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Zusammenfassung der Entscheidung Der in Frankreich ansässige Kläger bediente sich zur Unterrichtung seines Prozessbevollmächtigten in Mainz (DE) der Hilfe eines französischen Rechtsanwalts. Nach dem Obsiegen im Rechtsstreit vor dem deutschen Gericht stellte er einen Antrag auf Festsetzung der Kosten dieses Korrespondenzanwalts. Dazu legte der Kläger die Kopie einer Urkunde vor, in der der Präsident der französischen Anwaltskammer die Anwaltskosten festgesetzt hat. Diese Anordnung kann durch einfachen Beschluss des Präsidenten eines französischen Landgerichts für vollstreckbar erklärt werden. Der Rechtspfleger vor dem deutschen Gericht lehnte die Festsetzung der Kosten ab, mit der Begründung, der Kläger könne aus dieser Urkunde vollstrecken, so dass für eine erneute Festsetzung kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Beschwerde.
Das OLG Koblenz (DE) entscheidet, dass die Kosten des französischen Anwalts festzusetzen seien. Dem Kläger stehe kein leichteres Mittel zu, seine Anwaltskosten erstattet zu bekommen. Eine Vollstreckung der Anordnung des Präsidenten der französischen Anwaltskammer nach dem EuGVÜ scheide aus. Zum einen sei diese Anordnung keine Entscheidung i.S.v. Art. 31 EuGVÜ, da als solche nur Maßnahmen eines Gerichts gelten. Zum anderen sei es auch keine öffentliche Urkunde i.S.v. Art. 50 EuGVÜ, weil sie sich nicht auf schriftliche Fixierung von Erklärungen beschränke, sondern selbst eine Entscheidung über die Höhe und Erstattungsfähigkeit der Kosten treffe. Ferner würde eine Vollstreckbarkeit nach dem EuGVÜ voraussetzen, dass die Entscheidung auch in dem Ursprungsstaat vollstreckbar wäre. Das sei hier aber nicht der Fall, weil eine Vollstreckbarerklärung des Präsidenten des Landgerichts nicht vorliege.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der in Frankreich ansässige Kläger hatte sich zur Unterrichtung seines Prozeßbevollmächtigten in Mainz der Hilfe des französischen Rechtsanwalts W. bedient. Mit seinem Antrag auf Festsetzung der Kosten dieses Korrespondenzanwalts hat der Kläger die Fotokopie einer Urkunde vorgelegt, die in der Übersetzung folgenden Wortlaut hat:
„Rechtsanwaltskammer ... V. (Isère), den 6.5.85
V.
Justizpalast
Der Vorsitzende
Anordnung
Ich, Vorsitzender der Rechtsanwaltskammer bei dem Landgericht V., beschließe angesichts des Antrags, der mir von dem Rechtsanwalt R. unter dem 2.5.1985 unterbreitet wurde, aufgrund der dem Antrag beigefügten Beweisstücke, daß das von Herrn K. H. I., BRD dem Rechtsanwalt R., Mitglied dieser Kammer, geschuldete Honorar von mir auf den Betrag von 6.000 Frs (sechstausend Franken) festgesetzt wird.
Ich ordne an, daß Herr K. angehalten wird, diesen Betrag an Rechtsanwalt R. zu zahlen.
Darüber hinaus weise ich ihn darauf hin, daß Herr K. entsprechend den Regelungen des Art. 98 des Dekrets vom 9. Juni 1972 die Möglichkeit hat, mit seinem Widerspruch binnen einen Monats nach Zustellung dieser Entscheidung durch Einschreiben mit Rückschein (Art. 99 des Dekrets vom 9. Juni 1972) den Präsidenten des Landgerichts V. anzurufen, andernfalls kann die vorstehende Entscheidung durch einfachen Beschluß des Präsidenten des Landgerichts V. (Art. 102 des Dekrets vom 9. Juni 1972) für vollstreckbar erklärt werden.
L.P. (Unterschrift unleserlich)“
Der Rechtspfleger hat daraufhin die Festsetzung der Korrespondenzanwaltskosten mit der Begründung abgelehnt, der Kläger könne aus dieser Urkunde vollstrecken, so daß für eine erneute Festsetzung der Korrespondenzanwaltskosten kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe.
Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde des Klägers ist gemäß §§ 21 Abs. 2 RPflG, 104 Abs. 3 ZPO zulässig. Sie hat auch sachlich einen vorläufigen Erfolg, weil der Rechtspfleger zu Unrecht die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit der Korrespondenzanwaltskosten des Klägers abgelehnt hat.
1. Der Rechtsstreit ist vor einem deutschen Gericht – dem Landgericht Mainz – als dem nach Art. 2 Abs. 1 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuG-Übk) international zuständigen Gericht verhandelt und entschieden worden. Diese Zuständigkeit umfaßt auch das nachfolgende Kostenfestsetzungsverfahren. Das kann nicht zweifelhaft sein. Die Kostenfestsetzung ist lediglich ein Annex der vom Prozeßgericht getroffenen Kostenentscheidung, die sie betragsmäßig konkretisiert. Kostenfestsetzungsverfahren sind damit Teil der „Zivil- und Handelssachen“, für die das EuG-Übk gemäß Art. 1 Abs. 1 gilt. – Ein Anhaltspunkt dafür, daß auch das EuG-Übk Prozeß- und Kostenfestsetzung als Einheit betrachtet, findet sich in dessen Art. 25. Dort ist für die Frage der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen bestimmt, daß unter dem Begriff „Entscheidung“ u.a. Urteile „einschließlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses eines Urkundsbeamten“ zu verstehen seien. – Im übrigen folgt dies auch aus der Intention des Übereinkommens, die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen abschließend und lückenlos zu regeln (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, Rn. 17 u. 19 vor Art. 2).
Der Rechtspfleger hat somit im Verfahren nach §§ 103 ff. ZPO zu entscheiden, ob und in welcher Höhe die Kosten des französischen Korrespondenzanwalts des Klägers vom Beklagten zu erstatten sind. Die Entscheidung des Präsidenten der Anwaltskammer … vom 6. Mai 1985 steht dem nicht entgegen.
2. Dieses Schriftstück bewirkt insbesondere auch nicht – wie der Rechtspfleger meint – den Wegfall eines Rechtsschutzbedürfnisses für die Festsetzung der Korrespondenzanwaltskosten. Der Kläger hat keine Möglichkeit, daraus die Zwangsvollstreckung gegen den Beklagten zu betreiben.
Zur Vollstreckung in anderen Vertragsstaaten des EuG-Übk geeignet sind nur „Entscheidungen“ (Art. 31), „öffentliche Urkunden“ (Art. 50) und „gerichtliche Vergleiche“ (Art. 51). Die Festsetzung der Korrespondenzanwaltskosten durch den Präsidenten der Anwaltskammer stellt keinen solchen Titel dar. Sie ist keine „Entscheidung“ im Sinne des Übereinkommens, weil darunter nur die eines „Gerichts“ zu verstehen sind (Art. 25 EuG-Übk). Sie ist aber auch keine bloße öffentliche „Urkunde“, weil sie sich nicht auf schriftliche Fixierung von Erklärungen beschränkt, sondern eine Entscheidung über Höhe und Erstattungsfähigkeit der Korrespondenzanwaltskosten beinhaltet. – Selbst wenn diese Entscheidung des Präsidenten der Anwaltskammer wegen der ihr zugrunde liegenden Regelungen des französischen Rechts als „öffentliche Urkunde“ im Sinne des Art. 50 EuG-Übk zu gelten hätte, so könnte ihr in der vorliegenden Form nicht die Vollstreckungsklausel eines deutschen Gerichts erteilt und sodann aus ihr vollstreckt werden. Hierfür wäre nach der genannten Vorschrift Voraussetzung, daß die Urkunde auch in dem Vertragsstaat, in dem sie aufgenommen wurde (Frankreich), vollstreckbar wäre. Das aber ist nicht der Fall, weil die Vollstreckbarerklärung des Präsidenten des Landgerichts … nicht vorliegt.
Soweit der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluß die Festsetzung der Korrespondenzanwaltskosten abgelehnt hat, kann er folglich keinen Bestand haben. Der Senat sieht von einer eigenen materiellen Entscheidung ab, um den Parteien nicht den Instanzzug zu verkürzen. Es wird jedoch darauf hingewiesen, daß die Frage der Erstattungsfähigkeit auch der Kosten eines ausländischen Korrespondenzanwalts nach dem Kriterium der Notwendigkeit (§ 91 Abs. 1 ZPO) zu beantworten ist. Dabei können zugunsten einer ausländischen Partei mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache und des deutschen Rechts und Gerichtssystems eine wesentliche Rolle spielen.