Der Kläger betreibt in R. ein Sportcenter mit einer Tennishalle. Die Beklagt ist eine belgische Firma, die Licht- und Bauplatten aus Hart-PVC vertreibt.
Die Beklagte lieferte dem Kläger am 16.12.1995 16 Lichtplatten nebst Zubehör zum Preis von DM 4.669,70. Über die Lieferung stellte die Beklagte eine Auftragsbestätigung vom 16.12.1995 aus (Anlage 1 AH Kl.), die als Lieferadresse das Sportcenter des Klägers nannte, als Gerichtsstand V./Belgien und Bezug nahm auf die Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen der Beklagten.
Eine weitere Lieferung von Lichtplatten erfolgte am 15.01.1996 zum Preis von DM 7.199,59. Über diese Lieferung stellte die Beklagte eine Rechnung vom 15.01.1996 aus, die ebenfalls als Lieferadresse das Sportcenter des Klägers nannte, den Gerichtsstand V./Belgien und den Hinweis auf die Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen der Beklagten (Anlage 2 AH Kl.).
In den Verkaufs- und Lieferbedingungen der Beklagten heißt es in § 6:
„Mit der Übergabe an den Spediteur oder Frachtführer, spätestens jedoch mit dem Verlassen des Werkes oder Lagers, geht die Gefahr auf den Abnehmer über. Dies gilt auch bei fob- und cif-Geschäften sowie bei einer Vereinbarung „frei Bestimmungsort“ oder ähnlich.“
Die Anlieferung der Lichtplatten erfolgte mit eigenen LKW der Beklagten.
Der Kläger legt vor eine schriftliche Erklärung der Beklagten, in dem diese „10 Jahre Gewährleistung“ für Hagelsicherheit, Korrosions-, Witterungs- und UV-Lichtbeständigkeit der Lichtplatten übernimmt.
Die Lichtplatten wurden von dem Kläger selbst eingebaut. In der Folgezeit verformten sich die Lichtplatten, wurden matt und dunkel.
Mit der Klage verlangt der Kläger die Kosten einer Neuverlegung der Lichtplatten.
Der Kläger behauptet, die aufgetretenen Fehler beruhten auf einer Materialuntauglichkeit der Lieferung. Die Neuverlegung der Platten erfordere Kosten in Höhe von EUR 11.213,60.
Der Kläger ist der Ansicht, dass angerufene Gericht sei international zuständig, weil die Parteien eine Bringschuld vereinbart hätten, da die Lieferung von Auslieferungslagern der Beklagten in Deutschland direkt zum Wohnort des Klägers erfolgt sei und sich aus den Rechnungen und Lieferscheinen die Vereinbarung des Lieferorts ergebe. Wegen der Größe der Lichtplatten und den dadurch vorhandenen Schwierigkeiten des Transports sei von Anfang an klar gewesen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, die Lieferung an den Verwendungsort herbeizuführen.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 11.213,60 zuzüglich Zinsen daraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 22.07.2001 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte rügt die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Sie ist der Ansicht, zwischen den Parteien sei wirksam eine Gerichtsstandsvereinbarung zustande gekommen. Außerdem hätten die Parteien eine Schickschuld vereinbart, so dass Erfüllungsort der Sitz der Beklagten sei. Das ergebe sich auch aus § 6 der Verkaufs- und Lieferbedingungen der Beklagten.
Die Beklagte bestreitet, dass eine zehnjährige Garantie vereinbart worden und dass die gelieferten Lichtplatte fehlerhaft gewesen seien. Der Schaden sei allein auf eine fehlerhafte Verlegung durch den Kläger zurückzuführen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akten des selbständigen Beweisverfahrens 2 OH -/- waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
I. Die Parteien streiten zunächst über die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Über diese im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Klage zu entscheidende Frage war daher zunächst nach § 280 ZPO durch Zwischenurteil zu entscheiden. Dass in der mündlichen Verhandlung eine ausdrückliche Anordnung gemäß § 280 Abs. 1 ZPO, über die Zulässigkeit der Klage abgesondert zu verhandeln, nicht erging, hindert den Erlass eines Zwischenurteils nicht. Der Erlass des Zwischenurteils setzt eine ausdrückliche Anordnung der abgesonderten Verhandlung nicht voraus (BGH WM 1994, 1051, 1052; so im Ergebnis schon BGH NJW 1956, 1920, 1921; ebenso Stein/Jonas/Leipold, ZPO 20. Aufl., § 280 Rn. 16). Die Beklagte erleidet keinen verfahrensrechtlichen Nachteil, wenn das Gericht über Fragen der Zulässigkeit der Klage vorab entscheidet, ohne zuvor die abgesonderte Verhandlung angeordnet zu haben. Diese Anordnung dient lediglich der Prozessökonomie. Danach hängt auch die Rechtsmittelfähigkeit des Zwischenurteils nicht von der Anordnung der abgesonderten Verhandlung ab. Im Übrigen wurden die Parteien vor Schluss der mündlichen Verhandlung – insoweit nicht protokolliert – darauf hingewiesen, dass im Fall des Vergleichswiderrufs zunächst eine Entscheidung über die Zuständigkeit des Gerichts erfolgen soll.
II. Das angerufene Gericht ist international, sachlich und örtlich zur Entscheidung des Rechtsstreits zuständig.
1. Eine bindende Gerichtsstandsvereinbarung, die die Zuständigkeit eines belgischen Gerichts begründen könnte, haben die Parteien nicht geschlossen. Eine Gerichtsstandsvereinbarung setzt nach Art. 23 EuGVVO voraus, dass sie schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung abgeschlossen wird oder in einer Form, welchen den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind, oder im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten.
Keine dieser Voraussetzungen sind vorgetragen. Allein die Tatsache, dass die Beklagten in ihre Rechnungen und Auftragsbestätigungen die Bestimmung eines Gerichtsstands aufgenommen hat, erfüllt weder die Voraussetzungen einer schriftlichen Vereinbarung, noch liegt damit eine schriftliche Bestätigung des Klägers oder der Beklagten über eine vorausgegangene mündlichen Vereinbarung vor, noch ist ein Handelsbrauch vorgetragen worden, der eine entsprechende Form zulässt.
2. Die internationale Zuständigkeit des Gerichts folgt aus Art. 5 Nr. 1 b) EuGVVO.
Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Dabei ist im Sinne dieser Vorschrift bei einem Verkauf beweglicher Sachen derjenige Ort der Erfüllungsort, an dem die Sache nach dem Vertrag geliefert worden ist. Dieser Ort ist nicht nur für die vertraglichen Primäransprüche, sondern auch für aus der Lieferung folgende Gewährleistungsansprüche und sonstige vertraglichen Sekundäransprüche als Erfüllungsort maßgeblich.
Mit dieser Regelung wurde abweichend von der nach Art. 5 GVÜ geltenden Rechtslage (EuGH NJW 1977, 491; NJW 2000, 719) erstmals ein selbständiger Erfüllungsortbegriff geschaffen, der unabhängig von dem nach den Regeln des internationalen Privatrechts anwendbaren materiellen Recht autonom nach den Rechtsgrundsätzen der Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu bestimmen ist (Thomas/Putzo, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rn. 4).
Das bedeutet allerdings nicht, dass in jedem Fall, in dem die verkaufte Ware an den Käufer geliefert wird, der Wohnsitz des Käufers den Erfüllungsort bildet. Vielmehr bildet, wenn nach den vertraglichen Vereinbarungen von einem Versendungskauf auszugehen ist, der Ort der Absendung den Erfüllungsort, weil dann bereits mit der Absendung die Lieferung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO erfolgt ist (vgl. Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl. 2004, Art. 5 Rn. 86; a.A. Hager/Bentele, IPRax 2004, 73).
Ein derartiger Versendungskauf ist zwischen den Parteien jedoch nicht vereinbart worden. Die Frage, ob ein Versendungskauf vorliegt, kann dabei auch im Rahmen des Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO nicht ohne Rückgriff auf die mangels konkreter Vereinbarungen dem Vertragsverhältnis zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Regelungen entschieden werden. Da sowohl Deutschland als auch Belgien dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) beigetreten sind, ist die Frage nach den Regeln des CISG zu beurteilen. Nach Art. 31 a CISG hat der Verkäufer, wenn der Kaufvertrag die Beförderung der Ware erfordert, sie dem ersten Beförderer zur Übermittlung an den Käufer zu übergeben. Dieser Ort der Übergabe bestimmt auch den Erfüllungsort (Staudinger/Magnus, BGB [2004], Art. 31 CISG Rn. 24). Der Verkäufer „liefert“ in diesem Fall im Sinne von Art. 5 EuGVVO bis zur Übergabe an den Beförderer. § 31 a CISG greift jedoch nur ein, wenn eine Übergabe an einen selbständigen Beförderer erfolgt, nicht jedoch, wenn der Verkäufer den Transport mit eigenen Leuten durchführt (Staudinger/Magnus aaO Rn. 13). Da im Streitfall die Beklagte die Anlieferung selbst übernommen hatte, liegt somit eine den Liefer- und Erfüllungsort bestimmende Übergabe an einen Dritten und damit ein Versendungskauf im Sinne von Art. 31 a CISG nicht vor.
Das bedeutet nicht, dass damit Art. 31 c CISG eingreift und der Lieferort und Erfüllungsort am Sitz der Beklagten anzunehmen ist. Denn der Kaufvertrag erforderte unstreitig eine Beförderung der Ware, so dass nicht vereinbart war, dass die Beklagte die Ware an dem Ort ihrer Niederlassung zur Verfügung zu stellen hatte.
Es ist deshalb im Rahmen von Art. 5 EuGVVO ohne Rücksicht auf das anwendbare materielle Recht autonom zu klären, was unter dem Ort der Lieferung zu verstehen ist. Da sich Art. 5 Nr. 1 b 1. Halbsatz an der Regelung von Art. 46 des französischen Nouveau Code de Procédure ausrichtet, bietet sich an, die französische Rechtsprechung und Literatur zu berücksichtigen (Schlechtriem/Schwenzer/Huber/Widmer, CISG, 4. Aufl. 2004, Art. 31 Rn. 93). Danach befindet sich der tatsächliche Erfüllungsort der Lieferpflicht dort, wo der Käufer nach dem Vertrag den körperlichen Gewahrsam an der Ware erlangt (Schlechtriem/Schwenzer/Huber/Widmer, aaO Rn. 94, mwN). Unternimmt der Verkäufer, wie im Streitfall, den Transport der Ware selber, ohne Einschaltung eines selbständigen Beförderers, geht der körperliche Gewahrsam an der Ware erst am Bestimmungsort auf den Käufer über. Dieser bildet folglich den Ort der Lieferung und damit den zuständigkeitsbegründenden Erfüllungsort (Schlechtriem/Schwenzer/Huber/Widmer. aaO).
Diese Auslegung des Art. 5 Nr. 1 b 1 entspricht am besten der Vertragswirklichkeit und ermöglicht die Bestimmung des Lieferorts nach pragmatischen Kriterien. Jede andere Bestimmung des Lieferorts in Fällen, in denen der Verkäufer den Transport der Ware selbst übernimmt, widerspräche der pragmatischen Anschauung, dass derjenige liefert, der die Ware an einen anderen Ort verbringt, und würde in diesen Fällen einen juristischen Lieferort begründen, der der tatsächlichen vertraglichen Abwicklung nicht gerecht würde.
Eine zu berücksichtigende davon abweichende vertragliche Vereinbarung ergibt sich nicht aus § 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. Denn § 6 enthält nach seinem Wortlaut lediglich eine Gefahrtragungsregel, die nicht den Erfüllungsort bestimmt (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., 2005, § 269, Rn. 10; Schlechtriem/Schwenzer/Huber/Widmer, aaO, Rn. 92; Staudinger/Magnus, aaO Rn. 32). Dass lediglich eine Gefahrtragungsregel vorliegt, wird insbesondere durch Satz 2 deutlich, der für die Incoterms-Klauseln „fob“ und „cif“, die einen Lieferort festlegen (vgl. MünchKommBGB/Westermann, 4. Aufl. 2004, § 447 Rn. 10 f.; Palandt/Heinrichs, aaO Rn. 10), allein die Gefahrtragung abweichend regelt, im übrigen aber die Geltung der Klauseln voraussetzt.
3. Die internationale Zuständigkeit des angerufen Gerichts begründet auch die örtliche Zuständigkeit, die sachliche Zuständigkeit folgt aus §§ 71, 23 GVG.