Die Klägerin stellt Strümpfe her. Die Beklagte handelt mit Textilien und betätigt sich ferner als Vermittlungsagentur im Textilhandel. Die Parteien stehen seit Jahren in Geschäftsverbindung. Auf eine entsprechende Bestellung der Beklagten lieferte die Klägerin Herrenstrümpfe. Sie berechnete für die Ware gemäß Rechnung Nr. 78/96 vom 6. September 1996 10.653.300 LIT., Rechnung Nr. 81/96 vom 10. September 1996 8.951.250 LIT. und gemäß Rechnung Nr. 95/96 vom 1. Oktober 1996 12.675.000 LIT.
Der Gesamtkaufpreis von 32.279.550 LIT. ist Gegenstand der Klage.
Die Klägerin beantragt, wie erkannt, jedoch die Zahlung der Zinsen mit einem Zinssatz von 11,5 %.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie wendet ein, die Klageforderungen seien durch Aufrechnung mit ihr, der Beklagten, zustehenden Gegenforderungen gemäß ihrer Belastungsanzeige Nr. 96.259 vom 23. Oktober 1996 über 39.546,50 DM (Kopie Blatt 19/20 der Akten) erloschen. In dieser Belastungsanzeige hat die Beklagte Schadenersatzansprüche (z.B. für nutzlos aufgewendete Fracht- und Lagerkosten, Aufwendungen für einen Deckungskauf und für eine Schadensersatzzahlung an ihren Abnehmer) aufgelistet. Diese Gegenansprüche leitet die Beklagte aus anderen, nicht den Gegenstand der vorliegenden Klage bildenden Kaufverträge her, welche die Klägerin nach der Darstellung der Beklagten mangelhaft erfüllt habe. Unstreitig ist insoweit im wesentlichen folgender Sachverhalt:
Auf Bestellung der Beklagten vom 28. Februar 1996 lieferte die Klägerin am 10. Mai 1996 28.600 Paar Arbeitssocken. Die über diese Lieferung ausgestellte Rechnung der Klägerin Nr. 37/96 vom 10. Mai 1996 über 24.524,70 DM wurde von der Beklagten am 12. Juni 1996 beglichen. Die Beklagte lieferte die Ware an ihren Kunden aus. Mit Faxschreiben vom 23. August 1996 (Bl. 22 der Akten) zeigte die Beklagte der Firma … zwecks Weitergabe an die Klägerin an, dass der Kunde die Ware wegen gravierender Größenunterschiede zutreffend reklamiere und er Ersatzware benötige. Die Firma … fungierte als selbständiger Vermittlungsagent, ohne mit den Parteien durch einen Handelsvertretervertrag verbunden zu sein. Mit Schreiben vom 27. August 1996 (Kopie Bl. 23 der Akten), das die Firma … an die Beklagte weiterleitete, wies die Klägerin die Reklamation der Beklagten als verspätet sowie in der Sache unbegründet zurück und bot weitere Lieferungen an. Am 5. September 1996 fand bei der Klägerin eine Besprechung zwischen den Geschäftsführern der Beklagten und dem Mitarbeiter … der Klägerin statt. Inhalt und Ergebnis dieser Unterredung sind streitig. Die Firma … bestätigte der Klägerin mit Faxschreiben vom 11. September 1996 (Bl. 48 der Akten) als vereinbart, dass die Beklagte versuchen werde, die reklamierte Ware zu verkaufen; wenn ihr das binnen zwei Wochen nicht gelinge, werde die Ware an die Klägerin retourniert und diese mit Kosten belastet. Im September 1996 weiter angelieferte 10.500 Paar Socken berechnete die Klägerin mit Rechnung Nr. 89/96 vom 20. September 1996 in Höhe von 8.925 DM. Diese Rechnung ließ die Beklagte unbeglichen.
Die Beklagte behauptet, bei der erwähnten Besprechung am 5. September 1996 habe der Mitarbeiter … der Klägerin die Reklamation aufgrund der ihm vorgelegten Muster anerkannt und die Lieferung von Ersatzware verbindlich zugesagt (Beweis: Zeugnis … und … . Die mit der Rechnung Nr. 89/96 berechnete weitere Warenlieferung habe ihr Kunde zutreffend wegen der gleichen Mängel, die schon die Erstlieferung ausgewiesen habe (Differenzen in den Schaftlängen), beanstandet und retourniert. Aus der Mangelhaftigkeit beider Lieferungen ergäben sich, so erläutert die Beklagte näher, die mit der Belastung vom 23. Oktober 1996 abgerechneten Schadenspositionen.
Dem gegenüber vertritt die Klägerin den Standpunkt, die Aufrechnung der Beklagten dürfe von dem erkennenden Gericht mangels internationaler Zuständigkeit nicht berücksichtigt werden. Im übrigen lägen auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine wirksame Aufrechnung nach dem maßgeblichen italienischen Recht nicht vor. In der Sache selbst beruft sich die Klägerin darauf, dass die Mängelrüge der Beklagten nach Artikel 38, 39 CISG verspätet gewesen sei. Sie bestreitet, dass ihr Mitarbeiter … bei der Besprechung am 5. September 1996 die Reklamation der Beklagten anerkannt habe. Es sei damals im Gegenteil vereinbart worden, dass die längst bezahlte und zu spät gerügte Ware nicht mehr von der Beklagten zurückgegeben werden solle (Beweis: Zeuge …).
Schließlich bestreitet die Klägerin, dass die von der Beklagten beanstandeten Lieferungen mangelhaft gewesen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Die streitgegenständlichen Kaufpreisforderungen (Artikel 53 ff. CISG), die die Klägerin mit den Rechnungen Nr. 78/96, 81/96 und 95/96 mit insgesamt 32.279.550 LIT. berechnet hat, sind, für sich betrachtet, unstreitig.
Die Aufrechnung der Beklagten kann in diesem Rechtsstreit nicht berücksichtigt werden. Ihr stehen schon Zuständigkeitsbedenken entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes setzt die Entscheidung über im Wege der Prozessaufrechnung geltend gemachte Gegenforderungen des Beklagten voraus, dass das Prozessgericht auch insoweit international zuständig ist. An der inter- nationalen Zuständigkeit des Prozessgerichts für die Entscheidung über im Wege der Prozessaufrechnung geltend gemachte streitige und inkonnexe Gegenforderungen der beklagten Partei fehlt es, wenn für deren selbständige Geltendmachung die Gerichte im Heimatstaat der klagenden Partei zuständig wären und diese – wie hier die Klägerin – die internationale Unzuständigkeit des Prozessgerichts gerügt hat. Ist das Prozessgericht mangels internationaler Zuständigkeit nicht zur Entscheidung über im Wege der Prozessaufrechnung geltend gemachte Gegenforderungen befugt, so ist die Aufrechnung der beklagten Partei in diesem Verfahren nicht zu beachten. Es ist vielmehr allein über die Klageforderung zu entscheiden (Leitsätze des Urteils vom 12. Mai 1993 in IPrax 1994, 115). Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof u. a. ausgeführt, dass das Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidung in Zivil- und Handelssachen zwar keine ausdrückliche Regelung der Aufrechnung enthalte. Die Prozessabrechnung der beklagten Partei ähnele aber einer Rechtsverteidigung, bei der die Gegenforderungen im Wege der Widerklage in den anhängigen Prozess eingeführt würden. Für diesen Fall untersage Artikel 6 Nr. 3 des Brüsseler Übereinkommens die Geltendmachung inkonnexer Gegenforderungen vor dem international dafür unzuständigen Gericht. Wenn aber die Geltendmachung solcher Forderungen nicht einmal im Wege der Widerklage zulässig sei, so verbiete sich dieses erst recht für die Geltendmachung im Wege der Prozessaufrechnung. Diese obergerichtliche Rechtsprechung ist nicht durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Juli 1995 (NJW 1996, 42) überholt. Der EuGH hat zwar die Reichweite des Artikels 6 Nr. 3 des Brüsseler Übereinkommens nicht auf Gegenforderungen, die im Prozess zur Aufrechnung gestellt werden, erstreckt. Jedoch überlässt der EuGH die Voraussetzungen, unter denen die Prozessaufrechnung als Verteidigungsmittel geltend gemacht werden kann, dem nationalen Recht (Ziffer 13 der Gründe). Nichts hindert die nationalen Gerichte, die Zulässigkeit der Prozessaufrechnung davon abhängig zu machen, dass das Gericht der Hauptsache auch für die klageweise Geltendmachung der Aufrechnungsforderung international zuständig wäre (Jayme/ Kohler IPrax 1995, 343, 349).
Nach den mithin weiterhin anzuwendenden Kriterien des Urteils vom 12. Mai 1993 ist die Aufrechnung der Beklagten unbeachtet zu lassen. Die Schadensersatzforderungen der Beklagten, für deren selbständige klageweise Geltendmachung die italienischen Gerichte zuständig wären (Artikel 2 Abs. 1 des Brüsseler Übereinkommens) sind, wie im Tatbestand dargestellt, streitig. Sie sind auch „inkonnex“, da sie aus einem anderen Kaufvertrag vom Februar/Mai 1996 herrühren, der nicht Gegenstand des Klagebegehrens ist. Jener andere Kaufvertrag steht mit den streitgegenständlichen Kaufverträgen von September/Oktober 1996 nicht in einem so engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang, dass alle in Rede stehenden Verträge aufgrund der laufenden Geschäftsverbindung der Parteien als eine natürliche Einheit betrachtet werden könnten. Es geht im vorliegenden Fall also nicht um „denselben Sachverhalt“ im Sinne der zweiten Alternative des Artikel 6 Nr. 3 des Brüsseler Übereinkommens.
Aber auch dann, wenn man das Landgericht Hagen als für die Entscheidung über die Aufrechnung der Beklagten zuständig ansehen würde und diese Einwendung materiell-rechtlich zu prüfen wäre, müssten die Gegenforderungen der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit unberücksichtigt bleiben:
Das Rechtsinstitut der Aufrechnung ist im Einheitskaufrecht nicht geregelt. Das für die Beurteilung der Aufrechnung maßgebliche Recht ist daher anhand der Kollisionsnormen des deutschen internationalen Privatrechts zu bestimmen. Nach Artikel 32 Abs. 1 Nr. 4, 28 Abs. 1 und Abs. 2 EGBGB entscheidet das italienische Recht als Sitzrecht des Verkäufers über Zulässigkeit und Wirkung der Aufrechnung. Das italienische Recht unterscheidet drei Formen der Aufrechnung. Die einvernehmliche Aufrechnung (Artikel 1252 C.C. steht hier nicht in Rede. Die von der Beklagten angeführte Besprechung vom 5. September 1996 hatte die gerügten Warenmängel, jedoch nicht die Verrechnung gegenseitiger Geldforderungen zum Gegenstand, insbesondere nicht die Verrechnung der Klageforderungen, zumal die zugrundeliegenden Rechnungen am 5. September 1996 noch nicht erteilt waren.
Es bleiben die gesetzliche Aufrechnung (Artikel 1243 Abs. 1 C.C.) und die gerichtliche Aufrechnung (Artikel 1243 Abs. 2 C.C.). Nach Artikel 1243 Abs. 1 C.C. findet die gesetzliche Aufrechnung ipso jure nur statt zwischen Forderungen, die gleicherweise entscheidungsreif („liquidi“) sind, also unstreitig sind oder nur in einer offensichtlich unbegründeten Weise von der Gegenpartei bestritten werden. Die gerichtliche Aufrechnung setzt voraus, dass die Gegenforderung „leicht und schnell feststellbar“ ist (vgl. näher Kindler IPrax 1996, 16, 20 ff.). Indessen sind die hier aufgerechneten Gegenforderungen der Beklagten weder liquide noch ohne weiteren Prozessaufwand zugunsten der Beklagten feststellbar. Hinsichtlich der erstmals unter dem 23. August 1996 erhobenen Mängelrüge wegen der Warenlieferung vom 10. Mai 1996 sieht sich die Beklagte dem nach dem bisherigen Streitstand berechtigten Verspätungseinwand der Klägerin gegenüber (Artikel 39 Abs. 1 CISG), so dass allenfalls eine weitere Sachaufklärung eine für die Beklagte günstigere Beurteilung ermöglichen könnte, beispielsweise im Sinne einer hinreichenden Entschuldigung für die Verspätung (Artikel 44 CISG). Schließlich müsste Beweis über die von der Klägerin bestrittene Vertragswidrigkeit der Warenlieferung und/oder über das von der Beklagten behauptete mündliche Anerkenntnis ihrer Ansprüche durch den Mitarbeiter … der Klägerin erhoben werden. Die von der Beklagten zuletzt noch vorgelegte Kopie einer schriftlichen „Erklärung“ der als Zeugin benannten … (Kopie Bl. 65 der Akten) ist Parteivortrag, aber kein zulässiges Beweismittel. Nach allem lässt der Streitstand weder eine sofortige noch eine schnelle Entscheidung über die Aufrechnungsforderung zu, so dass die Aufrechnung der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit auch aus materiell-rechtlichen Gründen unberücksichtigt bleiben muss.
Die Zinsansprüche der Klage sind gemäß Artikel 78 CISG ab Fälligkeit in der sich nach dem maßgeblichen italienischen Recht ergebenden Höhe von 10 % begründet (Artikel 28 Abs. 1 und Abs. 2 EGBGB, Artikel 1284 Abs. 1 C.C.).
Einen höheren Zinsschaden (Artikel 74 CISG) hat die Klägerin nicht belegt.