Beide Parteien handeln mit Fisch. Mit sogenanntem Kontrakt Nr. 12510-35 vom 12.07.2003 (Anlage K 1, Bl. 8 der Akten) erteilte die Beklagte der Klägerin per Telefax den Auftrag zur Lieferung frischer Lachsportionen bestimmter Spezifikation zum Preis von 5,676 je Kilogramm. Vorgesehen war eine Lieferung von ca. 50 t (ca. 5 bis 8 t je Liefertermin) ab 19.08.2002 in einem Zeitraum von ca. 4 Wochen. Die Klägerin bestätigte den Auftrag mit Telefax vom 15.07.2002 (Anlage K 2, Bl. 9 der Akten). In der Folgezeit erfolgten mehrere Teillieferungen, die die Klägerin der Beklagten wie folgt in Rechnung stellte:
Rechnungsdatum Rechnungsbetrag
27.08.2002 30.082,80
29.08.2002 17.128,00
17.09.200 234.056,00
Auf die Rechnung vom 29.08.2002 zahlte die Beklagte 13.695,11 EUR; ferner erteilte die Klägerin der Beklagten auf diese Rechnung eine Gutschrift von 1.082,98 EUR. Der verbleibende Restbetrag von 2.249,91 ist ebenso Gegenstand vorliegender Klage wie die beiden anderen Rechnungen (Gesamtbetrag der Klage zunächst: 66.388,71 EUR). Wegen einer anfänglich unberücksichtigt gebliebenen weiteren Gutschrift von 2.270,40 hat die Klägerin ihre Forderung auf 64.118,31 reduziert und die Klage entsprechend zurückgenommen.
Während der Auslieferung einzelner Partien aus dem Kontrakt traten Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien auf, was Qualität, Gewicht und Pünktlichkeit der Lieferungen anging. Im Ergebnis ist der Kontrakt nicht vollständig ausgeführt worden. Die Beklagte erhob deshalb verschiedene Gegenansprüche gegen die Klägerin in Höhe von insgesamt 3.332,89 E. Insoweit haben sich die Parteien im Laufe des Rechtsstreits auf einen zugunsten der Beklagten zu berücksichtigenden Betrag von 833,– EUR verständigt und den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt (Restforderung der Klägerin somit: 63.285,31 EUR).
Gegen diese Restforderung rechnet die Beklagte mit Forderungen auf, die sie auf insgesamt 63.693,60 EUR beziffert. Dem liegt folgendes zugrunde: Auf Anfrage der Beklagten teilte die Klägerin mit E-Mail vom 15.08.2002 (Anlage B 1) Preise für gefrorenen Lachs verschiedener Spezifikationen mit. Für eine Packungsgröße von 2 x 125 g vakuumverpackt nannte sie dabei einen Preis von 6,11 E. Nach Lieferung von Mustern an den Abnehmer der Beklagten erteilte dieser der Beklagten den Auftrag zur Lieferung von Lachsportionen in der genannten Packungsgröße. Mit E-Mail vom 29.08.2002 (Anlage B 3) bat die Beklagte die Klägerin um Bestätigung der Produktspezifikation, u.a.: Minimum-Menge 100 t; zusätzliche Option von 20 t; kontinuierliche Abnahme von 20 t pro Monat. Die Beklagte bat um „Bestätigung noch in dieser Woche“. Am 02.09.2002 erinnerte die Beklagte per E-Mail (Anlage B 4) an die ausstehende Bestätigung, woraufhin die Klägerin der Beklagten am 04.09.2002 ebenfalls per E-Mail (Anlage B 6) u.a. folgendes mitteilte:
I can confirm the order of the 125 g.price 6,11 EUR, 20 tons per time. The price ist valid for 6 month. The minimum of the order ist 120 tons and maximum (6 x 20 tons) and there ist an option of 20 tons.
Please send me the contract.
Die Beklagte übersandte der Klägerin daraufhin den „ersten Auftrag“ für gefrorene Lachsportionen über 20 t (Anlage B 8) und führte im begleitenden Schreiben vom selben Tage (04.09.2002, Anlage B 7) u.a. folgendes aus:
Bitte veranlassen Sie, dass wir eine Orderbestätigung für den beiliegenden Auftrag und eine Bestätigung für weitere 100 to, Abnahme kontinuierlich von Anfang 11/02 bis Anfang 3/03, 20 to/Liefertermin mit einer Preiszusage EUR 6,11/kg DDP für diesen Zeitraum erhalten.
Die Klägerin erteilte der Beklagten im folgenden weder die erbetene Orderbestätigung noch die Bestätigung für weitere 100 t. Sie führte auch keinerlei Lieferungen aus. Die Parteien korrespondierten noch geraume Zeit, vorwiegend per E-Mail, so über den Preis, aber auch darüber, wann der Lieferant der Klägerin gegebenenfalls liefern könne; wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Anlagen K 11 bis K 14 (Bl. 51 bis 55 der Akten), B 23 bis 26 (Bl. 72 bis 75 der Akten) und B 27 und 28 (Bl. 91/92 der Akten) verwiesen. Letztendlich stellte die Klägerin mit Schreiben vom 24.10.2002 (Anlage K 8, Bl. 23 der Akten) klar, jedenfalls ohne vorherige Bezahlung der ausstehenden Forderung von 64.118,31 EUR für den frischen Lachs nicht zur Fortsetzung der Lieferbeziehung bereit zu sein. Die Klägerin beauftragte sodann ihre dänischen Anwälte mit der Durchsetzung der ausstehenden Forderung; dafür stellten die Anwälte der Klägerin insgesamt 12.438,25 DKR in Rechnung.
Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, sich wegen der nicht ausgeführten Lieferungen von gefrorenem Lachs nicht ersatzpflichtig gemacht zu haben, zumal ein bindender Vertrag nicht zustandegekommen sei. Demgemäß beantragt sie,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 63.285,31 nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 26.979,40 EUR seit dem 27.09.2002, aus 2.249,91 EUR seit dem 29.09.2002 und aus 34.056,‑ seit dem 18.10.2002 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 12.438,25 Dänische Kronen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, daß insbesondere auf der Basis der E-Mail der Klägerin vom 04.09.2002 ein Vertrag über die Lieferung von gefrorenem Lachs zu den vorher besprochenen Konditionen zustande gekommen sei. Die Klägerin sei deshalb vertragsbrüchig und zum Schadensersatz verpflichtet. Dazu trägt die Beklagte vor: Sie habe Deckungskäufe im Umfang von 20.240 kg getätigt, bei denen sie höhere Preise haben zahlen müssen als sie mit der Klägerin vereinbart gewesen seien. Das mache einen Betrag von insgesamt 51.473,60 EUR aus; wegen der Darlegung im einzelnen wird auf Seiten 5/6 des Schriftsatzes der Beklagten vom 08.04.2003 (Bl. 32/33 der Akten) verwiesen. Darüber hinaus beansprucht die Beklagte wegen des Ausfalls der Lieferung weitere 100 t entgangenen Gewinn; insoweit macht sie geltend: Angesichts eines Auftragswerts von 611.000,‑ und einer Kalkulation mit einem Gewinn von 2 % des Umsatzes mache das einen weiteren Schaden von 12.220,‑ aus. Mit beiden Beträgen (insgesamt 63.693,60 EUR) rechnet die Beklagte, wie ausgeführt, auf. Sie ist der Ansicht, daß ihr die genannten Beträge unabhängig von einem Vertragsschluß auch aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß zustünden.
Die Klägerin tritt den erhobenen Gegenforderungen auch der Höhe nach entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.
Soweit sich die Rechtsbeziehungen der Parteien nicht nach dem CISG richten, haben sie sich im Laufe des Rechtsstreits auf die Anwendung deutschen Rechts verständigt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist im wesentlichen begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von noch 63.285,31 EUR aus Art. 53, 62 CISG.
1. Sowohl Dänemark als auch Deutschland sind Vertragsstaaten des CISG. Danach unterliegt die kaufvertragliche Beziehung der Parteien nach Art. 1 Abs. 1 a CISG diesem Regelwerk. Für die Lieferung verschiedener Partien frischen Lachses gemäß den Rechnungen vom 27.08., 29.08. und 17.09.2002 schuldet die Beklagte den restlichen Kaufpreis (vgl. Art. 53, 62 CISG) von 63.285,31 E. Dieser Betrag ist rechnerisch zutreffend ermittelt und steht -von den noch zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen abgesehen- auch außer Streit.
2. Mit ihrer Aufrechnung dringt die Beklagte nicht durch. Was die Voraussetzungen einer Aufrechnung angeht, enthält das CISG keine Vorschriften. Nach der im Zuge des Rechtsstreits zustandegekommenen Wahl deutschen Rechts (vgl. Art. 27 Abs. 1, 2 EGBGB) sind deshalb §§ 387 ff. BGB maßgebend. Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Aufrechnung bestehen danach nicht; es kann jedoch nicht festgestellt werden, daß die zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche entstanden sind.
a) Die Klägerin hat sich mit ihrer Weigerung, ab September 2002 gefrorenen Lachs bestimmter Spezifikation zu liefern, nicht wegen Vertragsverletzung nach Art. 74 CISG schadensersatzpflichtig gemacht. Denn ein bindender Vertrag war noch nicht zustandegekommen. Auf die Regelungen in Teil II des CISG (Art. 14 bis 24) zum Abschluß des Vertrages kann dabei nicht abgestellt werden, da Dänemark dazu einen Vorbehalt gemäß Art. 92 Abs. 1 CISG erklärt hat (vgl. Piltz, NJW 03, 2056). Kraft der Rechtswahl der Parteien ist auf deutsches Recht (§ 145 ff. BGB) abzustellen. Danach kommen Verträge grundsätzlich durch Antrag und Annahme zustande. Entgegen dem Standpunkt der Beklagten kann nicht angenommen werden, mit Zugang der E-Mail der Klägerin vom 04.09.2002 sei der Vertrag zustandegekommen. Zwar hatten die Parteien bereits vorher die grundlegenden Konditionen abgestimmt, die mit der besagten E-Mail von der Klägerin auch bestätigt wurden („I can confirm...“). Durch den Zusatz „please send mir the contract“ machte die Klägerin aber hinreichend deutlich, daß sie sich noch in der „Angebotsphase“ wähnte und der eigentliche feste Vertragsschluß noch erfolgen sollte. Dem entsprach auch das Verhalten der Beklagten, die am selben Tage den ersten Auftrag schickte, verbunden aber mit der Bitte, eine Orderbestätigung für den ersten Auftrag und eine Bestätigung für weitere 100 t, kontinuierlich abzunehmen, zu erteilen. Zu solchen Bestätigungen ist es – unstreitig – nicht gekommen.
Die Bitte um „Gegenbestätigung“ ist das entscheidende Indiz gegen einen bereits zustandegekommenen Vertrag; im übrigen entsprach es offenbar auch den Gepflogenheiten der Parteien, daß Aufträge der Beklagten (Vertragsangebote) durch die Klägerin bestätigt (und damit angenommen) wurden, wie sich beim sogenannten Kontrakt 12510-35 zum frischen Lachs anhand von Anlagen K 1 und 2 zeigt. Anlaß zum Zustandekommen des Vertrages die von der Beklagten benannten Zeuginnen zu hören (vgl. Schriftsatz vom 17.11.2003, Bl. 96/97 der Akten) bestand nicht, da letztlich keine Tatsachen, sondern Wertungen zum Zustandekommen eines Vertrages in ihr Wissen gestellt sind. Auch die Erklärungen der Klägerin in der nachfolgenden Korrespondenz mit der Beklagten zwingen nicht zur Annahme, die Klägerin selbst sei von einem festen Vertragsschluß ausgegangen. Die Mitteilungen zu eventuellen Liefermöglichkeiten lassen sich zwanglos auch damit erklären, daß die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt noch nicht von einem endgültigen Scheitern des in Rede stehenden Vertrages ausging, sondern es für möglich hielt, sich mit der Beklagten auf Liefermengen und -preise abschließend zu verständigen. Den Preis hatte im übrigen die Beklagte wieder in Frage gestellt, was gegen einen bereits zustandegekommenen Vertrag spricht.
b) Auch aus Verschulden bei Vertragsschluß (vgl. jetzt § 311 Abs. 2 BGB), sind die Gegenansprüche nicht herzuleiten, selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, die Klägerin habe mit der E-Mail vom 04.09.2002 Abschlußbereitschaft dokumentiert und dadurch das Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages erweckt, sich dann aber grundlos geweigert, den Vertrag zu schließen. Zu ersetzen ist in diesem Rahmen nämlich nur der sogenannte Vertrauensschaden. Entgangener Gewinn gehört ebenso wenig dazu wie die Mehrkosten der behaupteten Deckungsgeschäfte. Die Beklagte hat auch nicht erst im Vertrauen auf das Zustandekommen des Geschäfts mit der Klägerin den Vertrag mit ihrem Abnehmer geschlossen. Bereits mit der E-Mail vom 29.08.2002 hatte sie der Klägerin mitgeteilt, sie habe von ihrem Abnehmer den Auftrag erhalten.
3. Ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Ersatz von Rechtsverfolgungskosten (Kosten der dänischen Anwälte) besteht nach Auffassung des Gerichts nicht, da nach der Weigerung der Beklagten zu zahlen mit der Notwendigkeit gerichtlicher Durchsetzung unter Einschaltung deutscher Anwälte zu rechnen war. Unbenommen davon bleibt die im Kostenfestsetzungsverfahren zu klärende Frage, ob Verkehrsanwalts-kosten der dänischen Rechtsanwälte prozessual erstattungsfähig sind.
4. Die Zinsentscheidung folgt aus Art. 78 CISG; wobei sich das Gericht wegen der Zinshöhe an den Regelungen des deutschen Rechts orientiert hat.
5. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91a, 92, 269 Abs. 3, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.