Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die Warenforderungen der Klägerin auf der Basis „Ware gegen Ware“ ausgeglichen werden können.
Die Klägerin ist ein in … ansässiges Unternehmen der chemischen Industrie. Bei der Beklagten handelt es sich um ein in … ansässiges Unternehmen, das Vorstufen von Tierfuttermitteln produziert und in … eine Niederlassung unterhält.
Zwischen beiden Parteien bestanden seit einiger Zeit Geschäftsbeziehungen.
Zugunsten der Klägerin stand am … ein Saldo von … DM aus. Aufgrund von drei weiteren Lieferungen der Klägerin mit drei weiteren Rechnungen (Einzelheiten Bl. 16/17 der Akten) ergab sich zugunsten der Klägerin mit ihrer letzten Rechnung vom … ein Saldo von … DM. Das ist die Klageforderung.
Die Klägerin verlangt als Nebenforderung … DM Inkassokosten.
Der Mahnbescheid über die streitgegenständliche Forderung wurde am … an die Beklagte zugestellt.
Die Klägerin trägt vor, es sei niemals vereinbart gewesen, dass die Beklagte den ausstehenden Saldo durch Warenlieferungen ausgleichen könne. Sie, die Klägerin, habe nur einmal eine Warenlieferung der Beklagten mit dem offenen Saldo verrechnet. Hieraus könne jedoch nicht geschlossen werden, dass die Beklagte von nun an berechtigt sein sollte, sämtliche offen stehenden Rechnungen durch Gegenlieferungen ausgleichen zu können. Bezüglich des angeblichen Schadensersatzanspruches der Beklagten habe sie, die Klägerin, nicht vertrauensschädigend gehandelt. Bei der bloßen Anfrage nach der Lieferfähigkeit entstehe noch gar kein Vertrauensverhältnis. Nach Bekanntgabe der Konditionen habe sie, die Klägerin, keine Möglichkeit mehr gesehen, das Produkt von der Beklagten zu erwerben (Einzelheiten insbesondere Bl. 73/74 der Akten). Die geltend gemachten Inkassokosten seien erstattungsfähig. Die Verzugszinsen seien nach Grund und Höhe gerechtfertigt.
Die Klägerin beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von … DM nebst 5 % Zinsen
aus … DM vom … bis zum …,
aus … DM vom … bis zum …,
aus … seit dem … sowie einen weiteren Betrag in Höhe von … DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte erwidert, es sei bei einem Saldo zu Lasten der Beklagten vereinbart gewesen, dass die Beklagte ihrerseits diesen durch Warenlieferungen ausgleichen könne. Sie, die Beklagte, sei nach wie vor bereit und in der Lage, der Klägerin chemische Produkte zur Lebensmittelherstellung und -aufbereitung zur Verfügung zu stellen. Daher sei, so meint die Beklagte, die Forderung der Klägerin noch gar nicht fällig, allenfalls könne eine Zug-um-Zug-Verurteilung begehrt werden. Zumindest handele es sich um eine Wahlschuld iS des § 262 BGB. Darüber hinaus stehe ihr, der Beklagten, ein Schadensersatzanspruch zu, weil die Klägerin bezüglich einer Lieferung von Ethylacetat die Vertragsverhandlung ohne triftigen Grund abgebrochen habe (Einzelheiten Bl. 46/47 und 104 der Akten). Sie habe sich im Vertrauen auf die Bestellung mit einer ausreichenden Menge eingedeckt, ohne dass es jedoch zu einer Abnahme gekommen sei. Die Inkassokosten und die geltend gemachten Verzugszinsen seien nach Grund und Höhe zu bestreiten. Erst mit Zustellung des Mahnbescheides könne die Klägerin Verzugszinsen beanspruchen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und ihre Ausführungen in der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist in Höhe der Hauptforderung von … DM begründet.
In materieller Hinsicht kommt zwischen den Parteien das Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11.04.1980 zur Anwendung (englische Kurzbezeichnung, die im Folgenden verwendet wird: CISG).
Nach Art. 1 Abs. 1 a ist dieses Übereinkommen auf Kaufverträge über Waren zwischen Parteien anzuwenden, die ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben, wenn diese Staaten Vertragsstaaten sind. Die Klägerin macht vorliegend ihre Forderung aus der Lieferung von Chemieprodukten, also aus von ihr hergestellten Waren (vgl. Art. 3 Abs. 1 CISG), geltend. Sowohl die Niederlande (seit 01.01.1992) als auch die USA (seit 01.01.1988) sind Vertragsstaat des CISG (Piltz, Neue Entwicklungen im UN-Kaufrecht, NJW 1994, 1101).
Als sogenanntes Einheitsrecht verdrängt das CISG das internationale Privatrecht und das materielle Recht und tritt an deren Stelle (vgl. Palandt/Heldrich, BGB, 58. Aufl., EGBGB Art. 28 Rn. 7).
I. 1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es zu keiner Vereinbarung dahin gekommen, dass die Beklagte offene Forderungen der Klägerin mit eigenen Warenlieferungen ausgleichen kann.
Insoweit kann dahinstehen, ob der von der Beklagten als Zeuge angebotene Geschäftsführer der Beklagten (Herr …) vom Gericht von Amts wegen als Partei zu vernehmen gewesen wäre (§ 448 ZPO). Das anwendbare Verfahrensrecht ist auch bei Fällen mit internationaler Berührung immer das Recht am Gerichtsort (lex fori).
Denn jedenfalls kann bereits aus tatsächlichen Gründen die von der Beklagten behauptete Vereinbarung – wofür sie darlegungs- und beweispflichtig ist – nicht angenommen werden. Materiell regeln insoweit die Art. 14 ff. CISG das äußere Zustandekommen des Kaufvertrages – bzw. hier das Zustandekommen einer Absprache über die Zahlungsweise bei bereits geschlossenen Kaufverträgen -, wobei das UN-Kaufrecht dem herkömmlichen Mechanismus von Angebot und korrespondierender Annahmeerklärung folgt (Piltz, NJW 1996, 2768/2770).
Es fehlt insbesondere schon an einem substantiierten Vortrag der Beklagten, wann und mit welchem Inhalt eine solche Vereinbarung geschlossen worden sein soll. Der bloße Hinweis der Beklagten auf ein Telefonat der beiden •Geschäftsführer „unmittelbar im Anschluss an das Schreiben vom …“ genügt dafür nicht. Im Übrigen setzt sich die Beklagte auch nicht mit dem (in englischer Sprache abgefassten) Fax der Klägerin vom … (Anlage K 15, Bl. 89 der Akten) auseinander. Aus diesem Fax ergibt sich ein offenbar anderer Inhalt des betreffenden Telefonats, nämlich die unbedingte Zahlungsaufforderung der Klägerin.
Dass die Klägerin unstreitig nur einmal eine Warenlieferung der Beklagten mit dem offenen Saldo verrechnet hat, begründet, worauf die Klägerin zu Recht hinweist, keine dahingehende Absprache für die Zukunft. Insoweit bestand iS von Art. 9 Abs. 1 CISG auch keine Bindung der Parteien an „Gepflogenheiten“, die zwischen ihnen entstanden sind.
Soweit sich die Beklagte schließlich maßgeblich auf das Fax der Klägerin vom … (Anlage K 14, Bl. 88 der Akten) beruft, wird der Inhalt von ihr unzutreffend wiedergegeben.
Die Erklärung der Klägerin
„Wir sind bereit, weiterhin Geschäfte mit Ihnen abzuwickeln, auf der Basis, dass offener Saldo innerhalb des vereinbarten Zahlungsziels von 30 Tagen beglichen wird, entweder durch Lieferung von Produkten oder durch Geldzahlung.“
ist nämlich kein Angebot gemäß Art. 14 Abs. 1 CISG in dem Sinne, dass sie den Willen den Anbietenden zum Ausdruck bringt, im Falle der Annahme gebunden zu sein. Vielmehr handelt es sich hier lediglich um eine Absichtserklärung der Klägerin, bei zukünftigen Vertragsschlüssen eine entsprechende Zahlungsweise zu akzeptieren. Der Wortlaut ist eindeutig und auch die Auslegung entspricht der Auffassung „einer vernünftigen Person der gleichen Art wie die andere Partei“ (vgl. Art. 8 Abs. 2 CISG). Die Beklagte konnte dieses Fax keinesfalls so verstehen, dass sie beliebig – und darüber hinaus auch noch weit nach Ablauf der 30-Tage-Frist – mit Gegenlieferungen saldieren kann.
Dementsprechend ist die Forderung der Klägerin fällig. Eine Zug-um-Zug-Verurteilung scheidet aus.
Auch die nach deutschem Recht beklagtenseits in Erwägung gezogene Wahlschuld nach § 262 BGB (näher liegt wohl eine Ersetzungsbefugnis, vgl. Palandt/Heinrichs, aaO, § 262 Rn. 7 ff.) ist – weil deutsches Recht – für die Entscheidung ohne Bedeutung.
2. Der beklagtenseits geltend gemachte Schadensersatz nach Art. 45 Abs. 1 b i. V. mit Art. 74 CISG kann dem Anspruch der Klägerin nicht entgegengehalten werden.
Auch hier fehlt es bereits an einem substantiierten Vortrag der Beklagten, dass die Klägerin im Zusammenhang mit der Lieferung von Ethylacetat willkürlich die Vertragsverhandlungen abgebrochen hat.
Die Bekanntgabe des Preises und die chemische Spezifikation für werkfrisches Ethylacetat durch die Beklagte – aufgrund der Anfrage der Klägerin vom … – kann zwar ein Angebot der Beklagten iS von Art. 14 Abs. 1 CISG darstellen. Es steht aber daraufhin der Klägerin frei, dieses Angebot anzunehmen, vgl. Art. 18 Abs. 1 CISG.
Eine solche Annahme wurde aber von Seiten der Klägerin – wie gesagt bereits nach dem eigenen Vortrag der Beklagten – nicht erklärt, und zwar weder ausdrücklich noch durch ein sonstiges Verhalten, das eine Zustimmung zum Angebot ausdrückt.
Somit sind Umstände, die auf ein willkürliches Ablehnen im Rahmen von Vertragsverhandlungen hindeuten, weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen.
II. Im Übrigen ist die Klage hinsichtlich der Inkassokosten sowie der Zinsen, soweit sie die im Tenor zugesprochenen Zinsen übersteigen, abzuweisen.
Kosten für die Einschaltung eines Inkassobüros sind unter Berücksichtigung des Gebots der Schadensminderung (Art. 77 CISG) nicht ersatzfähig, wenn das Inkassobüro nicht über Rechtsverfolgungsmöglichkeiten verfügt, die denen des Gläubigers überlegen sind (Piltz, NJW 1994, 1101/1106 mit Verweis auf LG Frankfurt, RIW 1991, 952). So liegen die Umstände hier. Mehr als nur mahnen konnte auch das Inkassobüro der Klägerin nicht, jedenfalls ist nichts Weiteres vorgetragen. Vielmehr ergibt sich aus ihrem Vortrag, dass auf die Mahnung des Inkassobüros auch ein anwaltliches Mahnschreiben vom … gefolgt ist. Diese Anwälte haben dann über weitere Rechtsverfolgungsmöglichkeiten verfügt, sie haben nämlich mit dem gerichtlichen Mahnverfahren begonnen.
Zinsen stehen der Klägerin dem Grunde nach erst ab Zustellung des Mahnbescheides am … zu, Art. 78 CISG. Den Zugang einer vorhergehenden Mahnung hat die Klägerin trotz Bestreitens nicht bewiesen.
Der Höhe nach steht der Klägerin, wie beansprucht, jedenfalls der inländische gesetzliche Zinssatz von 5 % zu (§ 352 Abs. 1 HGB).