Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung aus einem Vertrag über die Lieferung von Holzpaletten.
Die Klägerin betreibt einen Handelsbetrieb für Holzpaletten mit Sitz in der Slowakei. Die Beklagte, ein Handelsbetrieb mit Sitz in Deutschland, bestellte mit Auftrag vom 03.07.2001 bei der Klägerin 616 Holzpaletten zum Einzelpreis von DM 10,50. Die Ware wurde von einem Fahrer der Beklagten am 11.07.2001 bei der Klägerin abgeholt. Am gleichen Tag wurde auch die Rechnung über DM 6.468,- übergeben. Ohne die Ware zu untersuchen, lieferte die Beklagte die Paletten weiter an eine Firma in Würzburg. Dieser Endabnehmer rügte schließlich, daß die Paletten nicht der EUR-Norm entsprachen. Die Beklagte verweigerte Bezahlung. Nach mehreren Mahnungen schaltete die Klägerin einen Rechtsanwalt in Deutschland ein. Nach einer weiteren schriftlichen Mahnung kam es am 15.10. und 23.10.2001 zwischen dem Rechtsanwalt und dem Inhaber der Beklagten zu längeren Telefonaten, in denen die Rechtslage erörtert wurde. Der Rechtsanwalt rechnete hierfür eine Besprechungsgebühr in Höhe von DM 420,50 ab. Die Klägerin nimmt ständig Bankkredit in Höhe von 12 % in Anspruch.
Die Klägerin meint, Einwände gegen den Kaufpreiszahlungsanspruch können nicht mehr geltend gemacht werden, weil etwaige Mängel nicht rechtzeitig gerügt worden seien. Zudem könne der Anspruch auch auf ein Anerkenntnis gestützt werden, das die Beklagte anläßlich des Telefonats mit dem Rechtsanwalt der Klägerin abgegeben habe.
Die Klägerin beantragt in der am 20.11.2001 zugestellten Klage:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 6.468,- nebst 12 % Zinsen ab dem 04.08.2001 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 420,50 nebst gesetzlicher Verzugszinsen ab Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
Die Beklagte behauptet, zwischen den Parteien sei die Lieferung von Paletten vereinbart worden, die der EUR-Norm entsprechen. Die tatsächlich gelieferten Paletten haben dieser Norm nicht entsprochen. Vielmehr sei das EUR-Brandsiegel gefälscht gewesen. Die Beklagte meint, es liege ein Fall von Nichtlieferung vor, weil der Vertrag mit gefälschten Paletten nicht habe erfüllt werden können. Es ergebe sich daher auch keine Kaufpreiszahlung und mangels Verzug keine Pflicht, die Anwaltskosten zu tragen.
In Bezug auf das weitere Vorbringen wird auf die Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
I. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von EUR 3.307,04 (= DM 6.468,-) aus dem Kaufvertrag iVm Art. 53 des Wiener-UN-Kaufrechts (CISG) zu.
1) Der sachliche und räumlich-persönliche Anwendungsbereich des CISG ist nach Art. 1 Abs. 1 a eröffnet. Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag handelt es sich um einen Kaufvertrag über Waren, sowohl Deutschland als auch die Slowakei sind Vertragsstaaten des CISG.
2) Der Anspruch auf Kaufpreiszahlung ergibt sich aus dem wirksam gem. Art. 14 ff. CISG geschlossenen Kaufvertrag zwischen den Parteien iVm Art. 53 CISG. Der Zahlungsanspruch ist auch gem. Art. 58 Abs. 1 Satz 1 CISG fällig geworden, weil die Klägerin dem Beklagten die Ware zur Verfügung gestellt hat.
Hiergegen kann nicht eingewendet werden, daß wegen evtl. Nichtübereinstimmung der Paletten mit den EUR-Normen bzw. einer Fälschung des EUR-Brandsiegels ein Fall der Nichterfüllung bzw. Nichtlieferung vorliegt. Zum Vorliegen eines Falles der Nichtlieferung iSd CISG reicht im Vergleich zum bis 2001 geltenden deutschen Kaufrecht nicht aus, daß eine aliud-Lieferung vorliegt. Art. 35 CISG stellt insofern Sachmangel und aliud gleich. Ein Fall der Nichtlieferung kann allenfalls dann vorliegen, wenn eine ganz krasse Abweichung zwischen geschuldeter und gelieferter Ware vorliegt (vgl. BGH, NJW, 1996, 2364). Von einer derartigen krassen Abweichung kann im vorliegenden Fall jedoch nicht ausgegangen werden, selbst wenn man unterstellt, daß EUR-Paletten geschuldet waren und die gelieferten Paletten trotz Vorhandenseins eines entsprechenden Brandsiegels nicht den EUR-Normen entsprachen. Hierin kann allenfalls eine Vertragsverletzung gegen Art. 35 CISG liegen, nicht aber ein Fall der Nichtlieferung. Dabei ist zunächst zu beachten, daß bei Lieferung einer Sache, die von der geschuldeten Sache abweicht, nach der Konzeption des CISG nur in ganz engen Ausnahmefällen vom Vorliegen einer Nichtlieferung ausgegangen werden kann. Art. 35 Abs. 1 CISG stellt Sachmangel und aliud-Lieferung bewußt gleich, um Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden. Dies entspricht auch einer Tendenz, wie sie ganz allgemein modernen Schuldrechten (wie z.B. auch dem neuen deutschen Schuldrecht) zu Eigen ist. Würde man nun den Bereich der Nichtlieferung ausdehnen, so würde diese Zielsetzung konterkariert, weil die Abgrenzungsproblematik auf die Ebene Erfüllung/Nichterfüllung verlagert werden würde. Ein Fall der Nichtlieferung ist daher nur in ganz krassen und offensichtlichen Fällen der Abweichung zwischen geschuldeter und gelieferter Ware anzunehmen. Ein derart offensichtlicher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, daß nach dem Kaufvertrag Holzpaletten geschuldet waren und anschließend auch tatsächlich Holzpaletten geliefert wurden. Die von Beklagtenseite geltend gemachten Abweichungen bewirken allenfalls, daß die Ware iSv Art. 35 Abs. 1 CISG hinsichtlich Qualität und Art nicht den Anforderungen des Vertrages entsprach. Hieran ändert auch der Einwand nichts, daß die Paletten gefälscht gewesen seien und wie im Fall von Falschgeld nur von Nichterfüllung ausgegangen werden könne. Zum einen ist der Fall von Falschgeld mit der Lieferung von Holzpaletten mit gegebenenfalls gefälschtem Brandsiegel nicht vergleichbar, weil Falschgeld in jedem Fall und für jedermann völlig wertlos ist und daher begriffsnotwendig von Nichterfüllung ausgegangen werden muß. Paletten, die nicht der EUR-Norm entsprechen, mögen mangelhaft und nur eingeschränkt verwertbar sein, es handelt sich aber dennoch um „Paletten“, die im Gegensatz zu Falschgeld nicht von vornherein als wertlos betrachtet werden können. Zum anderen zeigt auch die bisherige deutsche Rechtsprechung, die sich mit der Unterscheidung zwischen Sachmangel und aliud-Lieferung zu beschäftigen hatte, daß die Unechtheit eines Kaufobjekts (z.B. eines Gemäldes) als Sachmangel zu qualifizieren sei (vgl. Palandt, 61. Aufl., § 459 BGB, Rn. 40 f). Mit anderen Worten ging auch die bisherige deutsche Rechtsprechung im Fall der Fälschung von einem Sachmangel und nicht von einem Fall der Nichterfüllung aus. Dies muß erst recht nach einem Gesetzeswerk gelten, das zwischen Sachmangel und aliud keinen Unterschied macht.
Einer weiteren Beweisaufnahme darüber, welche Art von Paletten konkret geschuldet waren und ob insofern eine Vertragsverletzung der Klägerin vorliegt, bedurfte es nicht. Wie dargelegt liegt selbst bei unterstellter Richtigkeit des Vortrages der Beklagten allenfalls eine Vertragsverletzung gem. Art. 35 Abs. 1 CISG vor, die nach den Art. 45 ff. von der Beklagten weiter verfolgt hätte werden müssen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann sich die Beklagte jedoch nicht mehr auf die Vertragsverletzung berufen, weil sie ihrer Untersuchungs- und Rügepflicht gem. Art. 38 Abs. 1, Abs. 3, 39 Abs. 1 CISG nicht rechtzeitig nachgekommen ist. Insofern fehlt schon ein konkreter Sachvortrag darüber, ob die Klägerin von der Durchlieferung an die Firma in Würzburg Kenntnis hatte (vgl. Art. 38 Abs. 3 CISG) bzw. wann konkret der behauptete Mangel zum ersten Mal gegenüber der Klägerin angezeigt wurde (vgl. Art. 39 Abs. 1 CISG). Auch im Hinblick auf den Ausschlußtatbestand des Art. 40 CISG hat die Beklagtenseite nichts vorgetragen. Mangels relevanter Einwendungen ist daher ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gem. Art. 53, 58 Abs. 1 Satz 1 CISG gegeben.
II. Zinsen auf den Kaufpreis in Höhe von 12 % kann die Klägerin von der Beklagten gem. Art. 78 CISG verlangen. Die Zahlungspflicht entstand gem. Art. 58 Abs. 1 Satz 1 CISG mit Ablieferung der Ware am 11.07.2001. Ab diesem Zeitpunkt befand sich die Beklagte auch in Verzug, ohne daß es des Verstreichens einer weiteren Frist bzw. einer Mahnung bedurfte (Art. 59 CISG). Zinsen waren daher ab dem beantragten 04.08.2001 zuzusprechen. Auch die Zinshöhe von 12 %war mangels Bestreiten zuzusprechen.
III. Die Klägerin hat desweiteren einen Anspruch auf Zahlung der Anwaltskosten in Höhe von EUR 215,- (= DM 420,50) aus Art. 61 Abs. 1 b, 74 Satz 1 CISG, 118 Abs. 1 Nr. 2, 12 BRAGO. Wie dargelegt befand sich die Beklagte mit der Zahlung des Kaufpreises in Verzug, was eine Vertragspflichtverletzung iSv Art. 61 Abs. 1 CISG darstellt. Unter dem Begriff Verlust in Art. 74 Satz 1 CISG sind auch die Kosten der Rechtsverfolgung zu fassen. Die Klägerin durfte auch einen Rechtsanwalt einschalten, weil die Beklagte hartnäckig die Zahlung verweigerte. Vorgerichtlich ist anläßlich der Telefonate des Klägervertreters mit dem Beklagten eine nicht anrechnungsfähige Besprechungsgebühr gem. § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO entstanden. Die nach § 12 BRAGO festgelegte Höhe (7,5/10 Gebühr aus dem Geschäftswert DM 6.468,-) ist nicht zu beanstanden. Zinsen in der gesetzlichen Höhe nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB waren gem. Art. 78 CISG ab Rechtshängigkeit am 20.11.01 zuzusprechen. Die Rechtsanwaltkosten stellen dabei einen anderen fälligen Betrag iSv Art. 78 CISG dar.