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unalex. Rechtsprechung Entscheidung DE-1026
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unalex. Rechtsprechung

Entscheidung DE-1026  



LG München II (DE) 20.02.2002 - 10 O 5423/01
Art. 39, 40, 49 CISG – unalexMängelrügen –unalexDie Rügeobliegenheit des Käufers –unalexDauer der Rügefrist –unalexOffene und versteckte Mängel –unalexKenntnis des Verkäufers von Vertragswidrigkeit –unalexVertragsaufhebung

LG München II (DE) 20.02.2002 - 10 O 5423/01, unalex DE-1026



Im Fall eines Kaufvertrages über Schuhe ist eine Rüge, die erst mehrere Monate nach Lieferung der Ware erfolgt, nicht mehr fristgerecht iSd Art. 39 Abs. 1 CISG, wenn der geltend gemachte Mangel darin liegt, dass lediglich halbe statt ganze Paare geliefert worden sind.

Ein Fall des Art. 40 CISG liegt nicht vor, wenn der vermeintliche Mangel darin besteht, dass anstatt ganzer Paare Schuhe nur halbe Paare geliefert worden sind, da dies bei ausländischen Vertretern möglich ist, ohne einen Mangel zu begründen. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Verkäufer wusste oder hätte wissen müssen, dass bei den für den deutschen Markt bestimmten Lieferungen ganze Paare zu liefern sind.

Eine Nichtlieferung nach Überschreitung des Liefertermins begründet grundsätzlich keine wesentliche Vertragsverletzung iSd Art. 49 Abs. 1 lit. a CISG. Eine Ausnahme liegt z.B. dann vor, wenn ein Fixgeschäft vereinbart worden ist.


-  Entscheidungstext 

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bezahlung gelieferter Schuhe und Kollektionsmuster, sowie weitere Entwicklungskosten und Materialkosten.

Die Klägerin ist eine italienische Firma, die sich mit dem Vertrieb von Schuhen sowie der Vermittlung aller mit der Fabrikation von Schuhen in Verbindung stehenden Dienstleistungen befaßt. Die Beklagte ist ein deutsches Schuh-Handelsunternehmen, das den europäischen Schuh-Einzelhandel mit Schuhen beliefert.

Im Herbst des Jahres 2000 vereinbarten die Parteien, daß die Klägerin der Beklagten in Zukunft Schuhe liefern sollte. Die Beklagte erstellte hierfür zunächst das Design und ein entsprechendes Modell, der Klägerin oblag dann die Realisierung der Schuhe. Diese wurden dann im Einvernehmen mit der Beklagten von Drittfirmen hergestellt, alleinige Vertragspartnerin der Beklagten war aber die Klägerin.

Eine erste Lieferung mit 1032 Paar Schuhen erfolgte am 14.02.2001 und wurde mit 72.455.500,- it. Lire in Rechnung gestellt (Rechnung Nr. 27 vom 14.02.2001, Anl. K 2). Weitere Lieferungen von 68 Paar und 623 Paar fanden am 01.03.2001 und 08.02.2001 statt und die Klägerin berechnete hierfür 5.576.000,- it. Lire (Rechnung Nr. 60 vom 01.03.2001, Anl. K 4) und 46.976,500,- it. Lire (Rechnung Nr. 68 vom 08.03.2001, Anl. K 5). 8 Paar Schuhe wurden auf Wunsch der Beklagten direkt an eine Kundin in Schweden gesandt, wofür 416.000,- it. Lire in Rechnung gestellt wurden (Rechnung Nr. 137 vom 20.04.2001, Anl. K 6).

Mit drei weiteren Rechnungen vorn 06.11.00 und 18.04.01 über 1.498.000,- it. Lire (Rechnung Nr. 156 vom 06.11.00, Anl. K 7), 305.000,- it. Lire (Rechnung Nr. 157 vom 06.11.00, Anl. K 8) und 9.900.000,- it. Lire (Rechnung (Nr. 132 vom 18.04.01, Anl. K 9) stellte die Klägerin der Beklagten die Fertigung von Schuhmustern in Rechnung. Diese Muster werden von der Beklagten bzw. deren Handelsvertretern unter anderem benötigt, um sie ihren Endkunden präsentieren zu können.

Mit einer separaten Rechnung in Höhe von 40.049.000,- it. Lire wurden Entwicklungs- u. Materialkosten in Rechnung gestellt (Rechnung Nr. 230 vom 12.06.01, Anl. K 10).

Zur Auslieferung kamen letztlich anstatt der bestellten über 13.000 Paare nur knapp 3.300 Paare.

Mit Schreiben vom Februar und März 2001 mahnte die Beklagte die Nichtlieferung der bestellten Paare an (Schreiben der Beklagten als Anlage zu Blatt 15 -19 d. Akte). Mit Schreiben der Klägerin vom 19.03.2001 und 23.03.2001 (Anl. K 12 und K 13) wies diese darauf hin, daß die Beklagte ihrer Zahlungsverpflichtung nachkommen möge und daß eine Auslieferung der weiteren Schuhe ohne Absicherung nicht erfolgen könne.

Mit Fax vom 30.03.2001 stornierte die Beklagte die weiteren, noch ausstehenden Lieferungen (Anlage zu Bl. 15 – 19 der Akten). Die angerührten Rechnungen mit einem Gesamtvolumen von 177.176.000,- it. Lire wurden nicht bezahlt. Die Klägerin bringt hiervon eine Gutschrift in Höhe von 16.125.500,- it. Lire in Abzug, die aufgrund teilweiser Monierungen der Beklagten an den Preisen erteilt wurde.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.05.2001 wurde die Beklagte unter Fristsetzung zum 27.05.2001 aufgefordert, die Rechnungen Nr. 156, 157, 27,60 und 68 zu begleichen (Anl. K 11).

Die Klägerin behauptet, daß die Beklagte ihr gemäß der Aufträge ihrer Kunden ca. 70 Einzelaufträge erteilt habe. Ihrer Verpflichtung zum Ausgleich der Rechnungen für die bereits erfolgten Lieferungen sei sie nicht innerhalb der vereinbarten Zahlungsziele nachgekommen. Es sei vereinbart gewesen, daß die Beklagte die einzelnen Lieferungen binnen 10 Tagen nach Warenerhalt zahlen sollte, was sie lediglich bei 2 per Nachnahme erfolgten Zusendungen eingehalten habe. Da ein weiter Rechnungsausgleich nicht erfolgt sei, sei von weiteren Lieferungen Abstand genommen worden – Lieferunfähigkeit oder Unwilligkeit habe dagegen nicht vorgelegen.

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 161.050.500,- it. Lire nebst 13,75 % Zinsen aus 126.811.000,- it. Lire seit dem 28.05.2001 sowie 13,75 % Zinsen aus 34.239.500,- it. Lire seit Klagezustellung zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte macht geltend, daß die 3 Rechnungen Nr. 156, 157 und 132 für die Kollektionsmuster unberechtigt seien, da die Klägerin gegen ihre Pflicht zur paarweisen Lieferung verstoßen habe. Zunächst sei es in Ordnung gewesen, daß lediglich ein halbes Paar geliefert worden sei, weil die Klägerin die andere Hälfte als Muster für die Produktion benötigte. Danach hätte aber die weitere Hälfte ausgeliefert werden müssen, was nicht geschehen sei. Nur bei ausländischen Vertretern gehe es in Ordnung, daß diese eine Hälfte erhalten hätten. Für den deutschen Markt werde die Vertretung allein von den Beklagten vorgenommen, so daß diese das ganze Paar zu erhalten habe. Unstreitig forderte sie die Klägerin mit Schreiben vom 15.05.2001 und 06.06.2001 auf, die andere Hälfte nachzuliefern.

Da wegen Zeitablaufs für die Frühjahr- und Sommerware eine Nachlieferung nicht in Frage komme, sei sie zur Vertragsaufhebung gemäß Art. 49 Abs. 1 a) CISG berechtigt.

Eine Begleichung der Rechnung Nr. 230 für Entwicklungs- und Materialkosten könne nicht verlangt werden, da eine separate Inrechnungstellung nicht vereinbart worden sei. Diese Kosten seien bereits in den Abgabepreisen an die Beklagte mit einkalkuliert worden. Es handele sich um Kosten, die im Rahmen der Entwicklung der Frühjahr- und Sommerkollektion 2001 entstanden seien.

Sie ist der Ansicht, daß ihr ein Aufrechnungsrecht mit Schadensersatzansprüchen wegen entgangenen Gewinns zustehe, da die Klägerin vertragswidrig nicht im bestellten Umfang geliefert habe. Zwischen den Parteien sei kein Zahlungstermin vereinbart worden, es sei vielmehr von einem branchenüblichen Zahlungsziel von 60 Tagen nach Rechnungsdatum auszugehen. Der Klägerin habe daher keinerlei Leistungsverweigerungsrecht bezüglich der noch ausstehenden Lieferungen zugestanden, zumal es sich um einen Gesamtauftrag handele, dessen Bezahlung erst nach vollständiger Ausführung fällig werden sollte.

Da sie ihre Kunden mit 10.494 Paar Schuhe nicht hätte beliefern können, sei ihr ein Rohgewinn in Höhe von 727.614,- DM entgangen. Hinsichtlich der Berechnungen i.E. wird auf die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 19.11.01, dort Seite 5, Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet hierzu, daß die Schuhpaare der Rechnungen Nr. 156 und 132 ordnungsgemäß paarweise geliefert worden seien. Die Lieferung der Rechnung Nr. 156 sei direkt an die Beklagte erfolgt, die Lieferung der Rechnung Nr. 132 sei auf Wunsch der Beklagten direkt an deren Vertreter erfolgt (Anl. K 19). Lediglich hinsichtlich der Rechnung Nr. 157 treffe der Einwand der Beklagten zu, daß insoweit nur ein halbes Paar verschickt worden sei. Deshalb sei auch nur ein halbes Paar, was unstreitig ist, in Rechnung gestellt worden.

Die Rechnung Nr. 230 betreffe die Entwicklungs- u. Materialkosten für die Herbst/Winterkollektion 2001/2002. Aufgrund der Kündung durch die Beklagte könnten diese Kosten nicht mehr in die Preise für die Schuhe eingerechnet werden. Die Begleichung der Rechnung sei aus werkvertraglichen Gesichtspunkten bzw. zumindest als Schadensersatz geschuldet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen Bezug genommen.

Eine Beweisaufnahme ist nicht erfolgt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.

I. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Kaufpreiszahlung in Höhe von 62.492,06 EUR (121.001.500,- it. Lire) aus Art. 53 CISG (UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf) zu.

1.) Das CISG kommt gemäß Art. 1 Abs. 1 a) zur Anwendung, da der vorliegende Rechtsstreit auf Kaufverträgen über Waren zwischen zwei Parteien zweier Vertragsstaaten beruht. Art. 2 ist nicht einschlägig, da der Kauf der Schuhe für das Gewerbe der Beklagten und nicht für den persönlichen Gebrauch erfolgte.

2.) Zwischen den Parteien wurden nach Überzeugung des Gerichts mehrere Kaufverträge abgeschlossen. Die Klägerin hat insoweit vorgetragen, daß ungefähr 70 Aufträge ab September 2000 erteilt worden seien, je nach Eingang der Aufträge, welche die Beklagte von ihren Kunden erhalten habe.

Diese Behauptung wurde seitens der Beklagten nicht substantiiert bestritten. Sie trägt zwar vor, daß nur ein Großauftrag erteilt worden sei, führt hierzu aber keinen konkreten Auftrag oder zumindest ein konkretes Auftragsdatum an. Wenn lediglich ein Gesamtauftrag erteilt worden wäre, müßte ein solcher Termin aber konkret benannt werden können. Statt dessen spricht auch die Beklagte von einem Auftrag aus dem Herbst 2000, der wiederum mit mehreren Bestellungen belegt werden soll. Mehrere Bestellungen entsprechen aber dem Vortrag der Klägerin, da sie keine Anhaltspunkte für einen einheitlichen Vertrag geben.

Die seitens der Beklagten vorgelegte Zusammenstellung der bestätigten Bestellungen vom 21.12.2000 (Anlage zu Bl. 15 – 19 der Akten) widerlegt das Vorbringen der Klägerin ebenfalls nicht, da auch dieser erst im Dezember gefertigten Aufstellung mehrere Einzelaufträge voraus gehen konnten.

Gegen einen einheitlichen Gesamtauftrag, der nur im ganzen zu bezahlen wäre, spricht desweiteren die unstreitig gebliebene Behauptung der Klägerin, daß die Beklagte zwei am 04.04. und 12.04.2001 erfolgte Lieferungen bezahlt habe.

3. a) Die Rechnungen Nr. 27, 60, 68 und 137 wurden seitens der Beklagten unstreitig gestellt.

b) Die Geltendmachung der Rechnungen Nr. 156, 157, 132 für die gelieferten Schuhmuster sind nach Überzeugung des Gerichts ebenfalls begründet, da der Beklagten insoweit kein Recht zur Vertragsaufhebung aus Art. 49 CISG zusteht.

Zum einen ist nach dem Vortrag der Parteien bereits äußerst zweifelhaft, ob der Klägerin überhaupt eine Vertragswidrigkeit vorgeworfen werden kann, die gemäß dem Vortrag der Beklagten darauf beruhen soll, daß die Schuhmuster nicht paarweise geliefert worden seien. Insoweit ist bereits der Vortrag der Beklagten in sich nicht widerspruchsfrei und überzeugend. Zu Anfang wurde behauptet, daß nur eine paarweise Lieferung vereinbart worden sei und eine Versendung eines halben Paares an einen Vertreter nicht in Betracht gekommen sei.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde dann eingeräumt und damit zum Teil der bisherige Vortrag korrigiert, daß es zum einen zu Anfang ohnehin in Ordnung gehe, nur ein halbes Paar zu erhalten und auch ausländische Vertreter ein halbes Paar bekommen würden. Dementsprechend wurde unstreitig gestellt, daß die Rechnung Nr. 157 den französischen Markt betreffe und hier auch nur ein halbes Paar in Rechnung gestellt worden sei. Worin konkret bei dieser Rechnung dann noch eine Vertragswidrigkeit der Klägerin Hegen soll, wurde nicht mehr nachvollziehbar dargelegt.

Selbst wenn aber bezüglich der Rechnungen Nr. 156 und 137 (Anl. K 7 und K 9) eine nicht den Anforderungen des Art. 35 CISG entsprechende Lieferung erfolgt sein sollte, so steht der Beklagten dennoch kein Recht zur Vertragsaufhebung und damit Verweigerung der Bezahlung zu.

Nach Überzeugung des Gerichts hat die Beklagte ihr Recht, sich auf eine Vertragswidrigkeit zu berufen – sollte eine solche überhaupt gegeben sein – gemäß Art. 39 Abs. 1 CISG verloren, da sie diese der Klägerin gegenüber nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach Feststellung angezeigt hat. Nach eigenem Vortrag der Beklagten wurde die Klägerin erst mit Schreiben vom 15.05.2001 und 06.06.2001 aufgefordert, die angeblich fehlenden halben Paare nachzuliefern. Da es sich insoweit aber um die Frühjahrs/Sommer/Kollektion 2001 gehandelt hat und die Beklagte die andere Hälfte zur Präsentation der Schuhe bei ihren Kunden benötigt hätte, war diese Aufforderung ohnehin zu spät. Da die den Rechnungen K 7 bis K 9 zugrunde liegenden Lieferungen sehr viel früher erfolgte, hätte auch der Hinweis auf die Vertragswidrigkeit kurz nach diesen gemäß den Behauptungen der Beklagten fehlerhaften Lieferungen erfolgen müssen.

Eine Zeit von mehreren Monaten kann keinesfalls als noch angemessene Frist gewertet werden (vgl. von Caemmerer/Schlechtriem, Kommentar zum einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 39, Rn. 8).

Art. 40 CISG greift nach Ansicht des Gerichts nicht, da für eine entsprechende Kenntnis der Klägerin kein ausreichender Vortrag der Beklagten erfolgte. Gerade die Tatsache, daß bei ausländischen Vertretern durchaus eine Versendung halber Paare an diese direkt erfolgen konnte, spricht dagegen, daß die Klägerin ohne Zweifel wußte oder hätte wissen müssen, daß bei den für den deutschen Markt bestimmten Lieferungen die ganzen Paare an die Beklagte versandt werden mußten.

Da die Beklagte somit gemäß Art. 39 CISG ihr Recht, sich auf die Vertragswidrigkeit wegen unvollständiger Lieferung zu berufen, verloren hat, steht ihr folglich das Aufhebungsrecht aus Art. 49 Abs. 1 CISG ebenfalls nicht zu. Sie hat die Vertragspreise somit zu zahlen, die in ihrer Höhe unstrittig blieben (vgl. Caemmerer/Schlechtriem, aaO, Art. 39, Rn. 10).

3.) Ein Aufrechnungsrecht mit Schadensersatzansprüchen wegen entgangenem Gewinn steht der Beklagten gegen diese Ansprüche nicht zu.

a) Zum einen scheitern etwaige Schadensersatzansprüche der Beklagten nach Art. 74 ff CISG bereits an Art. 80 CISG, wonach sich eine Partei auf die Nichterfüllung von Pflichten durch die andere Partei nicht berufen kann, soweit diese Nichterfüllung durch ihre Handlung oder Unterlassung verursacht worden ist.

Das Gericht ist insoweit der Überzeugung, daß die Einstellung der Lieferungen darauf beruhte, daß die Beklagte die erfolgen Lieferungen nicht bezahlt hat. Wie bereits ausgeführt wurde, geht das Gericht nicht von einem einzelnen Gesamtauftrag aus, der auch nur einheitlich zu bezahlen gewesen wäre, sondern von mehreren Einzelaufträgen und entsprechenden Lieferungen.

Mangels anderweitiger Vereinbarung wären diese Lieferungen gemäß Art. 58 nach ihrem Erhalt zu begleichen gewesen. Die Behauptung der Klägerin, daß eine 10-Tages-Frist vereinbart worden sei, wurde nicht unter Beweis gestellt. Eine Branchenüblichkeit dahingehend, daß erst 60 Tage nach Rechnungsdatum zu zahlen ist, ist dem Gericht allerdings ebenfalls nicht bekannt. Im übrigen widerspräche sie der Regelung des Art. 58 CISG, der bei fehlenden vertraglichen Vereinbarungen eine ausdrückliche Regelung enthält.

Da die Beklagte aber unstreitig die ihr gestellten Rechnungen zum größten Teil nicht beglichen hat, hat sie mit dieser Unterlassung bewirkt, daß die Klägerin die weitere Lieferung eingestellt hat. Daß die fehlenden Zahlungen Ursache für die Einstellung der Lieferungen waren, ergibt sich insbesondere aus den als Anlagen K 12 und K 13 vorgelegten Schreiben vom 19.03.2001 und 23.03.2001.

b) Selbst wenn aber nur eine einseitige Vertragswidrigkeit bei der Klägerin gegeben wäre, falls diese unberechtigt die weiteren Lieferungen verweigert hätte, so steht der Beklagten dennoch kein Schadensersatzanspruch zu.

Die Beklagte macht Schadensersatz gemäß Art. 76 CISG geltend und stellt eine hierbei zulässige abstrakte Differenzberechnung an.

Art. 76 CISG setzt aber wiederum eine berechtigte Vertragsaufhebung voraus, die nach Ansicht des Gerichts nicht erfolgt ist.

Die Vertragsaufhebung ist gemäß Art. 51 iVm Art. 49 CISG bei einer wesentlichen Vertragsverletzung des Verkäufers oder bei Nichtlieferung innerhalb einer gemäß Art. 47 Abs. 1 gesetzten Nachfrist zulässig.

Eine Nachfristsetzung gemäß Art. 49 Abs. 1 b) iVm Art. 47 Abs. 1 CISG ist nicht erfolgt. Eine Entbehrlichkeit derselben gemäß Art. 47 Abs. 2 CISG ist ebenfalls nicht zu bejahen, da die Klägerin nicht angezeigt hat, ihre Pflichten grundsätzlich nicht erfüllen zu wollen. Die Schreiben vom 19.03.2001 und 23.03.2001 (Anl. K 12 und K 13) reichen für die Bejahung einer endgültigen Erfüllungsverweigerung nicht aus, da die Klägerin gerade im Gegenteil ihre grundsätzliche Leistungsbereitschaft bei vorheriger Zahlung der früheren Lieferungen bekundet. In einem solchen Fall hätte die Beklagte bei Beharren auf ihrem Standpunkt vielmehr eine ausdrückliche Nachfrist setzen müssen unter Hinweis darauf, daß im Hinblick auf den angeblich einheitlichen Vertrag keinerlei Einzelzahlungen geschuldet seien und sie daher zu einem konkreten Termin die ausstehenden Lieferungen erwarte.

Eine wesentliche Vertragsverletzung iSd Art. 49 Abs. 1 a) CISG kann in der bloßen Nichtlieferung nach Überschreitung des Liefertermins nicht gesehen werden. Ansonsten ginge Art. 49 Abs. 1 b) ins Leere, da es dann niemals einer Fristsetzung bedurfte. Nichtwesentlichkeit der Vertragsverletzung iSd Art. 25 ist daher im Falle der Überschreitung des Liefertermins die Regel, Ausnahmegründe wie beispielsweise die Vereinbarung eines „Fixgeschäftes“ sind nicht vorgetragen (vgl. Caemmerer/Schlechtriem, aaO, Art. 49 Rn. 23).

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 1 ist die Vertragsaufhebung daher unberechtigt und der Beklagten steht kein Schadensersatzanspruch aus Art. 76 CISG zu.

Ein Schadensersatzanspruch aus Art. 74 CISG wiederum, der keine Vertragsaufhebung voraussetzt, erfordert eine konkrete Schadensberechnung. Der Vortrag der Beklagten hierzu reicht nicht aus, da in keiner Weise dargelegt und unter Beweis gestellt wurde, daß ein entsprechender Gewinn auch tatsächlich durch Verkäufe hätte erzielt werden können.

4.) Mangels Aufrechnungsrecht kann die Klägerin somit die volle Bezahlung der Rechnungen Nr. 27, 60, 68, 137, 156, 157 und 132 verlangen.

II. Der Anspruch auf Zahlung der Rechnung Nr. 230 über 40.049.000,- it. Lire ist dagegen unbegründet.

1.) Zum einen hat die Klägerin nicht unter Beweis gestellt, daß sie zu den darin berechneten Leistungen überhaupt beauftragt worden ist. Gemäß ihrem Vorbringen handelt es sich insoweit um die Entwicklungs- und Materialkosten für die Herbst/Winterkollektion 2001/2002, für die sie beauftragt wurde. Die Beklagte hat sowohl bestritten, daß es sich um die Rechnung für diese Kollektion handelt, als auch, daß sie dafür überhaupt einen Auftrag erteilt hatte (Schriftsatz vom 15.01.2002, dort Seite 3). Beides wurde seitens der Klägerin nicht unter Beweis gestellt, so daß ein vertraglicher Erfüllungs- oder Schadensersatzanspruch schon aus diesen Gründen ins Leere geht.

2.) Auch dann, wenn man davon ausgeht, daß ein entsprechender Auftrag auch für die Herbst-Winterkollektion erteilt wurde und die Rechnung Nr. 230 diese betrifft, bestehen keine Ansprüche.

a) Nach eigener Darlegung der Klägerin würde es sich hierbei um werkvertragliche Ansprüche handeln, die sich nicht nach dem CISG richten würden. Vielmehr käme über Art. 28 EGBGB mangels Rechtswahl italienisches Recht zur Anwendung. Es fehlt insoweit an jeglichem Vortrag der Klägerin zu den näheren Vereinbarungen und Einzelheiten, beispielsweise dazu, welche vertraglichen Absprachen es gab, falls eine Produktion letztlich nicht durchgeführt werden sollte. Dies wäre für eine nähere Prüfung etwaiger Ansprüche unerläßlich. Darlegungen zu Ansprüchen und Anspruchsvoraussetzungen aus dem italienischen Recht fehlen ebenfalls völlig.

b) Als Schadensersatz gemäß den Regeln der CISG steht der Klägerin der Anspruch ebenfalls nicht zu. Die behauptete Vertragsverletzung durch die Beklagte liegt nach Vorbringen der Klägerin in der Kündigung des Vertrages für die Frühjahr-Sommer-Kollektion. Infolge dieser Vertragsverletzung ist aber nicht der Schaden im Rahmen des behaupteten späteren Vertrages entstanden, es fehlt somit an der nach Art. 74 ff CISG erforderlichen Kausalität für die Schadensentstehung.

3.) Die Klage war somit bezüglich der Rechnung Nr. 230 abzuweisen.

III. Der Zinsanspruch ergibt sich aus Art. 78 CISG.

Der behauptete Bankkredit und damit die geltend gemachte Zinshöhe blieben unbestritten.

Aus den Rechnungen 156, 157, 27, 60 und 68 verlangt die Klägerin seit dem 28.05.2000 Zinsen; abzüglich der von ihr selbst vorgenommenen Gutschrift in Höhe von 16.125.500,- it. Lire verbleibt hierbei ein Betrag von 110.685.500,- it. Lire, aus dem ab diesem Zeitpunkt Zinsen verlangt werden können. Bezüglich der Rechnungen Nr. 132 und 137, welche einen Betrag von 10.316.000,- it. Lire ausmachen, werden Zinsen ab Rechtshängigkeit verlangt. Zustellung erfolgte am 12.10.2001.





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