I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz aufgrund eines Kaufvertrages über die Lieferung von Biogerste, die die Klägerin wegen Zweifel über die Herkunft nicht als solche verarbeiten konnte.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils.
In der Berufung behauptet die Beklagte nun, dass es eine Analysemethode gebe, um die Herkunft aus ökologischem Anbau zu prüfen.
Das Landgericht gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von EUR 24.787,43 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit 17.08.2001. Bezüglich der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Endurteils Bezug genommen.
Gegen dieses am 24.04.2002 zugestellte Endurteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 23.05., eingegangen am 24.05.2002, die mit Schriftsatz vom 21.06., eingegangen am 24.06.2002 begründet wurde und mit der die Beklagte den Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.
Die Beklagte behauptet, das waren begleitende Zertifikat (Anlage B 1)beziehe sich auf die streitgegenständlichen fünf Lieferungen. Für diese Lieferungen legt die Beklagte je einen CMR-Frachtbrief sowie Lieferscheine und Rechnungen der Streithelferin zu 1 vor (Anlagen B 5 bis B 15 und B 21 bis B 25).
Die Beklagte behauptet weiter, dass die Gerste Ökoware gewesen sei, da die Streithelferin zu 1 zertifiziert sei. Die Klägerin habe die Vertragswidrigkeit der Ware nicht bewiesen. Darüber hinaus sei die Klägerin ihrer Rügepflicht nicht nachgekommen und habe auch die Beklagte nicht zur Ersatzlieferung aufgefordert. Die Beklagte bestreitet weiter die Schadenshöhe.
Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung. Sie trägt vor, dass der Geschäftsführer des G. Gartenbauzentrums wegen 848 Fällen der unerlaubten Umdeklaration von konventioneller Ware zu Bioware vom Januar 1999 bis November 2000 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt worden sei. Dies zeige, dass die Bedenken gegen die Ware berechtigt gewesen seien.
Die Streithelferin zu 2 erklärte dazu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dass sich herausgestellt habe, dass die Firma G. Gartenbauzentrum im Jahre 2000 gar keine Gerste angebaut habe. Die gegenständliche Gerstehabe die Firma G. vielmehr von dem Gut K. bezogen; dieses sei aber auch zertifiziert gewesen.
Die Klägerin rügt die vorgelegten Lieferscheine und Rechnungen als verspätet und ist der Meinung, dass sie rechtzeitig gerügt habe, da sie erst durch die Stellungnahme von E… vom 06.02.2001 von der Vertragswidrigkeit der Ware erfahren habe. Auch seien die Parteien davon ausgegangen, dass die fehlenden Dokumente nachgeliefert werden könnten.
Im Hinblick auf die Ausführungen des Senats in der mündlichen Verhandlung ergänzte die Klägerin ihren Vortrag: Es sei üblich gewesen, dass die Herkunft aus einem ökologischen Betrieb aus den Lieferscheinen erkennbar war. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin aber keine unterschriebenen Lieferscheine erhalten. Die Klägerin habe daher die Beklagte unter Bezugnahme auf die Rechnung vom 30.12.2000 unter dem 17.01.2001aufgefordert, unterschriebene Lieferscheine nachzureichen (K 23). Dies habe die Beklagte am 29.01.2001 abgelehnt (K 24) aber eine Partien-Zertifizierung bei der Streithelferin zu 1 angefragt.
Zur Schadenshöhe legte die Klägerin die Anlagenkonvolute zur Preisermittlung in deutscher Übersetzung vor.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage. Die gelieferte Gerste entsprach nicht der vereinbarten Beschaffenheit. Die Klägerin hat aber die erforderliche Rüge unterlassen.
1. Die gelieferte Gerste war nicht vertragsgemäß im Sinne des Art. 35 Abs. 1 CISG.
Geschuldet war Ware, die der EG-Verordnung Nr. 2092/91 über den ökologischen Landbau (künftig VO) entspricht.
Gemäß Art. 1 Abs. 1 a VO gilt die Verordnung für die vertragsgegenständliche Biogerste.
Art. 5 Abs. 1 regelt die Voraussetzungen unter denen bei der Gerste auf den ökologischen Landbau Bezug genommen werden darf. Unter anderem muss die Gerste nach den Vorschriften des Art. 6 erzeugt worden sein und von einem Unternehmen stammen, für das die Kontrollmechanismen der Art. 8 und 9 VO gelten.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 b iVm Art. 9 Abs. 3 VO gelten für die Beklagte und für die Klägerin die in Anhang III zur VO aufgeführten Kontrollanforderungen als Mindestanforderungen des Kontrollverfahrens.
In Ziff. 8 des Anhangs III zur VO sind die Mindestanforderungen für den Transport von Erzeugnissen gemäß Art. 1 VO genannt. Grundsatz dabei ist, dass eine untrennbare und unverwechselbare Verbindung zwischen dem Produkt und den Papieren, die die ökologische Herkunft belegen, gewährleistet wird. Während Anhang III Ziff. 8 zur VO in der ursprünglichen Fassung einen Transport nur in verschlossenen Behältnissen mit einem entsprechenden Etiketterlaubte, so dass ein Austausch des Inhalts nicht möglich ist, ist nach der von der Beklagten für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorgelegten Fassung (Anlage B 17) auch ein offener Transportzulässig (Ziff. 8.2) wenn Versender und Empfänger dem Kontrollverfahren nach Art. 9 VO unterliegen und ein Begleitpapiermitgeführt wird, das Name und Anschrift des für die Erzeugung oder Aufbereitung des Erzeugnisses Verantwortlichen oder bei Angabe eines anderen Verkäufers einen Vermerk enthält, anhand dessen die annehmende Stelle und die Kontrollstelle den für die Erzeugung des Produkts Verantwortlichen zweifelsfrei ermitteln können.
Im vorliegenden Fall wurde die Biogerste in offenen Lkw transportiert, was die Parteien auf Frage des Senats unstreitig stellten. Einentsprechendes Begleitpapier wurde aber nicht mitgeführt.
Nach dem Vortrag der Parteien steht nur fest, dass die Klägerin mit der Lieferung ein CMR-Frachtpapier erhielt (Anlagen B 5, 8, 11, 14 und 22). Dieses erfüllt aber die Voraussetzungen gemäß Ziff. 8 der Anlage III zur VO nicht.
Die von der Beklagten weiter vorgelegten Lieferscheine (B 6, 9, 12, 21und 25) betreffen nur die Lieferung durch die Streithelferin zu 1 und sind an die Beklagte gerichtet. Lieferscheine von der Beklagten an die Klägerin wurden nicht vorgelegt. Die Klägerin spricht zwar in ihrem letzten Schriftsatz von nicht unterschriebenen Lieferscheinen, legt aber trotz des Hinweises des Senats, welche Bedeutung er den Begleitpapieren beimisst, keine vor. Der Geschäftsführer der Streithelferin zu 1 erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass er nicht definitiv sagen könne, ob die Klägerin die Lieferscheine von der Streithelferin zu 1 an die Beklagte auch erhalten habe.
Der Transport von Biogerste ohne Begleitpapiere im Sinne der Nr. 8des Anhangs III zur VO verletzte die Mindestanforderungen für das Kontrollverfahren nach Art. 9. Damit verlor die Gerste die Berechtigung als „bio“ bezeichnet zu werden und für die belgischen Kontrollstellen bestand schon deshalb die Verpflichtung, die Hinweise auf einen ökologischen Landbau von der Ware entfernen zu lassen(Art. 9 Abs. 9 a VO).
Damit entsprach die Gerste nicht mehr der vereinbarten Qualität.
Diese sehr formale Betrachtungsweise ist auch inhaltlich gerechtfertigt. Biogerste lässt sich von konventionell angebauter Gerste nicht oder jedenfalls mit gängigen Methoden und verhältnismäßigem Aufwand nicht unterscheiden. Das System der Verordnung geht daher auch nicht von einer Kontrolle des Produkts aus, sondern baut auf ein System der Zertifizierung der Betriebe bei Erzeugung, Handel und Verarbeitung. Die Tatsache, dass ein Produkt von einem zertifizierten Betrieb stammt und dieser bestätigt, dass es nach den Voraussetzungen des Art. 6 VO erzeugt wurde, erlaubt die Bezeichnung als „bio“ und damit einen wesentlich höheren Preis. Im Fall waren dies DM 625,- pro Tonne Biogerste im Vergleich zu DM 290,- pro Tonne konventioneller Gerste. Dies gilt entsprechend für jede Verarbeitungsstufe. So behauptet die Klägerin für eine Tonne Biomalz einen Verkaufspreis von DM 1.256,- und für normales Malz von DM 605,00.
Letztlich beruht daher der für den Endverbraucher maßgebende Vermerk über die im Kontrollverfahren festgestellte Konformität(Art. 10 VO iVm Anhang V zur VO) auf der Einhaltung der geltenden Kontrollverfahren. Anders ausgedrückt zahlt der Verbraucher einen wesentlich höheren Preis für ein Bioprodukt nicht für eine nachgewiesene Qualität sondern für die Einhaltung von Kontrollverfahren bei Produktion, Transport und Verarbeitung.
„Warenbegleitende Zertifikate“ oder „Partien-Zertifikate“ (Anlagen B 1 oder K 2) kennt die VO nicht. Auch wenn sie üblich sein sollten, können sie nur dann als Begleitpapier im Sinn der Nr. 8.2 des Anhangs III zur VO angesehen werden, wenn sie mit der Warevorgelegt werden. Eine Ausstellung und Vorlage Monate nach der Lieferung, wie hier, erfüllt die Anforderungen nicht. Im Nachhinein ist die Feststellung und Kontrolle die Anhang III erreichen will, nicht mehrmöglich. Dies belegt das „warenbegleitende Zertifikat“ (Anlage B 1)besonders deutlich: Es bescheinigt dem G. Gartenbauzentrum die Lieferung biologischer Gerste, obwohl der Betrieb im Jahr 2000 gar keine Gerste angebaut hat, wie die Streithelferin zu 2 in der mündlichen Verhandlung ausführte. Einen Hinweis, dass das G. Gartenbauzentrum nur als Händler auftrat mit der notwendigen Konsequenz, den Erzeuger zu nennen, enthält das Zertifikat auch nicht.
2. Die Klägerin hat aber ihr Recht, sich auf die Vertragswidrigkeit zu berufen, verloren, da sie diese nicht rechtzeitig gerügt hat (Art. 39 Abs. 1 CISG).
a) Als angemessene Zeit im Sinne dieser Vorschrift ist ein Zeitraum von zwei Wochen (Staudinger, Art. 39 CISG, Rn. 49) oder auch noch ein Monat (Schlechtriem, CISG, 3. Aufl., Art. 39, Rn. 17) anzusehen.
Der Mangel war hier sofort bei Lieferung erkennbar – es fehlte das Begleitpapier gemäß Nr. 8.2 des Anhangs III zur VO – sodass die Frist mit der Lieferung zu laufen begann.
Nach Sinn und Zweck der Vorschrift des Anhangs III Nr. 8.2und insbesondere im Vergleich zur Nr. 8.1 ist das Begleitpapier für jede Lieferung erforderlich. Ein Begleitpapier erst mit der letzten Lieferung ist nicht ausreichend, da es die Anforderungen nicht erfüllt. Dies zeigt gerade der vorliegende Fall, wo die letzte, sechste Lieferung von einem anderen Erzeuger stammte. Ein Begleitpapier für diese Lieferung hätte daher keine Aussagekraft für die vorangegangenen.
Die streitgegenständlichen Lieferungen erfolgten vom 28.09.bis 30.11.2000. Die Rüge der Klägerin erfolgte mit Schreiben vom 15.02.2001 (K 6). Die Anforderung von Lieferscheinen am 17.01.2001 (K 23) stellt keine Rüge dar, wäre aber auch verspätet.
b) Es geht hier auch nicht darum, ob die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Vorlage von warenbegleitenden Papieren im Sinne der Art. 30 und 34 CISG nachgekommen ist und ob Art. 39 Abs. 1 CISG auf eine unterbliebene Übergabe von Papieren entsprechend anwendbar ist. Das Begleitpapier hat hier keine eigenständige Bedeutung. Vielmehr macht sein Fehlen die Ware selbst vertragswidrig wie oben ausgeführt.
c) Die Klägerin hat auch keine vernünftige Entschuldigung für die unterlassene Rüge im Sinn des Art. 44 CISG vorgebracht.
Das Argument der Klägerin, sie habe erst nach der Information durch E… reagieren können, da die Feststellung der Vertragswidrigkeit nur durch diese Stelle möglich gewesen sei, verfängt nicht. Wie ausgeführt entsprach der Transport ohne Warenbegleitpapier gemäß Nr. 8.2 des Anhangs III zur VO nicht den vorgeschriebenen Kontrollmechanismen und machte die Ware damit fehlerhaft. Einer Mitteilung durch E… bedurfte es insoweit nicht.
Auch der Umstand, dass möglicherweise auch früher schon mit Nachzertifizierungen gearbeitet wurde, stellt keine ausreichende Entschuldigung dar. Die Kontrollvorschriften in Nr. 8.2 des Anhangs III zur VO sind eindeutig und, wie obenausgeführt, mit guten Gründen strikt einzuhalten. Eine nachträgliche Zertifizierung von bestimmter Ware sieht die Verordnung nicht vor. Wenn dies in der Vergangenheit gleichwohl geschah, hatten beide Parteien insoweit Glück, denn, wie ebenfalls bereits ausgeführt, verpflichtet allein das unterbliebene Warenbegleitpapier nach Ziff. 8.2 des Anhangs III zur VO die Kontrollstellen nach Art. 9 Abs. 9 a VO den Hinweis auf den ökologischen Landbau entfernen zulassen.
Die Berufung erweist sich somit als begründet und führt zur Aufhebung des Endurteils des Landgerichts Augsburg sowie zur Abweisung der Klage.