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Zusammenfassung der Entscheidung Der deutsche Schuldner war von einem italienischen Gericht zur Zahlung einer Geldsumme zuzüglich Zinsen an den italienischen Gläubiger verurteilt worden. Das Urteil verwies wegen des Beginns der Verzinsung auf die Urteilsgründe, wegen der Höhe auf den "gesetzlichen Zinssatz". Der Gläubiger beantragte, das Urteil mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen. Das angerufene Landgericht erteilte die Vollstreckungsklausel. Dagegen wandte sich der Schuldner mit dem Argument, der Titel sei zu unbestimmt.
Das OLG Stuttgart (DE) führt aus, dass das Urteil anerkannt werden muss und im Klauselerteilungsverfahren der Titel hinsichtlich dieser Bestimmungen ergänzt werden kann. Dies gelte auch im Hinblick darauf, dass ähnliche Formulierungen auch in deutschen Urteilen gebräuchlich seien (z.B. Hinweise auf den Diskontsatz der Bundesbank oder Anpassungen von Unterhaltspflichten an den Lebenshaltungskostenindex).
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Gläubigerin erwirkte am 4.2.1982 ein Urteil des Tribunale Civile e Penale di Torino, das im Rubrum „D. R. I.“ als Beklagte aufführt, ebenso im Urteilstenor am Ende des Urteils. Die Gläubigerin beantragte am 20.7.1983 die Erteilung der Vollstreckungsklausel gegen die Fa. R. I. GmbH. Auf die Beschwerde gegen den klauselerteilenden Beschluß nahm die Gläubigerin ihren Antrag zurück, nachdem die Fa. R. I. GmbH vertreten durch ihren Geschäftsführer H. R. unter Vorlage von Handelregisterauszügen vorgetragen hatte, das italienische Urteil richte sich gegen die Firma R. I., H. R., die R. I. GmbH sei erst später entstanden und nicht Rechtsnachfolgerin der Einzelfirma R. I., H. R. Im jetzigen Verfahren beantragt die Gläubigerin Klauselerteilung gegen den Schuldner H. R. als Inhaber der ehemaligen Fa. R. I. Der Schuldner hat seine Beschwerde gegen den klauselerteilenden Beschluß des Landgerichts Stuttgart nicht näher begründet.
Im Beschwerdeverfahren verlangt die Gläubigerin, im Wege der Berichtigung den landgerichtlichen Beschluß um die Zinshöhe und den Beginn der Zinszahlungspflicht zu ergänzen. Der Tenor des italienischen Urteils spricht nur von gesetzlichen Zinsen und verweist wegen des Beginns der Verzinsung auf die Gründe des Urteils; der klauselerteilende Beschluß des Landgerichts gibt diesen Wortlaut des italienischen Tenors unverändert wieder, wie dies auch dem Antrag der Gläubigerin beim Landgericht entspricht.
II. 1. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Denn das Landgericht hat zu Recht die Erteilung der deutschen Vollstreckungsklausel angeordnet (Art. 31 EuGVÜ, § 7 AusfG EuGVÜ). Der Schuldner H. R. ist unbestritten Inhaber der Einzelhandelsfirma R. I. gewesen und ist als solcher Schuldner von titulierten Forderungen, welche auf den Namen der Firma lauten. Der italienische Titel gegen die Firma ist als Titel gegen den Einzelkaufmann auszulegen. Dies entspricht auch dem Vortrag der R. I. GmbH im vorausgehenden Verfahren, die dort der Schuldner als Geschäftsführer vertreten hat.
2. Die zulässige Anschlußbeschwerde ist begründet. Denn der italienische Titel ist auf Antrag der Gläubigerin um Zinshöhe und Datum des Zinslaufes zu ergänzen.
a) Der Senat legt das Berichtigungsverlangen der Gläubigerin als Anschlußbeschwerde aus. Der Beschluß des Landgerichts entspricht genau dem Antrag der Gläubigerin, den Tenor des italienischen Urteils ohne Ergänzungen mehr oder weniger wörtlich übersetzt wiederzugeben. Angesichts dieses klaren Antrages und des Meinungsstreites um die Konkretisierung „offener“ ausländischer Titel kann man von einer „offenbaren Unrichtigkeit“ iSd § 319 I ZPO schwerlich sprechen. Die Gläubigerin kann aber im Wege der Anschlußbeschwerde ohne Beschwer (hierzu Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 13. Aufl. 1981, § 149 II, § 139 IV 2 mNw) ihr Begehren auf Ergänzung des offenen italienischen Titels in der Beschwerdeinstanz verfolgen, so daß eine entsprechende Auslegung ihres Vorbringens geboten erscheint.
b) Der Senat geht davon aus, daß offene ausländische Titel im Verfahren der Vollstreckbarerklärung auf Antrag um Hinweise ergänzt werden können, die eine sachgerechte Auslegung durch die Vollstreckungsorgane gewährleisten.
Ausländische Titel erfüllen teilweise zwar die Bestimmtheitsanforderungen ausländischen Rechts, ihre ausreichende Bestimmtheit für eine deutsche Vollstreckung erscheint hingegen zweifelhaft; solch „offene“ ausländische Titel begegnen vor allem in Gestalt von Unterhaltstiteln, die nach ausländischem Lebenshaltungskostenindex dynamisiert sind (BGH NJW 86, 1440), und bei Verweisung auf „gesetzliche Zinsen“ im Urteilstenor (LG Düsseldorf IPrax 1985, 160; Celle IPRspr. 77, Nr. 155, S. 457 ff, 461). Es gibt grundsätzlich drei verschiedene Lösungsmöglichkeiten. Man kann die inländische Vollstreckungsfähigkeit solcher Titel verneinen, die Vollstreckbarerklärung bzw. Klauselerteilung ablehnen und den Gläubiger auf die ausländische Ergänzung oder neue inländische Leistungsklage verweisen (OLG Düsseldorf FamRZ 1982, 630; LG Düsseldorf IPrax 1985, 160 f; OLG Celle IPRspr. 1977, Nr. 155, S. 457 ff, 461; OLG München IPRspr. 1980, Nr. 170, S. 541 ff 543). Diese Lösung verkennt, daß damit vielfach ausländischen Tenorierungen die Anerkennung versagt wird, die als inländische Titel hinreichend bestimmt wären; dies gilt sowohl für die Dynamisierung nach Lebenshaltungskostenindex (Düsseldorf NJW 1971, 436; Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, 11. Aufl. 1983, Rn. 232 mNw) als auch für weiterverweisende Zinstitel (BGHZ 22, 54, 61: Diskontsatz der Bundesbank). Es kann aber nicht Sinn der Vollstreckungsabkommen sein, den Auslandstitel strengerer Bestimmtheitskontrolle zu unterwerfen als den Inlandstitel; viel eher muß man es als Sinn solcher Übereinkünfte betrachten, ausländische Bestimmtheitsanforderungen möglichst zu akzeptieren und umzusetzen. Die zweite Lösungsmöglichkeit besteht darin, im Vollstreckbarerklärungsverfahren eine konkretisierende Ergänzung vorzunehmen, um das Vollstreckungsverfahren selbst von Auslegungsfragen zu entlasten (BGH NJW 1986, 1440; OLG Hamburg FamRZ 1983, 1157; Nagel IPrax 1985, 144 f; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 1982, Art. 31 Rn. 10; Martiny, Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III/2, 1984, S. 30, Rn. 43; Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung, Bd. I/1, 1983, § 152 II 1). Dieser Vorschlag mag den Vorteil haben, daß der rechtskundige Exequaturrichter die Titelauslegung festlegt und dabei auslandsrechtliche Fragen sorgfältig klären kann; bei dynamisierten Titeln (Unterhaltstitel nach Index, Zinsen nach Diskontsatz) ist die Konkretisierung im Vollstreckungszeitpunkt allerdings u. U. schon überholt, so daß analog § 323 ZPO ein Änderungsantrag zur geänderten Exequatur bzw. Klauselerteilung führen müßte und der Richter wiederholt mit Rechenwerk belastet wäre. Die dritte Lösungsmöglichkeit läßt die Titelauslegung auch für Auslandstitel dort, wo sie bei Inlandstiteln erfolgt: beim Vollstreckungsorgan. Es wäre dann Sache des Gerichtsvollziehers bzw. Rechtspflegers, sich ausländischer Zinssätze und Lebenshaltungskostenindizes zu vergewissern, wobei der Gläubiger im Rahmen des Beibringungsgrundsatzes zur Mitwirkung angehalten bliebe; erst bei Streitigkeiten käme dann die Sache nach Erinnerung (§ 766 ZPO) zum Vollstreckungsgericht. Dieser Lösung hat der erkennende Senat bisher den Vorzug gegeben (OLG Stuttgart, Beschluß v. 16.6.78 – 5 W 35/77, Nachschlagewerk der Rechtsprechung zum Gemeinschaftsrecht, Serie D, Übereinkommen v. 27.9.68, I-36-B 2). Soweit die Literatur teilweise die Entscheidung so verstanden hat, daß sie die Vollstreckungsfähigkeit solcher Titel verneine, beruht dies auf einem Mißverständnis, das die verkürzte Wiedergabe bei der Veröffentlichung mitverursacht haben mag. Die Auffassung des Senats ist vielmehr vollstreckungsfreundlich und will die Vollstreckungsorgane zur Berücksichtigung ausländischer Besonderheiten anhalten, ohne die Gerichte unnötig zu belasten und Gläubiger zu anpassenden Abänderungsanträgen zu zwingen.
Der Senat ist allerdings nunmehr der Auffassung, daß für nicht dynamisierte Titel, die auf feste Größen verweisen, die Meinungsunterschiede ohne große Bedeutung sind; hier ist es letztlich gleichgültig, ob man – wie der Familiensenat des BGH – die klarstellende Ergänzung im Vollstreckbarerklärungsverfahren vornimmt oder die Konkretisierung den Vollstreckungsorganen überläßt. Da es sich im vorliegenden Fall um den Verweis auf den feststehenden Zinssatz von 5 % handelt (art. 1284 C. c.) und die Urteilsgründe den Zinsbeginn eindeutig benennen, steht einer Konkretisierung im Rahmen der Vollstreckbarerklärung nichts entgegen. Insoweit gibt also der Senat seine frühere Rechtsansicht auf. Damit ist allerdings nicht gesagt, daß bei dynamisierten Titeln gleich zu verfahren wäre, also in einem Falle, wie ihn die frühere Entscheidung des Senats behandelte (wechselnder Diskontsatz der Banque de France).