Die Klägerin macht Kaufpreisansprüche aus Kaufvertrag über die Lieferung von Dachplatten mit Zubehör für ein Bauvorhaben in … geltend.
Der Beklagte bestellte mit Auftrag vom 11.4.2002 bei der Klägerin Dachplatten mit Zubehör für ein Bauvorhaben der … deren Geschäftsführer er war.
Unter dem 15.4.2002 übersandte die Klägerin eine Auftragsbestätigung an den Beklagten, aus welcher sich neben den zu liefernden Waren folgende Vereinbarungen ergaben:
„Lieferung frei Bau, Bauvorhaben …“
„Lieferbedingungen
Die Lieferung erfolgt mit einem LKW der ein Gewicht mit 40 to beladen darf Der Transport erfolgt vom Werk … zum Lager der …., von dort aus wird das Material direkt von … mit einem entsprechenden LKW geliefert.
Lieferung der HEBEL-Deckenplatten für das Erdgeschoss ist in der 18. KW 2002 (30.04.2002). Die Lieferung erfolgt bis zur Baustelle, ohne Abladen.“
„Zahlungen und Abrechnungen
15 % bei Vertragsabschluss, innerhalb 6 Tage ohne Abzug, also netto.
100 % bei der Anlieferung von HEBEL-Deckenplatten, nach jeder Rechnung für das Erdgeschoss, innerhalb 6 Tage mit 3,5 % Skonto oder 30 Tage netto.
100 % bei Anlieferung von HEBEL-Deckenplatten, nach jeder Rechnung für den 1. Stock innerhalb 6 Tage mit 3,5 % Skonto oder 30 Tage netto.
Saldo bei der Lieferung der HEBEL-Dachplatten, nach jeder Rechnung für dieses Material, innerhalb 6 Tage mit 3,5 % Skonto oder 30 Tage netto.“
„Erfüllungsort ist …, es wird Gerichtsstand … vereinbart, vorausgesetzt, dass es vom Gesetz zulässig ist.“
Die Auftragsbestätigung ging am 16.4.2002 bei dem Beklagten ein.
Nach Änderung des Auftrages durch den Beklagten übersandte die Klägerin unter dem 25.4.2002 eine erneute Auftragsbestätigung. Die Lieferbedingungen und die Vereinbarungen zum Erfüllungsort und Gerichtsstand blieben inhaltlich identisch.
In der Folgezeit wurden die bestellten Waren an den Beklagten bzw. die von ihm vertretene Firma … ausgeliefert.
Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, dass eine internationale Zuständigkeit des Landgerichts München II gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVVO gegeben sei, da Erfüllungsort aufgrund der Vereinbarung zwischen den Parteien … sei. Durch die unwidersprochene Auftragsbestätigung vom 15.4.2002 sei … als Erfüllungsort vereinbart worden. Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO bestimme nicht autonom einen Erfüllungsort. Vielmehr sei dieser nach der lex causae zu bestimmen. Nach dem UN-Kaufrecht (CISG) befinde sich der Erfüllungsort im Zweifel dort, wo der Verkäufer die Ware dem ersten selbständigen Beförderer übergebe, so dass es sich im Zweifel um eine Schickschuld handle.
Darüber hinaus sei Zahlungsort nach Art. 57 Abs. 1 Cl SG am Ort der Niederlassung des Verkäufers. Nach der höchstrichterlichen Rechtssprechung liege der internationale Gerichtsstand für Zahlungsklagen aus Kaufverträgen in der Bundesrepublik Deutschland, wenn der Verkäufer dort seinen Sitz habe.
Die Klägerin beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 32.260,59 nebst 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 28.8.2002 zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte erhebt hilfsweise Widerklage mit dem Antrag:
Die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten Schadenersatz in Höhe von EUR 71.800 zuzüglich 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.
Der Kläger beantragt, die hilfsweise erhobene Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte trägt im Wesentlichen vor, dass die internationale Zuständigkeit des Landgerichts München II nicht gegeben sei. Art. 5 EuGVVO begründe einen einheitlichen Gerichtsstand für sämtliche Streitigkeiten aus dem Vertrag. Der Erfüllungsort sei nicht dem UN-Kaufrecht zu entnehmen, sondern bestimme sich nach Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO.
Es sei ausdrücklich die Lieferung „frei Bau“ zwischen den Parteien vereinbart worden.
Die Erfüllungsortvereinbarung sei darüber hinaus nicht wirksam zustande gekommen, da das italienische Recht ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben nicht kenne Darüber hinaus sei die behauptete Erfüllungsortvereinbarung unwirksam, da sie lediglich darauf abgezielt habe, einen Gerichtsstand in … zu begründen. Mündlich sei zwischen den Parteien als Erfüllungsort … vereinbart worden.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unzulässig.
Das Landgericht München II ist örtlich unzuständig.
1. Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Art. 23 Abs. 1 EuGVVO liegt nicht vor. Da eine beidseitige schriftliche Vereinbarung oder mündliche Vereinbarung mit schriftlicher Bestätigung fehlt und die Parteien bis zu dem streitgegenständlichen Kaufvertrag keine geschäftlichen Kontakte hatten, kommt eine Gerichtsstandsvereinbarung nur nach Art. 23 Abs. 1 S. 3 Buchst. c) in Betracht. Hierzu hat die Klagepartei, auch auf gerichtlichen Hinweis, nicht vorgetragen oder unter Beweis gestellt, dass es einen dem kaufmännischen Bestätigungsschreiben entsprechenden internationalen Handelsbrauch gibt, den auch der Beklagte kennen musste.
Darüber hinaus wäre durch die Gerichtsstandsvereinbarung in der Auftragsbestätigung vom 15.4.2004 eine Zuständigkeit des Landgerichts München II nicht begründet worden, da nach der Rechtssprechung bei einer Gerichtsstandsvereinbarung … das Landgericht München I zuständig wäre.
2. Eine Zuständigkeit des Landgerichts München II nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO ist nicht gegeben, da Erfüllungsort hinsichtlich der charakteristischen Verpflichtung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages nicht im Bezirk des Landgerichts München II war.
a) Die EuGVVO ist gemäß Art. 1 Abs. 1 anwendbar, da es sich um eine zivilrechtliche bzw. handelsrechtliche Streitigkeit zwischen den Parteien handelt und beide Parteien ihren Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates haben, Art. 2 Abs. 1 EuGVVO.
b) Nach Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, und zwar dann, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.
Gemäß Art. 5 Nr. 1 b ist Erfüllungsort der Verpflichtung – sofern nichts anderes vereinbart worden ist – für den Kauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen.
Diese Vorschrift verwirklicht, einen autonomen Ansatz für die Bestimmung des Gerichtsstandes ohne Rückgriff auf das materielle Recht und einen einheitlichen Erfüllungsort für alle Verpflichtungen aus dem betreffenden Vertrag, also auch für die Zahlungsklage des Geldleistungsgläubigers. Eine Differenzierung nach den einzelnen Leistungsbeziehungen erfolgt nach Art. 5 Nr. 1 b nicht mehr. Die für den Vertrag charakteristische Verpflichtung regiert hinsichtlich des Erfüllungsortes über alle anderen Verpflichtungen (Baumbach/Lauterbach, Albers/Hartmann, ZPO 62. Aufl., Rn. 7 zu Art. 5 EuGVVO). Der Erfüllungsort allein der Zahlungsverpflichtung begründet keine gerichtliche Zuständigkeit (Piltz, NJW 2002, 789, 793). Nur außerhalb des Anwendungsbereiches von Nr. 1 b ist auf die jeweilige Verpflichtung (hier Geldschuld) abzustellen (Geimer/Zöller, ZPO, 24. Aufl., Rn. 7 zu Art. 5 EuGVVO). Die Regelung des Zahlungsortes in Art. 57 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) spielt daher für die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit keine Rolle.
c) Der nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO maßgebliche Erfüllungsort ist nach dem materiellen Recht zu bestimmen, das nach dem IPR des jeweiligen Forums auf die durch den Streitgegenstand bestimmte Verpflichtung anzuwenden ist (Baumbach/Lauterbach, aaO, Rn. 14). Maßgeblich ist danach primär das von der Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat ratifizierte internationale Vertragsrecht, in diesem Fall das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG).
Nach Art. 31 a CISG hat der Verkäufer die Ware, sofern eine Beförderung der Ware erforderlich ist, dem ersten Beförderer zur Übermittlung an den Käufer zu übergeben, sofern nichts anderes bestimmt ist.
Zwischen den Parteien wurde jedoch, wie die Vertragsauslegung ergibt, eine Bringschuld vereinbart.
Aus der Auftragsbestätigung der Klägerin geht hervor, dass die Lieferung frei Bau erfolgen sollte. Zudem wurde die Fälligkeit der Zahlung laut Auftragsbestätigung von der Anlieferung abhängig gemacht. Darüber hinaus ergeben sich aus den Lieferbedingungen in der Auftragsbestätigung vom 15.4.2002 konkrete Regelungen zum Transport der bestellten Ware zum Bauvorhaben; so wurde ausdrücklich geregelt, dass die Lieferung der Ware mit einem LKW erfolgen sollte, der mit einem Gewicht bis zu 40 Tonnen beladen werden darf, dass der Transport vom Werk … zum Lager der … erfolgen und von dort aus direkt mit einem entsprechenden LKW zum Bauvorhaben geliefert werden sollte.
Allein die Vereinbarung „Lieferung frei Bau“ reicht zwar für die Annahme einer Bringschuld nicht aus. Aus der Gesamtheit der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarungen ergibt sich jedoch, dass Gegenstand der Leistungspflicht des Verkäufers nicht nur die Aussonderung der Ware und die Übergabe an eine geeignete Transportperson war, sondern auch die Überbringung der Ware zum Bauvorhaben. Den Verantwortlichen der Klägerin wäre bei bloßer Verpflichtung der Übergabe an eine Transportperson nicht bekannt geworden, wann eine Anlieferung am Bauvorhaben erfolgte, weshalb die Fälligkeit des Kaufpreises, abhängig von der Anlieferung der Ware, so vermutlich nicht vereinbart worden wäre. Darüber hinaus sprechen die exakten Regelungen zu den Lieferbedingungen dafür, dass sich die Klägerin auch hinsichtlich der Liefermodalitäten verpflichten wollte.
Auf die Zweifelsregelung des Art. 31 a CISG kommt es, da die Vertragsauslegung zu einer eindeutigen Bringschuld führt, daher nicht an.
d) In der Auftragsbestätigung vom 15.4.2004 wurde … nicht wirksam als Erfüllungsort vereinbart.
Nach der Rechtsprechung des EuGH zur alten Rechtslage (NJW 1997,1431,1433) lässt eine Vereinbarung zum Erfüllungsort den tatsächlichen Erfüllungsort (=Leistungsort) unberührt, wenn die Vereinbarung nur darauf abzielt, einen bestimmten Gerichtsstand festzulegen. Dies ergibt sich im vorliegenden Fall gerade daraus, dass die Bestimmung „Erfüllungsort …“ in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Gerichtsstand geregelt ist und mit der Realität – wie oben ausgeführt – nichts gemein hat.
e) Auch aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt sich keine Zuständigkeit des Landgerichts München II. Die Rechtsprechung welche für eingeklagte Geldschulden über Art. 57 Abs. 1 a CISG zu einem Erfüllungsort und somit zu einem Gerichtsstand am Ort der Niederlassung des Verkäufers kam, bezog sich auf die Zuständigkeitsregelung des zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitgegenständlichen Vertrages nicht mehr geltenden Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ. Durch die nunmehrige gesetzliche Regelung des Art. 5 Nr. 1 a und b ist diese Rechtsprechung überholt.
Über die lediglich hilfsweise erhobene Widerklage war, da die Klage abgewiesen wurde, nicht zu entscheiden.