Die Parteien streiten um die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit und die Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage.
Die in L. ansässige, eine Marzipanfabrik betreibende Klägerin und die in Frankreich ansässige Beklagte, die dort Schokolade herstellt, kamen im Oktober 1990 in geschäftlichen Kontakt.
Mit einem Telefax vom 20. Dezember 1990 bestätigte die Klägerin der Beklagten die Bestellung von Marzipanmasse. In dem Telefax heißt es: „... Der Preis beträgt frei Haus … Nord unverzollt, unversteuert ....“. Wegen der weiteren Einzelheiten des Telefaxes wird auf die Ablichtung Bl. 46 der Akten Bezug genommen.
Ein Hinweis auf AGB der Klägerin ist darin nicht enthalten. Mit Telefax vom 14. Februar 1991 bot die Klägerin der Beklagten weitere Marzipanmasse an. Darin heißt es: „... Die oben genannten Preise gelten frei Straßbourg für eine Gesamtmenge ....“ Wegen der weiteren Einzelheiten des Telefaxes wird auf die Ablichtung Bl. 47 der Akten Bezug genommen. Ein Hinweis auf die AGB der Klägerin ist darin nicht enthalten. Unter Bezugnahme auf das Angebot bestellte die Beklagte am 20. Februar 1991 fernmündlich Marzipanmasse zur sukzessiven Lieferung. Über AGB der Klägerin wurde dabei nicht gesprochen. In einem der Beklagten erteilten „Schlußschein“ der Klägerin vom 21. Februar 1991 heißt es auf der Vorderseite: „... Wir bestätigen dankend, Ihnen zu unseren umseitigen Lieferungs- und Zahlungsbedingungen verkauft zu haben: ...“. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung Bl. 15 a der Akten Bezug genommen. Die auf der Rückseite abgedruckten Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin enthalten u.a. die Klausel: „Erfüllungsort für Lieferung und Zahlung ist Lübeck, Gerichtsstand Lübeck“. Ein unausgefülltes Exemplar eines Schlußscheines befindet sich hinten im Aktendeckel. Am 06. September 1991 (1 x) und am 24. September 1991 (2 x) erteilte die Klägerin der Beklagten drei weitere Schlußscheine der oben beschriebenen Art mit dem auf der Vorderseite enthaltenen Zusatz: „... Lieferung: frei Haus … unverzollt ...“. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtungen Bl. 15 b, c u. d Bezug genommen.
Die Klägerin lieferte der Beklagten sukzessive Marzipanmasse u.a. am 29. Mai 1991. Am 21. August 1991 informiert die Beklagte die Klägerin darüber, daß sie am 21. August 1991 in der Marzipanmasse aus der Lieferung vom 29. Mai 1991 osmotolerante Hefe festgestellte habe. Auch die später gelieferte Hefe soll mangelhaft gewesen sein. Die Beklagte kündigte die Geltendmachung von Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüchen gegen die Klägerin an.
Die Beklagte leitete noch im Jahre 1991 vor dem Tribunal de Grande Instance de Strasbourg, Deuxième Chambre Commerciale ein Eilverfahren ein und beantragte, ein Sachverständigengutachten über Umfang und Ursachen der Mängel der Marzipanmasse anzuordnen und die Klägerin zur Zahlung von 5 Mio. FF als Abschlag auf Schadensersatz zu verurteilen. Das Tribunal de Grande Instance de Strasbourg protokollierte mit einstweiliger Verfügung vom 21. Januar 1992 nach mündlicher Verhandlung vom 14. Januar 1992 die von der Klägerin erhobene Zuständigkeitsrüge, wies den Zahlungsantrag zurück und ordnete die Einholung eines Sachverständigengutachtens an.
Am 30. Dezember 1991 hat die Klägerin gegen die Beklagte vor dem Landgericht Lübeck – zugestellt am 17. März 1992 – die anhängige negative Feststellungsklage eingereicht. Am 12. Mai 1992 hat die Beklagte gegen die Klägerin vor dem Tribunal de Grande Instance de Strasbourg Klage auf Zahlung von 5 Mio. FF + 100.000,‑ FF erhoben (B1. 174 der Akten).
Die Klägerin hat beantragt festzustellen, daß die Beklagte gegen die Klägerin aus den zwischen den Parteien geschlossenen Verträgen über Marzipanmasse (insbesondere den Verträgen vom 21.02., 06.09. und 24.09.1991) sowie aus Herstellung und Lieferung der Marzipanmasse durch die Klägerin an die Beklagte, insbesondere aus den Lieferungen vom 29.05., 27.06., 15.08., 11.09. und 19.09.1991, keinerlei Ansprüche gegen die Klägerin zustehen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Entscheidung bis zum Abschluß des Verfahrens vor dem Tribunal de Grande Instance de Strasbourg auszusetzen.
Die Beklagte ist der Auffassung, daß die internationale Zuständigkeit der französischen Gerichte gegeben sei. Sie hat deshalb die Unzuständigkeit des Landgerichts Lübeck gerügt. Sie meint weiterhin, daß das Rechtsschutzinteresse für die negative Feststellungsklage der Klägerin entfallen sei, nachdem sie, die Beklagte, in Strasbourg eine Leistungsklage erhoben habe. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Landgericht hat über die Zulässigkeit der negativen Feststellungsklage durch Zwischenurteil vorab entschieden und erkannt, daß die Klage zulässig sei. Es hat seine internationale und örtliche Zuständigkeit bejaht und die Auffassung vertreten, daß das Rechtsschutzinteresse für die negative Feststellungsklage gegeben sei, da eine Zuständigkeit des französischen Gerichts für die Entscheidung über die Leistungsklage nicht gegeben sei.
Gegen das ihr am 09. September 1993 zugestellte Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten einschließlich der darin enthaltenen Bezugnahmen verwiesen wird, hat die Beklagte am 29. September 1993 Berufung eingelegt. Nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf Antrag vom 13. Oktober 1993 am 15. Oktober 1993 bis zum 29. Dezember 1993 verlängert worden ist, ist am 15. Dezember 1993 eine Berufungsbegründungsschrift eingegangen.
Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, daß die negative Feststellungsklage unzulässig sei, weil es an der internationalen Zuständigkeit des Landgerichts Lübeck und an dem Rechtsschutzinteresse für die negative Feststellungsklage fehle. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vorbringens in zweiter Instanz wird auf die Schriftsätze vom 25. November 1993 (B1. 242 – 249 der Akten) und vom 06. Oktober 1994 (B1. 262 – 265 der Akten) nebst Anlagen (B1. 266 ff der Akten) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Zwischenurteil zu ändern und die Klage als unzulässig abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt im wesentlichen ihren Vortrag aus erster Instanz. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vorbringens wird Bezug genommen auf die Schriftsätze vom 15. September 1994 (B1. 256 – 261 der Akten) und vom 07. März 1995 (BI. 274 – 277 der Akten).
Der Beklagten ist in der mündlichen Verhandlung vom 14. März 1995 nachgelassen worden, auf den Schriftsatz der Klägerin vom 7. März 1995 bis zum 4. April 1995 zu erwidern. Sie hat am 4. April 1995 den Schriftsatz vom selben Tag (Bl. 281 – 297 der Akten) nebst Anlagen (Bl. 298 – 324 der Akten) eingereicht. Die Klägerin hat am 24. April 1995 einen Schriftsatz vom selben Tag (Bl. 325 der Akten) nebst Anlagen (Bl. 326 – 339 der Akten) eingereicht.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten gegen das Zwischenurteil der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Lübeck hat Erfolg.
Mit Recht hat das Landgericht zwar seine internationale Zuständigkeit angenommen (I). Die negative Feststellungsklage ist jedoch wegen Fehlens des besonderen Feststellungsinteresses unzulässig (II).
I. Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach dem Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im folgenden: EuGVÜ) vom 27. September 1968 in der Fassung der Beitrittsübereinkommen vom 09. Oktober 1978 und vom 25. Oktober 1982. Nach Art. 2 Abs. 1, 53 S. 1 EuGVÜ sind Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit grundsätzlich vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen. Dieser Grundsatz gilt aber gemäß Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ nur „vorbehaltlich der Vorschriften dieses Übereinkommens“. Nach Art. 3 S. 1 EuGVÜ können Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates nur gemäß den Vorschriften des 2. – 6. Abschnitt verklagt werden. Im Streitfall kommt Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ zur Anwendung.
Nach dieser Bestimmung kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Erfüllungsort ist, wo der Schuldner nach materiellem Recht, das das IPR des Erststaates bestimmt, leisten muß (Zöller/Geimer, ZPO, 19. Aufl. Art. 5 EuGVÜ Rn. 1). Maßgebend ist die primäre Hauptverpflichtung. Vertragliche Nebenpflichten und Sekundärpflichten auf Schadensersatz werden nicht selbständig angeknüpft, sondern zuständigkeitsrechtlich derjenigen Hauptverpflichtung zugeordnet, zu der sie gehören (Zöller/Geimer aaO Rn. 2).
Auf das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis findet des Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1988 (CISG = Convention on Contracts for the international Sale of Goods, BGBl. 1989 II S. 588) Anwendung. Dieses Übereinkommen ist in der Bundesrepublik Deutschland seit dem 01. Januar 1991 in Kraft und hat das bis dahin geltende EKG abgelöst (Palandt/Putzo, BGB, 54. Aufl. Einf. v. § 433. Rn. 23). Maßgeblich ist Art. 31 CISG, so daß Erfüllungsort der Wohnsitz des Verkäufers – im Streitfall also Lübeck – ist.
Die Parteien haben entgegen der Ansicht der Berufung mit der Verwendung der Klauseln „frei Strasbourg“, „frei Haus Strasbourg“ und „frei Haus Brumath unverzollt“ abweichend vom CISG keine Bringschuld vereinbart und den Erfüllungsort nicht von Lübeck nach Strasbourg verlegt.
Der BGH hat die Bedeutung der Klausel „frei ... Bestimmungsort“ in einem Urteil vom 19. September 1993 (NJW 1984, 567 f. = WM 1983, 1237 ff.) unter Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts und den Ansichten in der Literatur erörtert und ausgeführt, daß die Klausel „frei ... Bestimmungsort“ im Handelsverkehr keinen typischen, eindeutigen Inhalt besitze. Sie kann deshalb eine bloße Kostenklausel und Gefahrtragungsregelung darstellen, ausnahmsweise aber auch den Leistungsort festlegen (Palandt/Heinrichs, BGB, 54. Aufl. § 269 Rn. 9). Ein Blick in die Literatur zeigt, daß nach wie vor unterschiedliche Ansichten zum Inhalt der in Rede stehenden Klausel vertreten werden. Koller meint, die Klausel „frei Haus“ stelle eine Spesen- und Gefahrtragungsklausel dar; der benannte Ort sei Erfüllungsort (Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. vor § 373 Rn. 226; vgl. v. Caemmerer/Schlechtriem, Kom. zum CISG, 2. Aufl. Art. 31 Rn. 80 u. 91). Nach Köhler, Staudinger, BGB, 12. Aufl. § 447 Rn. 4 macht die Klausel „frei“ eines bestimmten Ortes diesen zum Erfüllungsort oder führt doch dort den Gefahrübergang an diesem Ort herbei. Nach Baumbach/Duden/Hopt (HGB, 28. Aufl. § 346 Rn. 5 Handelsklauseln „Frei“ u. „Frei Haus“) hat die Klausel „Frei“ mit Angabe des Bestimmungsortes im Handelsverkehr keinen eindeutigen Inhalt; die Klausel „Frei Haus“ soll kraft Handelsbrauch Kosten- und Gefahrtragungsklausel sein (vgl. a. Heymann-Horn, HGB, 1990 § 346 Rn. 101; Liesecke WM 1978, Beil. Nr. 3 S. 30; Soergel/Huber, BGB, 12 Aufl. § 447 Rn. 82 ff; OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 1316). Auch. die Incoterms geben für einen bestimmten Inhalt der in Rede stehenden Klausel Entscheidendes nicht her. Angesichts dieser unterschiedlichen Wertungen läßt sich nach wie vor eine abstrakte, allgemein anerkannte Bedeutung der Klauseln „frei ... Bestimmungsort“ und „frei Haus“ nicht feststellen.
Im Streitfall ist davon auszugehen, daß die Parteien mit der Verwendung der in Rede stehenden Klauseln nicht eine Bringschuld vereinbaren und Strasbourg nicht zum Erfüllungsort machen wollten. Vielmehr liegt ein Versendungskauf mit dem Inhalt vor, daß die Klägerin auch die Kosten des Transports der Ware von Lübeck nach Strasbourg tragen sollte. Maßgebend für die Auslegung sind die Telefaxschreiben der Klägerin, vom 20. Dezember 1990 (B1. 46 der Akten) und vom 14. Februar 1991 (B1. 47 der Akten). Wenn es in dem Telefax vom 20. Dezember 1990 heißt: „... Die Lieferung ab Werk ist für den 11.01.1991 vorgesehen .... Der Preis beträgt frei Haus Brumath Nord unverzollt, unversteuert ...“. und im Telefax vom 14. Februar 1991: „... Die oben genannten Preise gelten frei Strasbourg ...“. so zeigt dies deutlich, daß damit nur die Tragung der Transportkosten und möglicherweise die Gefahrtragung geregelt werden sollte. Daß die Klägerin mit der von ihr gebrauchten Formulierungen den Erfüllungsort abweichend vom Regelfall des CISG und des § 447 BGB von Lübeck nach Strasbourg verlegen und damit eine Bringschuld vereinbart wollte, ist ebensowenig ersichtlich wie dargetan ist, daß die Beklagte als Empfängerin dies so verstanden hatte. Das Gegenteil ist der Fall. Die Bezugnahme der Klauseln „frei Haus Brumath“ und „frei Haus Strasbourg“ auf die Formulierung „Preis“ macht deutlich, daß die Klägerin nur die Transportkosten von Lübeck nach Strasbourg tragen wollte. Es ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, daß die Parteien vor, bei und nach Vertragsschluß in Bezug auf den Erfüllungsort ausdrücklich Gespräche geführt hatten.
Daß in den der Beklagten übersandten Schlußscheinen vom 06. September 1991 und vom 24. September 1991 die Formulierungen „Lieferung: frei Haus Brumath unverzollt“ verwendet worden sind, ändert an der Auslegung – worauf schon das Landgericht LGU S. 8 u. mit Recht hingewiesen hat – nichts. Der Schlußschein vom 21. Februar 1991 enthält eine solche Formulierung noch nicht. Es spricht nichts dafür, daß die Parteien, nachdem ihre Vertragsbeziehung auf der Grundlage der beiden Telefaxschreiben vom 20. Dezember 1990 und vom 14. Februar 1991 sowie des Schlußscheines vom 21. Februar 1991 zustande gekommen war, nachträglich im Punkt „Erfüllungsort“ eine andere Regelung getroffen hatten. Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Lübeck ist deshalb nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ gegeben.
II. Der Erfolg der negativen Feststellungsklage scheitert jedoch an § 256 Abs. 1 ZPO. Nach dieser Vorschrift kann auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Dieses Interesse ist nicht (mehr) gegeben.
Das rechtliche Interesse an alsbaldiger Feststellung des Nichtbestehens eines Anspruchs entfällt, wenn eine auf die Durchsetzung desselben Anspruchs gerichtete Leistungsklage erhoben wird und diese einseitig nicht mehr zurückgenommen werden kann (BGHZ 99, 340, 341 ff; NJW 1973, 1500 mwN). Der BGH hat in einem Urteil vom 07. Juli 1994 (NJW 1994, 3107, 3108) diese Rechtsprechung bestätigt und den Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage gegenüber der negativen Feststellungsklage ausdrücklich als zwingend bezeichnet. Unstreitig ist, daß die Beklagte gegen die Klägerin vor dem Tribunal de Grande Instance de Strasbourg eine Schadensersatzklage erhoben hat. Der Geschäftsführer der Komplementär GmbH der Klägerin hat dies im Termin vom 17. August 1993 vor dem Landgericht Lübeck ausdrücklich als richtig eingeräumt (Bl. 216 der Akten). Die Beklagte hat bereits in erster Instanz in ihrem Schriftsatz vom 12. August 1993 S. 14 = Bl. 176 der Akten dargetan, daß die von ihr in Strasbourg erhobene Leistungsklage nicht mehr einseitig zurückgenommen werden könne. Die Klägerin ist dem nicht entgegengetreten. Damit steht fest, daß die in Strasbourg erhobene Leistungsklage nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann.
Dem Vortrag im Schriftsatz vom 07. März 1995 S. 4 = Bl. 277 der Akten, die Leistungsklage in Strasbourg werde derzeitig nicht betrieben, das Verfahren sei von der Prozeßliste des Gerichts gestrichen und damit zumindest vorläufig beendet, hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 14. März 1995 widersprochen. Das Vorbringen der Klägerin zu diesem Punkt ist unsubstantiiert, weil es von Tatsachen nicht untermauert ist. Sie sagt nicht, was es bedeutet, daß das Verfahren von der Prozeßliste gestrichen worden ist. Eine Entscheidung des französischen Gerichts darüber, daß das Verfahren etwa ruht oder ausgesetzt ist, wird nicht vorgelegt. Es fragt sich zudem, warum die Klägerin das Verfahren in Frankreich ihrerseits nicht weiter betreibt. Daß ihr dies rechtlich nicht möglich ist, behauptet sie nicht. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Prozeßvoraussetzung trägt die Klägerin. Der Senat hat daher keinen Anlaß über die Frage zu befinden, ob ein einmal entfallenes rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Nichtbestehens eines Anspruchs wieder aufleben kann und unter welchen Voraussetzungen dies anzunehmen ist.
Es ist weiterhin kein Grund dafür ersichtlich, daß die Leistungsklage, die das besondere Feststellungsinteresse der negativen Feststellungsklage entfallen läßt, vor einem deutschen Gericht erhoben werden muß. So wird auch im Hinblick auf § 261 ZPO die Rechtshängigkeit mit dem Rechtshängigwerden vor einem ausländischen Gericht nach dem dort geltenden Recht begründet, sofern mit der Anerkennung der Entscheidung zu rechnen ist (Thomas/Putzo, ZPO, 19. Aufl. § 261 Rn. 2 mwN).
Es ist außerdem nicht anzunehmen, daß das rechtliche Interesse an alsbaldiger Feststellung des Nichtbestehens eines Anspruchs im Falle der späteren Erhebung einer einseitig nicht mehr zurücknehmbaren Leistungsklage nur entfällt, wenn die Leistungsklage vor einem zuständigen Gericht angebracht wird. Jedes Gericht kann grundsätzlich nur über seine eigene Zuständigkeit befinden. Die Entscheidung über die Zuständigkeit des von der Beklagten angerufenen Tribunal de Grande Instance de Strasbourg kann deshalb nur dieses Gericht und nicht der Senat verbindlich treffen. Ob wegen der im Streit stehenden Gerichtsstandsvereinbarung in den AGB der Klägerin eine Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit begründet werden konnte, ist im Hinblick auf die damit im Zusammenhang stehenden Fragen nach Art. 17 EuGVÜ sehr problematisch. Der Senat kann diese Fragen jedenfalls nicht verbindlich für das französische Gericht entscheiden. Nach alledem ist davon auszugehen, daß mit der Erhebung der einseitig nicht mehr zurücknehmbaren Leistungsklage nach dem höchstrichterlich anerkannten Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage vor der negativen Feststellungsklage das Feststellungsinteresse für die anhängige negative Feststellungsklage entfallen ist.
Daß das Urteil des EuGH vom 08. Dezember 1987 in Sachen Gubisch/Palumbo (IPRax 1989, 157) Auswirkung auf diesen vom BGH in ständiger Rechtsprechung vertretenen und von der Literatur ganz überwiegend befürworteten Grundsatz hat, ist nicht anzunehmen. Der EuGH hatte die Konstellation zu entscheiden, daß zuerst vor einem deutschen Gericht auf Zahlung eines Kaufpreises geklagt und später vor einem italienischen Gericht die Feststellung der Unwirksamkeit oder die Auflösung eines internationalen Kaufvertrages begehrt worden ist. Der EuGH hatte auf Vorlage des italienischen Gerichts bejaht, daß bei dieser Konstellation der Begriff der Rechtshängigkeit iSv Art. 21 des EuGVÜ zu bejahen ist. Mit dem gegebenen Fall einer auf Erfüllung einer Forderung gerichteten Leistungsklage und einer dieselbe Forderung leugnenden, negativen Feststellungsklage, gleichviel welche Klage zuerst erhoben worden ist, hat sich der EuGH in seiner vorgenannten Entscheidung nicht zu befassen gehabt. Er hatte deshalb keinen Anlaß zu dieser Prozeßsituation Stellung zu nehmen. Es besteht auch keine Notwendigkeit, die Frage zu entscheiden, ob in einem solchen Fall eine Identität der Streitgegenstände anzunehmen ist. Es soll vielmehr nur darauf hingewiesen werden, daß der Beklagte mit Abweisung einer negativen Feststellungsklage noch keinen Leistungstitel erlangt hat. Sein Rechtschutzbegehren geht über die Wirkung eines die negative Feststellungsklage abweisenden Urteils hinaus. Er muß zur Erlangung eines Vollstreckungstitels seinerseits Klage gegen den Kläger der negativen Feststellungsklage erheben. Daß er dies nur im Wege der Widerklage vor dem Gericht machen kann, das über die negative Feststellungsklage zu entscheiden hätte, ist nicht zu sehen (vgl. dazu die zutreffenden Erwägungen von Leipold in Gedächtnisschrift für Peter Arens, 1993 S. 228 ff, 241 f = Bl. 319 f. der Akten). So hat der BGH in seinem Urteil vom 07. Juli 1994 (aaO) ausdrücklich betont, daß der Beklagte eines negativen Feststellungsverfahrens eine gegenläufige Leistungsklage nachträglich nicht als Widerklage am Gerichtsstand der bereits anhängigen Feststellungsklage erheben müsse.
Im übrigen regeln die Bestimmungen des EuGVÜ in erster Linie Zuständigkeiten und Zuständigkeitskonflikte. Wenn bei Gerichten verschiedener Vertragsstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden, so weist Art. 21 EuGVÜ das später angerufene Gericht an, das Verfahren von Amts wegen auszusetzen, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht. Sobald dies der Fall ist, hat sich das später angerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig zu erklären, Art. 21 Abs. 2 EuGVÜ. Das zuerst angerufene Gericht ist von den Vorschriften des EuGVÜ ausdrücklich nicht betroffen. Das EuGVÜ enthält keine Regelung darüber, in welcher Art und Weise das zuerst angerufene Gericht zu verfahren hat. Insbesondere räumt es dem zuerst angerufenen Gericht nicht die Möglichkeit ein, das Verfahren auszusetzen oder sich zugunsten des später angerufenen Gerichts für unzuständig zu erklären. Dies zeigt, daß das zuerst angerufene Gericht den Rechtsstreit nach seinen verfahrens- und materiellrechtlichen Rechtsvorschriften zu entscheiden hat. Da die Art. 21 – 23 EuGVÜ sich an das Tribunal de Grande Instance de Strasbourg als später angerufenes Gericht richtet und der Senat als zuerst angerufenes Gericht hiervon unmittelbar nicht betroffen ist, kommt es für das Senatsurteil auf die Auslegung des EuGVÜ nicht an. Der Senat hat deshalb keinen Anlaß, die von der Beklagten gestellte Rechtsfrage: „Umfaßt der Begriff der „Rechtshängigkeit“ iSv Art. 21 des Brüsseler Übereinkommens vom 27.9.1968 auch den Fall, daß eine Partei vor dem Gericht eines Vertragsstaates die Feststellung des Nichtbestehens von vertraglichen Schadensersatzansprüchen begehrt, während die andere Partei später vor dem Gericht eines anderen Vertragsstaates auf Schadensersatz aus demselben Vertrag klagt?“ dem EuGH nach Art. 2 Nr. 2 iVm Art. 3 Abs. 2 des Protokolls vom 03. Juni 1971 betreffend die Auslegung des EuGVÜ, BGBl. 72 II 846 zur Vorabentscheidung vorzulegen. Vielmehr ist die negative Feststellungsklage als unzulässig abzuweisen.