Die Klägerin hat der Beklagten entschwarteten Speck geliefert. Sie macht aus diesen Lieferungen eine Restforderung von 821,21 DM geltend. Sie nimmt die Beklagte darüber hinaus auf Schadensersatz in Höhe von 70.296,‑ DM in Anspruch. Sie trägt zu ihren Ansprüchen vor:
Für die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreits sei auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf abzustellen. Soweit die Beklagte in der Sache die Verweigerung der Zahlung restlicher 821,21 DM damit begründe, daß sie 420 kg verschmutzten und nicht entschwarteten Specks erhalten habe, entspreche dies nicht den Tatsachen. Eine mangelnde Entschwartung habe die Beklagte überdies auch nicht gerügt. Die Beklagte habe für die letzte hier in Rede stehende Lieferung auch nicht, wie sie behaupte, 29.673,– DM gezahlt, sondern nur 29.418,79 DM. Den Schadensersatz schulde ihr die Beklagte, weil sie ihrer Verpflichtung, noch weitere 116,6 t entschwarteten Specks abzunehmen, und zwar 16,6 t zum Preise von 1,35 DM pro t und 100 t zum Preise von 1,40 DM pro t, nicht nachgekommen sei. Sie, die Klägerin, habe daraufhin den Vertrag über diese Mengen nach Fristsetzung aufgehoben.
Nach Art. 76 des eingangs genannten Abkommens könne sie die Differenz zwischen dem vertraglich vereinbarten Preis und dem Marktpreis für solchen Speck zur Zeit der Aufhebung des Vertrages, der sich umgerechnet auf 0,79 DM pro t belaufen habe, verlangen.
Die Klägerin, die zunächst die Zahlung von insgesamt 72.237,21 DM beansprucht, in Höhe von 1.120,– DM aber die Klage zurückgenommen hat, beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 71.117,21 DM nebst 5 % Zinsen von 821,21 DM seit dem 16. Januar 1990 und von 70.296,– DM seit Klageerhebung (27.08.1990) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verbleibt dabei, daß sie 29.673,‑ DM gezahlt habe und daß 420 kg des Specks verschmutzt und nicht entschwartet gewesen seien und daß sie daher insoweit zur Zahlung der 821,21 DM nicht verpflichtet sei. Schadensersatz schulde sie schon deshalb nicht, weil ein Vertrag über die Lieferung weiterer 116,6 t Speck nicht zustandegekommen sei. Nach ihrer, der Beklagten, Bestellung vom 31. Juli 1989 hätten die Lieferungen in Säcken aus Polyäthylen erfolgen sollen. Das Gegenangebot der Klägerin vom 4. August 1989 auf lose Lieferung sei nicht angenommen worden. Es sei vielmehr telefonisch vereinbart worden, daß die Teilmengen jeweils als Probelieferung erfolgen sollten, um der Reaktion der staatlichen Veterinäre entgegenzusehen, wonach jeweils über weitere Lieferungen habe entschieden werden sollen. Nur darauf habe sich auch das „va bene“ für lose Lieferung im Fax der Firma vom 23. August 1989 bezogen. Sie bestreite auch die Höhe des Schadens. Auch die abstrakte Schadensberechnung nach Art. 76 CISG setze voraus, daB der Klägerin überhaupt ein Schaden entstanden sei. Es sei aber ohne weiteres davon auszugehen, daß die Klägerin den Speck zum gleichen oder einem noch höheren Preise anderweitig verkauft, d.h. einen Deckungsverkauf durchgeführt habe.
Wegen aller näheren und weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst allen Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
1) Soweit es den Betrag von 821,21 DM {ursprünglich 1.941,21 DM – 1.120,– DM Klagerücknahme) angeht, hat der Klageanspruch seine Stütze in Art. 53 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den Internationalen Warenkauf (von den Parteien im vorliegenden Rechtsstreit abgekürzt CISG oder UNCITRAL genannt; hier im folgenden als CISG bezeichnet).
Nachdem die Parteien eine ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung über das auf ihr Vertragsverhältnis anzuwendende Recht nicht getroffen haben, kommt Art. 28 EGBGB zum Tragen. Danach (Abs. 1) unterliegt ein schuldrechtlicher Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist. Dabei wird vermutet (Abs. 2), daß ein Vertrag die engsten Verbindungen mit dem Staat aufweist, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt bzw. ihre Hauptverwaltung hat.
Die charakteristische Leistung besteht bei einem Kaufvertrage über bewegliche Sachen in deren Lieferung (so auch Palandt, BGB, 48. Aufl., Art. 28 EGBGB Anm. 2 b). Die Lieferung der den Vertragsgegenstand bildenden Sache (des entschwarteten Specks) oblag hier der in der Italienischen Republik mit ihrer Hauptverwaltung ansässigen Klägerin, so daß italienisches Recht Anwendung findet. In der Italienischen Republik gilt seit dem 01.01.1988 für Verträge über einen internationalen Warenkauf das eingangs genannte Ubereinkommen, wie der Mitteilung des Bundesministers der Justiz vom 20. November 1990 zu entnehmen ist.
Die Beklagte kann sich gegenüber dem Anspruch der Klägerin aus Art. 53 CISG nicht mit Erfolg darauf berufen, die in Rede stehende Lieferung sei teilweise (420 kg) beschädigt (verschmutzt) und nicht entschwartet gewesen.
Soweit es die behauptete mangelnde Entschwartung angeht, fehlt es bereits an der Darlegung einer fristgerechten Rüge gemäß Art. 39 CISG. In dem Fax der Firma vom 12.10.1989, das sich auf die hier in Rede stehenden 420 kg bezieht, wird eine mangelnde Entschwartung nicht beanstandet. Die Beklagte läßt Sachvortrag dazu vermissen, wann sonst eine solche Rüge erfolgt sein soll. Sie kann insbesondere nicht dem Telefax der Klägerin vom 12.10.1989 entnommen werden. Dort heißt es zwar, daß die Klägerin die Ware bestimmt nicht hätte absenden können, wenn es sich um verschmutzte oder nicht von der Schwarte befreite Ware gehandelt hätte, da der Tierarzt für solche Ware keine Bescheinigung ausgestellt hätte. Daraus ergibt sich indes nicht, daß eine fehlende Entschwartung überhaupt beanstandet war, zumal das Schreiben der Klägerin allein Bezug nimmt auf „Ihr heutiges Fax“, in dem, wie gesagt, eine fehlende Entschwartung nicht beanstandet wurde.
Soweit es die Rüge der Verschmutzung angeht, liegt zwar eine fristgemäße Rüge gemäß Art. 39 CISG vor; die Lieferung stammte vom 9. Oktober 1989 und wurde hinsichtlich der 420 kg bereits am 12.10.1989, mithin innerhalb einer angemessenen Frist, beanstandet. Die Kammer sieht sich jedoch zu der von der Beklagten insoweit vorgenommenen Minderung (Art. 50 CISG) auf Null nicht in der Lage. In dem Fax der Firma vom 12.10.1989 wird zwar behauptet, die 420 kg seien vom Tierarzt vernichtet worden. Mit Recht wird aber von der Klägerin beanstandet, daß die Beklagte diese Behauptung durch Vorlage der angekündigten Bescheinigung nicht weiter substantiiert hat. Bei dieser Sachlage ist nicht auszuschließen, daß die klare noch eine anderweitige Verwendung gefunden hat (die Beklagte legt in der Klageerwiderung Seite 3 des Akzent eher auf die fehlende Entschwartung als auf die Verschmutzung, die möglicherweise durch Waschen des Fleisches zu beheben war) und daher nur eine – wenn überhaupt – ohne nähere Angaben nicht berechenbare Teilminderung unter dem Gesichtspunkt der Verschmutzung in Betracht käme.
Soweit die Beklagte weiter behauptet, sie habe nicht nur 29.418,79 DM, sondern 29.673,– DM auf die letzte Lieferung gezahlt, kann sie ebenfalls nicht gehört werden. Mit Recht weist die Klägerin darauf hin, daß die Zahlung gemäß Art. 57 Abs. 1 a CISG am Ort ihrer, der Klägerin, Niederlassung zu erfolgen und daher bei ihr der volle Rechnungsbetrag einzugehen hatte. Übermittlungskosten, auch in Italien vor der Gutschrift für die Klägerin noch anfallende, gingen zu Lasten der Beklagten. Die Beklagte hat nicht bewiesen, daß sie den Kaufpreisanspruch voll erfüllt hat.
2) Soweit die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 70.296,‑ DM beansprucht, findet der Klageanspruch seine Grundlage in Art. 76 CISG.
Zwischen den Parteien ist ein Vertrag auf der Grundlage des Fax der Klägerin vom 4. August 1989, das ein Gegenangebot der Klägerin gemäß Art. 19 Abs. 1 CISG enthielt, zustandegekommen, das eine lose Lieferung des Specks vorsah. Für das Verhältnis der Parteien zueinander kommt es nicht darauf an, welche hygiene- und veterinärrechtlichen Vorschriften für die Beförderung von Speck der hier in Rede stehenden Art bestehen mögen, sondern lediglich darauf, was die Parteien vereinbart haben. Das aber war, wie gesagt, eine „lose“ Lieferung. Die Firma (...) hat mit dem Fax vom 23.08.1989 ausdrücklich bestätigt, daß es in Ordnung gehe, daß die Ware lose geladen werde.
Wenn die Beklagte in diesem Zusammenhang behaupten läßt, das Telefax vom 23.08.1989 habe sich auf eine zuvor telefonisch besprochene Probebelieferung bezogen und nicht auf die im Fax der Klägerin vom 04.08.1989 angesprochene feste Lieferung einer Gesamtmenge von 200 t, kann sie damit nicht durchdringen. Das Fax vom 23.08.1989 nimmt nicht Bezug auf ein Telefonat über Probelieferungen, sondern auf das Fax der Klägerin vom 4. August 1989, 13.50 Uhr (13.51 Uhr) schlechthin. Es hat daher den objektiven Erklärungswert, daß die in dem Fax vom 04.08.1989 aufgeführten Lieferungen sämtlich lose erfolgen könnten. Soweit sich die Beklagte für die von ihr behauptete schrittweise Lieferung auf Probebasis (solange es keine Beanstandungen gebe) auf das Zeugnis des Herrn (...) beruft, kann sie nicht gehört werden. Die Beklagte bleibt jede Substantiierung dahin schuldig, wann der Zeuge mit wem von der Klägerin über eine solche von-Fall-zu-Fall-Belieferung gesprochen haben soll. Die Beklagte hat sich auch dann noch nicht zu solcher Substantiierung veranlaßt gesehen, als die Klägerin ausdrücklich beanstandet hat, daß es an Angaben über den genauen Ort, den Tag und die Umstände fehle.
Offenbar will die Beklagte, was die Zeit angeht, behaupten, daß des in das Wissen des Zeugen D. gestellte Geschehen sich vor dem Fax des Zeugen vom 23.08.1988 zugetragen habe. Wenn das aber der Fall gewesen sein sollte, waren die Vorgänge durch dieses Fax überholt. Denn dieses Fax knüpft (objektiver Erklärungswert) allein an das Fax der Klägerin vom 4. August 1089 an und bestätigt daher eine Gesamtlieferung von 200 t in loser Verladung. Selbst wenn in einem vorhergehenden Telefonat eine Probebelieferung nicht nur angesprochen, sondern vereinbart worden wäre, konnte die Klägerin dieses Fax als Angebot zur Rückkehr zu ihrem Angebot vom 04. August 1989 verstehen und hat dieses Angebot angenommen. Die Annahme brauchte der Firma gegenüber nicht ausdrücklich erklärt zu werden (Art. 18 Abs. 3, 2 CISG); die Bekundung des Annahmewillens lag im Ordern des Specks durch die Klägerin bei ihren Zulieferern und der anschließenden Lieferung an die Beklagte auf loser Basis.
Gut zwei Wochen sind noch als angemessene Frist im Sinne des Art. 18 Abs. 2 CISG anzusehen. Wenn die Firma ihrem Fax vom 23.08.1989 einen solchen Erklärungsinhalt (wie vorstehend dargestellt) etwa nicht beilegen wollte, hätte unverzüglich angefochten werden müssen, nachdem die Klägerin erkennen ließ, daß sie dieses Schreiben auf eine Gesamtlieferung von 200 t mit loser Verladung bezog. Eine solche Anfechtung ist nicht dargetan oder sonst ersichtlich.
(...)
Der Vertrag ist von der Klägerin gemäß Art. 63, 64 CISG aufgehoben worden. Mit Schreiben des Rechtsanwalts B. vom 2. Januar 1990 hat die Klägerin der Beklagten eine Frist zur Abnahme bis zum 31. Januar 1990 setzen lassen. Das war eine angemessene Nachfrist (Art. 63 Abs. 1 CISG). Mit Schreiben des gleichen Anwalts vom 06.02.1990 hat die Klägerin dann die Aufhebung des Vertrages erklärt (Art. 64 Abs. 1 b CISG).
Der hier in Rede stehende Speck hatte zur Zeit der Vertragsaufhebung (Anfang Februar 1990) einen Marktpreis im Sinne des Art. 76 CISG, wie dem „Listino dei prezzi all' ingrosso“ der „Camera di Commercio Industria Artigianato Agri col tura“ für die Zeit vom 30.01. bis 05.02.1990 zu entnehmen ist. Dort ist auf Bl. 2 für den auch den Gegenstand des Vertrages der Parteien bildenden „Lardello“ ein Mindestpreis von 540 Lire und ein Höchstpreis von 560 Lire ausgeworfen. Die Klägerin legt ihrer Schadensberechnung in nicht zu beanstandender Weise den Mittelwert von 550 Lire zugrunde. Die Umrechnung von 550 Lire auf 0,79 DM ist nicht bestritten. Danach ergibt sich in der Tat für die Klägerin ein ersatzfähiger Schaden von insgesamt 70.296,– DM.
Die Beklagte kann die Klägerin nicht auf einen Deckungsverkauf verweisen. Es steht der Klägerin frei, ob sie einen Deckungsverkauf durchführt oder nicht. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß die Klägerin hier einen – echten – Deckungsverkauf durchgeführt hätte. Von einem solchen Deckungsverkauf könnte im übrigen bei Gattungssachen wie hier noch nicht die Rede sein, wenn die Klägerin den Speck für einen anderen ihr möglichen Verkauf solcher Ware an einen anderen Abnehmer verwandt hätte. Der Klägerin muß es möglich sein, weitere Geschäfte über die gleiche Gattung Speck abzuschließen und in deren Rahmen gegebenenfalls wegen vertragswidrigen Verhaltens eines Kunden liegengebliebene Ware zu verwenden, ohne durch solche Verwendung Gefahr zu laufen, nicht bei beiden Geschäften Gewinn erzielen zu können. Der Schädiger kann nicht davon profitieren, daß der Verkäufer mit der gleichen Warenart noch weitere Geschäfte zum gleichen Preis tätigt und in deren Rahmen auf die liegengebliebene Ware zurückgreift statt neue zu ordern. Der Verkäufer hat Anspruch auf Gewinn bei beiden Geschäften, in dem einen auf entgangenen, in dem anderen auf realisierten. Anderenfalls wäre der Verkäufer trotz Art. 77 CISG versucht, die Ware aus dem mißglückten Erstgeschäft liegen, evtl. verkommen zu lassen, um über Art. 74 oder 76 CISG an den entgangenen Gewinn heranzukommen, ein volkswirtschaftlich nicht eben erstrebenswertes Ergebnis.