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Zusammenfassung der Entscheidung Die belgische Antragstellerin erwirkte gegen die deutsche Antragsgegnerin ein Versäumnisurteil des Handelsgerichts Oudenaarde (BE) vom 20.08.1985. Die Klageschrift wurde dergestalt zugestellt, dass der Gerichtsvollzieher des belgischen Gerichts dem Staatsanwalt die Urkunden aushändigte mit der Bitte, sie zur Zustellung an die zuständigen Behörden in der BRD zu schicken. Das Empfangsbekenntnis der gesetzlichen Vertreterin der Antragsgegnerin wies aus, dass ihr das vom Gericht zugestellte Schriftstück am 20.08.1985 tatsächlich übergeben wurde. Die Antragstellerin beantragte, das Urteil mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen. Hiergegen wandte sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde.
Das OLG Düsseldorf (DE) führt aus, dass die Zustellung nicht rechtzeitig ist. Ob sie zudem nicht ordnungsgemäß gewesen sei, bedürfe deswegen nicht der Entscheidung des Gerichts. Der gesetzlichen Vertreterin der Antragsgegnerin sei das Schriftstück am gleichen Tag zugestellt worden, an dem das Verfahren vor dem belgischen Gericht statt fand. Eine Rechtzeitigkeit sei folglich in jedem Fall abzulehnen, da die Antragsgegnerin rein tatsächlich keine Möglichkeit gehabt habe, sich zu verteidigen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Durch Versäumnisurteil des Handelsgerichts von Oudenaarde, Belgien, vom 20. August 1985 Nr. 1458 AR Nr. 19.863 Tabellennummer 868, ist die Antragsgegnerin unter der Anschrift ..., Krefeld, verurteilt worden, an die Antragstellerin 36.810,12 DM zuzüglich 1,25 % Zinsen monatlich, DM 6.907,69 zuzüglich gerichtlicher Zinsen, DM 5.521,52 zuzüglich gerichtlicher Zinsen sowie BF 30.590 zuzüglich gerichtlicher Zinsen zu zahlen.
Die Antragstellerin hat beantragt, dieses Urteil gemäß Art. 31 des EG-Übereinkommens über die Gerichtszuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (GVÜ) mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Sie hat dazu vorgelegt,
1. das Urteil in Ausfertigung und beglaubigter Übersetzung.
2. Die Fotokopie der Übersetzung einer Urkunde über die Zustellung des Urteils vom 16. September 1985.
3. Die beglaubigte Abschrift einer Urkunde über Zustellung der Klage und der Ladung vom 18. Juli 1985 und die Fotokopie einer Übersetzung.
4. Die Fotokopie einer Übersetzung einer Rechtskraftbescheinigung vom 14. November 1985.
Aus den Zustellungsurkunden ergibt sich, daß der Gerichtsvollzieher die zuzustellenden Urkunden in zwei Kopien gemäß dem Haager Übereinkommen über den Zivilprozeß vom 1. März 1954 (BGBl. 1958, II, Seite 576) und der Deutsch-Belgischen-Vereinbarungen zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach dem Haager-Übereinkommen vom 1. März 1954 über den Zivilprozeß vom 25. April 1959 (BGBl. II, Seite 1524) dem Staatsanwalt beim erstinstanzlichen Gericht des Gerichtsbezirks Oudenaarde ausgehändigt hat mit der Bitte, sie zur Zustellung an die zuständigen Behörden der Bundesrepublik Deutschland zu schicken.
Der Vorsitzende der 6. Zivilkammer des Landgerichts hat durch Beschluß vom 6. März 1986 den Antrag zurückgewiesen, weil die Ordnungsmäßigkeit und Rechtzeitigkeit der Zustellung im Sinne des Art. 27 Abs. 2 GVÜ mangels entsprechender Nachweise über die Ausführung der Zustellung nach Art. 46, 47 GVO nicht festzustellen sei.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 20. März 1986 beim Landgericht Beschwerde eingelegt, die auf Veranlassung des Landgerichts am 27. März 1986 beim Oberlandesgericht eingegangen ist. Sie hat das dem Staatsanwalt in Oudenaarde vom Amtsgericht Krefeld zum Zustellungsantrag vom 19. Juli 1985 übermittelte Empfangsbekenntnis der gesetzlichen Vertreterin der Antragsgegnerin vom 20. August 1985 vorgelegt.
Das Rechtsmittel ist zulässig, Art. 40 GVÜ in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und § 12 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes vom 29. Juli 1972 (BGBl. I, 1328).
Es kann aber keinen Erfolg haben, denn das Empfangsbekenntnis der gesetzlichen Vertreterin der Antragsgegnerin vom 20. August 1985 weist aus, daß die von dem Gerichtsvollzieher am 18 Juli 1985 eingeleitete Zustellung der prozeßeinleitenden Schriftstücke die Antragsgegnerin nicht rechtzeitig im Sinne des Art. 27 Nr. 2 GVÜ erreicht hat: Am 20. August 1985, als ihre gesetzlichen Vertreterin die Urkunden übergeben wurden, fand der Termin, in dem das Versäumnisurteil gegen sie erlassen wurde, bereits statt, so daß die Antragsgegnerin keine Möglichkeit hatte, sich zu verteidigen.
Allerdings enthält die von dem Gerichtsvollzieher unter dem 18. Juli 1985 ausgestellte Urkunde über seine Übermittlung der prozeßeinleitende Urkunden an den Staatsanwalt in Oudenaarde den seitlich quergedruckten Vermerk, daß er, da er die Abschrift der Vorladung nicht habe zustellen können, diese Abschrift in geschlossenem Umschlag am Wohnsitz des Adressaten hinterlassen habe und daß er außerdem einen eingeschriebenen Brief abgesandt habe, damit der Adressat sich eine gleichlautende Abschrift der Vorladung in seinem Büro abholen könne. Hieraus kann aber nicht entnommen werden, daß der Gerichtsvollzieher die Klageschrift und Ladung der Antragsgegnerin, wenn auch formlos, so doch rechtzeitig, übermittelt hätte. Das in den Vermerk beschriebene Verfahren kann sich nur auf Inlandszustellungen beziehen. Selbst wenn der Gerichtsvollzieher auch im vorliegenden Falle die Antragsgegnerin, wie in dem Vermerk beschrieben, durch Einschreiben von der Einleitung der Zustellung über den Staatsanwalt in Oudenaarde unterrichtet hätte, könnte nicht festgestellt werden, daß Art. 27 Nr. 2 GVÜ Genüge getan wäre. Ein Nachweis darüber, daß eine derartige Benachrichtigung die Antragsgegnerin erreicht hätte, fehlt. Er ist auch nicht entbehrlich (Art. 48 Abs. 1 GVÜ), denn es steht nicht fest, daß die Antragsgegnerin unter der Anschrift … überhaupt noch zu erreichen war. Der Zustellungsnachweis ergibt, daß die Antragsgegnerin ihren Sitz jedenfalls am 20. August 1985 nicht mehr … sondern ... Krefeld …, hatte. Im übrigen fehlt es auch an jedem Anhaltspunkt dafür, daß eine etwa abgesandte Benachrichtigung hinreichende Angaben darüber enthielt, worüber sich das bei dem Gerichtsvollzieher abzuholende Schriftstück verhielt.
Zutreffend hat der Vorsitzende der 6. Zivilkammer des Landgerichts ausgeführt, daß es unerheblich ist, ob nach dem Recht des Urteilsstaates die Urkunden des Gerichtsvollziehers darüber, daß er die zuzustellenden Schriftstücke dem Staatsanwalt rechtzeitig ausgehändigt hatte, für den Nachweis der ordnungsgemäßen Zustellung genügten. Über die Rechtzeitigkeit der Zustellung ist jedenfalls selbständig zu entscheiden. Sie ist daran zu messen, ob die Zustellung geeignet war, das Recht des Adressaten auf rechtliches Gehör zu gewährleisten (vgl. Linke in Bülow-Böckstiegel, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 606 – 211). Da im vorliegenden Falle die Zustellung diesen Anforderungen nicht genügte, hat das Landgericht es zu Recht abgelehnt, das Urteil für vollstreckbar zu erklären.
Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.