-
Zusammenfassung der Entscheidung Der in Polen ansässige Kläger und der Beklagte haben einen Werklieferungsvertrag abgeschlossen. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war der Beklagte in Deutschland ansässig. Auf Antrag des Klägers wurde er von einem deutschen Gericht zur Zahlung einer offenen Rechnung verurteilt. Daraufhin hat er seinen Wohnsitz nach Frankreich verlegt. Der Kläger klagt nunmehr gegen den Beklagten vor einem deutschen Gericht auf Zahlung weiterer nicht beglichener Rechnungen.
Das Landgericht Freiburg (DE) verneint die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Der Beklagte verfüge über keinen allgemeinen Gerichtstand im Sinne von Art. 2 LugÜ in Deutschland, da er in Frankreich seinen Wohnsitz habe. Auch sei kein besonderer Gerichtsstand in Deutschland begründet. Insbesondere greife Art. 5 Nr. 1 LugÜ nicht ein, weil der Erfüllungsort für die Verpflichtung des Beklagten, den geschuldeten Werklohn zu zahlen, nach den Vorschriften des hier anzuwendenden CISG am Sitz des Klägers in Polen liege. Schließlich habe sich der Beklagte auch nicht gemäß Art. 18 LugÜ auf das Verfahren eingelassen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der Kläger hat den Beklagten auf der Grundlage des Vertrages vom 07.09.1997 – AS 31 a – 5126 von ihm hergestellte Metallständer zum Preis von je DM 7,07 geliefert, wobei er nach den vier Teillieferungen jeweils Rechnung gestellt hat. Den Betrag der 4. Teilrechnung hat er vor dem Amtsgericht Göttingen eingeklagt, das den Beklagten mit Urteil vom 11.04.2000 – AS 31 J – zur Zahlung verurteilt hat. Von den ersten 3 Teilrechnungen vom 29.09., 02.10. und 27.10. – AS 31 d, c und b – ist unter Berücksichtigung einer Anzahlung von DM 10.000,‑ noch ein Betrag von DM 18.693,80 offen.
Wegen der Zahlung des – fehlerhaft auf DM 18.720,80 berechneten – Restbetrages hat der Kläger zunächst das Amtsgericht Göttingen angerufen, welches den Rechtsstreit schließlich an das Landgericht Göttingen verwiesen hat.
Die von diesem an die Anschrift „..., 37085 Göttingen“ verfügte Zustellung der Klageschrift nebst der Verfügung über die Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens wurde nach der von der Deutschen Post vorgenommenen Änderung der Wohnanschrift in „..., 79361 Sasbach“ dorthin weitergesandt, wo am 10.05.2001 eine Zustellung durch Niederlegung erfolgte. Nachdem die Deutsche Post die niedergelegte Zustellung am 23.05.2001 mit dem Vermerk „Empfänger verzogen. Einwilligung zur Weitergabe der neuen Anschrift liegt nicht vor“ an das Landgericht Göttingen zurückgesandt hatte – AS 37 – und dieses die Zustellung deshalb als unwirksam erachtet hatte, hat das Landgericht Göttingen das Verfahren am 15.08.2001 formlos an das Landgericht Freiburg „zuständigkeitshalber abgegeben“.
Anstatt die zweifelhafte Abgabe zurückzuweisen wurde dort am 22.08.2001 vom stellvertretenden Vorsitzenden die Zustellung der Klageschrift nebst der weiteren Schriftsätze der Klägerseite an die Anschrift..., 79361 Sasbach verfügt, die am 24.08.2001 durch Niederlegung erfolgte. Nachdem der Beklagte seine Verteidigung nicht angezeigt hatte, erging im Verfahren nach § 331 Abs. 3 ZPO Versäumnisurteil, mit dem der Beklagte zur Zahlung von DM 18.720,80 nebst 26 % Zinsen seit 18.12.1998 verurteilt wurde – AS 49 – 51 –, welches den Parteien, dem Beklagten wiederum unter der angegebenen Anschrift durch Niederlegung, am 12.09.2001 zugestellt wurde.
Mit Telefax vom 26.09.2001 legten die jetzigen Bevollmächtigten des Beklagten gegen das Versäumnisurteil Einspruch ein und teilten unter dem 28.09.2001 mit, der Beklagte unterhalte seit April 2001 seinen Wohnsitz in der „..., F-68160 Ste-Marieaux-Mines“.
Nachdem Zweifel aufgekommen waren, ob die am 24.08.2001 zugestellte Klageschrift und sonstigen Schriftstücke den Anforderungen des § 253 ZPO genügte, reichte der Klägervertreter unter dem 07.11.2001 eine neue Klageschrift ein, die den Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 30.11.2001 zugestellt wurde.
Der Kläger beantragt entsprechend der neuen Klageschrift – AS 105 – 109, den Beklagten zu verurteilen, an ihn DM 18.720,80 nebst 26 % Zinsen seit 18.12.1998 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage als unzulässig abzuweisen.
Er hält die Zuständigkeit des Landgerichts Freiburg für nicht gegeben.
Hilfsweise macht er Verjährung der Ansprüche geltend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und des Verfahrensgangs wird auf die gewechselten Schriftsätze und gerichtlichen Verfügungen sowie Urkunden über Zustellungen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Das Versäumnisurteil ist aufzuheben, weil es nicht in der gesetzlichen Weise ergangen ist.
Die Zustellung vom 24.08.2001 und die Zustellung vom 12.09.2001 sind unwirksam, weil der Beklagte unter der Anschrift, unter der ihm durch Niederlegung zugestellt worden ist, zwar einen Geschäftsbetrieb unter der Firma „... GmbH“ unterhält, deren Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter ist, und auch sein Gewerbe angemeldet hat – AS 187 – 189 und 197 – 211 –, zum Zeitpunkt der Zustellung aber nicht wohnte.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlaß eines Versäumnisurteils lagen somit nicht vor, auch ist dieses mangels Zustellung nicht nach § 310 Abs. 3 ZPO wirksam zustande gekommen.
Das Schein-Versäumnisurteil ist deshalb aufzuheben.
2. Die Klage ist als unzulässig abzuweisen, weil es an der Zuständigkeit des Landgerichts Freiburg fehlt.
Maßgeblich für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit ist das Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil – und Handelssachen vom 16.09.1988 – LugÜ. Nach dessen Artikel 2 Abs. 2 sind Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen.
Eine Zuständigkeit eines deutschen Gerichtes ist aus den Vorschriften des II. Titels des LugÜ nicht zu entnehmen, insbesondere ergibt sich eine solche nicht aus Art. 3 Abs. 1 LugÜ i.V. mit Art. 5 Nr. 1 LugÜ.
Die vertraglichen Beziehungen der Parteien sind nach dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf – CISG – zu beurteilen, dessen Art. 1 Abs. 1 und Art. 3 einschlägig sind. Nach Art. 4 CISG i.V. mit Art. 57 Abs. 1 a) CISG ist Zahlungsort am Ort der Niederlassung des Verkäufers. Mangels einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung ist Art. 97 Abs. 1 b) CISG nicht einschlägig, weil Zahlung erst nach Rechnungsstellung 14 Tage nach Warenversand zu erfolgen hatte, weshalb der Erfüllungsort für die begehrte Werklohnzahlung in Polen liegt.
Der Beklagte hat die Zuständigkeit gerügt und sich auf das Verfahren nicht eingelassen, weshalb sich das Landgericht Freiburg nach Art. 20 LugÜ für unzuständig zu erklären hat und die Klage als unzulässig abzuweisen ist.