugang und dem Zeitpunkt gewähren, bis zu dem er sich auf das Verfahren eingelassen haben muß, um den Erlaß eines Versäumnisurteils zu verhindern. Ob die Zustellung in diesem Sinne rechtzeitig war, hängt allein von den tatsächlichen Umständen des konkreten Falles und ihrer Beurteilung durch den Zweitrichter ab. Es kommt weder darauf an, wann nach dem Recht des Erststaates die Zustellung als bewirkt anzusehen war, ab wann. also die erststaatliche Ladungs- oder Einlassungsfrist lief, noch wie lang diese nach erststaatlichem Verfahrensrecht zu bemessen war und ob sie eingehalten worden ist.
Aber auch das zweitstaatliche Fristenrecht ist nicht maßgebend. Ebensowenig wie beim Merkmal der Ordnungsmäßigkeit ist der Zweitrichter bei der Kontrolle der Rechtzeitigkeit an einschlägige Feststellungen des Erstrichters gebunden. Grundsätzlich kommt jeder Umstand in Betracht, der für die Beantwortung der Frage, ob der Beklagte sich verteidigen konnte, relevant ist, mag er sich auch erst im Nachhinein nach der Einleitung des Zustellungsverfahrens ergeben haben (vgl. EUGH IPRax 1985, 25; IPRax EUGH RIW 1985, 967; BGH WM 1986, 539 = NJW 1986, 2197 = RIW 1986, 302; Linke in RIW 1986, 409 ff.).
Im vorliegenden Fall bot die Zustellung dem Antragsgegner keine Chance der Verteidigung.
Abgesehen davon, daß zwischen Zustellung und Terminstag nur ein Wochenende lag, was bereits infolge der Kürze der Zeit die Verteidigungsmöglichkeit zumindest deutlich einschränkte, hatte jedenfalls der Antragsgegner nicht einmal Gelegenheit zur Verteidigung. Auf Grund der hier gegebenen Umstände ist davon auszugehen, daß er vom Verhandlungstermin keine Kenntnis hatte. Es erfolgte zwar eine Ersatzzustellung. Hierüber wurde jedoch nicht etwa eine schriftliche Benachrichtigung im Briefkasten oder am Eingang der Wohnung des Antragsgegners hinterlassen, was ihm die Möglichkeit der Kenntnisnahme eröffnet hätte. Kenntnis vom Termin hätte er über die Ersatzzustellung demnach nur dann erlangen können, wenn die Gemeindeverwaltung ihm eine Mitteilung von der Ersatzzustellung gemacht hätte.
Dies ist nach der Darstellung des Antragsgegners aber nicht geschehen. Der Antragsteller hat zu der Frage, ob der Antragsgegner über die Ersatzzustellung informiert wurde, keine Angaben gemacht.
Danach hat er aber nicht bewiesen, daß eine Zustellung erfolgt ist, die den Antragsgegner in die Lage versetzte, sich verteidigen zu können.
Daher war der angefochtene Beschluß aufzuheben und der auf seinen Erlaß gerichtete Antrag zurückzuweisen.