Aufgrund der von der Klägerin mit ihren Schlußscheinen vom 21. Februar 1991 (Bl. 15 a der Akten) und 6. September 1991 (B1 15 b der Akten) getätigten Abschlüsse hat die Klägerin der Beklagten folgende Teilmengen von Marzipanmasse geliefert:
Lieferung vom 29. Mai 1991, 30.000 kg, bei der Beklagten eingegangen am 31. Mai und 4. Juni 1991.
Lieferung vom 27. Juni 1991, 10.625 kg, bei der Beklagten eingegangen am 1. Juli 1991.
Lieferung vom 15. August 1991, 20.475 kg, bei der Beklagten eingegangen am 21. August 1991.
Lieferung vom 11. September 1991, 10.250 kg, bei der Beklagten eingegangen am 13. September 1991 und Lieferung vom 19. September 1991, 21.812,5 kg, bei der Beklagten eingegangen am 25. September 1991.
Die Beklagte hat bei dieser Lieferung einen Empfang von 0,5 kg weniger angegeben. Insgesamt sind damit 93.162,5 oder 93.162 kg Marzipanmasse geliefert worden.
Ferner ist es noch zu weiteren Abschlüssen gekommen, nämlich am 24. September 1991 aufgrund der Schlußscheine Nr. 11255und 11256 (Anlagen 5c und 5d der Akten) über 50.000 bzw. 30.000 kg, die jedoch nicht mehr geliefert worden sind.
Am 23. August 1991 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß sie am 21. August 1991 in der Marzipanmasse aus der Lieferung vom 29. Mai 1991 schädliche Hefen festgestellt habe. Die Beklagte ist der Auffassung, daß diese Hefen im Keim schon in der angelieferten Marzipanmasse enthalten gewesen seien, so daß sie, auch wenn die Eingangsuntersuchungen, die sie durchgeführt habe, weder Hefen noch osmotolerante Hefen ergeben hätten, mangelhaft gewesen sei. Die weitere Entwicklung der Hefen führe zum Beispiel bei Schokoladenüberzügen zum Aufbrechen des Überzuges.
Die Klägerin ist demgegenüber der Auffassung, daß die Rügen der Beklagten zu spät erhoben worden seien. Im übrigen habe die Beklagte die Ware wochenlang unsachgemäß vor ihrer Verarbeitung gelagert, so daß es zur Entwicklung der Hefen erst im Gewahrsam der Beklagten gekommen sei.
Die Beklagte hat Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin angekündigt.
Die Klägerin beantragt deshalb festzustellen, daß die Beklagte gegen sie aus den zwischen den Parteien geschlossenen Verträgen über Marzipanmasse vom 21. Februar, 6. September und 24. September 1991 sowie aus der Herstellung und Lieferung der Marzipanmasse durch die Klägerin an die Beklagte vom 29. Mai, 27. Juni, 15. August, 11. September und 19. September 1991 keinerlei Ansprüche gegen die Klägerin zustehen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und rügt in erster Linie die Zuständigkeit des Landgerichtes Lübeck, hilfsweise beantragt sie, die Entscheidung bis zum Abschluß des Verfahrens vor dem Tribunal de Grande Instance de Strasbourg, II OOM 91/1254, auszusetzen.
Die Beklagte beantragt über die Zulässigkeit der Klage durch Zwischenurteil vorab zu entscheiden. Die Beklagte ist der Auffassung, daß international nicht das Landgericht Lübeck, sondern. die Straßburger Gerichte zuständig seien, da nach der vereinbarten Klausel „Lieferung frei Haus ... unverzollt“ Erfüllungsort und Gerichtsstand dort seien. Im übrigen sei das Rechtsschutzinteresse für die negative Feststellungsklage der Klägerin entfallen, nachdem sie in Straßburg eine Leistungsklage erhoben habe.
Durch den der gelieferten Marzipanmassen wegen der Infektion mit osmotoleranten Hefen und Schimmel anhaftenden Mangel seien ihr erhebliche Schäden erwachsen. Der Masse fehle die erforderliche Haltbarkeit. Dabei handele es sich um einen versteckten Mangel, der sofort nach Eingang der Ware nicht erkennbar gewesen sei, so daß aus dem negativen Ergebnis ihrer Eingangsuntersuchung keine Schlüsse zu Gunsten der Klägerin gezogen werden könnten. Die Schäden umfaßten insbesondere – den Wert der von der Beklagten nicht ausgelieferten Fertigprodukte, die mit dem mangelhaften Marzipan gefüllt waren (167 t) sowie den Wert der bereits an Einzel- und Großhändler ausgelieferten und zurückgerufenen Mengen (33 t); – die von der Beklagten an die Klägerin für jede Teillieferung gezahlten Kaufpreise;:
– die Kosten für Rückruf, Lagerung und Vernichtung der Produkte; – die zusätzlichen Kosten, die durch die Eindeckung bei anderen Herstellern für Marzipan entstanden; – die Schäden durch entgangene Verkäufe in Deutschland sowie – die Beeinträchtigung des Rufes und des Gesamtverlusts für die Marke ….
Die Beklagte behauptet, sie habe nach dem Eingang der Lieferung die Ware jeweils unter kontrollierten Lagerungsbedingungen zwischengelagert insbesondere seien Temperatur und Luftfeuchtigkeit überwacht; der Zustand der Marzipanmasse regelmäßig kontrolliert worden. Nach der erstmaligen Feststellung von braunen Flecken auf einem Marzipanblock am 21. August 1991 hätte die Untersuchung alle anderen Lieferungen ebenfalls die Verunreinigung durch Hefen ergeben. Diese seien in den ersten Tagen nach dem Eingang bei der Eingangsuntersuchung zwar jeweils noch nicht nachweisbar gewesen, hätten sich jedoch in rasanter Geschwindigkeit innerhalb von Tagen entwickelt.
Die Klägerin habe auch zum Beispiel in ihrem Schreiben vom 28. August 1991 (B1. 211 der Akten) die erhobenen Reklamationen nicht zurückgewiesen, die von ihr fortlaufend nach Feststellung der Verunreinigung der Ware übermittelt worden seien und es sei am 16. September 1991 über die einzuleitenden Schritte verhandelt worden.
Auch spätere Lieferungen seien verunreinigt gewesen. So sei die Eingangsuntersuchung der am 13. September 1991 eingegangenen Lieferung noch ohne Befund gewesen, 13 Tage später sei der Hefewert schon erheblich angestiegen ebenso bei der Lieferung vom 24. September 1991 die schon nach drei Tagen nach der Eingangsuntersuchung hohe Hefewerte aufgewiesen habe. Hierüber sei die Klägerin sofort unterrichtet worden.
Die Beklagte hat noch im Jahr 1991 bei der Kammer für Handelssachen des Landgerichtes Straßbourg ein Eilverfahren eingeleitet und beantragt ein Sachverständigengutachten über Umfang und Ursachen der Mängel des Marzipans anzuordnen und die Klägerin zur Zahlung von 5 Mio Franken als Abschlag auf Schadensersatz zu verurteilen. Das Gericht hatte daraufhin mit der einstweiligen Verfügung vom 21. Januar 1992 nach mündlicher Verhandlung vom 14. Januar 1992 die Zuständigkeitsrüge der Klägerin protokolliert, den Zahlungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und ein Sachverständigengutachten angeordnet, das inzwischen erstattet worden sein soll. Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Parteien wird auf ihre zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Kammer hat eine Rechtsauskunft des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht eingeholt, zur Klärung der Frage, ob das in Straßburg von der Beklagten anhängig gemachte Eilverfahren eine Rechtshängigkeit der Sache auch für die Hauptsache begründet. Auf das Gutachten des Institutes vom 1. Juli 1993 (Bl. 137 der Akten) wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Zwischen den Parteien ist auch die Zulässigkeit der Klage streitig. Da die Klage in der Hauptsache noch nicht entscheidungsreif ist, ist es zweckmäßig, über die Zulässigkeit der Klage durch Zwischenurteil gem. § 280 ZPO zu entscheiden.
2. Die Klage ist zulässig. Die Prozeßvoraussetzungen liegen vor, insbesondere ist auch die von der Be- klagten bestrittene internationale und örtliche Zuständigkeit gegeben sowie das rechtliche Interesse der Klägerin an der von ihr beantragten Feststellung.
3. Die Schadensersatzansprüche, deren sich die Beklagte berühmt, beziehen sich auf die in Frage stehenden Lieferungen von Marzipanmasse durch die Klägerin, für die sich bereits aus den Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin eine Vereinbarung Lübecks als Gerichtsstand ergibt. Diese Zahlungs- und Lieferungsbedingungen der Klägerin sind wirksam vereinbart.
Die Klägerin hat die telefonisch getroffenen Abschlüsse vom 21. Februar 1991, 6. September 1991 und 24. September 1991 durch sogenannte Schlußscheine bestätigt, in denen sie jeweils den Abschluß „zu unseren umseitigen Lieferungs- und Zahlungsbedingungen“ bestätigt (vgl. Bl. 15a bis 15b der Akten, Original des Durchschreibesatzes in der Hülle am Schluß der Akte).
Diese Schlußscheine haben damit die Rechtsnatur eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens. Die Beklagte hat ihrem Inhalt nicht alsbald widersprochen. Die Gerichtsstandsvereinbarung ist damit wirksam. Die Vereinbarung genügt auch den Anforderungen des Art. 17 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (Bundesgesetzblatt Teil II 1972, 773, EuGübk). Auch nach § 38 ZPO sind die Parteien befugt, eine Gerichtsstandvereinbarung zu treffen, da sie Handelsgesell- schaften sind.
4. Eine abweichende Vereinbarung ergibt sich auch nicht aus den (jedenfalls in den Schlußscheinen vom 6. September und 24. September) enthaltene Klausel, „Lieferung frei Haus … unverzollt“. Diese Klausel bezieht sich in erster Linie nur auf die Transportkosten, allenfalls auf die Frage der Ge- fahrtragung, die hier dahingestellt bleiben kann, verlagert jedoch nicht den Erfüllungsort an den ge- nannten Bestimmungsort. Von der Beklagten vorgetragene abweichende Auffassungen über die Auslegung dieser Klausel überzeugen die Kammer nicht.
5. Auf die Zuständigkeit ist weder das früher von der Beklagten in Straßburg anhängig gemachte Eilverfahren von Einfluß, da es nur ein vorläufiges Verfahren darstellte, das inzwischen abgeschlossen ist (vgl. das Gutachten des Max-Planck-Institutes), noch die jetzt von der Beklagten in Straßburg anhängig gemachte Hauptsacheklage. Denn Straßburg ist zur Entscheidung des Rechtsstreits, wie sich aus dem Vorhergesagten ergibt, nicht zuständig.
6. Auch das Feststellungsinteresse der Klägerin für die erhobene negative Feststellungsklage ist gegeben. Die Beklagte berühmt sich Schadensersatzansprüche, sie hat sogar deshalb schon eine Klage anderweit anhängig gemacht. Eine Leistungsklage beseitigt zwar für die Zukunft das Feststellungsinteresse an einer negativen Feststellungsklage mit dem gleichen Streitgegenstand, jedoch gilt das nur für eine solche, die bei einem zuständigen Gericht erhoben ist, was hier nicht der Fall ist.