Der Kläger, der Automobilkaufmann ist, wurde im Herbst 1993 von dem deutschen Bevollmächtigten der Beklagten, Rechtsanwalt … , beauftragt, ein im Eigentum der Beklagten stehendes Kraftfahrzeug, Mercedes Benz 500 SL, welches gestohlen und von der Polizei in … sichergestellt worden war, nach … zu überführen und auf seinem dortigen Betriebsgelände unterzustellen. Der Kläger erklärte sein Interesse am Erwerb des Autos. Die Beklagte, die ihrerseits das Auto verkaufen wollte, ließ dem Kläger in der Folge den Kraftfahrzeugschein und einen Auszug aus dem öffentlichen Automobilregister über Rechtsanwalt … zukommen. In beiden Urkunden ist das Jahr der Erstzulassung des Kraftfahrzeuges mit 1992 angegeben. Die Angabe des Baujahres ist in dem Registerblatt offen gelassen.
Diese Angaben sind insofern irreführend, als das Kraftfahrzeug tatsächlich 1990 erstmals in Deutschland zugelassen worden war. Unstreitig ist weiter, daß das Auto bis zu seiner Ausfuhr nach Italien im Frühjahr 1992 bei dem Vorbesitzer ca. 65.000 km gelaufen hat. Der km-Stand betrug bei der Sicherstellung in Tübingen 14.846 km.
Aufgrund der vorgelegten Unterlagen erklärte sich der Kläger bereit, das Fahrzeug für 90.000 DM zu erwerben. Nach Übersendung eines Schecks an die Beklagte erteilte diese unter dem 15.12.1993 eine Rechnung, in der es nach der deutschen Übersetzung heißt, daß das Fahrzeug „wie besichtigt und angenommen, ohne jegliche Verantwortung“ verkauft sei.
In der Folge verkaufte der Kläger das Fahrzeug seinerseits an eine Firma … GmbH in … für 95.000 DM inklusive Mehrwertsteuer. Anläßlich einer Reparatur in einer Mercedes-Niederlassung wurde festgestellt, daß das Fahrzeug bereits im März 1990 erstmals zugelassen worden war und der km-Zähler die tatsächlich gefahrenen Kilometer nicht zutreffend wiedergab. Mit dem Erwerber des Kraftfahrzeuges einigte sich der Kläger auf Zahlung eines Schadensersatzbetrages von 20.000 DM.
Der Kläger verlangt nunmehr von der Beklagten Zahlung dieser Summe. Hilfsweise verweist er darauf, daß die Beklagte in ihrer Rechnung nicht die Mehrwertsteuer ausgewiesen habe. Folge hiervon sei es gewesen, daß er keinen Vorsteuerabzug habe vornehmen können. Hierdurch sei ihm ein weiterer Schaden in Höhe von 7.391,30 DM entstanden.
Die Beklagte habe dafür einzustehen, daß das Fahrzeug nicht erst 1992, sondern bereits 1990 erstmals zugelassen worden sei und das Fahrzeug eine um 50.000 km höhere Fahrleistung gehabt habe, als der km-Zähler angegeben habe. Der Kläger ist der Auffassung, in der Übersendung der Unterlagen über das Fahrzeug liege eine Zusicherung der Erstzulassung 1992. Des weiteren macht er geltend, daß es unglaubwürdig sei, daß die Beklagte sich nicht über die näheren Einzelheiten des Fahrzeuges bei Ankauf informiert habe. Das sei schon deshalb notwendig gewesen, um sinnvoll die Leasing-Raten für das Fahrzeug zu ermitteln. Daß der Beklagten das tatsächliche Baujahr und die tatsächliche Laufleistung bekannt gewesen sei, ergebe sich auch aus dem gezahlten Kaufpreis in Höhe von 130 Mio Lire. Da es sich nach der Vorstellung der Beklagten um ein nahezu neuwertiges Fahrzeug gehandelt haben müsse, habe sie das Auto damit um ca. 50 Mio Lire, was 66.000 DM entspricht, zu billig erworben. Im übrigen, so der Kläger weiter, hätten im Laufe des Rechtsstreits erfolgte Nachfragen ergeben, daß der Kraftfahrzeugschein des Fahrzeuges als Tag der Einfuhr den 03.07.-1990 beinhalte (Bl. 82 der Akten). Dies werde auch durch die Einfuhrbestätigung der Zollinspektion Como (Bl. 83) bestätigt.
Gegen die Beklagte ist am 08.06.1995 antragsgemäß Versäumnisurteil auf Zahlung von 20.000 DM nebst 12 % Zinsen seit dem 21.04.1994 ergangen.
Der Kläger beantragt nunmehr, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, daß sie keine Kenntnis davon gehabt habe, daß das Fahrzeug bereits 1990 erstmals zugelassen worden sei und der km-Zähler nicht die tatsächlich gefahrenen Kilometer zutreffend wiedergegeben habe. Sie habe das Auto als Gebrauchtwagen von einer Firma … im April 1992 erworben. über das Kraftfahrzeug seien Papiere der italienischen Behörden ausgestellt worden, aus denen sich nur ergeben habe, daß das Fahrzeug 1992 erstmalig zugelassen worden sei. Informationen des Importeurs müsse sich die Beklagte nicht zurechnen lassen. Ihre Haftung sei im übrigen ausgeschlossen, da der Kläger zuerst den Scheck über 90.000 DM übersandt habe und es erst danach zum Abschluß des Kaufvertrags gekommen sei. Im übrigen sei eine Zusicherung der Erstzulassung und der km-Leistung nicht erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Der Kläger kann von der Beklagten gemäß Artikel 74, 35, 45 Abs. 1 b des Übereinkommens der Vereinten Nationen über den internationalen Warenkauf – CISG – vom 11.04.1980 (BGBl 1989 II S. 588) Zahlung von 20.000 DM Schadensersatz verlangen.
Das UN-Abkommen ist anwendbar. Gemäß seinem Artikel 1 Abs. 1 gilt es für Kaufverträge über Waren zwischen Parteien, die ihre Niederlassung in verschiedenen Vertragstaaten haben. Verträge über Waren in diesem Sinne sind bewegliche Sachen, die Gegenstand des Handelsverkehrs sein können (vgl. Piltz, Internationales Kaufrecht, 1993, § 2 Rn. 48). Nach Art. 2 des Abkommens sind Käufe über Waren für den persönlichen Gebrauch ausgeschlossen. Darum handelt es sich hier nicht, da der Kläger Automobilkaufmann ist und das Auto im Rahmen seines Geschäftsbetriebes angekauft und später veräußert hat.
Nach Art. 45 Abs. 1 des Abkommens kann der Käufer Schadensersatz nach den Art. 74 ff verlangen, wenn der Verkäufer einer seiner Pflichten nach dem Vertrag oder dem Übereinkommen nicht nachkommt.
Im Gegensatz zum BGB macht das UN-Kaufrecht keinen Unterschied zwischen Mangel und zugesicherter Eigenschaft (vgl. Piltz aaO, § 5 Rn. 25), sondern spricht nur von „Vertragsgemäßheit“. Hätte die Beklagte das Baujahr 1992 und den tatsächlichen km-Stand „zugesichert“, wäre allerdings von Vertragswidrigkeit im vorgenannten Sinne auszugehen. Aus den überreichten Unterlagen über das Fahrzeug ist indes nur zu entnehmen, daß die Zulassung in Italien 1992 erfolgt ist. Eine vertraglich zugesicherte Beschaffenheit in dem Sinne, daß Erstzulassung gleich Baujahr bedeutet, liegt in der bloßen Übergabe dieser Unterlagen durch den Bevollmächtigten der Beklagten, Rechtsanwalt S., an den Kläger jedoch nicht.
Allerdings ist der in Artikel 35 Abs. 1 umschriebene Begriff der Vertragswidrigkeit weit zu verstehen. Jede Lieferung, die in Erfüllung eines Vertrages erfolgt und nicht dessen Anforderungen entspricht, wird als vertragswidrig angesehen (vgl. Piltz in Graf von Westphalen, Handbuch des Kaufvertragsrechts in den EG-Staaten, 1992 Rn. 135). In diesem Sinne war das Kraftfahrzeug fehlerhaft. Denn unstreitig erfolgte die Erstzulassung in Deutschland bereits 1990, außerdem hatte es eine um 50.000 km höhere Laufleistung als auf dem km-Zähler angegeben.
Von einer damit grundsätzlich gegebenen Schadensersatzpflicht hätte sich die Beklagte nur unter den Voraussetzungen des Artikel 79 des Abkommens befreien können. Art. 79 gewährt dem Schuldner eine Entlastungsmöglichkeit dafür, daß die Nichterfüllung auf einem außerhalb seines Einflußbereiches liegenden Hinderungsgrund beruht und von ihm vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund bei Vertragsabschluß in Betracht zu ziehen oder den Hinderungsgrund oder seine Folgen zu vermeiden oder zu überwinden. Die Entlastung des Verkäufers wegen eines schon bei Vertragsschluß bestehenden Sachmangels ist damit nicht ausgeschlossen. Bei einem verdeckten Mangel, der mit Methoden, die einer vernünftigen Person in der Lage des Verkäufers zuzumuten waren, nicht hätte entdeckt werden können, ist er entlastet (vgl. Stoll in v. Caemmerer/ Schlechtriem, Kommentar zum einheitlichen UN-Kaufrecht – CISG – 2. Auflage, 1995, Art. 79 Rn. 45). Diesen Entlastungsbeweis hat die Beklagte nicht geführt. Aus den im Laufe des Rechtsstreits von dem Kläger ergänzend überreichten Unterlagen, nämlich dem Kraftfahrzeugschein (der sogenannten „Targa“) und der Bescheinigung der Zollinspektion Como bestehen keine Zweifel, daß es auch der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen wäre, durch Nachfragen zu ermitteln, daß das Fahrzeug nicht erstmals 1992 in Italien zugelassen worden war, sondern bereits 1990 in Deutschland. Diese Unterlagen, deren Richtigkeit die Beklagte nicht bestritten hat, stehen daher von vornherein der Annahme entgegen, für die Klägerin habe keine Möglichkeit bestanden, mit zumutbarem Aufwand nähere Einzelheiten über den Kaufgegenstand in Erfahrung zu bringen.
Das Kraftfahrzeug ist nicht mit einem Gewährleistungsausschluß an den Kläger verkauft worden. Die Beklagte hat ihr Vorbringen, der Kläger habe das Auto gekauft, nachdem er den Scheck übersandt hatte, nicht unter Beweis gestellt und ist damit insoweit beweisfällig geblieben.
Mithin war der Klage in vollem Umfang stattzugeben.
Die Zinsentscheidung beruht auf § 352 HGB. Der Kläger hat nicht nachgewiesen, daß er einen höheren Zinsschaden gehabt hat.