Die Parteien streiten um eine Kaufpreisforderung. Die Klägerin stellt in der Bundesrepublik Deutschland Schrägaufzüge und sonstige Gerätschaften her. Die Beklagte, die ihre Niederlassung in Verona hat, vertrieb die von der Klägerin hergestellten Produkte in Italien. Zwischen der Klägerin und der Beklagten wurde am 21.02.1986 ein Vertrag geschlossen, durch den der Beklagten das Recht eingeräumt wurde, allein in Italien die Produkte der Klägerin zu veräußern. Dieser Vertrag hatte eine Laufzeit von drei Jahren.
Am 22. Dezember 1988 vereinbarten die Klägerin und die Beklagte eine Verlängerung der Laufzeit bis zum 31. Dezember 1992.
§ 14 des Vertrages lautet; „Die Gewährleistungen und Lieferungen erfolgen nur nach den Verkaufs- und Lieferbedingungen der Firma C.“ Gemäß § 9 gewährte die Klägerin der Beklagten den Betrag von 500.000,- DM als Höchstkredit, der jährlich neu vereinbart werden sollte.
In §16 heißt es: „Der Verstoß gegen einen Punkt dieses Vertrages berechtigt zur vorzeitigen kurzfristigen Kündigung.“
Hinsichtlich der übrigen Klauseln wird verwiesen auf die Anlage B 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 28.04.1992.
Die Beklagte bestellte im Rahmen dieses Vertrages die konkret abzunehmende Ware nach Ihrem Bedarf. Danach übersandte die Klägerin an die Beklagte jeweils eine Auftragsbestätigung, auf deren Rückseite die Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin abgedruckt waren.
In Ziffer 7 dieser Verkaufs- und Lieferbedingungen heißt es; „Für alle Rechte und Pflichten, die sich aus dem Geschäft mit uns ergeben, gilt für beide Parteien für die Lieferung und die Zahlung X als Erfüllungsort und M als Gerichtsstand. Anstelle des Amtsgerichts M tritt gegebenenfalls das Landgericht Dortmund. Der ausländische Käufer unterwirft sich dem deutschen Recht.“
Hinsichtlich der übrigen Klauseln der Verkaufs- und Lieferbedingungen wird verwiesen auf die Anlage 1 zur Klageschrift. Die Klägerin lieferte aufgrund der jeweiligen Bestellungen Gerätschaften, wobei Rechnungen in Höhe von 350.267,93 DM Offen stehen.
Mit Schreiben vom 27.09.1991 kündigte die Klägerin den am 21.02.1986 mit der Beklagten geschlossenen Vertrag. In dem Schreiben begründete sie die Kündigung damit, dass die Beklagte sich geweigert habe, eine Sicherstellung der Forderung In Höhe von 350.000,- DM nachzuweisen; außerdem habe sich die Gesellschafterzusammensetzung bei der Beklagten geändert.
Die Beklagte erklärte die Aufrechnung mit einer Schadensersatzforderung in Höhe von 423.106,61 DM wegen der fristlosen Kündigung, wobei streitig ist, ob ihr diese Schadensersatzforderung zusteht.
Die Klägerin nimmt seitdem 19.11.1991 einen mit 13,5 % verzinsten Bankkredit in Anspruch.
Die Klägerin verlangt die Zahlung der Rechnungen vom 29.07.1991 In Höhe von 140.369,79 DM, vom 21.08.1991 in Höhe von 129.390,40 DM und vom 13.09.1991 in Höhe von 80.507,74 DM, also insgesamt 350.267,93 DM. Die Klägerin ist der Ansicht, daß die fristlose Kündigung berechtigt gewesen sei. Hierzu behauptet sie, daß der Umsatz der Beklagten rapide zurückgegangen sei, da die Beklagte den italienischen Markt völlig unzureichend bearbeitet habe.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 350.267,93 DM nebst 13,5 % Zinsen seit dem 19.11.1991 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte Ist der Ansicht, dass das Landgericht Dortmund nicht zuständig sei. Außerdem meint sie, daß die fristlose Kündigung der Klägerin ungerechtfertigt gewesen sei. Die Klägerin sei daher verpflichtet, den aus der Kündigung entstandenen Schaden zu ersetzen. Als Schadenspositionen macht die Beklagte geltend einmal den Wert des umfangreichen Lagerbestandes, der durch die Kündigung des Vertrages für sie unbrauchbar geworden sei, sowie einen Gewinnverlust in Höhe von 270.000,- DM.
Die Beklagte behauptet, daß sie 350.000,- DM bei einem, Bankinstitut hinterlegt habe.
Die Beklagte hat am Gericht in Verona eine Klage anhängig gemacht, die der Klägerin, am 28.04.1992 zugestellt worden ist. Mit dieser Klage verlangt sie einmal Feststellung der Unwirksamkeit der durch die Firma C ausgesprochene Kündigung und weiterhin Verurteilung der Firma C zur Leistung von Schadensersatz.
Entscheidungsgründe
Das Zwischenurteil über die Zulässigkeit der Klage ist gemäß §§ 280, 303 ZPO zulässig.
Das Landgericht Dortmund Ist international zuständig gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ.
Die Zuständigkeit richtet sich bei Anrufung eines deutschen Gerichts grundsätzlich nach deutschem Recht (OLG Hamm, RIW 1980,,662). Maßgeblich sind die Regeln der ZPO sowie internationale Verträge. Hier richtet sich die Zuständigkeit nach dem Übereinkommen der europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ).
Das EuGVÜ geht den Zuständigkeitsvorschriften der Zivilprozeßordnung vor (OLG Bamberg, NJW 77,505 (506); OLG Koblenz, RIW 85, 737 (738); Zöller-Vollkommer § 38 Rn. 24).
Das EuGVÜ gilt nur im Verhältnis zu den Vertragsstaaten, zu denen Deutschland und Italien seitdem 01.02.1973 zählen.
Nach Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ ist zwar grundsätzlich in dem Staat zu klagen, in dem die Beklagte ihren Sitz hat, hier also Italien. Aber gemäß Art. 5 bis 18 kann die Beklagte unter bestimmten Voraussetzungen auch in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden.
Zwar haben die Parteien nicht gemäß Art. 17 EuGVÜ wirksam die Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund für eine Kaufpreisklage vereinbart. Eine Gerichtsstandsvereinbarung muß nämlich gemäß Art. 17 EuGVÜ schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung vereinbart worden sein. Die Entscheidung, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt, ist nicht nach nationalem Recht zu treffen, sondern richtet sich nach dem Wortlaut und Zweck des Art. 17 EuGVÜ. Ziel dieser Vorschrift ist es, daß Zuständigkeitsvereinbarungen nicht unbemerkt Inhalt des Vertrages werden (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 3. Aufl. 1991, Art. 17 Rn. 18). Grundsätzlich kann eine Gerichtsstandsvereinbarung zwar in Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffen werden (EuGH, NJW 77, Seite 494) « Voraussetzung ist aber, daß der von beiden unterzeichnete Vertragstext ausdrücklich auf die AGB mit der Gerichtsstandsklausel Bezug nimmt (Kropholler, aaO, Art. 17 Rn. 28). Daran fehlt es hier. Die Parteien haben zwar durch den Alleinvertriebsvertrag vom 21.02.1986 die nachfolgenden einzelnen Kaufverträge geregelt. Durch §14 dieses Vertrages haben sie aber die Anwendung der Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin ausdrücklich auf die Gewährleistung und Lieferung, also die Pflichten der Klägerin, beschränkt. Die Kaufpreiszahlung als Pflicht der Beklagten ist nicht in § 14 dieses Vertrages erwähnt.
Mangels einer vereinbarten Zuständigkeit nach Art. 17 EuGVÜ folgt die Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund aber aus Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ. Danach kann die Beklagte auch vor deutschen Gerichten verklagt werden, sofern Ansprüche aus dem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, die in Deutschland zu erfüllen gewesen wären. Abzustellen ist dabei auf den Erfüllungsort des Zahlungsanspruchs, da bei der Bestimmung des Erfüllungsortes der Erfüllungsort der Verpflichtung maßgeblich ist, die den Gegenstand der Klage bildet (EuGH, NJW 77, 490, Zöller-Geimer, Art. 5 GVÜ Anhang Rn. 2, Linke, Internationales Zivilprozeßrecht, Rn. 155).
Zwar haben die Parteien nicht durch Ziff. 7 der Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin X als Erfüllungsort vereinbart; denn §14 des Alleinvertriebsvertrages schließt die Geltung der Verkaufs- und Lieferungsbedingungen für den Zahlungsanspruch nicht ein. Die Auslegung des Alleinvertriebsvertrages, nach der sich auch die Frage bestimmt, ob die Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin auch für den Zahlungsanspruch gelten, richtet sich nach italienischem Recht: Nach deutschem Kollisionsrecht, Art. 32 EGBGB, ist für die Auslegung eines Vertrages nach Art. 27 bis 30 EGBGB auf auf den Vertrag anzuwendende Recht maßgeblich. Maßgebliches Recht für den Alleinvertriebsvertrag ist italienisches Recht.
Gemäß Art. 28 Abs. 1 EGBGB gilt das nationale Recht, mit dem der Vertrag die engste Bindung aufweist. Gemäß Art. 28 Abs. 2 EGBGB wird vermutet, daß die Vertrag die engste Bindung zu dem Staat aufweist, in dem die charakteristische Leistung zu erbringen ist, d.h. die Leistung, die dem Vertragstyp seine Eigenart verleiht (Palandt, Art. 28 EGBGB Rn. 3). Für den Alleinvertriebsvertrag ist die charakteristische Leistung nicht die in § 2 dieses Vertrages festgelegte Pflicht der Klägerin weder andere Vertragshändler noch Verbraucher In Italien zu beliefern, weil es sich insoweit um eine Unterlassungspflicht handelt, die nicht zur Bestimmung der charakteristischen Leistung herangezogen werden kann (Reithmann-Martiny, Internationales Privatrecht, 4. Aufl. 1988, Rn. 786). Die charakteristischen Leistungen des Vertrages sind die Leistungspflichten der Beklagten.
Diese bilden den Schwerpunkt des Alleinvertriebsvertrages.
Bei den Leistungspflichten der Beklagten treten die Pflichten In den Vordergrund, wie die, den Absatz der Waren in Italien zu fördern und den Vertrieb in Italien zu organisieren.
Diesen Pflichten steht im Wesentlichen lediglich die Pflicht der Klägerin gegenüber, mit der Beklagten Einzelverträge über die Lieferung von Schrägaufzügen abzuschließen.
Nach italienischem Recht richtet sich die Vertragsauslegung nach Art. 1362 bis 1371 codice civile. Nach der Grundsatzregel des Art. 1362 codice civile ist bei der Auslegung des Vertrages der wahre Wille der Parteien zu erforschen. Nach § 1362 sind die einzelnen Vereinbarungen mit Hilfe der anderen auszulegen. Unter Berücksichtigung dieser Vorschriften ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß nach dem Willen der Parteien die Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin nicht für die Kaufpreiszahlung gelten sollten.
In § 14 des Alleinvertriebsvertrages haben die Parteien die Anwendung der Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin auf die einzelnen noch abzuschließenden Kaufverträge ausdrücklich nur für die Gewährleistung und die Lieferung, also die Pflichten der Klägerin vereinbart. Für die Nichteinbeziehung der Verkaufs- und Lieferbedingungen bezüglich der Kaufpreiszahlung spricht auch, daß in dem Alleinvertriebsvertrag die Parteien in §§ 6 bis 8 sehr detailliert die Zahlungsmodalitäten wie Zahlungsweg und Zahlungsfristen bestimmt haben.
Da die Parteien somit keine Erfüllungsortvereinbarung getroffen haben, richtet sich der Erfüllungsort der Kaufpreiszahlung nach den gesetzlichen Vorschriften, nämlich entweder dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11. April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf (UNKaufÜ), dem Italien seit dem 01.01.1988 und die Bundesrepublik Deutschland seit dem 01.01.1991 beigetreten ist, sofern man auf die abgeschlossenen Einzelverträge abstellt oder das einheitliche Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen (EKG), wenn man auf den vor dem Beitritt der Staaten Italien und Bundesrepublik Deutschland liegenden Abschluß des Alleinvertriebsvertrages zwischen den Partelen abstellt. Da die Regelungen des Art. 59 EKG und des Art. 57 Abs. 1 a des UNKaufÜ letztlich im Ergebnis übereinstimmen, bedarf die Frage, ob auf die einzelnen Kaufverträge oder auf den Alleinvertriebsvertrag abzustellen ist, letztlich keiner Klärung.
Nach beiden Vorschriften, die auch durch die abgeschlossenen Verträge nicht ausgeschlossen worden sind, da die Verkaufs- und Lieferbedingungen nach dem gesamten Charakter der getroffenen Regelungen auf die Kaufpreiszahlung, wie bereits erläutert, nicht anwendbar sind, ist der Erfüllungsort der Kaufpreiszahlung X, da die Kaufpreiszahlung eine Bringschuld ist.
Hinsichtlich der sonstigen örtlichen, sachlichen und funktionellen Zuständigkeit ergeben sich im vorliegenden Rechtsstreit keine Besonderheiten und Bedenken.