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Zusammenfassung der Entscheidung Die deutsche Klägerin macht gegen die in Spanien ansässige Beklagte Ansprüche aus Vertrag geltend. Das Vertragsangebot der Klägerin bestimmt im Text ausdrücklich, dass Depoteinrichtungen von der Klägerin nach Spanien transportiert und dort von ihr montiert werden sollen. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Klägerin, die der Beklagten nicht zugesandt wurden, befindet sich eine Gerichtsstandsklausel zugunsten des Landgerichts Köln (DE). Die Klägerin behauptet, es bestehe bei deutschen Unternehmen der Handelsbrauch, bei internationalen Verträgen AGB mit einer Gerichtsstandsklausel zu verwenden. Weiter behauptet sie, es sei ein Erfüllungsort vereinbart worden, indem die Parteien die Geltung des CISG nicht abbedungen hätten.
Das Oberlandesgericht Köln (DE) verneint die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Die Gerichtsstandsvereinbarung entspreche nicht der Form des Art. 23 Abs. 1 S. 3 lit. c Brüssel I-VO. Ein internationaler Handelsbrauch bestehe nur, wenn es nicht nur bei deutschen Unternehmen, sondern auch in anderen Ländern üblich sei, bei internationalen Verträgen AGB mit einer Gerichtsstandsklausel zu verwenden. Eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bestehe auch nicht aufgrund von Art. 5 Nr. 1 lit. b Brüssel I-VO. Dadurch, dass die Parteien stillschweigend von der Geltung des CISG ausgegangen seien, hätten sie keine Erfüllungsortvereinbarung getroffen; denn darin liege keine Abweichung vom dispositiven Recht durch einen privatautonomen Willensakt. Art. 57 Abs. 1 lit. a CISG gehe im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO auch dann nicht vor, wenn der Vertrag vor Inkrafttreten der Brüssel I-VO geschlossen worden sei. Der nach Art. 5 Nr. 1 lit. b Brüssel I-VO nachrangig zu berücksichtigende tatsächliche Erfüllungsort liege aufgrund des Angebots der Klägerin am Ort des geplanten Bauwerks in Spanien; denn erst dort habe sie ihre vertragliche Verpflichtung erfüllen können.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Der Klägerin wird auf ihren Antrag vom 6.10.2005 hinsichtlich der Frist zur Berufungsbegründung auf ihre Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, da sie nach ihrem ausreichend glaubhaft gemachten Vorbringen ohne Verschulden verhindert war, die am 29.9.2005 abgelaufene Frist einzuhalten.
II. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 16.6.2005 (30 O 237/04) gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen seit Zugang dieses Beschlusses.
Die zulässige Berufung hat nach dem gegebenen Sachstand keine Aussicht auf Erfolg. Da die zugrunde liegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung durch Urteil auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherheit einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (vgl. § 522 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO), soll über das Rechtsmittel durch Beschluss entschieden werden.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, weil seine internationale Zuständigkeit nicht gegeben ist. Die dagegen mit der Berufung gerichteten Einwendungen der Klägerin sind unbegründet.
Die internationale Zuständigkeit bestimmt sich im vorliegenden Fall nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 (EuGVVO), die trotz des bereits 2000/2001 geschlossenen Vertrages gemäß Art. 60 Abs. 1, 66 Abs. 1, 76 Satz 1 EuGVVO Anwendung findet, weil die Klage nach ihrem Inkrafttreten am 1. März 2002 eingereicht und zugestellt worden ist.
1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich nicht aus einer Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 23 EuGVVO. Eine solche ist zwischen den Parteien nicht wirksam getroffen worden.
a. Soweit es um eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a EuGVVO geht, bezieht sich der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die zutreffenden, von der Klägerin mit der Berufungsbegründung auch nicht angegriffenen Ausführungen des Landgerichts.
b. Das Landgericht ist aber auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin das Bestehen eines Handelsbrauchs (Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Buchst. c EuGVVO) nicht ausreichend dargelegt hat.
Die wirksame Vereinbarung eines deutschen Gerichtsstandes nach dieser Vorschrift erfordert – trotz der gegenüber den anderen Alternativen der Vorschrift erleichterten Form – eine Willenseinigung zwischen den Parteien, die allerdings vermutet wird, wenn die weiteren dort genannten Voraussetzungen vorliegen (Geimer/Schütze/Auer, Int. Rechtsverkehr, Art. 23 EuGVVO Rn. 94). Im kaufmännischen Verkehr reicht es unter Umständen aus, wenn die andere Partei weiß oder wissen musste, dass der Vertragspartner nur unter seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen abschließt, wenn und soweit diese Einheitsbedingungen einer Branche sind. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen dann gegebenenfalls bei Annahme nicht vorliegen. Dass es sich um solche Einheitsbedingungen handelt, hat die Klägerin jedoch nicht dargelegt. Es geht vielmehr nicht um Standardbedingungen einer Branche, sondern lediglich um ihre eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Für diese gelten daher die allgemeinen Einbeziehungsvoraussetzungen; nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Einbeziehung von AGB im UN-Kaufrecht (BGH NJW 2002, 370, 372) müssen sie dem Vertragspartner des Verwenders übersandt oder anderweitig zugänglich werden.
Die Zuständigkeit des Landgerichts Köln kann auch nicht auf den von der Klägerin behaupteten internationalen Handelsbrauch gestützt werden. Das würde zunächst erfordern, dass es nicht nur bei deutschen Unternehmen, sondern auch in anderen Ländern üblich ist, bei internationalen Verträgen AGB zu verwenden, die eine Gerichtsstandsklausel über die internationale Zuständigkeit enthalten. Das behauptet die Klägerin aber selbst nicht; ihr Vortrag bezieht sich ausdrücklich nur auf deutsche Unternehmen. Vor allem kann aber durch den Inhalt nicht wirksam in den Vertrag einbezogener allgemeiner Geschäftsbedingungen kein Handelsbrauch begründet werden. Es widerspricht dem Grundsatz des guten Glaubens im internationalen Handel (Art. 7 Abs. 1 CISG) sowie der allgemeinen Kooperations- und Informationspflicht der Parteien, dem Vertragspartner eine Erkundigungsobliegenheit hinsichtlich der nicht übersandten Klauselwerke aufzuerlegen und ihm die Risiken und Nachteile nicht bekannter gegnerischer Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu überbürden (BGH aaO). Was dem Grundsatz des guten Glaubens widerspricht, kann aber nicht Handelsbrauch sein.
2. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte lässt sich auch nicht aus dem besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO herleiten. Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die ihren (Wohn-)Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, und zwar, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Nach lit. b) des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO ist 2 im Sinne dieser Vorschrift und sofern nichts anderes vereinbart worden ist, der Erfüllungsort der Verpflichtung für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen.
Sowohl der vereinbarte Erfüllungsort als auch der tatsächliche Lieferort liegen im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung der Klägerin nicht in Deutschland, sondern am Ort des geplanten Bauwerks in Spanien. Nach erfolgter Lieferung ist der tatsächliche Auslieferungsort maßgebend, d.h. der Ort der realen Aushändigung der Sache an den Käufer, und zwar unabhängig davon, wer den Transport organisiert und bezahlt hat. Der tatsächliche Erfüllungsort der Lieferpflicht befindet sich dort, wo der Käufer den körperlichen Gewahrsam an der Ware erlangt hat (Geimer/Schütze/Auer, Art. 5 EuGVVO Rn. 64; MünchKommZPO/Gottwald, 2. Aufl. (2002) Art. 5 EuGVVO Rn. 5; Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 5 EuGVVO Rn. 86; Kropholler, Art. 5 Rn. 40; Hau, IPRax 2000, 354, 358). Der zuständigkeitsbegründende Erfüllungsort deckt sich mit dem Bestimmungsort. Dem stehen – entgegen der Ansicht des Klägers – auch systematische Erwägungen nicht entgegen, insbesondere nicht das Verhältnis zu Art. 15 ff. EuGVVO. Diese betreffen nur den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung und sehen bezüglich der Gerichtspflichtigkeit des Verbrauchers eine ausschließliche Zuständigkeit vor. Daher ist aus der von der Klägerin herangezogenen Formulierung der Vorschrift („Erfüllungsort ist der Ort, an dem die Lieferung zu erfolgen hat“) nach allgemeiner Auffassung nichts Gegenteiliges herzuleiten.
Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte kommt im vorliegenden Fall daher nur in Betracht, wenn ein anderer Ort als Erfüllungsort wirksam vereinbart worden ist. Dass das nicht bereits durch eine Einbeziehung der AGB der Klägerin erfolgt ist, ergibt sich aus dem Vorstehenden. Die Klägerin beruft sich allerdings darauf, dass die Parteien sich dadurch stillschweigend über einen anderen Erfüllungsort geeinigt hätten, dass sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses übereinstimmend von der Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts hier: Art. 57 Abs. 1 Buchst. a CISG) ausgegangen seien. Aus dem CISG ergebe sich aber, dass die vereinbarte Zahlung am Ort der Niederlassung des Verkäufers zu erbringen sei; deshalb sei dieser Ort der hier maßgebliche Erfüllungsort. Das ist aber schon deshalb unzutreffend, weil die Vereinbarung eines von der nunmehr maßgeblichen Gesetzeslage abweichenden Erfüllungsortes eine bewusste Rechtswahl nicht nur zugunsten des UN-Kaufrechts, sondern auch eines solchen Erfüllungsortes erfordert. Eine solche liegt aber nicht vor, denn die Parteien sind lediglich (weil sie es nicht abbedungen haben) stillschweigend davon ausgegangen, dass das CISG anwendbar sei. Darin liegt aber keine Abweichung von dem dispositiven Gesetzesrecht durch einen privatautonomen Willensakt und damit keine Vereinbarung. Eine Erfüllungsortvereinbarung liegt nicht vor, wenn der gesetzliche Erfüllungsort nur bestätigt wird, sondern nur dann, wenn er abgeändert werden soll.
Die Regelung des Art. 57 Abs. 1 Buchst. a CISG ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dann, wenn der Vertrag vor Inkrafttreten der EuGVVO abgeschlossen worden ist, im Rahmen des Art. 5 EuGVVO vorrangig. Das gilt auch, wenn man annimmt, dass die Parteien mit der Vereinbarung über den Erfüllungsort gar nicht den gesetzlichen Erfüllungsort ändern wollten, sondern nur eine Zuständigkeitsvereinbarung im Auge hatten. Denn dann liegt ein „Missbrauchsfall“ vor: Da eine „Vereinbarung“, die nur auf die gesetzlichen Vorschriften verweist, den gesetzlichen Leistungsort gar nicht berührt, handelt es sich tatsächlich um eine echte Zuständigkeitsvereinbarung im Sinne des Art. 23 EuGVVO, die wiederum den Formanforderungen genügen muss (LG Trier, Urt. v. 8.1.2004 – 7 HK.O 134/03 – IHR 2004, 115, 116; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht Art. 5 EuGVVO Rn. 47 bis 49). Eine solche abstrakte Erfüllungsortvereinbarung wäre aus den oben genannten Gründen formunwirksam. Außerdem kann nicht angenommen werden, dass der Kläger mittels seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen einerseits die – nach seiner Ansicht überflüssige – Wahl des deutschen Rechts einschließlich des CISG ausdrücklich bestimmt, andererseits aber auf eine ausdrückliche Erfüllungsortvereinbarung verzichtet hat, da diese als Selbstverständlichkeit nicht hätte geregelt werden müssen, und sich insofern auf eine konkludente Vereinbarung verlassen hat.
Auch der gemäß Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO nachrangig zu berücksichtigende tatsächliche Lieferort liegt nicht in Deutschland. Abgestellt wird auf den Ort der Erbringung der vertragscharakteristischen Leistung (Senat, Urt. v. 14.3.2005 – 16 U 89/04 – RIW 2005, 778, 779; Geimer/Schütze, EuZVR, Art. 5 EuGVVO Rn. 85).
Bezieht man das normative Element zur Bestimmung des Erfüllungsortes im Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO mit ein, der auf die Lieferung „nach dem Vertrag“ abstellt (vgl. dazu Eltzschig, IPRax 2002, 491, 495; Kropholler, Art. 5 EuGVVO Rn. 40) ist Lieferort ebenfalls Bilbao. Denn das Angebot der Klägerin bestimmt ausdrücklich im Text, dass die Depoteinrichtung nach Bilbao transportiert und dort montiert werden soll und die Kosten für Transport und Montage von der Klägerin übernommen werden. Ob die Übernahme der Transportkosten durch die Klägerin allein als Vereinbarung einer Bringschuld zu verstehen ist (vgl. dazu Senat, Urt. v. 16.7.2001 – 16 U 22/01 – OLG Report 2002, 37), kann dahinstehen. Denn ist im Vertrag vorgesehen, dass der Verkäufer das zu erstellende Produkt am Sitz des Käufers zu errichten hat, so ergibt sich jedenfalls daraus die stillschweigende Vereinbarung, dass auch der Lieferort am Sitz des Käufers liegt (OLG München RIW 2000, 712, 713; OLG Celle IPRax 1985, 284, 288; Staudinger/Magnus, CISG (2005), Art. 31 EuGVVO Rn. 33; Honsell, UN-KaufR (1997), Art. 31 EuGVVO Rn. 44; Magnus, ZEuP 2002, 523, 534). Der Vertrag enthält dann eine Vereinbarung dahingehend, dass ein Fernkauf und damit eine Bringschuld vorliegt (vgl. dazu OLG Celle IPRax 1985, 284, 287). Nach dem Angebot der Klägerin hatte diese die Depoteinrichtung in Bilbao zu montieren, woraus sich ergibt, dass die Klägerin ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Beklagten erst in Bilbao als dem Ort der Endabnahme erfüllen konnte.