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Zusammenfassung der Entscheidung Die Klägerin, ansässig in Italien, macht gegen die Beklagte, ansässig in Deutschland, Ansprüche aus der Lieferung von Waren vor deutschen Gerichten geltend. Die Beklagte rügt die internationale Zuständigkeit. Sie trägt vor, dass zwischen den Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten italienischer Gerichte getroffen worden sei. Die Gerichtsstandsvereinbarung sei anlässlich der Besprechung des Vertriebsvertrages zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem Zeugen S verhandelt worden. Der vereinbarte Text sei S mitgegeben worden, damit er mit dem Geschäftsführer der Beklagten besprochen werden könne. Dieser habe die Vereinbarung unterschrieben und an die Klägerin zurückgesandt.
Das Oberlandesgericht München (DE) bejaht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aufgrund von Art. 2 Abs. 1 und 17 Abs. 4 EuGVÜ. Zwischen den Parteien sei keine Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. a 2. Alt. EuGVÜ zustandegekommen. Dies setze eine mündliche Einigung der Parteien über die Gerichtsstandsvereinbarung voraus. Eine Besprechung wäre aber nicht mehr nötig gewesen, wenn es bereits zwischen S und dem Geschäftsführer der Klägerin zu einer Einigung gekommen wäre. Selbst wenn eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung vorliegen würde, würde sie jedenfalls die geltend gemachten Ansprüche nicht erfassen. Der Vertriebsvertrag gelte für alle Ansprüche, die aus der Geschäftsvermittlung der Beklagten entstünden. Die Klägerin mache vorliegend jedoch keine Ansprüche aus der Geschäftsvermittlung geltend, sondern aus selbständigen Kaufverträgen. Auch bei Vorliegen einer wirksamen Gerichtstandsvereinbarung wäre diese nicht ausschließlich, da sie allein im Interesse der Klägerin getroffen worden sei, Art. 17 Abs. 4 EuGVÜ. Aus der Vereinbarung der Geltung italienischen Rechts und dem Einverständnis der Beklagten folge, dass die Klägerin einseitig begünstigt werden sollte.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die ... eine Gesellschaft italienischen Rechts mit Sitz in Italien, macht gegen die Beklagte Ansprüche aus der Lieferung von Werkzeugen im Werte von DM 146.624,15 geltend.
Die Beklagte hat sich auf eine angeblich zwischen den Parteien zu Gunsten der italienischen Gerichte getroffene Gerichtsstandsvereinbarung berufen und hält deshalb die Klage für unzulässig.
Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien in der ersten Instanz, der dort gestellten Anträge und der Prozeßgeschichte wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 543 II S. 2 ZPO).
Das Landgericht München I hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Es hielt die von der Beklagten behauptete Gerichtsstandsvereinbarung für unwirksam, so daß die deutschen Gerichte für die Klage international zuständig seien. Im übrigen sei die Beklagte auf Grund des unmittelbar zwischen den Parteien zustande gekommenen Vertrags zur Bezahlung der Werkzeuge verpflichtet. Gegenansprüche würden nicht bestehen.
Gegen das der Beklagten am 25.6.1998 zugestellte Urteil hat diese am 21.7.1998 Berufung eingelegt und diese am 18.8.1998 begründet.
Die Beklagte macht nur noch geltend, daß die deutschen Gerichte für die Klage international unzuständig seien. Die Gerichtsstandsvereinbarung zu Gunsten der italienischen Gerichte sei wirksam zustande gekommen.
Die Vereinbarung sei entweder von den Geschäftsführern der beiden Parteien schriftlich unterzeichnet worden oder es liege zumindest eine mündliche Vereinbarung mit anschließender schriftlicher Bestätigung vor.
Der Text der Gerichtsstandsvereinbarung sei am 27.3.1996 anläßlich einer Besprechung des Vertriebsvertrags zwischen dem Geschäftsführer der ... und dem Zeugen ... ausführlich am Sitz der ... verhandelt worden. Die Anlage B 1 sei dem Zeugen ... mitgegeben worden, damit sie in München mit dem Geschäftsführer der Beklagten besprochen werden könne. Dieser habe die Vereinbarung dann unterschrieben und an die ... zurückgesandt. Der unterschriebene Vertrag sei bei dieser auch angekommen. Zumindest liege eine sogenannte Halbschriftlichkeit vor, weil der Vertrag von der ... im Anschluß an die Besprechung übergeben worden sei.
Außerdem liege eine unzulässige Rechtsausübung vor, weil die ... während der Verhandlung stets auf eine Gerichtsstandsvereinbarung zu Gunsten der italienischen Gerichte gepocht habe.
Über das Vermögen der ... die ursprünglich in diesem Rechtsstreit Klägerin gewesen ist, ist am 15.12.1998 durch das Tribunale ... der Konkurs eröffnet worden. Die Klägerin ist durch das zuständige Gericht zur Konkursverwalterin nach italienischem Recht bestellt worden. Mit Verfügung des Tribunale ... vom 3.2.1999 ist die Konkursverwalterin zur Fortsetzung des hiesigen Verfahrens ermächtigt worden.
Die Beklagte beantragt, das am 25.5.1998 verkündete Urteil des Landgerichts München I aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Zurückweisung der Berufung.
Sie meint, eine Gerichtsstandsvereinbarung zwischen den Parteien sei nicht wirksam getroffen worden. Es hätten keine Verhandlungen bezüglich der Gerichtsstandsvereinbarung stattgefunden. Die einseitig unterschriebene Vereinbarung sei der ... nicht zugegangen.
Wegen der Einzelheiten zum Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
1. Das Verfahren ist infolge Wiederaufnahme des Rechtsstreits durch die Konkursverwalterin nach Unterbrechung des Rechtsstreits gem. § 240 ZPO wegen des durch das italienische Gericht eröffneten Konkursverfahrens über das Vermögen der ... fortzusetzen.
a) Die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der ursprünglichen Klägerin führte gem. § 240 ZPO zur Unterbrechung des Verfahrens (vgl. hierzu BGH NJW 1997, 2525; Senat NJW-RR 1996, 385; Thomas/Putzo, ZPO, 21. Aufl., § 240 Rn. 3), weil der Konkurseröffnungsbeschluß des Tribunale ... vom 15.12.1998 anzuerkennen ist; insbesondere war das Gericht auf Grund einer spiegelbildlichen Anwendung von § 71 I KO für die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der ... international zuständig.
b) Nach Art. 42 der ital. Insolvenzordnung wird der Gemeinschuldnerin auch die Verfügungsgewalt über ihr Vermögen entzogen. Diese geht nach Art. 31, 43 ital. Insolvenzordnung auf den Konkursverwalter über, der anstelle der Gemeinschuldnerin als Prozeßpartei auftritt. Da das Tribunale ... die Konkursverwalterin auch nach Art. 31 der ital. Insolvenzordnung schriftlich zur Fortsetzung des Rechtsstreits ermächtigt hat, die Konkursverwalterin dies dem ursprünglichen Prozeßbevollmächtigten der ... mitgeteilt hat, liegt auch eine ordnungsgemäße Ermächtigung der Rechtsanwälte ... zur Vertretung der Klägerin vor.
2. Die Klage ist zulässig.
Die deutschen Gerichte sind gem. Art. 2 I iVm Art. 53 I, 17 IV EuGVÜ zur Entscheidung des Rechtsstreits international zuständig.
a) Zwischen der ... und der Beklagten ist keine Gerichtsstandsvereinbarung gem. Art. 17 I S. 2 lit. a 2. Alt. EuGVÜ zustande gekommen.
Der diesbezügliche Sachvortrag der Beklagten ist nicht schlüssig.
Art. 17 I S. 2 lit. a 2. Alt. EuGVÜ setzt zunächst eine mündliche Einigung der Parteien über eine Gerichtsstandsvereinbarung voraus, die dann von einer Partei, gleich welcher, schriftlich bestätigt worden sein muß (Thomas-Putzo/Hüßtege, Art. 17 Rn. 9).
Hier trägt die Beklagte zwar vor, man habe sich über die Gerichtsstandsvereinbarung mündlich geeinigt, aber zugleich trägt sie auch vor, daß der Zeuge ... die von der ... übergebene Vertragsurkunde noch mitgenommen habe, um sie mit dem Geschäftsführer der Beklagten zu besprechen. Eine Besprechung wäre nicht mehr nötig gewesen, wenn es bereits zwischen dem Zeugen ... und dem Geschäftsführer der ... zu einer Einigung gekommen wäre.
Darüber hinaus ist es nicht nachvollziehbar, wie es am 27.3.1996 noch zu einer Einigung hinsichtlich der Gerichtsstandsvereinbarung gekommen sein soll, wenn bereits am 13.11.1995 der Rahmenvertrag mündlich ausgehandelt worden sein soll.
b) Ob tatsächlich eine mündliche Einigung erzielt worden ist, kann aber ebenso wie die Frage, ob die doppelte Schriftlichkeit der Vereinbarung iSv Art. 17 I S. 2 lit. a 1. Alt. EuGVÜ beachtet wurde, dahingestellt bleiben; denn selbst wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung iSv Art. 17 I EuGVÜ vorliegen sollte, würde diese nicht die geltend gemachten Ansprüche erfassen.
Damit eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung iSv Art. 17 I S. 1 EuGVÜ vorliegt, muß das Rechtsverhältnis, für das sie gelten soll, zumindest bestimmbar sein. Ziffer 5 des Vertrags vom 13.11.1995 (Anlage B 2) gilt für alle Ansprüche, die aus der Geschäftsvermittlung der Beklagten entstehen.
Vorliegend machte die ... jedoch keine Ansprüche aus der Geschäftsvermittlung geltend, sondern aus behaupteten selbständigen Kaufverträgen mit der Beklagten. Diese werden jedoch von der Gerichtsstandsvereinbarung nicht erfaßt. Da für die Zulässigkeit der Klage ein schlüssiger Sachvortrag der die Zuständigkeit begründenden Tatsachen ausreicht (BGHZ 124, 237/240 f.; vgl. Thomas/Putzo, vor § 1 Rn. 7), sind die deutschen Gerichte gem. Art. 2 I, 53 I EuGVÜ zuständig.
c) Aber auch bei Vorliegen einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 I EuGVÜ wäre diese nicht ausschließlich, weil diese Vereinbarung nur im Interesse der ... getroffen worden ist (Art. 17 IV EuGVÜ). Aus Ziffer 5 der Vereinbarung im Vertrag vom 13.11.1995 folgt, daß zusammen mit der Rechtswahl zu Gunsten des italienischen Rechts und dem Einverständnis der Beklagten mit diesen dort getroffenen Regelungen die ... einseitig begünstigt werden sollte (vgl. hierzu EuGH IPRax 1987, 105 m. Anm. Gottwald S. 81; BGH ZIP 1998, 1889), indem das ihr bekannte italienische Recht angewendet und die Zuständigkeit der italienischen Gerichte begründet werden sollte. Daher konnte die Klage gem. Art. 2 I, 53 I EuGVÜ vor den deutschen Gerichten erhoben werden.