Die Klägerin macht gegen die Beklagte aus zwei Kaufverträgen über PKW Ansprüche geltend.
Die Klägerin lieferte an die Beklagte gemäß ihrer Rechnung vom 23.02.1996 (Nr. 41) einen PKW … zum Preis von 40.300.000 ital. Lire. Die Beklagte leistete eine Anzahlung und begab für den Restbetrag der Rechnung in Höhe von 36.757.000 ital. Lire einen undatierten Scheck.
Der Scheck wurde am 06.03.1996 bei der bezogenen Bank vorgelegt und ging zu Protest. Hierfür hatte die Klägerin Spesen in Höhe von 173.757 ital. Lire zu bezahlen.
Im Februar 1996 bestellte die Beklagte bei der Klägerin 8 fabrikneue PKW Fabrikat … Die Parteien vereinbarten eine Vorauszahlung von ital. Lire 88.000.000, die Klägerin erstellte hierüber eine Vorschußrechnung Nr. 51 vom 29.02.1996. Zur Bezahlung dieser Vorschußrechnung stellte der Kläger einen Verrechnungsscheck über 88.000.000 ital. Lire aus.
Nachdem sich herausstellte, daß die Klägerin die bestellten Fahrzeuge nicht liefern konnte, vereinbarten die Parteien am 11.03.1996 die Annullierung des Geschäfts. Weil die Parteien zu diesem Zeitpunkt davon ausgingen, daß der Scheck bereits von der Klägerin eingelöst sei, erstellte die Klägerin eine Gutschrift zum Zwecke der Stornierung der Vorschußrechnung und bezahlte den Betrag in Höhe von 88.000.000 ital. Lire an den Geschäftsführer der Beklagten in bar aus.
Der Scheck der Beklagten über 88.000.000 ital. Lire wurde der bezogenen Bank jedoch erst am 13.03.1996 zur Zahlung vorgelegt. Die Beklagte ließ den Scheck zu Protest gehen.
Der Klägerin entstanden Protestkosten in Höhe von 173.775 ital. Lire.
Mit der Klage macht die Klägerin nunmehr die Kaufpreisforderung aus dem Kaufsvertrag vom 23.02.1996 geltend. Ferner aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung den Teilbetrag von 88.000.000 ital. Lire, den sie … in der Erwartung ausgezahlt habe, der entsprechende Betrag sei ihr aufgrund des von der Beklagten begebenen Verrechnungsschecks bereits auf ihrem Konto gutgebracht worden. Bezüglich ihrer Zinsforderung verweist sie auf Art. 1284 des Codice Civile, wonach der gesetzliche Zinssatz in Italien 10 % beträgt.
Die Klägerin beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Lire 124.757.000 nebst 10 % Zinsen aus Lire 36.757.000 seit 07.03.1996 und aus Lire 88.000.000 seit 14.03.1996 sowie Lire 347.550 vorgerichtliche Kosten zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, vorsorglich Vollstreckungsschutz, ferner, Sicherheit durch Bürgschaft der Stadtsparkasse München erbringen zu dürfen.
Sie bestreitet den Vortrag der Klägerin zur Begründung der Klage nicht.
Sie ist jedoch der Auffassung, der Anspruch der Klägerin sei durch Aufrechnung erloschen.
Sie trug zunächst vor, sie habe bereits eine Anzahlung von 7.000.000 ital. Lire bezahlt.
Nachdem die Klägerin dies bestritten hatte, räumte die Beklagte ein, daß sie eine solche Anzahlung nicht geleistet habe.
Bezüglich der Restsumme erklärt die Beklagte die Aufrechnung mit Gegenforderungen aus Kaufverträgen über Fahrzeuge samt Zinsen.
Sie habe durch ihre ital. Zweigstelle gemäß den Rechnungen vom 20.04., 18.07. und 27.09.1988 drei PKW zu Preisen von 18.450.000, 18.600.000 und 23.900.000 ital. Lire verkauft und geliefert, die Klägerin habe diese Rechnung bis heute nicht ausgeglichen. Zuzüglich der angefallenen Zinsen sei daher eine Gegenforderung entstanden, mit der sie gegen die Klageforderung aufrechnen könne (vgl. Anlagen B 3/B 9).
Die Klägerin habe mehrfach durch ihre Geschäftsführer zugesagt, diese Rechnungen zu überprüfen, sollte sich herausstellen, daß sie noch nicht bezahlt seien, so habe sie zugesagt, den Rechnungsbetrag zu verrechnen.
Die Aufrechnung greife auch durch, da nicht italienisches Recht zur Anwendung komme.
Sollte die Aufrechnung nach italienischem Recht unzulässig sein, so bitte sie um Hinweis, damit sie Widerklage erheben könne.
Die Klägerin bestreitet zunächst die Aktivlegitimation der Beklagten bezüglich der von ihr geltend gemachten Rechnungen, da die Rechnungen von einer italienischen Firma ausgestellt seien.
Desweiteren bestreitet sie das Bestehen der Aufrechnungsforderung und verweist darauf daß gemäß dem hier anwendbaren italienischen Recht eine Aufrechnung unzulässig sei.
Im Termin vom 18.03.1997 wurde die Sach- und Rechtslage besprochen, u.a. auch die Frage eines möglichen Aufrechnungsverbots nach italienischem Recht.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte den Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises für das Fahrzeug gemäß der Rechnung vom 23.02.1996 sowie auf Rückerstattung des am 11.03.1996 anlässlich der Annullierung des Kaufvertrages vom Februar 1996 von der Klägerin in der irrtümlichen Annahme, der entsprechende Betrag sei ihr bereits gutgeschrieben, der Beklagten erstatten Betrags von 88.000.000 ital. Lire. Auch die Zinsforderung und die Forderung auf Erstattung der Prozeßkosten ist begründet.
1. Auf beide Kaufverträge, sowohl den zur Ausführung gekommenen wie auch den annullierten Kaufvertrag über die Lieferung von PKW sind vorrangig die Bestimmungen des CISG und, soweit das CISG keine Regelungen trifft, ergänzend das italienische Recht anwendbar.
Es liegt ein Kaufvertrag über Waren vor, die Parteien dieses Rechtsstreits haben ihre Niederlassung in Italien bzw. Deutschland, also beides Vertragsstaaten gemäß Art. 1 CISG.
Soweit das CISG zu einzelnen Punkten, die im gegenständlichen Rechtsstreit von Bedeutung sind, keine Regelungen trifft, sind ergänzend die Regeln des internationalen Privatrechts anzuwenden, Art. 7 Abs. 2 CISG.
Im vorliegenden Falle sind ergänzend die Vorschriften des italienischen Rechts anzuwenden.
Aufgrund des übereinstimmenden Vortrags der Parteien wurde keine Rechtswahl des anzuwendenden Rechts gemäß Art. 27 EGBGB getroffen. Somit unterliegt der Vertrag, soweit nicht CISG anwendbar ist, dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist.
Gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 EGBGB ist danach das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt bzw. der Hauptverwaltung des Verkäufers maßgeblich, also Italien (vgl. Palandt-Heldrich, Kommentar zum BGB, Art. 28 EGBGB, Rn. 8).
Danach ergibt sich folgendes:
2. Bezüglich des Kaufvertrages vom 23.02.1996 wird eine Kaufpreisforderung von noch 36.757.000 ital. Lire geltend gemacht. Insoweit folgt die Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises aus Art. 53 CISG.
Somit ist die Klage in Höhe von 36.757.000 ital. Lire, der unstreitig noch offene Restbetrag aus dem Kaufvertrag gemäß Rechnung vom 23.02.1996 der Klägerin zur Zahlung fällig.
Verzug der Beklagten trat durch Protest des Schecks ein, da damit die endgültige Zahlungsverweigerung der Beklagten zum Ausdruck kam.
Die Protestkosten hat die Beklagte einmal nach den Vorschriften über die Scheckbegebung, zum anderen aber auch als Schadensersatz gemäß Art. 74 CISG zu bezahlen.
Insoweit hat sie eine Hauptpflicht aus dem Kaufvertrag der Parteien verletzt.
3. Der Anspruch auf Rückerstattung der 88.000.000 ital. Lire ist zum einen aus Art. 81 CISG begründet, der Anspruch läßt sich auch aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung herleiten.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Kaufvertrag über die 5 PKW … einvernehmlich aufgehoben worden war.
Damit waren beide Vertragspartner von ihren Vertragspflichten befreit.
Soweit eine der beiden Parteien ganz oder teilweise erfüllt hat, hat sie einen Anspruch auf Rückgabe des von ihr geleisteten, Art. 81 Abs. 2 CISG.
Da beide Parteien am 11.03.1996 davon ausgegangen waren, daß der Klägerin der Kaufpreis, für den die Beklagte einen Verrechnungsscheck hingegeben hatte, bereits auf ihrem Konto gutgebracht worden war, bestand aus der damaligen Sicht der Parteien also eine Rückerstattungspflicht der Klägerin, welcher diese dadurch nachkam daß sie den vermeintlich vereinnahmten Betrag in bar auszahlte.
Dementsprechend hätte die Beklagte nachdem sie bemerkte, daß der Scheck noch nicht eingelöst war, diesen nicht zu Protest gehen lassen dürfen. Sie hat sich damit einen Vorteil in Höhe von 88.000.000 ital. Lire verschafft, welcher sie ebenfalls nach Art. 81 Abs. 2 zur Rückzahlung verpflichtete.
Jedenfalls hat die Beklagte dadurch, daß sie den Scheck zu Protest gehen ließ, eine grobe Vertragsverletzung begangen, die sie der Klägerin gegenüber aus dem Vertrag schadensersatzpflichtig macht. Auch aus diesem Gesichtspunkt ist sie zur Rückzahlung der 88.000.000 ital. Lire verpflichtet.
Mit dem Einwand ihr stehe eine Aufrechnungsforderung zu, kann sie schon deshalb nicht kommen, da ihr diese Aufrechnungsforderung nach ihrem Vortrag bekannt war, sie war nach ihrem Vortrag vor dem 11.03.1996 Gegenstand mehrerer Verhandlungen der Parteien.
Wenn sie dann den Umstand ausnützt, daß der Verrechnungsscheck entgegen der Annahme beider Parteien noch nicht von der Klägerin eingelöst war, dahin ausnützt, sich der Verpflichtung aus dem Scheck zu entziehen, obwohl sie das Äquivalent von der Klägerin bereits bekommen hatte, handelt sie im höchsten Maß treuwidrig. Insoweit liegt unzulässige Rechtsausübung vor. Schon unter diesem Gesichtspunkt kann die Aufrechnung nicht durchdringen.
Letztlich ist der Anspruch der Klägerin auch aus ungerechtfertigter Bereicherung begründet, da die Beklagte durch die Entgegennahme des Betrages, den sie in der Annahme erhielt, es sei eine Rückerstattung im Sinne von Art. 81 Abs. 2 CISG, ohne rechtfertigenden Grund bereichert ist, da ihr insoweit ein Rückerstattungsanspruch noch gar nicht zustand, da der von ihr hingegebene Scheck noch nicht eingelöst worden war.
Die Beklagte ist daher verpflichtet, auch den Betrag von 88.000.000 ital. Lire der Klägerin zu erstatten, bezüglich der Zinsforderung und der Forderung auf Erstattung der Protestkosten wird auf die Ausführungen zu Ziffer II. im Urteil Bezug genommen.
4. Selbst wenn die Geltendmachung der Aufrechnung nicht schon aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben unwirksam wäre, kann die Beklagte damit jedenfalls im vorliegenden Rechtsstreit nicht durchdringen.
Die Aufrechnung ist im CISG nicht geregelt (vgl. Piltz: Internationales Kaufrecht, § 2, Rn. 148).
Die Voraussetzungen einer Aufrechnung sind dem gemäß Art. 32 EGBGB auf die Aufrechnung anwendbarem materiellen Recht zu entnehmen. Dies ist das italienische Recht, Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 iVm Art. 28 Abs. 1 und 2 Satz 1 EGBGB, nämlich das Recht des Verkäufers.
Das italienische Recht unterscheidet zwischen gesetzlicher und gerichtlicher Aufrechnung (vgl. hierzu die Auskunft italienischen Justizministeriums vom 14.10.1989, Jahrbuch für italienisches Recht, Band 6, Seite 254 f).
Die Voraussetzungen einer gesetzlichen Aufrechnung, Art. 1243 Abs. 1 Codice Civile sind nicht gegeben, da die Forderung der Beklagten nicht in gleicher Weise liquide und durchsetzbar ist, wobei unter liquide die Entscheidungsreife zu verstehen ist und das vorliegende Bestreiten der Klägerin nicht als offensichtlich unbegründet angesehen werden kann.
Hinsichtlich der richterlichen Aufrechnung (Art. 1243 Abs. 2 Codice Civile) ist zunächst davon auszugehen, daß dieses dem deutschen unbekannte Rechtsinstitut als materiell-rechtliche Bestimmung zu qualifizieren ist, d.h., daß es sich nicht um eine rein prozeß-rechtliche Vorschrift handelt. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Aufrechnung in verschiedenen Rechtssystemen darf nicht zu einer Rechtsverweigerung von deutschen Gerichten führen.
Die Anwendung des Art. 1243 Abs. 2 des Codice Civile scheitert nicht daran daß es sich um einen richterlichen Gestaltungsakt handelt. Aber auch die Voraussetzungen für eine gerichtliche Aufrechnung liegen nicht vor, da die bestrittenen Forderungen der Beklagten, mit der sie aufrechnen will, nicht leicht und sofort feststellbar sind. Hierzu bedarf es einer umfangreichen Aufklärung und einer ebenso umfangreichen Beweisaufnahme.
Denn zum einen ist unstreitig, daß die Rechnungen, mit denen die Beklagte aufrechnen möchte, nicht von der Beklagten sondern von einer Firma … gestellt wurden. Nach der Benennung handelt es sich daher um eine eigene Rechtspersönlichkeit nach italienischem Recht. Der vorgelegte Handelsregisterauszug besagt überhaupt hierzu nichts, er enthält lediglich die Geschäftsaufgabe, die sich die Beklagte gestellt hat, nämlich Niederlassungen in Italien zu begründen, die den vorbezeichneten italienischen Namen tragen. Daß die Firma, deren Rechnung nunmehr die Beklagte geltend macht, jedoch rechtlich identisch mit der Beklagten ist, ergibt sich aus dem Handelsregister nicht. Insbesondere ergibt sich daraus nicht, wie die Beklagte ihre Geschäftsaufgabe in Italien, die dortigen Niederlassungen zu gründen, umgesetzt hat, nämlich als unselbständige Zweigniederlassungen oder als eigene Gesellschaften italienischen Rechts. Insoweit wäre also nach entsprechender Aufklärung durch das Gericht entsprechender Beweis durch die Beklagte anzubieten, der dann gegebenenfalls zu erheben wäre.
Hinzu kommt, daß zumindest der von der Beklagten angebotene Zeugenbeweis über das behauptete Zugeständnis der Klägerin zu erheben wäre, sie schulde diese Rechnungen. Somit sind diese Forderungen nicht leicht und sofort feststellbar, sie bedürfen vielmehr einer langwierigen möglicherweise mehrjährigen Beweisaufnahme. Somit ist die Aufrechnung auch unter diesem Gesichtspunkt unzulässig.
5. Nachdem die Frage der möglichen Zurückweisung der Aufrechnung im Termin bereits mit den Parteien besprochen worden war, bestand kein Anlaß, nochmals in die mündliche Verhandlung einzutreten und die Beklagte nochmals auf die Rechtslage hinzuweisen. Da die Beklagte im nachgelassenen Schriftsatz lediglich angekündigt hatte, sie werde die Erhebung einer Widerklage erwägen, wenn das Gericht der Meinung sei, die Aufrechnung sei unzulässig, war nicht nochmals in die mündliche Verhandlung einzutreten. Insoweit liegen die Voraussetzungen von § 156 ZPO nicht vor.
6. Der Klage war daher in vollem Umfange stattzugeben.