Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Herausgabe des Erlöses in Anspruch, den letztere aus der Veräußerung von Waren erzielt hat, die die Klägerin an zwei in Bocholt ansässige Firmen lieferte.
Bei diesen Firmen handelt es sich zum einen um die ... im folgenden als „Firma ...“ bezeichnet – und zum anderen um die Firma ... – nachstehend als „Firma ... bezeichnet –‚ die durch den Zeugen ...‚ der sowohl Geschäftsführer der ... als auch Treuhand-Gesellschafter der Firma ist, wirtschaftlich miteinander verflochten sind. Über das Vermögen beider Firmen ist am 23. September 1987 das Konkursverfahren eröffnet worden.
Bei Konkurseröffnung. hatte die Firma die von der Klägerin fakturierten Rechnungen Nr. 307, 313 und 319 vom 12., 13. und 20. September 1985 noch nicht vollständig beglichen, die die Lieferung von Garnen der Qualitäten „Graciella“ und „Angora“ betrafen. Durch Versäumnisurteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster vom 9. September 1987 (21 O 7/87) wurde die Firma ... dieserhalb zur Zahlung eines Restkaufpreises von 42.886,19 DM verurteilt (Bl. 75, 76 BA).
Zu Lasten der Firma ... standen bei Konkurseröffnung die beiden Rechnungen Nr. 3 und 58 vom 2. und 27. Januar 1986 noch teilweise offen, welche Garn–Lieferungen der Sorten „Renata“ und „Diana“ zum Gegenstand hatten.
Dieserhalb hatte die 1. Kammer für Handeissachen des Landgerichts Münster durch Versäumnisurteil vom 9. September 1987 (21 O 246/86) gegen die Firma ... auf Zahlung eines Restkaufpreises in Höhe von 256.888,80 DM erkannt (Bl. 89, 90 BA).
Beide Firmen legten gegen die Versäumnisurteile vom 9. September 1987 jeweils mit Schriftsatz vom 25. September 1987 fristgerecht Einspruch ein. Durch das jeweils am 23. September 1987 eröffnete Konkursverfahren waren indessen beide Rechtsstreigkeiten gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden. Auf Grund des bereits im Juli 1987 bezüglich beider Firmen gestellten Vergleichsantrags war Rechtsanwalt ... aus ... – dem die Klägerin in erster Instanz den Streit verkündet hat, ohne daß jener daraufhin dem Rechtsstreit beigetreten ist – zum Sequester bestellt worden.
Im Dezember 1986 hatte die Firma ... – im folgenden als Firma ... bezeichnet – in ... ihren Geschäftsbetrieb aufgenommen, die von dem Zeugen ... als Geschäftsführer ihrer Komplementär–GmbH geführt wurde. Ende 1986/Anfang 1987 wurde der gesamte Garnbereich aus den Firmen ... sowie ... herausgelöst und auf die neu gegründete Firma ... übertragen. Letztere wurde von der Beklagten im Verbund mit der Volksbank ... um die Jahreswende 1986/1987 mit Krediten in Höhe von insgesamt 7.870.000,‑– DM ausgestattet.
Zur Sicherung dieser Kredite übereignete die Firma ... – handelnd durch den Zeugen ... als Geschäftsführer ihrer Komplementär–GmbH – durch den Vertrag vom 16. Januar 1987 (Bl. 31, 32 GA) ihre in vier verschiedenen Lagern untergebrachten Warenvorräte an die Beklagte. Unter diesen Vorräten befanden sich auch Garne mit den Sorten–Bezeichnungen „Graciella“ und „Renata“ Davon veräußerte die Beklagte, nachdem sie die der Firma ... gewährten Darlehen gekündigt hatte; Lagerbestände an Dritte weiter, und zwar von der Sorte „Renata“ 1.778,9 kg zu einem Preis von 9,70 DM/kg und 1.500 kg für 18,‑ DM/kg sowie 2.088 kg der Sorte „Graciella“ zu einem Preis von 25,‑ DM/kg. Insgesamt erzielte sie auf diese Weise einen Erlös von 96.455,33 DM.
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Herausgabe dieses Veräußerungserlöses in Anspruch. Sie hat dazu behauptet, bei den von der Beklagten verkauften Garnen habe es sich um die von ihr an die Firmen ... und ... gelieferten Qualitäten „Gracilla“ und „Renata“ gehandelt.
Diese seien auch trotz des Sicherungsübereignungsvertrages zwischen der Firma und der Beklagten vom 26. Januar 1987 noch in ihrem Eigentum verblieben. Denn bei Aufnahme der Geschäftsbeziehungen mit ihren Geschäftspartnern ... sowie ... habe sie – die Klägerin – die Vereinbarung getroffen, daß sämtliche gelieferten Waren solange in ihrem Eigentum verbleiben sollten, bis alle noch offenstehenden Rechnungen beglichen seien.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 94.455,33 DM nebst 12,5 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zunächst bestritten, daß die von ihr weiterveräußerten Garne der Sorten „Graciella“ und „Renata“ aus Lieferungen der Klägerin stammten. Des weiteren hat sie in Abrede gestellt, daß zwischen der Klägerin und den Firmen ... und ... überhaupt ein Eigentumsvorbehalt in irgendeiner Form vereinbart worden sei. Im übrigen habe sie – zumindest gutgläubig – aufgrund des Sicherungsübereignungsvertrages vorn 16. Januar 1987 Eigentum an den streitgegenständlichen Garnen erworben, die ihr am 2. Juli 1987 auch körperlich übergeben worden seien.
Auf Grund des Beweisbeschlusses vom 19. Oktober 1988 (Bl. 76, 77 GA) hat das Landgericht durch Vernehmung der Zeugen ... und ... Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 1. Dezember 1988 (Bl. 88 bis 93 GA) verwiesen.
Durch Urteil vom 22. Dezember 1988 hat das Landgericht sodann die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, daß das Eigentum der Klägerin an dem von der Beklagten veräußerten Garnen der Qualitäten „Graciella“ und „Renata“ nicht habe festgestellt werden können. Auf Grund der Zeugenaussagen sei lediglich ein einfacher Eigentumsvorbehalt – nicht hingegen ein sog. „Kontokorrentvorbehalt“ – zugunsten der Klägerin erwiesen. Dieser reiche indessen nicht aus, da nicht auszuschließen sei, daß die von der Beklagten verwerteten Warenbestände zumindest zum Teil bereits bezahlt und somit in das Eigentum der Firmen ... und ... übergegangen seien. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (31. 101 bis 106 GA) verwiesen.
Mit ihrer form– und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel aus erster Instanz weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und vertritt zusätzlich die Auffassung, die von der Beklagten verwerteten Garne seien bereits deshalb nicht wirksam an diese sicherungsübereignet worden, da entgegen den Erfordernissen des Vertrages vom 26. Januar 1987 die in den vier Lagern befindlichen Waren nicht genau gekennzeichnet und Bestandsverzeichnisse nicht erstellt worden seien.
Unter Richtigstellung des in erster Instanz um 2.000,‑ DM zu gering errechneten Erlöses beantragt die Klägerin,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 96.455,33 DM nebst 12,5 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
1. die Berufung zurückzuweisen;
2. ihr nachzulassen, die Sicherheit auch durch Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
Auch die Beklagte wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus erster Instanz. Sie beruft sich zusätzlich darauf, daß die in den Verfahren 21 O 246/86 und 21 O 7/87 durch die Versäumnisurteile des Landgerichts Münster zugunsten der Klägerin ausgeurteilten Restkaufpreisforderungen durch die von den Firmen ... und ... in jenen Verfahren erklärten Aufrechnungen und hilfsweise erhobenen Widerklagen zum Erlöschen gebracht worden seien.
Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen in erster und zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze nebst den dazu überreichten Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat über die Frage, ob zwischen der Klägerin einerseits und den Firmen ... und ... andererseits ein Kontokorrentvorbehalt vereinbart worden ist, Beweis erhoben durch erstmalige Vernehmung des Zeugen ... und nochmalige Anhörung der Zeugen ... und .... Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll des Senatstermins vom 13. Juli 1989 (Bl. 207 bis 209 GA) sowie auf den „Vermerk des Berichterstatters über die Beweisaufnahme im Senatstermin am 13. Juli 1989“ (Bl. 219 bis 223 GA) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat zum weitaus überwiegenden Teil Erfolg; ihrer Klage war im rechnerisch berichtigten Umfang (von 96.455,33 DM – bis auf die Höhe des geforderten Zinssatzes von 12,5 % – stattzugeben.
Zwar waren der Klägerin auf den zuerkannten Betrag von 96.455,33 DM Prozeßzinsen in gesetzlicher Höhe von 4 % seit dem 21. Mai 1988 gemäß § 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB zuzusprechen. Die Zubilligung eines höheren Zinssatzes schied zugunsten der Klägerin indessen aus, da sie die Entstehung eines höheren Verzugsschadens nach Rechtshängigkeit im Sinne von § 288 Abs. 2 BGB nicht nachgewiesen hat. Insbesondere kann die in erster Instanz mit Schriftsatz vom 15. August 1988 überreichte Mitteilung der ... vom 1. August 1988 (Bl. 57, 59 GA) nicht als eine zur Führung dieses Nachweises geeignete Kreditbescheinigung angesehen werden.
Im übrigen ist die Klägerin jedoch berechtigt, gemäß § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB von der Beklagten den aus der Veräußerung der Garne der Sorten „Renata“ (44.255,33 DM) und „Graciella“ (52.200,‑ DM) insgesamt erzielten Kaufpreis von 96.455,33 DM herauszuverlangen. Denn die Beklagte hat als Nichtberechtigte durch die Veräußerung dieser Garne an Dritte eine Verfügung gemäß § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB getroffen, die der Klägerin als (Noch–)Eigentümerin und darum Berechtigter gegenüber Wirksamkeit erlangt hat, weil letztere sie in Gestalt der vorliegend erhobenen Klage auf Zahlung des Verkaufserlöses nach § 185 Abs. 2 Satz 1 BGB stillschweigend genehmigt hat.
Die Klägerin war im Zeitpunkt der Veräußerung durch die Beklagte noch Eigentümerin der Garne der Qualitäten „Graciella“ und „Renata“, weil den Geschäftsbeziehungen mit ihren Abnehmern – den Firmen ... und ... – ein Kontokorrentvorbehalt zugrundegelegt worden war (I). Dieser erweiterte Eigentumsvorbehalt ist auch nicht aufgrund eines gutgläubigen Erwerbs von Seiten der Beklagten aufgrund des Sicherungsübereignungsvertrages vom 26. Januar 1987 mit der Firma ... gemäß §§ 930, 932 Abs. 2, 933 BGB erloschen (II).
I. Die Klägerin hat ihr Eigentum – ihre „Berechtigung“ im Sinne von § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB – an den von ihr an die Firmen ... und ... gelieferten Garnen der Qualitäten „Graciella“ und „Renata“ auch infolge der Verfügung der Beklagten nicht verloren, weil ihrer Geschäftsverbindung mit diesen beiden Firmen die Vereinbarung eines Kontokorrentvorbehalts – auch als „Geschäftsverbindungsklausel“ bezeichnet – zugrunde lag. Der Klägerin war dadurch das Eigentum solange reserviert, bis – was tatsächlich nicht eingetreten ist – ihre sämtlichen Forderungen aus der Geschäftsverbindung vollständig beglichen worden wären.
1. Da es sich bei den Geschäftsbeziehungen zwischen der Klägerin einerseits sowie den Firmen ... und ... andererseits um internationale Warenlieferungsverträge gehandelt hat, war vorab die Frage zu beantworten, welches – nationale oder internationale – Kaufrecht auf diese Vertragsbeziehungen Anwendung zu finden hatte. Die hier vor allem wegen ihrer sachenrechtlichen Konsequenzen bedeutsame Frage hat der Senat dahin beantwortet, daß der zwischen der italienischen Lieferantin und ihren beiden deutschen Abnehmer–Firmen vereinbarte Eigentumsvorbehalt nach deutschem Recht zu beurteilen ist.
Dies ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen des deutschen internationalen Privatrechts; etwa vorrangige völkerrechtliche Verträge gelangen nicht zur Anwendung (vgl. Piltz, „Internationales Kaufrecht“, NJW 1989/615 ff.): So war zwar einerseits das in der Bundesrepublik seit dem 16. April 19714 gültige Haager Einheitliche Kaufgesetz (EKG) auch in Italien bis zum 31. Dezember 1987 in Kraft. Dieses enthält indessen keine Regelung über den Eigentumsvorbehalt (Münchener Kommentar – Westermann, 2. Aufl. 1988, § 1455 BGB, Rndr. 11). Das in Italien mit Wirkung vom 1 Januar 1988 an die Stelle des EKG getretene ‚Wiener UNCITRAL–Übereinkommen über internationale Warenkaufverträge vom 11. April 1980 ist von der Bundesrepublik Deutschland bisher lediglich paraphiert, nicht jedoch ratifiziert.
Ebenso gelangt das Gesetz zur Neuregelung des internationalen Privatrechts vom 25. Juli 1986 – wie es in den neugefaßten Artikeln 27 ff. EGBGB seinen Niederschlag gefunden hat – vorliegend nicht zur Anwendung, da es gemäß Art. 220 Abs. 1 EGBGB noch nicht für vor dem 1. September 1986 abgeschlossene Verträge gilt. Infolgedessen beruft sich der Senat für seine Entscheidung einerseits auf den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Präzedenzfall BGHZ 45/95 ff., der ebenfalls einen grenzüberschreitenden Kaufvertrag zwischen einem italienischen Lieferanten und einem deutschen Käufer zum Gegenstand hatte. Dort hat der Bundesgerichtshof die Anwendung deutschen Rechts für den Zeitpunkt nach Eintreffen der Ware an ihrem Bestimmungsort beim Käufer damit gerechtfertigt, daß die Vertragspartner beiderseits Wert auf einen in der Bundesrepublik wirksamen Eigentumsvorbehalt gelegt hätten und dafür nach ihrer Vorstellung die Einhaltung der Formvorschriften des italienischen Rechts nicht erforderlich gewesen sei. Nur im Wege einer fiktiven Rückübereignung meinte der Bundesgerichtshof, den nach Art. 1523 codice civile nur zwischen den Parteien des Kaufvertrages wirksamen – weil formlos vereinbarten – Eigentumsvorbehalt in einen solchen mit absoluter Wirksamkeit nach deutschem Recht umdeuten zu können.
In der Rechtslehre (vgl. Kegel, „Lehrbuch des internationalen Privatrechts“, 6. Aufl., 1987, § 19 III mwN) wird hingegen für die Beurteilung eines Eigentumsvorbehalts an Exportware ein auf den mutmaßlichen Parteiwillen gestützter „Statutenwechsel“ an der Grenze angenommen: Bei nach dem Willen der Vertragsparteien reisender Ware bestimmen sich Entstehung, Inhalt, Übergang und Untergang vereinbarter Rechte bis zum Eintritt in das Ankunftsland nach dem Recht des Absendestaates, von da an nach dem Recht des Ankunftslandes.
Unter Zugrundelegung dieser herrschenden Rechtsmeinung bestand für den Senat Raum, den zwischen der Klägerin einerseits und den Firmen ... und ... andererseits in Betracht kommenden Eigentumsvorbehalt nach deutschem Recht sowohl in seiner vom Gesetz vorgegebenen Ausprägung des § 455 BGB als auch unter Hinzunahme seiner durch die Rechtsprechung deutscher Gerichte fortentwickelten Gestalt des Kontokorrentvorbehalts (Geschäftsverbindungsklausel) zu beurteilen.
2. Aufgrund der im Senatstermin am 13. Juli 1989 durchgeführten Beweisaufnahme hat der Senat die Überzeugung gewonnen, daß die Klägerin mit ihren beiden Kundinnen – den Firmen ... und ... – sowohl bei Besprechungen in der Agentur ... in ... als auch in den Büroräumen der Klägerin in ... bei Aufnahme der jeweiligen Geschäftsbeziehungen im Zeitraum Herbst 1984/Frühjahr 1985 dahin übereingekommen ist, daß die von der Klägerin zu liefernden Garne sämtlich solange in ihrem Eigentum verbleiben sollten, bis auch die letzte noch offene Kaufpreisforderung vollständig ausgeglichen worden ist. Damit ist ein erweiterter Eigentumsvorbehalt in Gestalt des von der Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland gebilligten Kontokorrentvorbehalts als erwiesen anzusehen.
Insbesondere die in sich stimmigen und sehr detaillierten Aussagen des Geschäftsführers ... der Komplementär-GmbH der Firma ... einerseits und des Direktors bei der Klägerin ... andererseits haben dem Senat diese Überzeugung vermittelt. Gerade die Bekundungen des Zeugen ... haben in diesem Zusammenhang eine Lücke in der Beweiskette der ersten Instanz geschlossen, die das Landgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils (Seite 7 = Bl. 104 GA: „Doch ist die tatsächliche Vorstellung des Verkaufsleiters ... der Klägerin nicht dargetan“) selbst aufgezeigt hat.
Dabei hat der Zeuge ... dem Senat auch plausibel zu erklären vermocht, daß der von der Klägerin auf ihren Rechnungen an die Firmen ... und ... verwandte Stempelaufdruck „Die Ware besitzt ... bis zur Erhaltung der Bezahlung“ nicht etwa als Reduktion des ursprünglich vereinbarten erweiterten Eigentumsvorbehalts auf einen lediglich einfachen Vorbehalt zu verstehen ist. Die von dem Zeugen insofern gegebene Erläuterung, er sei zwar davon ausgegangen, daß aus dem geltenden italienischen Handelsbrauch unter Kaufleuten ein Kontokorrentvorbehalt „automatisch folge“, habe indessen nicht gewußt, ob auch in der Bundesrepublik Deutschland dasselbe Rechtsprinzip gelte, und deshalb die Verwendung des Stempelaufdrucks veranlaßt, erschien dem Senat nicht angreifbar. Sie ist auch im Lichte von Art. 9 Abs. 3 des auf das Vertragsverhältnis zischen der Klägerin und den Firmen ... und ... anwendbaren Haager Einheitlichen Kaufgesetzes (EKG) folgerichtig, der gebietet den bezeichneten Stempelaufdruck als „handelsüblichen Ausdruck“ deshalb im Sinne eins Kontokorrentvorbehalts auszulegen, weil ihm sowohl die Klägerin als auch ihre beiden Kundinnen als „beteiligte Handeiskreise“ diese Bedeutung üblicherweise beilegen.
Ebensowenig ist die Angabe, daß nach italienischem Handelsbrauch („usi e consuetudine“) unter Kaufleuten allgemein ein Kontokorrentvorbehalt als vereinbart gilt, der Glaubwürdigkeit des Zeugen ... abträglich. Dabei ist der Zeuge verblieben, obwohl ihm im Senatstermin am 13. Juli 1989 vorgehalten wurde, daß schon der einfache Eigentumsvorbehalt – um eine Wirkung gegenüber Dritten zu entfalten – nach Art. 1524, 2704 codice civile der schriftlichen Niederlegung in einer notariell beglaubigten Urkunde mit „sicherem Datum“ (= „data certa“) bedürfe. Nach der dem Senat zur Verfügung stehenden Literatur steht der solchermaßen vom Zeugen ... bekundete Handelsbrauch nicht im Widerspruch zum geltenden italienischen Recht: Danach lehnen die italienischen Gerichte zwar einen verlängerten Eigentumsvorbehalt – nicht hingegen auch einen erweiterten Eigentumsvorbehalt in Gestalt der Geschäftsverbindungsklausel – überwiegend ab (so: Stumpf–Fichna–Zimmermann, „Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung im Ausland“, 4. Aufl., 1980, Kap. „Italien“, I 1 b).
3. Die Beklagte hat nicht substantiiert in Abrede gestellt (138 Abs. 1 ZPO), daß die von ihr verwerteten Garne der Sorten „Graciella“ und „Renata“ aus den Lieferungen der Klägerin stammen. Da unstreitig ist, daß die Klägerin in ihrem Warensortiment diese Bezeichnungen verwendet und auch Garne solcher Qualitäten an die Firmen ... und ... geliefert hat, hätte die Beklagte es nicht bei einem einfachen Bestreiten bewenden lassen dürfen. Vielmehr hätte sie spezifiziert darlegen müssen, welche anderen Lieferanten diese Bezeichnungen ebenfalls verwenden und Garne dieser Sorten an die beiden Gemeinschuldnerinnen geliefert haben. Zu einem solchen Vortrag wäre die Beklagte auch unschwer in der Lage gewesen, da ihr aufgrund des Sicherungsübereignungsvertrages mit der Firma ... vom 26. Januar 1987 der Zugriff auf die Lieferunterlagen über die Herkunft der in den Lagern enthaltenen Waren ermöglicht worden war.
Nicht hingegen kam es – worüber die Parteien ebenfalls streiten – noch auf die Beantwortung der Frage an, ob die Garnsorten „Graciella“ und „Renata“ den Rechnungen Nr. 307/313 bzw. Nr. 3 individuell zugeordnet werden können und ob diese Rechnungen im einzelnen bereits bezahlt sind. Denn nachdem in der Beweisaufnahme im Senatstermin am 13. Juli 1989 die Vereinbarung eines Kontokorrentvorbehalts bewiesen worden ist, steht zugleich fest, daß die aufschiebende Bedingung für den Eigentumsübergang an den von der Klägerin gelieferten Waren dahin erweitert worden ist, daß sämtliche Forderungen der Klägerin aus der Geschäftsverbindung mit den Firmen ... und ... vollständig auszugleichen waren.
4. Die Beklagte vermag sich auch nicht auf die bloße Möglichkeit zu berufen, der Eigentumsvorbehalt der Klägerin könne durch einen zwischenzeitlichen Ausgleich sämtlicher Forderungen im Rahmen der Kontokorrent–Verbindung mit den Firmen ... und ... erloschen sein. Sie ist vielmehr hinsichtlich eines solchen Erlöschens–Tatbestandes (analog § 363 BGB) beweisfällig geblieben; denn sie trifft hier die Beweislast, da sie einen Eigentumsverlust auf Seiten der Klägerin und – daraus folgend – die Berechtigung der Firma ... zur Sicherungsübereignung am 26. Januar 1987 behauptet.
Den Nachweis der Erfüllung der Kaufpreisforderungen der Klägerin vermag die Beklagte auch nicht dadurch zu führen, daß sie sich den Prozeßvortrag der Firmen ... sowie ... aus den Gerichtsakten der beigezogenen Verfahren 21 O 246/86 Landgericht Münster und 21 O 7/87 Landgericht Münster pauschal zu eigen macht. Zum einen gehören die in Bezug genommenen Schriftsätze aus den beigezogenen Prozeßakten nicht zum Rechtszug erster Instanz im vorliegenden Verfahren, so daß sich die globale Verweisung bereits auf Grund von § 137 Abs. 3 Satz 1 ZPO verbietet.
Zum anderen sind die prozessualen Erklärungen der Beklagten im anhängigen Rechtsstreit im Hinblick auf den Vortrag der Gemeinschuldnerinnen in den Vorverfahren 21 O 246/86 Landgericht Münster und 21 O 7/87 Landgericht Münster nicht eindeutig: So ergibt sich aus Seite 7 der Berufungserwiderung vom 23. Mai 1989 (Bl. 184 GA), daß die hiesige Beklagte mit einer von der Firma ... an die ... abgetretenen Schadensersatzforderung über 263.786,95 DM die Aufrechnung erklärt. Dafür mangelt es im Verhältnis zur Klägerin indessen an dem Erfordernis der Gegenseitigkeit im Sinne von § 387 BGB.
Darüberhinaus war auch die Besonderheit zu beachten, daß die beiden Gegenforderungen über 263.786,95 DM (im Verfahren 21 O 246/86 Landgericht Münster durch Abschläge reduziert auf 248.595,90 DM. – B1. 60 BA) und über 43.153,04 DM (Bl. 143 d. BA 21 O 7/87 Landgericht Münster) nicht lediglich Gegenstand von Aufrechnungen, sondern auch von seiten der Gemeinschuldnerinnen hilfsweise erhobenen Widerklagen sind. Bezüglich der Gegenforderung von 43.153,04 DM beruft sich die Beklagte ausweislich ihrer Berufungserwiderung vom 23. Mai 1989 (Seite 7 = Bl. 184 GA) im anhängigen Rechtsstreit sogar in erster Linie auf die von der Firma ... in dieser Höhe erhobene Widerklage.
Solange aber die jeweils beklagten Firmen ... und ... in den nach Einlegung ihrer Einsprüche noch anhängigen Parallel–Prozessen 21 O 246/86 Landgericht Münster. und 21 O 7/87 Landgericht Münster ihre Widerklagen nicht zurücknehmen, ist der Senat an einer Entscheidung über die alternativ erklärten Aufrechnungen aufgrund von § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ohnehin gehindert. Insofern kann in dem vorliegenden Rechtsstreit das noch offene Ergebnis der durch den Konkurs der beiden Gemeinschuldnerinnen gemäß § 240 ZPO unterbrochenen Parallelverfahren keine Berücksichtigung finden.
5. Schließlich ist auch der Einwand der Beklagten, durch die von der Firma ... im Zuge der Sicherungsübereignung vorgenommene Einlagerung aller gelieferten Waren in den im Vertrag vom 26. Januar 1987 bezeichneten vier Lagern seien die von der Klägerin stammenden Garne der Provenienz „Graciella“ und „Renata“ ununterscheidbar mit anderen Waren vermengt worden, nicht erheblich. Denn auch eine derartige Vermengung ließe das Eigentum der Klägerin an ihren Garnen nicht völlig untergehen. Vielmehr wäre in einem derartigen Fall gemäß §§ 947 Abs. 1, 948 Abs. 1 BGB Bruchteilseigentum der Klägerin (zusammen mit anderen Warenlieferanten) entstanden, dessen genaue. Quote im Mischungsverhältnis die Beklagte darzutun hätte. Auch dann aber stände der Klägerin indessen anstelle ihres ursprünglichen Anspruchs nach § 1011 BGB ein Surrogat–Anspruch aus § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen die Beklagte auf Auskehr des ihrer Miteigentums–Quote entsprechenden Veräußerungserlöses zu.
II. Die Klägerin hat das ihr auf Grund des vereinbarten Kontokorrentvorbehalts erhalten gebliebene Eigentum an den von ihr gelieferten Garnen der Sorten „Graciella“ und „Renata“ auch nicht auf Grund eines gutgläubigen Erwerbs auf Seiten der Beklagten nach den Bestimmungen der §§ 930, 932 Abs. 2, 933 BGB verloren. Denn trotz der Sicherungsübereignung vom 26. Januar 1987 von Seiten der Firma ... an die Beklagte ist letztere im Verhältnis zur Klägerin „Nichtberechtigte“ im Sinne von § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB geblieben.
1. Der Sicherungsübereignungsvertrag zwischen der Firma und der Beklagten vom 26. Januar 1987 ist unwirksam, da es ihm an der erforderlichen Bestimmtheit ermangelt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die im Formularvertrag selbst aufgestellten Anforderungen, denen die Vertragspartner in einem erheblichen Ausmaß nicht genügt haben.
Zwar gestattet die Rechtsprechung (BGH NJW 1986/1985 – 1986 –) grundsätzlich die Sicherungsübereignung eines „gemischten“ Warenlagers mit Raumsicherungsklausel, ohne daß die Sachen des Sicherungsgebers und die Vorbehaltswaren anderer Lieferanten voneinander getrennt und unterschiedlich gekennzeichnet werden müßten. Gleichwohl kann auch im Lichte dieser Rechtsprechung der vorliegend zu beurteilende Sicherungsübereignungsvertrag nicht als ausreichend bestimmt angesehen werden:
So fehlt es vorliegend zunächst an der nach Fußnote 2) zu Nr. 1 des Sicherungsübereignungsvertrages (Bl. 31 GA) vorgeschriebenen Kennzeichnung der eingelagerten Waren durch eine genaue örtliche Bestimmung der Lagerung, z. B. der genauen Angabe des betreffenden Regals. Des weiteren hat die Firma ... entgegen Nr. II 2.1 Abs. 3 des Sicherungsübereinungsvertrages (Bl. 31 R GA) keine Bestandsverzeichnisse angefertigt, in die die neu in die Lager eingestellten Waren hätten aufgenommen werden müssen. Zum anderen wären – auch unabhängig von Neuzugängen – gemäß Nr. II 2.2 Abs. 2 des Sicherungsübereignungsvertrages (Bl. 31 R GA) der Beklagten vierteljährlich derartige Bestandsverzeichnisse zu übersenden gewesen, um ihr eine Übersicht über den Stand des Sicherungsgutes zu verschaffen.
Wie die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung vom 23. Mai 1989 (Seiten 2, 3 = Bl. 179, 180 GA) selbst hervorhebt und der Zeuge ... bei. seiner erstinstanzlichen Vernehmung vor dem Landgericht am 1. Dezember 1988 (Bl. 92 GA) bestätigt hat, stammen die auf vier Lager verteilten sicherungsübereigneten Waren von einer Vielzahl von Lieferanten. Dieser Umstand ist dem Sicherungsübereignungsvertrag vom 26. Januar 1987 ebenfalls in keiner Weise zu entnehmen.
Des weiteren fällt ins Gewicht, daß – entgegen der Benennung der Vertragsparteien im Formular des Sicherungsübereignungsvertrages vom 26. Januar 1987 – die Beklagte überhaupt nicht die einzige Sicherungsnehmerin gewesen ist. Vielmehr sind ausweislich des Schreibens des zum Sequester bestellten Rechtsanwalts ... aus ... vom 31. August 1987 (Bl. 8, 9 GA) sowohl die Volksbank ... eG als auch die Deutsche Bank AG – Filiale ... – Übereignungsempfänger derselben Warenvorräte gewesen. Dadurch aber war die Person des Erwerbers, die dieselbe Bestimmtheit beansprucht wie der Verfügungsgegenstand (Münchener Kommentar -Quack, 2. Aufl., 1986, § 929 BGB, Rndr. 88), ersichtlich nicht mehr hinreichend konkretisiert.
Schließlich ist zu beanstanden, daß in dem gesamten vierseitigen Formular des Sicherungsübereignungsvertrages vom 26. Januar 1987 (Bl. 31 bis 32 R GA) an keiner Stelle der Verfügungsgegenstand wenigstens einmal global – z.B. als „Wolle und Garne“ – bezeichnet worden ist. Dies wäre indessen nach Ansicht des Senats in Anbetracht von vier verschiedenen Lagerstätten mit einem Mindest–Gesamt–Beleihungswert von 1.500.000,‑ DM (Bl. 32 GA) dringend geboten gewesen.
2. Schließlich scheidet nach den eigenen Darlegungen der Beklagten in ihrer Berufungserwiderung vom 23. Mai 1989 (Seiten 13 bis 15 = Bl. 190 bis 192 GA) zu den Umständen des Zustandekommens der Sicherungsübereignung vom 26. Januar 1987 in Verbindung mit den Motiven für die vorangegangene Gründung der Firma ... ein gutgläubiger Erwerb auf Seiten der Beklagten im Sinne von § 932 Abs. 2 BGB aus. Dies gilt trotz der ausdrücklichen entgegenstehenden Versicherung des Zeugen als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Firma ... unter I des Sicherungsübereignungsvertrages (Bl. 31 GA), wonach die Firma ... Eigentümerin des Sicherungsgutes und zur freien Verfügung darüber berechtigt sei.
Denn die Beklagte hat mit an Deutlichkeit nichts zu wünschen übriglassender Klarheit geschildert, daß die – gerade erst vor Abschluß des Sicherungsübereignungsvertrages am 26. Januar 1987 gegründete Firma ... als Auffanggesellschaft für die maroden Firmen ... und ... bestimmt war.
Nachdem der die Aktiva darstellende Garnbereich aus den Firmen ... und ... ausgegliedert und der neugegründeten ... Firma einverleibt worden ist, besaß letztere für die Beklagte und die Volksbank ... soviel Bonität, um sie „im Dezember 1986 und Januar 1987 mit Krediten in Höhe von insgesamt 7.870.000,‑– DM auszustatten“ (Bl. 190 GA). Durch diesen Vortrag hat die Beklagte selbst herausgestellt, daß die Firma ... lediglich als „Zwischengesellschaft“ gedacht war und ihr – der Beklagten – gezielt als Instrument für einen gutgläubigen Erwerb dienen sollte. Letzterer ist indessen bei einer solchen Konstellation schon vom Rechtsmißbrauchs–Gedanken her naturgemäß ausgeschlossen.
III. Über die sonach auf Grund von § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB begründete Klage der in Italien geschäftsansässigen Klägerin hatte der Senat nach deutschem Recht zu befinden. Da eine Ein– griffskondiktion in Rede stand, war dasjenige Recht maßgebend, nach welchem die zugrundeliegende Vermögensverschiebung – hier: der sachenrechtliche Vorgang der Verfügung der Beklagten als „Nichtberechtigter“ – eingetreten war (lex rei sitae: Palandt–Heldrich, 48. Aufl., 1989, Vorbemerkung 2) vor Art. 38 EGBGB). Denn Streitgegenstand ist vorliegend ein außervertragliches Schuldverhältnis, das sich – anders als die Leistungskondiktion – nicht nach dem Vertragsstatut des Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB richtet.